Walfer Buet Juillet / Août 2012

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06 sich und der Öffentlichkeit das antike Bauwerk erschlossen. Mit dem Walferdinger Raschpëtzer-Qanat verfügt Luxemburg über einen der besterhaltenen römischen Tunnelbauten nördlich der Alpen – und einen der tiefsten und längsten. Die Zahlen sprechen für sich: Eine geschätzte Gesamtlänge von über 600 Metern, wovon 330 Meter als sicher erforscht gelten, und eine beeindruckende Tiefe von 36 Metern. Die durch die Leitung fließende Wassermenge beträgt bis heute konstant 180 m³ pro Tag. Ohne Wartung und Pflege – seit 2000 Jahren nonstop. Vermutlich wurde die Anlage im Jahre 130 n. Chr. errichtet. Für diesen Kraftakt, der ausgeprägte ingenieurtechnische Fähigkeiten erforderte, haben die Römer wahrscheinlich 2-3 Jahre Bauzeit benötigt. Doch was ist eigentlich ein Qanat? Der Begriff entführt in ferne Wüstenregionen. Qanat, so wurden im alten Persien unterirdische Fließwassergewinnungsanlagen bezeichnet. Auch in anderen Gegenden Vorderasiens und im afrikanischen Mittelmeerraum sind derartige Konstruktionen

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bekannt. Die Römer brachten das Wissen um den Qanat-Bau kurzerhand aus dem Nahen Osten nach Europa mit. Denn auf den Luxus fließenden Wassers verzichtete kein Römer, der etwas auf sich hielt. Doch wohin das Wasser der Raschpëtzer nun genau geleitet wurde, diese Frage wirft bis heute Rätsel auf. Fakt ist: Die Existenz mindestens einer noch nicht ausgegrabenen Römervilla zwischen Helmsingen und Heisdorf ist bekannt. Vermutlich war sie der Bestimmungsort des Wassers aus der "Haedchen"-Senke. Doch wer betreibt einen derartigen Aufwand zur Versorgung lediglich eines Gebäudes? Experten vermuten daher, dass im Boden noch Spuren einer ganzen Römersiedlung verborgen liegen könnten. Die ausgegrabene Römervilla in Helmsingen ist ein weiteres Kapitel des auf dem Gelände der Gemeinde dokumentierten Römerlebens. Es handelt sich hierbei um eine großzügig gestaltete, palastartige Anlage, die Anfang der 90er Jahre freigelegt wurde. Sie ist allerdings nicht von den Raschpëtzern mit Wasser versorgt worden.

Was diese antike Stätte im Vergleich zu ähnlichen Villen dieser Art besonders macht?

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Die vielfältigen Fundgegenstände, die einem kulturellen oder religiösen Kontext zuzuordnen sind. So zum Beispiel ein Stein mit eingearbeiteten Figuren, die voraussichtlich die drei Gottheiten Merkur, Apollo und Minerva darstellen. Die Größe des Gebäudes und die gefundenen Relikte legen nahe, dass ein Angehöriger der lokalen Oberschicht der Bauherr der Villa gewesen sein muss – und Geschmack hatte. Gefundene Austernschalen verweisen auf die kulinarischen Vorlieben der Bewohner. Für Nicolas Kohl ist es ein Herzenswunsch, dass die Forschung weiter geht und irgendwann das gesamte römische Siedlungsgebiet im Alzettetalhang in Einheit mit den Raschpëtzern erforscht und für Interessierte mit Erklärungsstationen erschlossen ist. Dann werden auch die letzten Geheimnisse der Walferdinger Römer gelüftet sein, über die im Moment noch der Schleier der Geschichte liegt.

Der vom Syndicat d'initiative et de tourisme angelegte "Réimerpad" führt an der Römervilla und den Raschpëtzern vorbei. Ein entsprechender Flyer kann auf der Internetseite des SIT heruntergeladen werden. www.sitwalfer.lu/reimerpad.pdf Der SIT hat zudem zahlreiche Buchpublikationen unter der Autorenschaft von Georges Faber, Nicolas Kohl, Guy Waringo und Pit Kayser herausgegeben. Eine Übersicht gibt es auf der Homepage des SIT: www.sitwalfer.lu/publications.html Die Galerie des Schachtes -5 ist jeden Sonntag zwischen 14.30 Uhr und 17.30 Uhr kostenlos der Öffentlichkeit zugänglich. Ein geführter Rundgang kann bei der Gemeindeverwaltung angefragt werden. Hierzu muss ein Formular ausgefüllt werden, das auf der Internetseite der Gemeinde zur Verfügung gestellt wird: www.walfer.lu, Tel.: 33 01 44 - 1

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06 & 07 Si les pierres pouvaient parler. La villa romaine de Helmsange a été mise au jour au début des années 1990. Il s'agit d'un véritable palais. Après la villa d'Echternach, c'est le deuxième plus grand site de ce genre découvert au Luxembourg. Wenn Steine sprechen könnten: Die Römervilla in Helmsingen ist Anfang der 90er Jahre ausgegraben worden. Ein regelrechter Palast, nach der Villa in Echternach ist es die zweitgrößte derartig bekannte Anlage in Luxemburg. 08 Le sentier des Romains “Réimerpad” du SIT vous emmène sur les traces de l’Antiquité. D’une longueur de 3,6 km, il part de la villa romaine à Helmsange. Wer dem “Réimerpad” des SIT folgt, wird auf die Spuren der Antike geführt. Der Weg startet an der Römervilla in Helmsingen und ist 3,6 Kilometer lang. 09 Pendant des décennies, un mystérieux puits dans la forêt suscitait toutes sortes de spéculations. Il s'est avéré que ce n'était pas un trou de lutin, mais une remarquable prouesse technique. Le temps du chantier du Qanat, les nombreuses galeries des Raschpëtzer servaient à l'aération ainsi qu'à l'évacuation de la terre et de la boue. Par ailleurs, elles permettaient un mode de construction très efficace, avec la possibilité de travailler simultanément dans différents secteurs. Jahrzehnte lang sorgte ein mysteriöser Erdschlund im Wald für Spekulationen. Kein Wichtelloch, sondern ingenieurtechnische Raffinesse: Die vielen Schächte der Raschpëtzer dienten während der Bauzeit des Qanats als Luftzufuhr und Abtransportmög­ lichkeit für Erde und Schlamm. Ferner ermöglichten sie eine hoch effiziente Bauweise, da an verschiedenen Teilstücken gleich­zeitig gearbeitet werden konnte. 07

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