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9c. Metallarbeiten des Privatlebens
Eine Patene in Washington mit Darstellung der Verteilung von Brot und Wein an die Apostel stammt aus einem Schatzfund, zu dem neben Kelchen und Fächern wahrscheinlich eine weitere Patene mit demselben Bildthema gehört hat. Diese befindet sich in Istanbul und soll aus dem Ort Stuma stammen, der nahe bei Riha liegt. Auf dem flachen Rand der Patene aus Riha befindet sich eine griechische Inschrift: ΥΠEP
AΝΑΠΑΥCΕωC CΕΡΓΙΑC ΙωΑΝΝOΥ Κ(αι) ΘΕOΔOCΙOΥ Κ(αι) CωΤΗΡΙΑC ΜΕΓΑΛOΥ Κ(αι) ΝOΝΝOΥ Κ(αι) ΤωΝ ΑΥΤωΝ ΤΕΚΝωΝ – »Für den Seelenfrieden der Sergia, der Tochter des Johannes, und des Theodosius, und für die Rettung des Megalos und der Nonnous und ihrer Kinder.« Die Wortwahl unterscheidet zwischen der Fürbitte für Verstorbene und der Bitte der lebenden Stifter für sich selbst und ihre Kinder. In der Darstellung tritt Christus zweimal auf. Er steht hinter einem Altar mit liturgischen Geräten und spendet auf der linken Seite dem ersten von sechs Aposteln den eucharistischen Kelch und auf der rechten Seite dem ersten der übrigen sechs Apostel das Brot. Diese zweigeteilte Form der Austeilung der Eucharistie an die Apostel ist im Codex Rossanensis (S.) auf zwei ganzseitige Miniaturen verteilt und von den biblischen Einsetzungsworten begleitet (Matthäus XXVI 26–28). Sie geht vermutlich auf die Ausmalung der Apsis einer Kirche zurück. Im Bild der Patene aus Riha steht hinter der Eucharistieszene eine Säulenarchitektur, auf deren Architrav zwei Lampen stehen. Der Muscheldekor des Bogens erinnert an ein Ciborium (ein Altarüberbau) über dem Altar (das bei der Patene aus Stuma deutlicher zu erkennen ist). Unter dem Hauptbild sind eine Griffschale (trulla) und ein Krug dargestellt. Wie bei zahlreichen Silberobjekten des 6. und 7. Jhs. befinden sich auf der Unterseite der Patene fünf Kontrollstempel unterschiedlicher Form, mit denen vor der Ausarbeitung des Dekors die Reinheit des verwendeten Silbers bestätigt wurde. Durch das kaiserliche Monogramm ist die Datierung in die Zeit JustinsII. (565–578) gesichert. Der Stifter Megalos war ein hochrangiger Beamter am Kaiserhof in Konstantinopel und zeitweise in der Finanzverwaltung für die Anbringung der Stempel verantwortlich. Stempel mit seinem Namen finden sich auf weiteren Objekten, beispielsweise der Patene aus Stuma und einer Hängelampe in Riggisberg.
9c. Metallarbeiten des Privatlebens
Die Largitionsschalen von Kaisern wurden bereits oben behandelt (S.), ebenso die Schale des Konsuls Ardabur Aspar (S.). Doch blieben auch Arbeiten zu privatem Gebrauch erhalten, die zum Teil sehr qualitätvolle Beispiele des spätantiken Kunsthandwerks darstellen.
Der Schatzfund aus Augusta Raurica (Kaiseraugst) stellt mit einem Gewicht von 57,5kg eine der größten Sammlungen spätrömischen Silbers dar. 75 der 270 Objekte gehören zum silbernen Tafelgeschirr. Als letzte Besitzer bezeichnen gepunzte Angaben zwei höhere Offiziere, von denen einer Marcellianus hieß. Da sich unter den Funden eine Largitionsschale des Kaisers Constans zu seinen Vicennalien im Jahre 342/43 und außerdem zwei Silberbarren des Magnentius (350/51) befinden, könnten diese Kaiser ihre Dienstherren gewesen sein. Warum sie nach dem Sieg des Constantius II. über Magnentius ihren Besitz vergruben, wissen wir nicht. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit den Einfällen der Alamannen zwischen 351 und 353, die das Lager von Raurica zerstörten.
Nachdem die Meerstadtplatte aus einer Silberplatte getrieben war, wurde ihr ein flacher Fuß angesetzt (Abb.191). Der Dekor im zentralen Rundfeld und auf dem erhöhten Rand wurde ziseliert und mit Niello gefüllt. Die acht Bildfelder des Randes sind abwechselnd mit geometrisch-pflanzlichen Motiven und Jagdszenen geschmückt. Bei letzteren sind zwischen Bäumen und Sträuchern Jäger zu Pferde und zu Fuß mit ihren Hunden bei der Jagd auf Bären, Eber, Hirsche und Hasen gezeigt. Das mittlere Medaillon enthält in der oberen Hälfte eine Ansammlung von Bauten mit Giebeldächern und Kuppeln, zu denen eine doppelseitige Rampe am Meeresufer Zugang bietet. Da zu spätantiken Stadtdarstellungen eine umgebende Stadtmauer gehört, ist das Ensemble als eine prunkvolle Villa anzusehen, deren zusätzlicher Luxus in der Lage am Wasser besteht. Dessen Oberfläche ist mit einer reichen Meeresfauna und mehreren Booten bedeckt, aus denen ein oder zwei geflügelte Eroten mit Netzen und Angeln fischen.
Bei der achteckigen Achilles-Platte ist auch der figürliche Dekor des Mittelmedaillons und des Rahmens von unten getrieben, Details sind anschließend von oben nachgearbeitet (Abb.193). Ein Fußring ist angefügt. Auf der Unterseite sind zwei Gewichte angegeben; das niedrigere nennt den Endzustand, das höhere dürfte das Rohgewicht der Platte bezeichnen.
Abb.191. Cleveland, Ohio, The Cleveland Museum of Art, Inv. 50.378. Kelch, Silber, getrieben, Höhe 16,8 cm, Durchmesser 13,5–13,8 cm.

Abb.192. Augst, Römermuseum, Inv. 1962.2. Platte mit Villa am Meer (›Meerstadtplatte‹), Silber mit Teilvergoldung und Niello, Durchmesser 59 cm, Höhe 5 cm, Gewicht 4,75 kg, Herstellung vermutlich in Rom, Fundort Kaiseraugst.
Mit Punzen wurde auch der griechische Name des Künstlers eingeschlagen: Pausilypos von Thessaloniki. Auf dem Rand und im Mittelkreis sind elf Szenen aus dem mythischen Leben Achills vor seiner Teilnahme am Trojanischen Krieg wiedergegeben, der ihm höchsten Ruhm und den Tod brachte. Das letzte und entscheidende Ereignis ist besonders groß ins Zentrum gestellt. Die Grundlinie, auf der die Gestalten im Mittelfeld stehen, verläuft nicht parallel zu einer Gefäßseite, sondern schräg dazu. Zieht man von ihrer Mitte aus eine Senkrechte zum Rand, so trifft sie genau auf die Säule, die das vorletzte und das erste Ereignis der mythischen Biographie von einander trennt. Verfolgt man die Bildfelder von hier beginnend gegen die Uhrzeigerrichtung, so findet man folgende Szenen: 1) Nach Achills Geburt ruht sich seine Mutter Thetis aus, der Knabe sitzt schon auf dem Boden. 2) Thetis taucht ihren Sohn zum Schutz in den Unterweltsfluss, neben dem die Flusspersonifikationen Styx und Acheron zu sehen sind. Die Ferse Achills, an der ihn seine Mutter hält, bleibt verwundbar und wird später vom tödlichen Pfeil getroffen werden. 3) Thetis bringt Achill zur Erziehung dem weisen Kentauren Chiron (ein Mischwesen von Pferd und Mensch). 4) Achill speist – und Chiron zeigt ihm die Tiere, deren Mark als Speise ihm Kraft geben soll. 5) Achill soll von Chiron, auf dessen Rücken er sitzt, das Jagen lernen. 6) Chiron lässt Achill von Kalliope, der Muse der Dichtkunst, im Lesen unterrichten. 7) Achill lernt Diskuswerfen und Laierspiel. 8) Chiron gibt Achill der Mutter zurück. 9) Thetis bringt ihren Sohn zu König Lykomedes auf
Abb.193. Augst, Römermuseum, Inv. 1962.1. Platte mit AchillesDarstellungen, Silber, Durchmesser 53 cm, Höhe 3,9 cm, Gewicht 4,64 kg, Herstellung in Thessaloniki, Fundort Kaiseraugst.

die Insel Skyros, damit er in Mädchenkleidern versteckt wird. 10) Achill spielt den vier Töchtern des Königs auf der Laier vor. Neben ihm sitzt seine Geliebte Deidameia, die entdeckt hatte, dass er kein Mädchen sei. Hieran schließt das Zentralbild der Platte unmittelbar an, in dem der listige Odysseus es fertigbringt, Achill durch Trompetenklang zur Teilnahme am Krieg um Troja zu verführen. Seltener als Prunkgeschirr mit mythologischen Darstellungen sind spätantike Objekte mit Hinweisen auf die traditionellen heidnischen Kulte. Das Hauptbild der Kybeleplatte aus Parabiagio stellt einen zweirädrigen Wagen dar, der an der Seite mit einer Tänzerin geschmückt ist und von vier Löwen gezogen wird (Abb.194). Auf ihm sitzt die phrygische Göttermutter Kybele in einem Mantel, der über den Kopf und die Mauerkrone gezogen ist. Ihr rechter Arm stützt sich auf ein Tambourin, mit der rechten Hand hält sie ein Zepter, die Linke greift in das Gewand. Neben ihr sitzt ihr Geliebter, der jugendliche Attis, der mit Tunika, Chlamys, enger Hose und phrygischer Mütze bekleidet ist und eine Hirtenflöte (syrinx) und einen Hirtenstab hält. Um den Wagen tanzen drei mit kurzer Tunika bekleidete Diener der Göttin als Korybanten mit Helm, Schwert und Schild einen Waffentanz. Rechts taucht Atlas aus der durch einen Grashüpfer und eine Eidechse bezeichneten Erde auf und hält den ovalen Tierkreis, in dem Aion als Sinnbild ewiger Dauer steht. Er ist nur mit dem Mantel bekleidet, hält in der linken Hand ein Szepter und umfasst mit der rechten den Tierkreis. Ähnliche Bedeutung könnte auch die Schlange haben, die sich

Abb.194. Mailand, Civico Museo archeologico, Inv. AO.9.14264. Platte, Silber, gegossen, graviert, teilweise vergoldet, Durchmesser 39 cm, Höhe 5,4 cm, Gewicht 3,5 kg, Triumph der Kybele, Fundort Parabiagio bei Mailand.
weiter rechts um einen Obelisken windet. In der oberen Zone sind die Wagen des Sonnengottes und der Mondgöttin zu sehen, denen Phosphorus, die Personifikation des Morgensterns, und Hesperus, die Personifikation des Abendsterns, vorausfliegen. Die unterste Zone gehört den irdischen Bereichen von Erde und Meer. Ganz unten in der Mitte erheben sich über den Fischen des Meeres die Büsten der Meergottheiten Okeanus und Thetis mit Krebsscheren im Haar, Okeanus trägt ein Steuerruder. Rechts davon liegt die Erdgottheit Tellus. Eine lange Schlange windet sich um ihr Füllhorn, aus dem Weintrauben quellen und auf dem ein nackter Knabe sitzt, der mit ausgestrecktem Zeigefinger der rechten Hand nach oben weist, ebenso wie ein zweiter, der bei Tellus steht und ihr die linke Hand auf die Schulter legt. Links neben diesem Knaben folgen die Personifikationen der vier Jahreszeiten. Ganz links in dieser unteren Zone erscheinen zwei weibliche Flusspersonifikationen (Quellnymphen). Die Einzelmotive sollen die zeitliche und räumliche Unbegrenztheit der Herrschaft der Göttin in allen Lebensbereichen symbolisieren. Der Teller gehört in den Umkreis der heidnischen Opposition, die beim Victoria-Altar in der römischen Kurie (S.) und beim Diptychon der Nicomachi und Symmachi (Abb.210–211) zu erwähnen ist.
Der Sevso-Schatz von vierzehn spätantiken Silbergefäßen (Datierung ca. 350–450), die um 1980 im Kunsthandel auftauchten, wird allgemein nach der Umschrift des Mittelmedaillons dieses großen Silbertellers benannt. Sie ist von einem Kranz mit XP-Monogramm eingeleitet, den ersten Buchstaben des Namens Christus, und als Geschenkwunsch for-
Abb.195. London, British Museum, Inv. PY 1866,1229.1. Proiectakasten, Silber, mit getriebenem Reliefschmuck und Vergoldung (außer auf der Rückseite), Länge 55, 9 cm, Breite 43,2 cm, Höhe 28,6 cm, Gesamtbild. muliert: H(a)EC SEVSO TIBI DVRENT PER SAECVLA MVLTA POSTERIS VT PROSINT VASCVLA DIGNA TVIS – »Seuso, mögen diese wertvollen Gefäße Dir für lange Zeit erhalten bleiben, damit sie auch Deinen Nachkommen dienen können.« Der Fußring von 51 cm Durchmesser wurde bereits mitgegossen. Für die Anlage der Randfriese mit Darstellungen der Jagd, einer Villa mit Hirtenbildern und mit geometrischen Motiven und die Eintragung mehrerer Kreise um das Mittelmedaillon wurde das Objekt auf einer Scheibe gedreht, wie ein vertiefter Zentrierpunkt erkennen lässt. Die Mahldarstellung im Mittelmedaillon befindet sich unter einer Hirschjagd mit Netz und über einem Wasserlauf mit aneinandergereihten Fischen und einer Wildschweinjagd. Unter einer zwischen zwei Bäumen dachförmig aufgespannten Stoffbahn ist ein Mahl dargestellt (zum »Sigmamahl« siehe S.). Gelagert ist ein Paar zwischen drei wohl jüngeren Männern, die Frau mit Scheitelzopffrisur, Tunika und Halsschmuck, die Männer in kurzer Tunika mit verzierten Schmuckstreifen. Auf dem runden Tisch steht ein Missorium mit einem Fisch, ein weiteres wird herangetragen, ebenso wie Getränke. Eine starke Freude am Detail zeigen die Szenen der Speisezubereitung, der Weinflaschenbehälter und ein Krug mit Griffschale unter dem Tisch – nicht zu vergessen der Mahlteilnehmer, der den Hund füttert. Die Beischrift IN(n)OCENTIVS – »der keinen Schaden bringt« benennt das Lieblingspferd des Hausherrn, der Name PELSO bezeichnet den Wasserlauf als einen See in Pannonien (heute wohl der Plattensee in Ungarn). Außer diesem Exemplar enthielt der Schatzfund noch drei weitere Silberplatten, außerdem unter anderem fünf Krüge und eine Deckelbüchse.
Diese konnte verschlossen und an drei in einem Ring vereinigten Ketten getragen und aufgehängt werden. Eine Einsatzplatte mit sieben Löchern von 4,3 cm Durchmesser lässt erkennen, wie viele Flaschen und Büchsen für Parfüm oder Salben der Behälter aufnehmen konnte. Den Deckelknauf schmückt ein Gorgonenkopf, der Deckel trägt unter Akanthusblättern vier geflügelte, nackte Eroten mit Girlanden aus Früchten und Kornähren. Über letzteren erscheinen die Masken von Silen und einem Satyr, über den Früchten die Masken zweier Mänaden. Der Figurenfries der Büchse ist durch zwei tief herabhängende Vorhänge in zwei Bildfelder geteilt. Im breiteren werden der im Zentrum sitzenden Herrin von ihren Dienerinnen vor kurzen Wandbehängen Gegenstände, Gefäße und Behälter gebracht, die zur Toilette und


Körperpflege gehören. Ein Spiegel dient dem Anlegen von Schmuck. Die letzte Dienerin auf der rechten Seite trägt einen großen Behälter, ist jedoch bereits auf die neben ihr beginnende Badeszene gerichtet. In dieser sind neben Wasserspeiern in Form von Löwenköpfen und einer voll bekleidete Dienerin zwei nackte Frauen zu sehen und eine weitere, die sich gerade auszieht.
Ein Schatzfund, der 1792 unterhalb des römischen Esquilin geborgen wurde, enthält verschiedene wertvolle Gegenstände, die üblicherweise in einem vornehmen Stadthaushalt Verwendung fanden. Besondere Beachtung haben stets vier Aufsätze mit Stadtpersonifikationen gefunden (Abb.), außerdem zwei für die weibliche Toilette bestimmte Gegenstände. Ein mit Musendarstellungen geschmückter kreisförmiger Behälter für Kosmetikflaschen, der mit der Parallele im Sevso-Schatz zu vergleichen ist, und der Proiectakasten (Abb.195). Bei diesem hat der eigentliche Behälter ebenso wie sein mit Scharnieren befestigter Deckel die Form einer abgeschnittenen Pyramide mit rechteckigem Grundriss. Auf der Oberseite des Deckels halten zwei nackte Eroten einen Kranz mit den Halbfiguren eines Mannes und einer Frau. Diese trägt reichen Halsschmuck und eine Buchrolle oder deren Hülle in den Händen, für den Mann ist seine Zugehörigkeit zur römischen Aristokratie gesichert, da er über der langärmeligen Tunika eine Chlamys trägt, die von einer Kreuzbogenfibel gehalten wird. Die vom Christusmonogramm mit Alpha und Omega eingeleitete Inschrift auf der Vorderkante des Deckels kann dem Dekor gleichzeitig oder später zugefügt sein: SECUNDE ET PROIECTA VIVATIS IN CHRI(sto). – »Secundus und Proiecta, ihr möget in Christus leben«. Auf der Vorderseite des Deckels richtet eine fast unbekleidete Venus vor dem Spiegel eine Nadel in ihrem Haar (Abb.196). Sie sitzt in einer Muschel, die von Seekentauren gehalten wird, auf deren Rücken zwei Eroten stehen, die der Göttin einen Kasten und einen Korb mit Gaben bringen. Zu dieser Szene gehören auch die Darstellungen der Nebenseiten: zwei Nereiden, die auf einem Seepferd und einem Seedrachen reiten, wiederum im Beisein von Eroten. Im Unterschied zu diesen mythischen Darstellungen zeigt das Bild auf der Rückseite des Deckels ein Ereignis aus dem Leben der Besitzerin, das an die Darstellung auf dem Kasten anschließt. Diese übergreift alle vier trapezförmigen Felder und daher sind diese gleichförmig mit Säulen gegliedert, die abwechselnd Bögen und Giebel tragen, stets ausgehend von einem mittleren Bogen. Auf der Vorder-
Abb.196. Detail: Venus und die Besitzerin des Kastens richten ihr Haar.
Abb.197. London, British Museum, Inv. PY 1866,1229.23. Leistenaufsatz mit Darstellung der Stadtpersonifikation von Konstantinopel. Silber, gegossen, teilweise vergoldet, Höhe 16 cm, Breite ca. 6 cm, Tiefe 8,4 cm.

seite sitzt die Frau des Hauses auf einem Faltstuhl mit hoher Rückenlehne, durch reichen Halsschmuck ausgezeichnet. Sie hält in der linken Hand eine runde Büchse und vollführt mit der rechten Hand dieselbe Bewegung am Haar wie ihr mythisches Vorbild, die unmittelbar über ihr auf dem Deckel dargestellte Venus. Den Spiegel für die Ordnung des Haares hält eine Dienerin im nächsten Säulenfeld. Weitere Dienerinnen und Diener in den übrigen Abschnitten tragen die verschiedensten Geräte, die für Bad und Körperpflege gebraucht werden. Mit solchen Objekten wird die Dame auf der Rückseite des Deckels zu einem prächtigen Bauwerk mit vielen Kuppeln geleitet. Für eine Interpretation der Szene als Gang zum Bade sprechen vergleichbare Darstellungen in Mosaiken und auf der Deckelbüchse des Sevsoschatzes, für eine Einführung in die Villa des Hausherrn kann man Villendarstellungen wie das Mosaik des Dominus Julius anführen (Abb.174). Auch die Haustiere, die dem Personal auf dem Proiectakasten beigegeben sind (Pfauen, Tauben, Hühner, Rebhühner und Enten) gehören zur spätantiken Villendarstellung. Die Anbringung einer betont christlichen Widmungsinschrift auf einem Objekt, in dessen Darstellungen das Bild der Venus als Sinnbild für weibliche Schönheit verwendet wird, scheint in der römischen Aristokratie des ausgehenden 4. Jhs. offenbar unproblematisch gewesen zu sein.
Aus dem römischen Schatzfund, dessen größtes Objekt der Proiectakasten darstellt, stammen auch vier Aufsatzhülsen, die auf Leisten mit einem Querschnitt von ca. 3,5 cm x 3,5 cm aufgesetzt werden können (Abb.197). Zur Sicherung dient ein Stift, der an einer Kette befestigt ist. Diese Vorrichtung lässt darauf schließen, dass die Stücke nicht von einem häuslichen Möbelstück stammen, sondern nur bei Bedarf an einer Sänfte oder einem Wagen angebracht wurden. Auf der Oberseite jeder Hülse sitzt eine der vier Stadtpersonifikationen von Rom, Konstantinopel, Alexandria und Antiochia; unter ihnen ist jeweils ein großes Blatt beweglich angebracht. Alle Frauen tragen eine gegürtete Tunika mit zwei Zierstreifen und haben einen Mantel übergeworfen. Rom und Konstantinopel tragen einen Helm, die beiden anderen Personifikationen eine Stadtmauerkrone. Als Insignien hat Rom Speer und Schild, Konstantinopel Armringe, Spendeschale und Füllhorn, Alexandria Früchte, Ähren und einen Schiffsbug, Antiochia Früchte und Ähren. Die Gestalt der letzteren unterscheidet sich von den drei anderen durch die Beigabe von Felsen und der Flusspersonifikation des Orontes
– noch nach 600 Jahren war das Vorbild einer Skulptur des Eutychides wirksam. Zum anspruchsvollen Tafelgeschirr gehörten auch Krüge verschiedener Form. Hier wird ein wertvolles Beispiel aus Trier abgebildet, bei dem bereits die technische Herstellung erstaunlich ist (Abb.198). Der hohe, schlanke Krug ist nicht etwa gegossen, sondern wurde vom Silberschmied aus einer einzigen Silberplatte getrieben. Der Deckel besteht aus einer anderen Silberlegierung und könnte daher ein antiker Ersatz sein. Die Umrisse und die Innenzeichnung der Darstellungen wurden ziseliert und dann mit Niello aus Silber und Schwefel gefüllt. Die übergreifende Anordnung des Dekors in Zonen unterschiedlicher Höhe ist wohlüberlegt im Wechsel von silbernen und vergoldeten Feldern und von geraden und bogenförmigen Oberkanten. Neben ornamentalem und pflanzlichem Dekor sind die zwölf Apostel dargestellt: Von den vier mit Tunika und Mantel bekleideten Männern in der Hauptzone über dem größten Durchmesser ist Petrus wegen des vollen Haupt- und Barthaares und Paulus wegen der hohen Stirn und des spitzen Bartes zu benennen. In der untersten Zone wechseln sich vier Apostel mit vier Lämmern ab, die sicher als Allegorien der vier fehlenden Apostel gelten müssen, da sie ebenso wie die figürlich dargestellten Apostel einen Nimbus haben. Für Aposteldarstellungen ist im römischen Tafelsilber bisher keine Parallele bekannt, doch blieben zahlreiche Silberlöffel erhalten, auf denen jeweils einer der zwölf Apostelnamen eingraviert ist. Der Krug könnte in der ersten Hälfte des 5. Jhs. in einer Werkstatt im Westen des Reiches gearbeitet worden sein. Dieses Meisterwerk spätantiker Silberschmiedekunst wurde 1992 an einer Stelle in Trier ausgegraben, in deren Nähe 1628 ein Silberschatz gefunden wurde, der rund 50 Objekte mit einem Gewicht von 115kg umfasste und wegen Geldmangels eines Klosters eingeschmolzen wurde.
Der sechseckige Münzanhänger in London vertritt einen großen Halsschmuck mit weiteren vier Anhängern (Abb.199). Seine Fläche hat eingebogene Seiten und ist in Durchbruchsarbeit verziert (opus interrasile), ebenso auch die oben angelötete Öse zur Durchführung einer Kette. In der Mitte des Anhängers ist eine Fassung ausgearbeitet, in die eine Gedenkmünze im Wert von zwei Solidi eingesetzt ist. In Öffnungen an den sechs Ecken sind einzeln getriebene Büsten eingelötet, die nicht einmal einen Zentimeter hoch sind.
Die Münze zeigt auf der Vorderseite in entsprechender Umschrift die nach links gerichtete Büste Konstantins I. in Panzer und Feldherrnmantel (paludamentum), mit einer Strahlenkrone und einem Globus.

Abb.198. Trier, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 1992,51. Krug, Silber, getrieben, mit Vergoldung und Niello, Henkel gegossen, Höhe mit Deckel 50,2 cm, Durchmesser 13,8 cm, Gewicht ca. 2,8 kg, Fundort Trier.
Abb.199. London, British Museum, Inv. PY 1984,0501.1. Sechseckiger Anhänger für eine Halskette mit eingesetzter Münze, Gold, Größter Durchmesser 9,24 cm.

Auf der Rückseite sind die beiden ältesten Söhne Konstantins, die Caesares Crispus und Constantinus II. als Konsuln mit Globus und Adlerszepter dargestellt, nach der Umschrift in ihrem 2. Konsulat, also 321. Die sechs Büsten sind zur Mittelachse ausgerichtet, auf der sich das Bild Konstantins befindet. Es sind, oben beginnend und im Uhrzeigersinn beschrieben, eine Frau mit Tiara und Schleier; ein bärtiger Mann mit kurzem, lockigem Haar; eine Frau mit Diadem und oben kranzartigem Haar; ein junger Mann mit phrygischer Mütze (Attis); ein Mann mit Stirnband und Weinblättern und Trauben im Haar. Die Durchbruchsarbeit zwischen den Büsten zeigt jeweils ein symmetrisches Muster, das von einem kleinen Herz ausgeht und mit eingerollten Ranken ein größeres Herz bildet. Bereits als Einzelobjekt ist dieser goldene Anhänger ein beachtliches Beispiel spätantiken Kunsthandwerks. Doch gehörte er zu einem Ensemble von fünf Anhängern, die heute auf vier Museen verteilt sind. Auch ein Verschluss für eine Kette und einige die Anhänger trennende Zwischenglieder in Form korinthischer Säulen mit Basis und Kapitell blieben erhalten. In der Mitte des Ensembles befand sich ein achteckiger Anhänger mit acht kleinen Büsten, dann folgten auf jeder Seite eine kreisförmige und außen eine sechseckige Münzfassung. Zwei der eingesetzten Münzen haben zwar die selben Bilder wie die übrigen, tragen jedoch eine Umschrift zum 3. Konsulat im Jahre 324. Ein ikonographisches Programm für die insgesamt 32 Büsten dieses Halsschmucks wurde bisher nicht entdeckt. Als kaiserliches Geschenk müsste das Objekt


Abb.200. Bonn, Rheinisches Landesmuseum, Inv. 72.0315.01. Zwiebelknopffibel mit Christogramm im Dekor, Kupferlegierung, vergoldet, Niello, Länge 8,0 cm, Breite des Querarms 6,5 cm, Grabfund Bonn.
Abb.201. Detail: Christogramm.
vor der Ermordung des Crispus 326 hergestellt und übergeben worden sein. Doch lassen Vergleichsbeispiele für die Durchbruchsarbeit und die Miniaturskulpturen an eine spätere Datierung innerhalb des 4. Jhs. denken, was auf einen privaten Kontext hinweist.
Diese Gewandspange aus Bonn ist nicht, wie formal ähnliche Exemplare des frühen 4. Jhs. voll gegossen, sondern aus einzelnen Teilen zusammengesetzt, die alle, auch die typischen Zwiebelknöpfe am Ende des Bügels und an den Enden des Querarms, hohl sind (Abb.200). Daher dürfte sie erst im letzten Drittel des Jahrhunderts gefertigt sein. Das zum Niellodekor von ineinandergreifenden, mit Quadraten gefüllten Kreisen zugefügte Christusmonogramm mit den apokalyptischen Buchstaben Alpha und Omega am Abschluss des Nadelkastens zeigt die Ausbreitung des Christentums in höheren Rängen der militärischen und zivilen Ebene zu dieser Zeit (Abb.201). Die Fibel wurde in einem römischen Sarkophag an der Jakobstraße (Kesselgasse) in Bonn gefunden. Die Waffen des Toten sind typisch für nichtrömische Krieger. Da die meisten der übrigen Grabbeigaben vom Balkan stammen und eine sehr ähnliche Fibel in Ungarn gefunden wurde, dürfte nicht nur die Fibel, sondern auch der Verstorbene aus den donauländischen Provinzen des Imperiums gekommen sein. Solche Fibeln, mit denen der Mantel oder ein Umhang auf der rechten Schulter geschlossen wurde, lassen auf Träger aus höheren Rängen und ihre Familienangehörigen schließen. Da dieses Exemplar aus Bonn keinen Kaisernamen trägt, wie etwa die Fibel von der Mosel (Abb.), gibt es keinen Anlass, es unter die kaiserlichen Geschenke einzuordnen.
Oben wurden die Bauten des Ostgotenkönigs Theoderich und ihre Ausschmückung behandelt. Eine besondere Form der Ausgestaltung von Schmuckgegenständen und Insignien brachten Goten und andere germanische Stämme aus dem Gebiet des Schwarzen Meeres im 4. und 5. Jh. in den Westen: die Füllung goldener Zellen mit Almandin. Dieser rote Stein aus der Gruppe der Granate scheint in der Antike aus Indien importiert worden zu sein, so dass sein Name auf den Handelsplatz Alabanda (südliche Türkei) zurückgeführt wird. Neben den in größerer Zahl auch jenseits der Alpen in Grabfunden erhaltenen Rundfibeln und zikadenförmigen Anhängern und Fibeln stellen zwei große Adlerfibeln aus einem Schatz- oder Grabfund in Domagnano einen Höhepunkt dar (Abb.202). Die vor 120 Jahren gefundenen Objekte des späten 5. und frühen 6. Jhs. besitzen keinen archäologischen Kontext, sie kamen sofort in den Kunsthandel und sind auf zahlreiche Museen verteilt. Das paarweise Auftreten zweier Fibeln mit nach links oder rechts blickenden Adlern entspricht der spätantiken Mode weiblicher Kleidung. Für diese Fibeln gibt es Parallelen in Frankreich und Spanien und Vorläufer in Sattelbeschlägen aus einem Fürstengrab der 2. Hälfte des 5. Jh. im rumänischen Apahida. Die
Abb.202. Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. FG 1608. Adlerfibel, Gold, Zelleneinlagen Almandin und Lapislazuli, Federnadel Bronze, Länge 12,0 cm, Breite 5,9 cm, Fundort vermutlich Domagnano, Republik San Marino/Italien.

Herstellungsweise der in Nürnberg aufbewahrten Fibel entspricht dem allgemeinen Standard dieser Almandinarbeiten. Auf eine goldene Grundplatte wurden Stege aus Goldblech aufgelötet, so dass Zellen unterschiedlichen Formats entstanden, durch die auch eine Binnenzeichnung des Objekts gebildet wurde. In die Zellen wurden auf einer Kittfüllung die Steine eingesetzt, deren Oberkanten einen Facettenschliff besaßen und die durch Einbiegen der Stege gesichert wurden. Die Farbe und der Glanz der durchscheinenden Almandine wurden durch verschiedene Unterlagen verändert, etwa durch silberne oder goldene Folien. Auch Lapislazuli und Elfenbein sind bei dieser Fibel verwendet, von deren 246 Einlagen 187 verloren gingen, darunter auch die Füllung des Auges und des Mittelkreises im zentralen Kreuz. Dieses ist sicher nicht nur ein dekoratives Motiv, sondern als christliches Symbol hervorgehoben. Die Kostbarkeit des Materials und der hohe Herstellungsaufwand lassen auf eine hochrangige Besitzerin schließen, was auch durch die übrigen Objekte des Fundes von Domagnano bestätigt wird.

Abb.203. München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 378. Kreisförmiger Anhänger für eine Halskette, Gold, Durchmesser 7,6 cm, Dicke 1,1 cm.
Die Darstellung biblischer Szenen breitete sich in der Kunst Konstantinopels auch im Bereich persönlicher Schmuckgegenstände aus, wie eine Reihe von erhaltenen Ringen, Gürtelbeschlägen und Goldanhängern belegt. Das abgebildete Beispiel eines Halsschmucks wurde ausgewählt, weil auf ihm Darstellungen aus der biblischen Kindheitsgeschichte Jesu mit einem Hochzeitsbild verbunden sind (Abb.203–204). Bei diesem Medaillon in München sind zwei mit getriebenen Darstellungen und Perlenrahmen versehene Goldbleche aneinandergelegt und werden durch den etwas stärkeren Rahmen mit Durchbruchsverzierung (opus interrasile) zusammengefasst. Auf der Vorderseite ist ein Brautpaar dargestellt, das sich in traditioneller Weise die rechten Hände gibt (dextrarum iunctio). Mann und Frau werden von Christus zusammengeführt, der seine Hände auf ihre Schultern legt und dem die griechische Umschrift die Versicherung in den Mund legt: »Meinen Frieden gebe ich euch!« (Johannes XIV 27). Die drei Gestalten stehen auf einer Bodenlinie, unter der aus einem Kantharos Ranken quellen. Der bärtige, langhaarige Christus ist in »Bedeutungsgröße« dargestellt und mit einem Kreuznimbus ausgestattet. Bei der Darstellung des jungen, bartlosen Mannes ist alles getan, um durch die reichen Besätze der Tunika, des Gürtels und des Mantels (chlamys) und vor allem die übergroße gebogene Fibel seinen hohen Rang zu betonen. Der Kopfschmuck der Frau mit einem doppelten Perlendiadem mit mittlerem Edelstein, drei Aufsätzen und
Abb.204. Rückseite.

langen Perlenanhängern käme eigentlich einer Kaiserin zu, die dazu jedoch eine Chlamys tragen würde. Ungewöhnlich ist auch der Versuch, ein privates Hochzeitsbild des 6./7. Jhs. durch die Symbole von Sonne und Mond neben den Köpfen des Brautpaars aufzuwerten. Das Hauptbild der Rückseite zeigt die Verkündigung an Maria. Der Gruß des Engels Gabriel ist in der Umschrift wiedergegeben: »Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir!« (Lukas I 28). Maria hält als Hinweis auf das legendäre Spinnen für den Tempelvorhang in der linken Hand den gesponnen Faden, der in einen runden Korb führt. Das Monogramm zwischen den Köpfen ist eine Verbindung der Anfangsbuchstaben des Namens Christi mit dem Kreuz. Unten ist die verbleibende Fläche mit den sehr kleinen Figuren zweier weiterer Szenen aus der Kindheitsgeschichte gefüllt: der Begegnung von Maria mit Elisabeth (Lukas I 39–52) und der Geburt Jesu (II 1–20), die mit dem Hinweis auf den Zweifel der Salome verbunden ist (S.). Medaillons mit Darstellungen biblischer Szenen waren nicht nur Schmuck, sondern gleichzeitig Amulette zur Übelabwehr. Ein Beispiel in Berlin mit den Bildern der Verkündigung an Maria und des Weinwunders auf der Hochzeit zu Kana trägt auf beiden Seiten die für Amulette typische Schutzanrufung »Herr, hilf der Trägerin!«
Viel deutlicher als beim Hochzeitsanhänger ist der Amulettcharakter bei den gleichzeitigen Anhängern


(Enkolpien) mit der Darstellung eines Reiterheiligen durch die Umschriften herausgestellt (Abb.205–206). Auf der Vorderseite lautet der Text: + O ΚΑΤOΙΚOΝ
ΕΝ ΒOΗΘΙΑ ΤOΥ ΥΨΙCΤOΥ Ε(ν) CΚΕΠ(η) ΤOΥ ΘΕOΥ ΤOΥ OΥΡΑΝOΥ ΑΥΛΙCΘΕCΕΤΑΙ ΕΡ(ε)Ι ΤO ΚΥΡ(ιω) – »Wer in der Hilfe des Höchsten wohnt und im Schutz des Himmelsgottes ruht, der spricht zum Herrn« (Psalm XCI 1). Das Hauptmotiv der Darstellung ist ein nach rechts gewendeter, mit Nimbus ausgezeichneter Reiter. Er ersticht mit seinem Speer, an dessen oberem Ende ein Kreuz und ein Banner zu sehen sind, ein am unteren Rand stehendes vierfüßiges Tier mit Kopf und Brüsten einer menschlichen Frau und langem Schwanz. Vor ihm steht, ihm zugewandt, ein nimbierter Engel, der einen Stab in der Linken trägt. Über dem Engel ein Stern, zu seinen Füßen eine Leiter. Links neben dem Reiter steht der Text: EIC Θ(ε)C O ΝΙΚOΝ ΤΑ [cαcα] – »Der eine Gott, der das Böse besiegt.« Die Rückseite trägt die Umschrift: + CΦΡΑΓΙC Θ(εO)Υ ZOΝΤOC
ΦΥΛΑΝ ΑΠO ΠΑΝΤOC ΚΑΚOΥ ΤOΥ ΦOΡOΥΝΤΙ ΤOΥ ΦΥΛΑΚΤΕΡΙOΝ ΤOΥΤOΝ – »Siegel des lebendigen Gottes, bewahre den Träger dieses Phylakterions (Amuletts) vor allem Übel«. In der Darstellung thront oben der nimbierte Christus (mit Kodex?) in einer Mandorla zwischen den geflügelten vier Wesen. Mensch und Adler »tragen« die Mandorla, Stier und Löwe stehen links und rechts außen. Darunter steht das »Trishagion«: ΑΓΙOC ΑΓΙOC ΑΓΙOC (cυριc cααθ) – »Heilig, heilig, heilig (Herr Sabaoth)«. Es folgen zwei Zeilen mit magischen Zeichen (»Charakteres«, für uns nicht zu deutende Buchstaben); bei den oberen, größeren Zeichen enden alle Striche in kleinen Kreisen, wie auf weiteren Amuletten und in Zauberpapyri belegt. Unten kann man einen nach rechts springenden Löwen über einer liegenden Frau erkennen. Rechts neben dieser Gruppe ist der Dekor bis auf ein Rad mit Speichen unlesbar.
Zu diesem Amulett existieren zwei Parallelexemplare in Ann Arbor und Washington. Die obigen Ergänzungen zur Inschrift stammen von diesen Exemplaren. Diese Amulette des 6. Jhs. knüpfen an frühere Gemmen und Bronzeamulette an, bei denen der Reiter, der eine Dämonin ersticht, meist als Salomon benannt ist. Sie führen den Gottesnamen IAω und werden inschriftlich als »Siegel Salomos« bezeichnet. Dieser Name geht auf eine kaiserzeitliche gnostische Schrift zurück, das »Testamentum Salomonis«. Der geringen materiellen und künstlerischen Qualität vieler Amulette steht eine weite Verbreitung und ein besonders intensiver Bezug zum täglichen Leben der Träger gegenüber.
Abb.205. München, Sammlung C. Schmidt, Inv. 1462. Amulett mit heiligem Reiter, Bronze, gegossen; Dekor eingraviert, Durchmesser ca. 5 cm, Dicke 0,1 cm, Öse ausgerissen, Herkunft aus dem östlichen Mittelmeerraum.
Abb.206. Rückseite.