KANU Magazin #01.2014

Page 1

FAMILIENTOUR: MIT SACK UND PACK DEN INN HINAB Europas größtes Magazin für Paddler kanumagazin.de facebook.com/KANUMAGAZIN Deutschland 6,– Euro Österreich 6,70 Euro Schweiz 10 Sfr Spanien, Italien & Finnland 7,95 Euro Benelux 7,– Euro

#1 März 2014

REISE // SEEKAJAK: SEEKAJ TÜRKEI // WILDWASSER: GEORGIEN & KÄRNTEN

INTERVIEW //// SLALOM-ASS SLALOM-A ASS TOBI KARGL // FILMEMACHER RUSH STURGES // BOOTSBAUER TONI PRIJON

, CIAO WINTER

HALLO

FRÜHLING!

ALTMÜHL BIS ZUM MITTELMEER

VON N DER R 8 TOUREN V

WILDWASSER-KAJAKTEST

DIE NEUHEITEN DER SAISON 001001-Cover-KM0114-end.indd 2

24.01.14 12:22


NEU 2014

CURVE

Agilität, Sicherheit und das geringste Gesamtgewicht seiner Klasse bei gleichzeitig höchster Stabilität!

Prijon GmbH Innlände 6 83022 Rosenheim info@prijon.com fon 08031 30370 www.prijon.com kajakaktiv.prijon.com

Material HTP • Länge 268 cm • Breite 68 cm • Gewicht PRO LIGHT 18,5 kg / PRO 21 kg • Volumen ca. 300 l • Paddlergewicht 75 - 115 kg

Prijon steht für Qualität, Ökologie, Nachhaltigkeit und Innovation.

Alle Informationen im Gratis-Katalog 2014

SCHAUMDOM vorne versteift die HTP-Hülle zusätzlich, im Ernstfall dient er als Not-Ausstiegshilfe.

SCHAUM-PRALLTOPF (PRO-light) mit Shock-Absorber-Gurten.

Durchgehende BODENSCHIENE mit Wurfsackhalterung.

Extrem stabiler SITZ, formschlüssig mit der Bodenschiene verbunden. Sitzbreite und Sitzhöhe können mit Schaumpads individuell angepasst werden.

SCHAUMDOM hinten versteift die HTP-Hülle zusätzlich.

002003-Editorial-KM0114-end.indd 2

PUR

HTP ist grundwasserneutral und schwermetallfrei.

t 17,5 O ligh E PR

ESP

RO 1

Beim Recyclen entstehen weder giftige Gase noch Rückstände.

FORT

9 kg

kg

HTP-Kajaks besitzen deutliche Vorteile in Formstabilität, Abrieb und Bootsgewicht gegenüber Kajaks aus rotiertem PE.

HTP-Bootsschalen benötigen keine Behandlung mit Lacken, Wachsen oder Pflegemitteln.

Die neue PRO-Ausstattung Mit der neuen PRO-Ausstattung sind die PRIJON-Wildwasserkajaks noch deutlich leichter und steifer.

CURVE PRO light 18,5 kg 27.01.14 07:23


// EDIT <

1/2 014 1/2014

KANU-Test einmal anders – statt Schnee im Schwarzwald und Eis in Lofer wurden die Wildwasserkajaks 2014 bei angenehmeren Temperaturen getestet.

Testen wie der FC Bayern DAS GIBT ES in vielen Sportarten. Noch bevor die Wettkampfsaison beginnt, versammeln sich Athleten in Trainingslagern. Diese Epizentren liegen auf dem Globus verstreut. In der Winterpause etwa fliegen viele Fußballteams nach Katar. Diesen Winter waren es der FC Bayern, Schalke 04 und Red Bull Salzburg. Allen gemeinsam: Sie suchen warme Temperaturen, optimale Sportstätten, eine gute Infrastruktur und Abwechslung vom heimatlichen Trainingstrott.

Mit voller Kraft ins Jubiläumsjahr!

Im Herbst 2014 feiert das KANU-Magazin 20-jähriges Jubiläum. Erinnert sich noch einer an die Erstausgabe mit Shaun Baker im grünen Topolino beim Rückwärtskerzeln? Entsprechend motiviert geht die Redaktion daher in voller Mannschaftsstärke in eine vielversprechende Saison: Philip Baues testet Kajaks (großes Bild oben) und Haarteile für die Festivitäten, Christoph Scheuermann (mit echtem Haarteil) redigiert Artikel aus dem Land seiner Mutter (Kärnten), Sebastian Lüke tüftelt im Backend und Moritz Schäfer erklärt Eiskanal-Bezwingerin Cindy Ruch, deren erste Wasserfallbefahrung für KANU 4/14 im Themenplan steht, wie man Wasserfälle fährt. Auch klar ist: Aufgeräumt wird nächstes Jahr.

SEIT KURZEM liegt das Epizentrum für Slalompaddler in den Vereinigten Arabischen Emiraten, gar nicht so weit entfernt von Katar und vom FC Bayern. In der Oasenstadt Al Ain an der Grenze zum Oman, etwa zwei Autostunden von Dubai entfernt, wurde vor zwei Jahren der Wadi Adventure Park mit einem perfekten Wildwasserkanal errichtet. IN DER INTERNATIONALEN Slalomszene hat sich schnell herumgesprochen, dass dieser Kanal kaum zu überbieten ist. Angenehme Temperaturen im Winter, gute Flugverbindungen und kaum Jetlag, konstante Wasserstände und freundliches Personal. Im Januar tummelten sich dort Nationalmannschaftspaddler aus Polen, Frankreich, England, Österreich und Deutschland im Wildwasserkarussell, darunter auch Weltcupsieger Sebastian Schubert und Hannes Aigner, Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen in London.

ALS EINE EINLADUNG in die Redaktion flatterte, diese Topathleten für ein deutsches Sportmagazin beim Wintertraining zu begleiten, konnte KANU natürlich nicht Nein sagen. Doch damit nicht genug. Was, wenn wir die Gelegenheit nutzen und dort gleich den zu Jahresbeginn geplanten Wildwasserkajaktest abspulen? Also noch einen zweiten Flug für Cheftester Arnu gebucht und die Fluglinie Emirates freundlich gefragt, ob man nicht vielleicht statt einem Koffer auch zwei Kajaks ... EINE GOLDRICHTIGE ENTSCHEIDUNG . Statt bei Schmuddelwetter und halb gefrorenem Popometer spulten wir unter Idealbedingungen Runde um Runde ab und konnten uns drei Tage lang so intensiv wie niemals zuvor mit den Booten auseinandersetzen. Ein Triple gibt es für KANU 2014 zwar nicht zu gewinnen, wohl aber das Vertrauen der Leser durch Kompetenz und Engagement – und das ist uns jeden Aufwand wert.

MICHAEL NEUMANN, C H E F R E DA K T E U R

KANU 01.14 | 3

002003-Editorial-KM0114-end.indd 3

27.01.14 07:23


> INHALT //

24

Was macht eigentlich einen Paddelprofi aus? Rush Sturges plaudert aus dem Nähkästchen.

48 Toni Prijon im Interview.

1/2014

INHALT

30

Atlantik statt Hallenbad beim UK Storm Gathering.

> SZENE //

> REISE //

06_

10_

Szene Die Termine des Kajakfilmfestivals, Video-Workshops beim XXL-Paddelfestival mit Olaf Obsommer und ein Lektüretipp zu Südschweden.

08_

Come Inn and find out Manuel Arnu samt Familie unterwegs auf dem Unterlauf des Inn.

18_

Seekajakrevier Türkei Karien bietet alles, was Tourenpaddler glücklich macht.

Fotogalerie: Paddler’s Pick Die Gewinner der Leserwahl 2013.

30_ 24_

Report: How to go pro Vom Dirtbag zum Profipaddler: Filmemacher Rush Sturges über seinen Werdegang.

48_

Titel: Bitte Lächeln: Wo Redakteur Baues und Tester Arnu beim CoverShooting versagen, strahlt Slalomkanutin Katja Frauenrath gleich beim ersten Versuch perfekt in die Kamera. Foto: Michael Neumann

70_

36_

Kanuland Kärnten Acht traumhafte Touren in Österreichs sonnigem Süden.

VIP: Toni Prijon Das Rosenheimer Urgestein über Führungsstil, die Entwicklung des Sports und »kauzige« Paddler.

UK Storm Gathering In Schottland findet jährlich das kälteste Seekajaktreffen statt.

42_

Ski to paddle in Norwegen Martin Fiala unterwegs mit Boot und Ski auf der Insel Senja.

Interview: Tobias Kargl Das Slalom-Ass über das Leben als und den Weg zum Spitzensportler.

74_

Paddelperle Georgien Das Revier am Kaukasus im Porträt.

4 | KANU 01.14

004005-Inhalt-KM0114_end.indd 4

24.01.14 11:44


Images: Pete Astles

74

Kennt kaum wer: die Vorzüge des Paddelreviers Georgien.

Mit Kind und Kegel auf dem einst so wilden Alpenstrom.

10

> SERVICE // 50_

Tourentipps Zwei Trips auf heimischen Gewässern: Lahn und Altmühl.

54_

60_

54

Wildwasser-Kajaktest Pyranha Burn III, Exo Six und Liquid Logic Stinger im Test auf der Wildwasserstrecke in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Die schickt keiner in die Wüste: Drei neue Wildwasserboote im Test.

Haben wollen 22 federleichte Touring-, Stechund Wildwasserpaddel.

64_

Gute Linie Jens Klatt erklärt, wo’s langgeht. Diesmal: Kehrwassertraining an der Koritnica-Mündung.

66_

Tested on Tour Flotte Falter: Das Origami-Kajak und ein Enten-Paddel im Praxistest.

> RUBRIKEN // 03_ 52_ 82_ 82_

Editorial Marktplatz Impressum Vorschau

4XDOLW\ ÷ 3HUIRUPDQFH ÷ 'HVLJQ

004005-Inhalt-KM0114_end.indd 5

24.01.14 11:44


> SZENE //

O

Director’s

Workshop Video-Dreh mit Big

2014

XXL-Paddelfestival – das bedeutet von Profis lernen. Einer der Stargäste des Festivalprogramms heißt Olaf Obsommer. Und der hat den (Video-)Dreh raus.

Von 1. bis 4. Mai steigt im Kanupark Markkleeberg bei Leipzig das größte Kanufestival Europas. Alle relevanten Hersteller und Händler der Republik stellen Boote und Equipment zum Praxistest zur Verfügung. Die künstlichen Paddelparcours (WW II und IV) bieten Wildwasserpiloten beste Bedingungen. Tourenpaddler führen ihr Traumboot auf der Markkleeberger Seenplatte aus. XXL-Paddelfestival, das heißt nicht nur Fachsimpeln mit Kollegen und Boote testen, bis der Arzt kommt. Die viertägige Sause lockt auch die Profis nach Markkleeberg, und die geben ihr Wissen ans Paddlervolk weiter. Unter anderem konnte Olaf Obsommer als Referent gewonnen werden. Im Workshop »1001 Tipps und Tricks zum Videodreh im Wildwasser« erklärt er Hobbyfilmern, wie sie ihre Leidenschaft zur Perfektion bringen können. Als vielfacher Expeditionsleiter an den entlegendsten Flüssen des Planeten sind – neben der Video-Dokumentation – Risikomanagement und die Planung des Trips Olafs täglich Brot. Im Workshop »Sicher paddeln« gibt er seine Erfahrungen weiter. Außerdem zeigt »Big O« seinen Full-HD-Filmvortrag »Mit Fahrrad und Kajak über die Alpen«. Weitere Workshops und Vorträge zu den Themen Technik, Material und Sicherheit sind in Planung. Das Programm wird nach und nach ausgebaut, ein regelmäßiger Klick auf www.paddelfestival.de lohnt sich.

Pistenflucht Paddelsport

Holt die Boote aus dem Keller! Der mieseste Winter des Jahrhunderts? Kein Grund, die Schultern hängen zu lassen. Die Devise heißt: Das Kajak aus dem Keller, den Bizeps gespannt und ab ins Boot! Wessen Zuhause sich nahe der Alpen befindet, entdeckt im Winter die Evergreens des Kanusports im neuen, zauberhaften Kleid. Ob Entenlochklamm, die Saalach bei Lofer oder Lammeröfen – genug Wasser hat’s dort auch zur kalten Jahreszeit und der Slalom zwischen ausgewaschenen Kalkriesen entwickelt seinen ganz eigenen Reiz. Im Bild links stürzt Robert Machacek über den Stromboding-Fall der Steyr, rechts schlängeln sich die V-Boyz durchs Hufeisen der Salzachöfen.

6 | KANU 01.14

006007-Szene-KM0114-end.indd 6

24.01.14 10:53


{ Feuchte Träume auf großer Leinwand

Der März bringt’s – Rosenheim, Unna, Kirchheim, Hannover und Speyer heißen die Stationen des längst legendären Kajakfilmfestivals. Traumhafte Landschaften, fremde Kulturen, Spitzensport – Olaf Obsommer holt für das Kajakfilmfestival bereits zum 17. Mal die schönsten Filme rund ums Paddeln nach Deutschland. 2014 nehmen Jonas Grünewald, David Ernst, Florian Petry und Nils Dippon die Zuschauer mit nach Indien, wo die vier Deutschen dem Lauf des Siang folgend durch den Himalaja brechen. In »Walled In« erzählt Ben Stokesberry die Geschichte einer risikoreichen Erstbefahrung in den Sierras von Kalifornien. »Alone on the river« schließlich entführt das Publikum nach Nepal, wo Stéphane Pion eine extrem aufwändige Expedition in der unzugänglichen Dolpo-Region dokumentiert hat. Allein der Zustieg über 5000 Meter hohe Pässe dauerte neun Tage. Das Filmprogramm wird in den nächsten Wochen weiter ergänzt, alle Infos auf www.kajakfilmfestival.de. Die Termine: Sa, 1. März Sa, 8. März So, 9. März Sa, 15. März So, 23. März

Rosenheim Unna Kirchheim/Teck Hannover Speyer

Canoe Book Review

Kanu Kompass Südschweden Björn Nehrhoff von Holderberg, Thomas Kettler Verlag, 224 Seiten, 19,90 Euro.

Schweden ist für viele das Paddelreiseziel schlechthin, auch KANU-Autor Björn Nehrhoff ist dem Land der Seen seit 15 Jahren verfallen. Jetzt hat er ein Reisehandbuch zum Kanuwandern im Süden des Landes geschrieben. Auf den ersten 40 Seiten gibt’s die geballte Ladung Infos von A wie Angeln bis Z wie Zoll- und Einreisebestimmungen. Auch die Checkliste für die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände und die »Kleine Kajak- und Kanadier-Fahrschule« zeigen, für wen dieses Buch in erster Linie gedacht ist: für den ambitionierten Schweden- und Paddeleinsteiger. Das Buch stellt 13 Paddeltouren zwischen Kristianstad an der Südspitze Schwedens und Hagfors (auf der Höhe Oslos) vor. Dank einer großen Übersichtskarte findet man sich schnell zurecht und kann sich die passende Region aussuchen. Jeder Trip wird nach den Kategorien Landschaft, Kultur, Baden, Zelten und Schwierigkeit bewertet – so landet man schnell bei der zu den persönlichen Vorlieben passenden Route. Karten zu jeder Tour und Infokästen mit Tipps zu Shuttle, Übernachtung und Verpflegung ergänzen die Beschreibungen. Der Kanu Kompass Südschweden liefert ganz

PADDLING THE WORLD WITH STYLE...

Naraekrne

Das mod ot faltbo U >À> UÊ >À> Ê{ÈäÊ­ iÜ® {Èä ­ iÜ® UÊ >À> Êxxä UÊ À> `Ê ÊÊÊ >À> Ê ÊxxäÊ

« Seit 75 Jahren stellt Nautiraid seine Kajaks in Frankreich her mit einer einzigen Idee vor Augen : deutscher Standard. Kein einziges Teil ist im Ausland produziert, lediglich der Stoff der Innenverkleidung wird von Außerhalb erworben… in Deutschland. konkrete Tourenideen zum Nachpaddeln und ist daher die perfekte Vorbereitungsliteratur für alle, denen die Zeit oder die Lust fehlt, sich durch Kartenberge zu quälen, um die eigene Traumreise zu planen. Die meist leichten Strecken eignen sich auch hervorragend für Familien. Erfahrene Paddler können das Buch als Anregung nehmen, um die vorgestellten Trips den eigenen Wünschen und Vorlieben anzupassen. P H I L I P BAU E S <

Nautiraid, leicht, praktisch, robust... et pour longtemps ! » Bruno MAITRE NAUTIRAID Backofenweg 3, 16 540 Hohen Neueundorf (bei Berlin) Tel. : 03303 5961370

w w w. n a u tir a id . d e 006007-Szene-KM0114-end.indd 7

24.01.14 10:53


> SZENE // GEWINNER PADDLER‘S PICK 2013 //

Wasserfälle müssen noch bis zur Schmelze warten, aber das Lechwehr in Landsberg tut’s auch als Testgelände für THOMAS MAIERS grasgrünen WAVESPORT DIESEL. Das Fazit des neuen Besitzers: »Einfach super, das Boot!«

So sehen Sieger aus DIIEE

HL ERWA IN--LLES ZIN -MAGA -M

Einen echten Volltreffer hat SIMON GLÜCK gelandet: Der TROCKENANZUG TORRENT von PALM ist nicht nur höchst kleidsam, sondern passt auch noch perfekt zum blau-weißen Boot.

Das Thermometer zeigt »eisige« 20 Grad plus, als HELMUT HERZ seinen HAGLÖFS-Daunenschlafsack GOGA 1S ausprobiert. Sein Urteil: »Federleicht, sieht gut aus und passt wie angegossen. Die erste Wintertour kann kommen!«

Ein wahrer Sommerregen an Preisen im Wert von insgesamt 17.000 Euro prasselte im August 2013 auf die Teilnehmer der KANU-Leserwahl herab. So mancher, der beim »Paddler’s Pick« seine Kreuze setzte, fiel Wochen später beim Anruf der Glücksfee aus allen Wolken. Hier nun präsentieren die stolzen Gewinner ihre Trophäen in freier Wildbahn.

Paddel gewonnen? Auf nach Schweden! Dort konnte GERD SPIECKERMANN sein GREY OWL BEAVERTAIL sogleich einem Praxistest unterziehen. Resultat: »Elchtest bestanden! Prima Löffel!«

KURT PAUL bleibt beim Sport gern flexibel: »Eigentlich bin ich ja Kanadierfahrer, aber das KOBER LAGO ATT LIGHT spornt mich an, endlich die langgeplante Seekajak-Karriere zu starten.« Die KANURedaktion wünscht alles Gute für zukünftige Abenteuer im Kajak.

8 | KANU 01.14

008009-PaddlersPick-Leserwahl-KM0114_end.indd 8

24.01.14 11:48


NE

UB

LA CK

LIG

HT

Gehört die rote Fahne am Heck des L E T T M A N N A R C H I P E L T O U R I N G P L U S eigentlich zum Standardzubehör? Wir wünschen ASTRID ADAMS, dass der edle Tourenkreuzer sie allzeit unfallfrei ans Ziel bringt – ob im Straßenverkehr oder in den Wellen des Rheins.

ANDREAS PRANDSTÄTTER gleitet – mit kleinem Pirat im Ausguck – auf der Donau durch den Linzer Winterhafen. Auch Andreas hat einen guten Draht zur Glücksfee, in seinen Händen hält er das Tourenpaddel ORACLE GLASS von AT.

Ihre Freude konnte ULRIKE RATHJEN nicht verhehlen, als sie in die nagelneue Halbtrockenjacke AVETO SEMI DRY v o n ARTISTIC schlüpfte.

Warmer Schlafsack, klein verpackt – EMMA HACKINGER präsentiert ihren Gewinn: den speziell auf weibliche Formen geschnittenen Q SLUMBER 1S von HAGLÖFS.

NEU

SKIN

NER

Hier wildert TINE STEINHAUSER gemeinsam mit Hubert Winter ihren persönlichen Hauptgewinn, den WENONAH HERON, auf der Argen aus. Nicht ohne Grund sind die beiden hochkonzentriert bei der Befahrung dieser Wehrstufe. Obwohl der Heron kippstabil ist, sind Kenterungen bei solch spartanischer Kopfbedeckung sicher nicht erwünscht.

Franz-Haniel-Straße 53 47443 Moers Tel.: Fax:

028 41/99 92 89-0 028 41/99 92 89-9 e ick

E-Mail: info@lettmann.de ist

hr

:C to Fo

Z ian

www.lettmann.de 008009-PaddlersPick-Leserwahl-KM0114_end.indd 9

24.01.14 11:48


> REISE // TOURING // INN

TEXT & FOTOS: MA

NUEL ARNU

10 | KANU 01.14

010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 10

23.01.14 18:17


FAMILIENFLUSSF A

HRT IN OBERBAY

ER N

N N I E M O C FIND OU T

Vor mehr als zehn Ja hren paddelte Man uel Arnu den Inn von der Qu elle bis ins heimisch e Nußdor f. Mittlerweile ist der Wahl-Oberbayer dr eifacher Vater, höchste Zeit also, neue Flussgrü nde zu erschließen. Ohne W ildwasser, dafür mit der Familie. Doch bietet der Un terlauf des Inn tats ächlich Spiel, Spaß und Spannung für die ganze Rassel bande? Nur eine »Erstbefah rung« bringt die An twor t ...

KANU 01.14 | 11

010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 11

23.01.14 18:17


> REISE // TOURING // INN

statt, seit ich Vater von drei Kindern bin. Wildwasserpaddeln spielt sich hauptsächlich in meiner Erinnerung ab, hinter unserem Haus stapeln sich Zweierkajaks, Kinderboote und Wanderpaddel. Und so erwachte mit dem Lauf der Jahre auch wieder das Interesse am Inn. Wie mag der Fluss wohl hinter der Staustufe Nußdorf aussehen? LOHNENDE PADDELTOUR ODER SEELENLOSE SEENKETTE?

W

as ist bloß aus dem Inn geworden? Diese Frage habe ich mir so oft gestellt, jahrelang. Immer wenn ich nach Hause fuhr und kurz vor Nußdorf den Inn überquerte, sah ich zwar Wasser, aber keinen Fluss mehr. Was ist bloß aus dem Inn geworden? Der größte Alpenstrom, ein Fluss, den die Römer »Aenus«, den Gewaltigen, tauften, den wild Schäumenden. Blicke ich von der Inntalbrücke flussauf, sehe ich am Fuß des Wilden Kaisers ein kilometerlanges, schnurgerades Flussbett, entworfen am Reißbrett, eingedämmt zwischen betonierten Wänden. Wende ich mich flussab, versperrt ein mächtiges Kraftwerk – ein Koloss aus Beton und Stahl – den Lauf des Wassers. Der Inn, aufgestaut und gebändigt, verschwindet in Stahlrohren und Turbinen. Historische Karten zeichnen ein ganz anderes Bild vom Inn, ungebändigt, vom Laufe der Natur geformt, mit Hunderten kleiner InHistorische Karten seln, Altwassern, Mäandern und Auen. Der Fluss füllte zeigen den Inn in seiner einst den gesamten Talgrund zwischen Nußdorf und ganzen Pracht: Flintsbach, fast zwei Kilometer breit. Heute misst der ungebändigt, vom Laufe regulierte Inn gerade einmal noch hundert Meter. der Natur geformt, mit Oberhalb von Nußdorf, genauer gesagt jenseits von unzähligen kleinen Inseln, Kufstein, ist der Inn noch ein Alpenfluss, der seinen Altwassern, Mäandern Namen verdient. Vor über zehn Jahren bin ich mit Gepäck und Wildwasserkajak und Auen. Heute misst der seinem Lauf vom Morteratschgletscher bis nach Nußregulierte Inn gerade einmal dorf gefolgt. Sechs Tage Wildwasser auf 315 Kilomenoch hundert Meter. ter Länge, 1500 Meter Gefälle – eine kleine, inneralpine Expedition. An den weiteren Verlauf des Inn hatte ich keinen Gedanken verschwendet. Kein Wildwasser, viele Kraftwerke – nein danke, kein Interesse. Doch in den letzten zehn Jahren hat sich viel verändert. Im Engadin wurde an der FinstermünzSchlucht ein neues Kraftwerk gebaut, damit ist ein weiterer Flussabschnitt der Energiegewinnung zum Opfer gefallen. Das Wasser der Imster Schlucht soll ebenfalls ins Rohr, die Pläne dafür liegen schon in der Schublade. Ein vielleicht noch größerer Umbruch fand derweil in meinem persönlichen Paddelkosmos

Kanuliteratur und Internet geben wenig preis vom Unterlauf des Inn. Also müssen wir selbst entdecken, ob unser Heimatfluss eine lohnende Wandertour verspricht oder der Inn nur ein matter Abglanz vergangener Tage in Form einer seelenlosen Stauseenkette ist. Kurz vor Ende der Sommerferien geben Wetterbericht und unsere Arbeitspläne grünes Licht. Wir sind bereit für ein Abenteuer, direkt vor unserer Haustüre. Am 4. September, einem wolkenlosen Mittwochmorgen, schieben wir unseren großen 16-Fuß-Kanadier und ein Touringkajak mit dem Bootswagen zum Einstieg unterhalb des Nußdorfer Kraftwerks. Der Inn empfängt uns mit seinem trüben und auch im Sommer eiskalten Gletscherwasser. »Nahui, in Gott’s Nam!« Mit dem traditionellen Gruß der Innschiffer stoßen wir uns ab. Packen wir’s an! Direkt hinter dem Kraftwerk herrscht gute Strömung, wir lassen uns die ersten Kilometer bis Neubeuern treiben, packen Croissants und Brezn zum Bordfrühstück aus. Die Gipfel von Heuberg und Wendelstein liegen bald hinter uns, wir paddeln vorbei am Schloss Neubeuern, dann öffnet sich vor uns das Rosenheimer Becken. Die Fließgeschwindigkeit nimmt stetig ab, der Rückstau des Kraftwerks Rosenheim macht sich bemerkbar. Vor knapp hundert Jahren, zu Beginn der Faltbootära, war der Inn hier noch Wildnis. Friedrich Eduard Keller, Berliner Paddler und Autor des ersten deutschen Wassersportführers, schrieb 1922 über den Inn: »Den Kajakmann, der auch Jäger ist, berührt es schmerzlich, keine Büchse zur Hand zu haben, denn Schwärme von Wildenten rasten auf den Kiesbänken; da und dort steht ein schöner Fischreiher, hat man besonderes Glück, sieht man auch einmal ein flinkes Reh den Fluss durchschwimmen. Das Wild hat Ruhe, kein Jäger stört es, denn nur mit dem Faltboot kann man in diese Reviere eindringen.« Diese Ruhe ist Vergangenheit, vor uns donnert dichter Verkehr über die Autobahnbrücke der A 8, der Inn ist ein künstlicher Stausee. Trotz aller Regulierung beseelt mich schon

Start zur Reise ins Unbekannte: Von der Haustür losgerollt erwartet Familie Arnu Abenteuer auf fast hundert Flusskilometern.

12 | KANU 01.14

010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 12

23.01.14 18:17


LUFTBOOTE Simply the best

Am Flussufer entdecken Großstadtin(n)dianer so manch einsames Plätzchen, woanders hingegen wähnt man sich im Strandurlaub.

nach wenigen Paddelkilometern unsere Schifffahrt den Inn hinunter. Leichte Wellen schaukeln unsere Boote – ein großartiges Alpenpanorama im Rücken. Am Ufer entdecken wir gefällte Bäume mit Bissspuren, etwas später eine Biberburg. Seit einigen Jahren kehren Biber zurück an den Inn. Tiere, die am Inn bereits ausgerottet waren. Die Natur zeigt ihre Zähne. Mir gefällt’s! Kurz vor Rosenheim erwartet uns das erste Kraftwerk. 1924 haben über 4000 Arbeiter das erste Innkraftwerk in Töging erbaut, vor 30 Jahren wurde das vorerst letzte Stauwehr in Nußdorf errichtet. Bis zu unserem Ziel in Mühldorf, nach etwa hundert Kilometern Paddelstrecke, versperren sechs Kraftwerke den Lauf des Inn, alle 15 Kilometer ein Stauwehr. Jeweils die erste Früh packen wir zusammen. Hälfte bis zum nächsten E-Werk ist Fließgewässer, danach herrscht Stillstand. Für eine effektive Fahrt Die Spätsommersonne ist kräftig. benutze ich im Kanadier ein Doppelpaddel. Meine drei Kinder haben jeweils ein Stechpaddel, eine Art Der morgendliche Tau verdampft vor Plug-in-Hybrid-Antrieb, der für begrenzte Zeit Zusatzenergie liefert. Ähnlich wie bei batterieunseren Augen, während wir das betriebenen Elektromotoren ist die Reichweite meiner Kinder eher gering. Aufgeladen wird nicht mit Strom, sondern mit Süßigkeiten. Deutliche Tafeln Frühstücksmüsli löffeln. markieren den Ausstieg am Kraftwerk Rosenheim, die Umtragestrecken sind hier und an den folgenden Kraftwerken gut ausgeschildert. Wir sind froh um unseren Bootswagen. Die Entfernungen sind bis zu einen Kilometer lang, der Kanadier mit Campinggepäck für drei Tage und fünf Personen ist viel zu schwer zum Tragen. VOM INDUSTRIEGEBIET INS NATURIDYLL

Wieder in den Booten, treiben wir wenige Minuten später an der Slalomstrecke des Kajak-Klubs Rosenheim vorbei. Rosenheim ist die Wiege des Kanusports und Heimat dreier Traditionsbetriebe, die den Sport bis heute prägen. Einen Steinwurf von uns baut die Firma Prijon ihre weltbekannten Kajaks. Nur wenige Kilometer entfernt liegt der Firmensitz des Spezialisten für Kanubekleidung, Langer. Und Rosenheim ist Klepperstadt, seit 1907 baut der seinerzeit größte Arbeitgeber Rosenheims Faltkajaks. Zu Faltboot- >

010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 13

GRATIS KATALOG

GRATIS PROBEFAHREN www.grabner-sports.at

23.01.14 18:17


> REISE // TOURING // INN

Aus dem Zelt bewundern wir den Sonnenuntergang. Wir beobachten Biber, Fledermäuse schwirren durch den purpurroten Abendhimmel. Wir sind 30 Kilometer von zu Hause entfernt, es kommt uns vor wie in Von den Auwäldern des Inn ist nur ein schmaler Streifen geblieben. Die Ufer des Stroms sind dennoch in üppiges Grün gekleidet.

einer anderen Welt.

zeiten – Paddeln war Volkssport – galt der Inn als Deutschlands schnellster Fluss, ein beliebtes Ziel. Damals wie heute machen es gute Eisenbahnverbindungen einfach, von vielen Bahnhöfen entlang der Strecke wieder zurück zum Einbootpunkt zu gelangen. Hinter Rosenheim gestaltet sich die Landschaft erneut hügeliger, grüner und einsamer. Immer öfter sind die betonierten Ufer unterbrochen von kleinen Buchten und Sandbänken. Silberweiden und Eschen flankieren den Strom. Der dröhnende Verkehrslärm der Rosenheimer Industriezonen verliert sich in weiter Ferne. Die spitzen Zwiebeldächer oberbayerischer Kirchen überragen hin und wieder den dichten Auwald. Am Kraftwerk Feldkirchen setzen wir in einen kleinen Altarm ein und paddeln zu einer riesigen Sandbank hinter dem Stauwerk, wo wir eine Brotzeit und die warme Nachmittagssonne genießen. Einige Kilometer später, an einer Kiesbank mit Blick auf das Kloster Attel, errichten wir unser Zelt und kochen Nudeln zum Abendessen. Aus dem Zelt bewundern wir den Sonnenuntergang. In der Dämmerung beobachten wir Biber, die durch den Inn schwimmen. Fledermäuse schwirren durch den purpurroten Abendhimmel. Wir sind nur 30 Kilometer von zu Hause entfernt, aber es kommt uns vor wie in einer anderen Welt. Es ist wunderschön!

Am nächsten Morgen packen wir zeitig zusammen. Die Spätsommersonne ist kräftig. Der morgendliche Tau verdampft vor unseren Augen, während wir das Frühstücksmüsli löffeln. Auf den sandigen Ufern erspähen wir Biberspuren. Wir schieben die Boote zu Wasser und für kurze Zeit läuft der Hybridantrieb auf Hochtouren, danach hört man wieder nur noch das monotone Platschen eines Doppelpaddels. Kurz vor dem Kraftwerk Wasserburg sitzen mehrere große und strahlend weiße Vögel in den Uferbäumen. Es sind Silberreiher – elegante und exotisch anmutende Vögel, die erst seit wenigen Jahren in Bayern heimisch sind. Sie benötigen große, intakte Schilfgebiete. Am Inn haben sie diese Feuchtgebiete gefunden. Auf uns wartet am E-Werk Wasserburg die nächste Kraftanstrengung. Den Kanadier auf den Bootswagen wuchten, das Stauwerk umkarren, einbooten und eine kurze Stromschnelle. Dann erreichen wir Wasserburg, ein malerisches Städtchen inmitten einer Innschleife, ein bunter Klecks im grünen Band des Inn. Spitze Türme, enge Gassen, pastellfarbene Häuser, älter als München. Wir machen Halt und spazieren durch die quirlige Altstadt, an gemütlichen Cafés entlang und lassen uns auf der Terrasse der Paulanerstuben mit Blick auf den grünen Inn den Schweinsbraten schmecken.

Beste Kanus für jedes Abenteuer...

Die Traditionsmarke.

We·no·nah Leichteste Canadier – einmalige Performance.

WAVECREST Jörg Rostock canoes.de | Kremlin 1 | D-29487 Luckau | Fon 058 43 - 98 62 62 010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 14

23.01.14 18:17


BESTE ZEIT Der Inn ist inkl. der Ausleitungsstrecke bei Mühldorf ganzjährig befahrbar. Für Gepäckfahrten sind die Monate April bis Oktober ideal. PEGEL Für die Befahrung der Strecke Jettenbach–Töging gilt der Mindestpegel Kraiburg von 100 cm, stundenaktuell abrufbar auf www.hnd.bayern.de.

TIPP Das Inn-Museum in Rosenheim zeigt einen Überblick über die Innschifffahrt und Wildbachverbauung im Wandel der Jahrhunderte. Leicht vom Fluss aus zu erreichen, kurz nach der Rosenheimer Slalomstrecke. Geöffnet vom 1. April bis 31. Oktober, Sa. u. So. 10 bis 16 Uhr. KANUSHOP & -VERLEIH Prijon Sportshop Rosenheim, www.prijonshop.de, Tel. 08031/219444; Blueandwhite in Riedering, www.blue-and-white.com, Tel. 08036/90630. LITERATUR DKV-Gewässerführer für Bayern, 11. Aufl. 2012, 19,95 €; Die 50 schönsten Kanutouren in Bayern, Alfons Zaunhuber, 2013, 19,95 €.

0

Auch im Hochsommer kaltes und trübes Gletscherwasser. Schwimmweste und Kälteschutz sind unbedingt zu empfehlen. Vorsicht bei Hochwasser und zur Schneeschmelze im Frühsommer, besonders nach den Kraftwerken und auf der Strecke ab Jettenbach.

5

10 15 km

Mühldorf

GEFAHREN

ÜBERNACHTUNG Auf zahlreichen Sand- und Kiesbänken kann man für eine Nacht ein bis zwei Zelte aufstellen. Wer’s zivilisierter mag: Campingplatz Erlensee bei Schechen, 500 m vom Fluss, www.camping-erlensee.de.

Altötting

Waldkraiburg Aschau

Haag Gars

Pfaffing

Rott am Inn

Babensham

Tacherting

Wasserburg

Alz

n

Kraiburg Garching

Trostberg Altenmarkt

Griesstätt

Vogtareuth Schechen Grosskarolinenfeld

Rosenheim

Traunreut Seebruck

m se

LOHNENDE STRECKEN Von Nußdorf nach Mühldorf 94 km, bei Weiterfahrt bis Neuötting 107 km. Teilabschnitte sind frei wählbar, besonders empfehlenswert von Wasserburg bis Gars (19 km) und vom KW Jettenbach bis Mühldorf/Neuötting (23/36 km).

Paddelstrecke, z. B. in Rosenheim, Wasserburg, Gars, Mühldorf, Neuötting.

Chieming

C

A8

Samerberg Raubling Neubeuern

Marquartstein Unterwössen

3

SHUTTLE Das Mittel der Wahl heißt Bahn. Zahlreiche Bahnhöfe liegen entlang der

Nußdorf A9

Gut gestärkt setzen wir die Reise fort. Am Ende der großen Innschleife um Wasserburg herum passieren wir den Nachbau einer alten Innplätte, eines traditionellen Holzschiffs mit geringem Tiefgang. Über 2000 Jahre lang war der Inn ein vielgenutzter Transportweg, mehr als 600 Jahre prägte die Schifffahrt das Inntal. Ein Schiffszug bestand aus mehreren Schiffen bis zu 35 Meter Länge und einer Last von über 200 Tonnen. 40 Rösser schleppten die Kähne flussauf, entweder im Niedrigwasser oder auf einem Treidelpfad. Die Mannschaft bestand aus bis zu 40 Schiffsknechten. Dem Zug voraus ritt der Stangenreiter, der das richtige Fahrwasser auslotete. Eine Fahrt von Wien über Donau und Inn nach Nußdorf dauerte etwa sechs Wochen. Die Fahrt stromab war einfach, aber sehr gefährlich. Für die gleiche Strecke benötigten die Schiffsleute sechs bis zehn Tage. Die Arbeit war hart und oft lebensgefährlich, an Land waren die Männer wegen ihrer Rauheit gefürchtet. Noch im 19. Jahrhundert galt der Spruch: »Mütter, sperrts die Töchter ein, die Schiffsleut’ kommen!« Das mag Paddlern heute noch bekannt vorkommen. Schwimmen durften die Innschiffer nicht können. Sie glaubten, dass alles, was in den Fluss fällt, dem Flussgott gehöre. Wer über Bord ging, wurde dem Inn überlassen, alles andere brachte Unglück. (Meine Kinder haben übrigens Schwimmen gelernt und tragen Schwimmwesten. Ich habe ihnen versprochen, sie aus dem Inn zu ziehen, wenn sie hineinfallen.) Mit dem Bau der Eisenbahn verlor die Innschifffahrt ihre Bedeutung, mit dem Bau der Kraftwerke wurde sie unmöglich. Vor uns liegt ein ruhiger, einsamer Abschnitt. Der Inn schlängelt sich durch die Innleiten, durch steiles und dicht bewaldetes Hochufer. Bis zum Kraftwerk Teufelsbruck, das sich einsam und entlegen im Grünen versteckt und unter Kraftwerksliebhabern als das romantischste aller Innstauwerke gilt, sehen wir kaum Straßen und Häuser. Leise gleiten wir über das kalte Wasser. Am Kraftwerk Teufelsbruck lernen wir erneut unseren Bootswagen lieben und hoffen, dass er unter der Last seiner Verantwortung nicht zusammenbricht. Zurück im Wasser lassen wir uns von der flotten Strömung mitreißen. Die Stimmung an Bord ist mittelmäßig. Bei den kleinen Stechpaddlern herrscht eine Mischung aus Langeweile, Hunger und Bewegungsmangel. Ich habe Nackenschmerzen von den fast 60 Kilometer Zahmwasser in knapp zwei Tagen. Kanadier, Gepäck und Besatzung bringen es locker auf >

CHARAKTER Regulierter Großfluss mit Fließstrecken und Stauseen durch teilweise einsame Voralpenlandschaft. Vom KW Jettenbach bis Neuötting fließt der Inn im freien Bett mit leichtem Wildwasser (WW I–II).

In

»MÜTTER, SPERRTS DIE TÖCHTER EIN ...«

DAS EINMALEINS DER INNSCHIFFFAHRT

hie

INFO

... und beste Kajaks für jedes Abenteuer!

Das bessere Kajak.

High-Performance-Kajaks.

Kajaks für jeden!

CANOES.DE: Canadier, Kajaks, Paddel – Kataloge & Testmöglichkeiten 010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 15

23.01.14 18:17


> REISE // TOURING // INN

Ungezähmt und naturbelassen säumen lange Sandbänke den Fluss. Kleine Stromschnellen, viel Natur und wenig Beton – der Inn fließt hier noch wie zu alten Zeiten.

Bombenwetter, reizvolle Städte und als Krönung zwei Dutzend Paddelkilometer im freien Flussbett – langweilig ist’s nicht auf dem Inn.

die Restwassermenge ist selbst im Spätsommer für eine Befahrung ausreichend. Für unsere letzte Umtragung werden wir belohnt. Es folgt der einzige frei fließende Flussabschnitt des bayerischen Inn. Ungezähmt und naturbelassen wirkt die Strecke auf den ersten Blick. Lange Sand- und Kiesbänke, kleine Stromschnellen, viel Natur und wenig Beton. Wir bekommen eine Ahnung davon, wie der Inn vor gar nicht so langer Zeit ausgesehen haben muss. Der Heistinger Hang bei Ebing mit dem markanten Hochufer ist der letzte nicht verbaute Prallhang der Inn-Mäander. Am frühen Nachmittag erreichen wir Mühldorf. In einer großen Schleife umrundet der Inn die oberbayerische Kreisstadt. Der Inn scheint ein lebendiger Teil der Stadt EIN LETZTER HAUCH VON FREIHEIT Er ist gekommen, der letzte Tag unserer Flusswandertour empfängt uns mit zu sein. Fliegenfischer stehen im Wasser und angeln in aller Seelenruhe. strahlend blauem Himmel. Wir kratzen die Müslireste zusammen. Heute Kinder spielen am Fluss, Erwachsene kommen zum Baden. Am breiten Ufer Nachmittag wollen wir Mühldorf erreichen, abends wieder in unseren wird gegrillt und Kindergeburtstag gefeiert. Welch ein Kontrast zur Betten in Nußdorf liegen. Nach wenigen Kilometern erreichen wir das betonierten Abflussrinne daheim in Nußdorf. Wir zerren die Boote an Land, Kraftwerk Jettenbach, das älteste entlang des Inn. Das Kraftwerk leitet einen schultern das Gepäck und marschieren zum Mühldorfer Bahnhof. Die Boote Großteil des Wassers auf 30 Kilometer Länge in einen Werkskanal ab, doch werden wir morgen mit unserem Auto abholen. Später sitzen wir müde und erschöpft in der Südostbayernbahn. Der bayerische Inn hat mit einer ursprüngMANUEL ARNU, 44, ist KANU-Autor der ersten Stunde. Bereits lichen Flusslandschaft nicht mehr viel gemeinsam. Der Fluss ist von Menschenhand zu einer künstlichen Seenkette 1994 berichtete er in der Ur-Ausgabe des Magazins über eine mit kurzen Fließstrecken ummodelliert worden. Damit Wildwasserexpedition in Indien, viele Reisen und zahlreiche Artikel kommt die Natur offensichtlich besser klar als wir Paddler. folgten ... Im Südschwarzwald an Alb und Wehra aufgewachsen, Wer sich darauf einlässt, erlebt am Inn neben bayerischer Gemütlichkeit viel Natur, Ruhe und Abgeschiedenheit. nennt er seit über einem Jahrzehnt das oberbayerische Nußdorf Gemütlich tuckert der Nahverkehrszug entlang des Inn auf sein Zuhause. Nach Indus, Futaleufu und Prägbach heißen seine dem Weg nach Hause. Entspannt strecke ich meine Beine neuen Leidenschaften jetzt Mia, Marian und Jonathan, Nachwuchs, aus. Eine tolle Sache, die Eisenbahn. Und der Strom? Kommt bestimmt aus einem Innkraftwerk. dem es nun die Leidenschaft Paddeln zu vermitteln gilt. < 250 Kilo Gesamtgewicht, die ich vorwiegend alleine übers Wasser schippere. Bis in die späten Abendstunden treiben wir unsere Boote vorwärts. Wir passieren das über tausend Jahre alte Kloster Gars und lassen routiniert das gleichnamige Kraftwerk hinter uns. Kurz vor Sonnenuntergang finden wir neben einem Maisfeld einen kleinen Flecken Wiese mit Bank und Feuerstelle. Das Zelt steht schnell, der Kocher faucht. Nach einem schnellen Abendessen liegen wir müde im Schlafsack. Der Inn murmelt leise, irgendwo platscht ein Biber ins Wasser.

16 | KANU 01.14

010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 16

23.01.14 18:17


010017-InntalFamilytour-KM0114_end.indd 17

23.01.14 18:17


> REISE // SEEKAJAK // TÜRKEI

Unter Seglern gelten die Gewässer zwischen Marmaris und Fethiye an der türkischen Südwestküste als sehr beliebter, aber altbekannter Hut. Als Seekajakrevier wird der Küstenabschnitt gerade erst entdeckt. Und zwar zurecht, bietet er doch alles, was Tourenpaddler glücklich macht. TEXT: MORITZ BECHER, FOTOS: MORITZ BECHER, JÜRG BUSCHOR

Türkisches Treiben 18 | KANU 01.14

018023-Turkei-KM0114-end.indd 18

23.01.14 15:09


SEEKAJAKTOUR AN DER KÜSTE KARIENS

KANU 01.14 | 19

018023-Turkei-KM0114-end.indd 19

23.01.14 15:09


> REISE // SEEKAJAK // TÜRKEI

Reisen mit dem Kajak ist gleich doppelt so schön, wenn man sich ganz aufs Paddeln konzentrieren kann – und Logistikfragen den Profis überlässt.

E

igentlich war mein Plan, auf dem Trip ein Paar Pfunde loszuwerden!?« Ungläubig starre ich auf die Berge von Lebensmitteln, die Vedat – unser Guide – aus dem Kofferraum seines Land Rover Defender auslädt und vor unseren drei Seekajaks verteilt. »Nicht solange ihr meine Gäste seid«, antwortet er und grinst in seinen grau melierten, gepflegten Bart. Es ist Anfang November, Nachsaison, tote Hose – also beste Reisezeit. Lediglich ein paar Einheimische beobachten uns neugierig, als wir am Ufer des Sees Köyceğiz am Rande der gleichnamigen Stadt unsere roten Boote beladen. Unser Plan ist es, den 65 Quadratkilometer großen See – eine ehemalige Meeresbucht – von Ost nach West zu durchqueren; dann über den Dalyan-Kanal ins Mittelmeer und ab dort nach Süden an der Küste entlang bis nach Göcek im Golf von Fethiye. Die gut hundert Kilometer wollen wir in gemütlichen fünf Tagen absolvieren. »Wenn wir nur einen anderen Paddler sehen, gehe ich nach diesem Trip sofort in den Ruhestand«, hatte Vedat gestern Abend angekündigt. Eine ausgesprochen herrliche Drohung. Nicht etwa weil ich den Mann mit den stechenden dunklen Augen als pensionierungsreif einschätzen würde. Im Gegenteil: In dem braunen, wettergegerbten Gesicht strahlt die Passion für seinen Job aus jeder Pore. Wie Skalpelle durch seidige Haut schneiden die Rümpfe der Boote durch das 23 Grad warme Wasser. Vor uns liegt der Köyceğiz wie eine gespannte Frischhaltefolie. Wir sind fünf Paddler, verteilt auf drei Seekajaks. Susanne und Janne bestanden vor dem Abflug auf einer Unterbringung im Doppelkajak mit ihren Männern. Aus Sicherheitsgründen kann ich das nachvollziehen. Bei einer

Scheidungsrate von knapp 50 Prozent in Deutschland mache ich mir allerdings ein wenig Sorgen. Auf See verschwinden Menschen manchmal auf unerklärliche Weise. Aber nach 15 Minuten und einigen Paddelblatt-Kollisionen haben wir unseren Rhythmus gefunden. »Lunchtime!« Vedats Ausruf hören wir gerade noch, als er mit zwei schnellen Schlägen plötzlich im Schilf einer Halbinsel verschwunden ist. Ein kaum sichtbarer Kanal führt durch den dichten Wasserpflanzendschungel direkt in eine kleine Bucht. Als wir knirschend auf feinem Kies anlanden, hat Vedat bereits eine Decke ausgebreitet und beginnt, regionale Köstlichkeiten aufzutischen: würzigen Ziegenkäse, Oliven und Trockenfrüchte. Alle Diätpläne werden buchstäblich über Bord geworfen. Das Panorama ist gigantisch: Hinter dem Ostufer des Sees ragt das Gölgeli-Gebirge in den azurblauen, wolkenlosen Himmel. Im Westen versperren die Balan-Berge den Blick auf die Ägäis. Nichts deutet hier darauf hin, dass wir nur drei Paddelstunden von der Küste entfernt sind. FANGO UND FAULE EIER

Gestärkt queren wir in der Nachmittagssonne den östlichen Teil des Sees. »Natur-Wellness« steht laut Vedat noch auf dem Programm. Ein kräftiger Zug durch die Nase verrät: Wir haben die heißen Quellen von Sultaniye erreicht. In der Hauptsaison sind sie eine hoffnungslos überlaufene Attraktion, jetzt genießen nur einige Einheimische den Luxus, den Mutter Natur ihnen spendiert. Auch wenn der Geruch – faule Eier vom Feinsten – einen etwas zögern lässt, in das knietiefe Schlammbecken zu steigen, so ist die Wirkung nach vier Stunden paddeln absolut wohltuend. Kurz abkühlen und abwaschen im See, danach ins

20 | KANU 01.14

018023-Turkei-KM0114-end.indd 20

23.01.14 15:10


Connecting Global Competence

glasklare Schwefelbecken. Im letzten Tageslicht gleiten wir lautlos mitten ins dichte Schilf. Als sich der raschelnde Vorhang lüftet, blicken wir in eine Art natürliche Manege. Eine knorrige alte Steineiche breitet ihre weitläufigen Äste wie eine Glucke schützend über den Lagerplatz aus, an dem bald ein frisch zubereitetes, orientalisch duftendes Lammragout köchelt. Der Rotwein und das knisternde Lagerfeuer lockern die Zungen. Wir fragen, Vedat antwortet geduldig und niemals langweilig. Die Chemie zwischen uns stimmt zu einhundert Prozent. Als Höhenbergsteiger und Wildwasser-Guide ist er viel herumgekommen, weltoffen, beeindruckend gebildet und trotzdem traditionell eingestellt. Ihm zuzuhören, tut irgendwie gut. Es duftet nach frischem türkischen Tee und Kaffee, als wir uns aus den Schlafsäcken schälen. Ich fühle mich so gut wie schon lange nicht mehr. Im warmen Licht der Morgensonne verlassen wir unser Versteck in Richtung Dalyan-Kanal. Fliegende Fische begleiten uns durch die Wasserstraße, bis zu einen Meter springen sie aus dem dunkelgrünen Element und lassen einen immer wieder zusammenzucken. Kurz vor der Stadt Dalyan nehmen wir einen Abzweiger. Lautloses Dahingleiten, vorbei an wild überwucherten Ufern am Fuße senkrechter Felswände. Wie versteinert sitzen auf einigen toten Baumstämmen kleine Wasserschildkröten, in der Hoffnung, unentdeckt zu bleiben. Das Mittagsgebet, das weithin hörbar aus den Lautsprechern der Moschee klingt, ist die passende akustische Untermalung unserer Eindrücke, als wir das

Die Reise- und Freizeitmesse

zum Anfassen.

malerische Städtchen Dalyan mit seinen Hunderten kleinen, blau-weißen Holzbötchen passieren. Mittlerweile hat der Verkehr auf dem Wasser deutlich zugenommen. Die Frühstückszeiten der Hotels sind offensichtlich vorbei, wir werden von Nachsaison-Touristen wie eine Attraktion abgelichtet. »Und das waren so ein paar verrückte Extrem-Sportler, die wir im Urlaub vom Boot aus gesehen haben.« Solche späteren Sofa-Erzählungen jedenfalls lassen die Blicke der »Pauschalos« vermuten. Wir versuchen, eine gute Figur zu machen und schnell Abstand zu gewinnen. WASSER SO KLAR WIE EIN KRISTALL

Eine manuell betriebene Schleuse wird für uns von einem schüchtern, aber freundlich winkenden Wärter geöffnet. Ein paar Kilometer und Kanalschleifen weiter wartet das Mittelmeer. Die Schleusen-Barriere hindert die Fische an der Wanderung ins Meer, eine überdimensionale Fischzucht im Delta also. Eine langgezogene schmale Landzunge, der Iztuzu-Strand, liegt vor uns, ausschließlich aus Sand bestehend. Hier mündet der Dalyan-Kanal in die Ägäis. »Du kommst ins Gefängnis, wenn du hier eine Sandburg baust«, lässt Vedat augenzwinkernd wissen, allerdings nicht grundlos: Der Strand dient großen KarettMeeresschildkröten, die unter strengem Naturschutz stehen, als Nistplatz. Nach etlichen Stunden Inlandspaddeln fühlt sich die leichte Dünung fantastisch an. Das Popometer wird eingenordet und bei leichtem Rückenwind haben wir die Bucht von Dalyan nach Süden schnell durchquert. Die Küste ist bis auf einige kleine, hell leuchtende Kiesbuchten schroff und steil, oben mit grüngrauer Macchia, wilden Pinien- und Olivenbäumen überzogen. >

MÜNCHNER AUTO TAGE 2014 Von der Mediengruppe Münchner Merkur/tz.

Partnerland 2014

19. – 23.02. 2014 free-muenchen.de

018023-Turkei-KM0114-end.indd 21

23.01.14 15:10


> REISE // SEEKAJAK // TÜRKEI

»Unser Camp – ihr werdet es lieben«, ruft Vedat und deutet auf eine weißlich schimmernde Stelle in einiger Entfernung. Stimmt, das tun wir. Wie ein »U« liegt unser Nachtlager verborgen im letzten Winkel einer großen Bucht. Das Wasser ist so klar, dass wir bereits 200 Meter vor dem Strand den Grund klar erkennen können – locker 12 bis 14 Meter tief unter uns. Um die Jahreszeit legt sich die Dunkelheit schon relativ früh über die Küste. Fast klassisch bauen die Männer eilig die »Höhlen« auf und sammeln Brennholz. Jürg ist leidenschaftlicher Hobby-Pyromane. »Zu groß« existiert in seinem Lagerfeuer-spezifischen Wortschatz nicht. Zuerst knackt und wütet es für geraume Zeit im Unterholz, als würde ein ausgewachsener Grizzly seinen Rücken am Geäst scheuern. Anschließend zerrt er so viele tote Baumstämme zum Feuerplatz, als wolle er eine Blockhütte bauen. Unsere besseren Hälften lassen sich von Vedat in der Zubereitung türkischer Spezialitäten schulen, was Jürg und ich gut finden. Auf dem Speiseplan steht: Rinderfilets, auf heißen Steinen gebraten. »Das Leben ist schön!«, flüstert Janne später leise in die Dunkelheit unseres Zelts. Als ob Mutter Natur sagen wollte »Es geht auch anders!«, wache ich von einem ohrenbetäubenden Krachen auf. Bis ich realisiere, dass das »nur« Donner war, zuckt es schon wieder grell schimmernd durch den roten Zeltstoff. Einundzwan ... Wumm, die nächste Salve. Das Gewitter ist direkt über uns. Ein sehnsüchtiger Gedanke an unser solides Steinhaus in Oberbayern, dann wieder lautes Krachen. Vedat schläft im Freien, hat nur eine Baumarktplane über sich gespannt. Wir machen uns Sorgen. Todesmutig sprinte ich zu seinem Schlafplatz, biete ihm ein nicht vorhandenes Plätzchen in unserem kleinen Zelt an. Er aber winkt ganz entspannt ab und gibt mir mit aufgerichtetem Schumi-Daumen zu verstehen, dass ich eine Sissi bin. What a man! Stunden später stecken wir unsere Köpfe mit verquollenen Augen aus dem Zelt in den Nieselregen. Für das Frühstück hat Vedat einen Unterstand aus seiner Plane, zwei Paddeln und Abspannungen errichtet. »Wir müssen uns ein bisschen beeilen, der Wind legt stündlich zu«, ist die höfliche Ansage, bitte endlich aus dem Quark zu kommen. Die weißen Schaumkronen auf dem Wasser unterstreichen die Worte unseres Guides: Starkwind – auch wenn sich die Sonne langsam durch die Wolken drängelt. In der Bucht ist ordentlicher Hüftschwung gefragt. Letzte Sicherheitsanweisungen. Ein Pfiff aus seiner Trillerpfeife und eine über dem Kopf rotierende Armbewegung bedeuten: sofort sammeln! Nach der letzten Felsnase der Bucht wird die Dünung zum Glück gleichmäßiger – aber auch deutlich höher. Gute vier Meter, schätzt Vedat. Wir sehen die anderen nur bei jedem zweiten Auftauchen aus dem Wellental.

mit einer Geste, die ich vom letzten Junggesellenabschied noch zu gut kenne, den Verdacht. Richtig seekrank zu sein, fühlt sich an wie absoluter Akku-Verlust, nix geht mehr. Und nun? Vedat zieht die Schleppleine hervor und startet ein dreistündiges Workout durch die Wellenberge in Richtung Tagesziel Sarigerme. Auch wenn uns die zwei, Pardon, die drei leid tun, für uns bleibt es ein herrlicher Tag, für die Fische in unserem Dunstkreis vermutlich auch ... Kurz vor der Mündung des Dalaman-Flusses landen wir an. Tagwerk erledigt. Für eine Nacht bleiben wir in einem Hotel, duschen uns das Salzwasser ab, besorgen in einer Apotheke »Superpep« gegen Seekrankheit und hoffen auf gnädigeres Wetter für Susanne und Jürg. Ein mäßiges Lüftchen am folgenden Morgen gibt Hoffnung auf eine physiologisch pannenfreie Weiterfahrt. Wir sind startklar, die Mägen der anderen auch. Ein flacher, schroffer Felsarm, an dem sicher so manches Schiff hängengeblieben ist, mit dem passenden Namen »Kap der letzten Hoffnung« markiert den Punkt, an dem wir in den Golf von Fethiye einbiegen. Eine tief eingeschnittene Bucht mit Blick auf das noch weit entfernt liegende Fethiye wird unsere letzte Lagerstätte auf diesem Trip sein. Ein Pfad führt in Serpentinen die Steilhänge hinauf. Der Duft, den diese uralten Pinien- und Olivenwälder verströmen, atmet sich wie Weihrauch. Es tut gut, einmal wieder einen Perspektivenwechsel zu haben. An einem Punkt mit optimaler Aussicht wehren sich einige Ruinen antiker Wachtürme gegen den Verfall, völlig überwuchert von Wildpflanzen und dennoch majestätisch. Stellt man sich vor, wie diese gigantischen, akkurat behauenen Steinblöcke zu solch einst prächtigen Bauwerken errichtet wurden, erahnt man die Strapazen der Arbeiter.

Schaukelnd balancieren wir die Boote durch einen schmalen Spalt in eine dunkle Höhle: Unser Blick fällt auf ein riesiges Gewölbe mit Tausenden von Fledermäusen.

STECKER GEZOGEN

Plötzlich ein schriller Pfiff. Erst erkennen wir gar nichts, dann sehen wir die anderen. Ein gutes Stück hinter uns ist Vedat direkt bei Jürg und Susanne. Sie sitzen noch im Boot, Erleichterung! Gegen die Sonne können wir nur ihre Silhouetten erkennen – und die sprechen eine eindeutige Sprache. Als wir näher kommen, erübrigt die Gesichtsfarbe der beiden jede Erklärung. Vedat bestätigt

FINALE MIT FRONTWIND

»Määähääähäää« brüllt es direkt neben mir ins Ohr. Völlig verdattert öffne ich das Zelt – und schaue in ungefähr 40 ebenso verdutzte Ziegengesichter. Sekunden später werde ich wieder Kräuter mampfend ignoriert. Der rustikale ZiegenMoschus wird leicht vom Kaffeegeruch überdeckt, ein letztes Frühstück im Freien. Bevor wir die Steilwände als Windblocker verlassen, können die Jungs ihrem Spieltrieb nicht widerstehen. Die Gesteinsschichten sind in Millionen von Jahren wie Reibekuchen so übereinandergelegt, dass man die senkrechten Wände einfach hochklettern und von oben wie vom Zehn-Meter-Brett einbomben kann. Mit den Spritzdecken sehen wir dabei aus wie Primaballerinen in einer ganz schlechten Aufführung von Schwanensee. »Jetzt gibt’s was auf die Fresse!«, brülle ich zu Janne gegen den Wind. Das ist zwar eine ziemlich saloppe, aber sehr präzise Beschreibung dessen, was uns in den kommenden Stunden erwartet. Wir haben das letzte schützende Kliff umpaddelt. Der Nordostwind bläst volles Rohr aus der Richtung, in die wir heute müssen: Göcek. Eine Strecke, die wir normalerweise locker in drei Stunden bewältigen würden. Jetzt hangeln wir uns von Bucht zu Bucht. Nach einer halben Stunde eine letzte, kraftsparende Überraschung: Am Südufer der Insel Tersane Adasi balancieren wir mit den Booten schaukelnd durch einen schmalen Spalt

Durch üppige Schilfwälder hindurch, vorbei an wie von Riesenhand geschichteten Klippen streift die Tour manch nettes Hafenstädtchen.

22 | KANU 01.14

018023-Turkei-KM0114-end.indd 22

23.01.14 15:10


Gaumenfreuden, Naturerleben, Wellness vor antiker Kulisse und des Abends besinnliche Stunden am Lagerfeuer – bleiben da noch Wünsche offen?

INFO

WAS PADDLER AN KARIENS KÜSTE WISSEN MÜSSEN

CHARAKTER

Karien ganz im Südwesten der Türkei verfügt über eine vielgestaltige Küstenlinie. Als Einstieg für Seekajaktouren empfiehlt sich Marmaris, Köyceg˘iz oder Dalyan. Die Uferlinie ist zwar sehr zerklüftet und bergig, aber durchsetzt von zahlreichen Sand- oder Kiesbuchten. Zelten ist erlaubt. Von der Mündung des Flusses Dalyan ins Meer bis zum Erreichen des Golfs von Fethiye paddelt man dem offenen Meer zugewandt, was durchaus anspruchsvoll sein kann. Sobald man den Golf erreicht hat, kann man wählen zwischen zahlreichen windgeschützten Traumbuchten. Auch Göcek und Fethiye sind definitiv einen ausgedehnten Landgang wert.

sportaktivitäten, wie z. B. Mountainbiking, organisieren und ausüben.

Neben Outdoor- und Campingausrüstung (Zelt, Matte, Schlafsack, Kocher, feste Schuhe) sowie GPS sollte je nach Jahreszeit leichte Wassersportbekleidung mit UV-Schutz oder Trockenanzug eingepackt werden. Wichtig: Sonnenschutz für den Kopf! Die Anmietung von Booten und Zubehör vor Ort empfiehlt sich. Die vorgestellte Mehrtagestour ist eher für erfahrene Seekajakfahrer oder als geführte Tour geeignet. Kürzere Tagesausflüge lassen sich ebenfalls leicht organisieren.

Die karische Küste ist touristisch gut erschlossen. Wer Aufenthalte in schicken Hotel-Resorts schätzt, wird schnell fündig. Die Menschen sind sehr gastfreundlich und Touristen gegenüber aufgeschlossen. Auch im Hinterland lassen sich zahlreiche Outdoor-

> www.alternatifoutdoor.com: Vedat Vural bietet mit seiner Firma Alternatif Outdoor verschiedenste Outdooraktivitäten in der gesamten Türkei – von Seekajaktouren über Rafting und Mountainbiking bis hin zu ernstzunehmenden Hochtouren (Ararat, Schwarzmeerküste).

in eine Höhle. Als unsere Augen sich an das fahle Licht gewöhnt haben, gibt die Grotte ihr Geheimnis frei: Ein riesiges Gewölbe mit Tausenden von Fledermäusen schlummert hier, von außen kaum sichtbar. Der heftige Frontwind reißt nicht eingeplante Lücken in unseren Energiehaushalt. Wind und Nässe in Kombination lassen uns selbst bei sommerlichen Temperaturen schlottern, sobald die Maschine Mensch aufhört zu arbeiten und selbst Wärme zu produzieren. Nach zwei Stunden flüchten wir uns in eine Bucht mit einigen Häusern. Unter einem windgeschützten Vordach im Hafen laden wir mit türkischem Honig, Nüssen und Trockenfrüchten die Batterien für die letzten Kilometer auf. Durch den starken Gegenwind ist unsere Zeitplanung ziemlich aus den Fugen geraten. Die Schultern rotieren ohne Unterbrechung, der Modus ist längst auf Autopilot gestellt, Hauptsache ankommen. Unwirklich liegt der hell erleuchtete Hafen von Göcek vor uns. Mittlerweile ist es stockdunkel. An einem kleinen Steg im Yachthafen winkt Vedats Kollege heftig mit seiner Stirnlampe. »Ihr seht ausgeruht aus«, sagt er mit einem spitzbübischen Grinsen. »Ja stimmt, wir wollten eigentlich nur kurz was trinken und dann weiter nach Fethiye paddeln«, entgegne ich. In Rekordzeit entladen wir die Boote, schlüpfen in warme Bekleidung und sitzen mit noch nassen Haaren am Tisch eines gemütlichen Hafenrestaurants. Als ich

S c h w a r z e s

Istanbul B o s p

ANFORDERUNGEN/AUSRÜSTUNG

INFORMATION REGION KARIEN

BULGARIEN

M e e r Sinop

orus

Bursa

ANKARA

T Ü R K E I

Izmir

Kayseri Konya Mersin

Köyceğiz Göcek Antalya Lykien Rhodos

NIKOSIA 175

350

525 km

Gaziantep Aleppo

Kreta 0

Adana

Tigris

Euphrat

SYRIEN

ZYPERN

> www.goturkey.com: offizielles Tourismusportal der Türkei. LITERATUR & KARTENMATERIAL

> Imray Seekartenblatt G36, Marmaris to Geyikova Adasi, Maßstab 1 : 200.000 > NV-Verlag digitale Seekarten, Türkei TR2 > www.openseamap.org, digitale Karten für

GPS-Geräte und PC, auch als kostenlose Smartphone-Applikation zum Download > www.seewetterpro.de, eigentlich für Segler gemacht, aber auch für Paddler hilfreich: die Smartphone-App »Seewetter Pro« > Reiseführer: Türkei – Lykische Küste: Antalya bis Dalyan, Michael Bussmann, Gabriele Tröger, Müller Verlag, Januar 2011.

gerade die letzten Salzwasserreste mit einem überproportionalen Schluck Bier herunterspüle, tippt mich Vedat grinsend an. »Und das Beste ist, wir haben keinen einzigen anderen Paddler gesehen, ich muss also nicht in den Ruhestand gehen.« <

MORITZ BECHER hat vor 36 Jahren das Licht der Welt erblickt und ist heute Redakteur beim Schweizer Fachmagazin »Outdoor Guide« und Kommunikationsberater mit Schwerpunkt Berg- und Outdoorsport – hat also die Leidenschaft fürs Reisen und seine Naturverbundenheit mit seinem Beruf kombiniert.

KANU 01.14 | 23

018023-Turkei-KM0114-end.indd 23

23.01.14 15:10


> SZENE // INTERVIEW // RUSH STURGES

Wildwasserpaddler, die wirklich von ihrem Sport leben können, kann man an einer Hand abzählen. Einer von ihnen ist Rush Sturges. KANU hat den 28-jährigen US-Amerikaner gefragt, wie man den Schritt vom Dirtbag zum Paddelprofi schafft.

24 | KANU 01.14

024029-How2GoPro-KM0114_end.indd 24

23.01.14 15:13


Nichts für Frostbeulen: Der Little White Salmon River in Washington läuft an 365 Tagen im Jahr – und ist damit der perfekte Homerun für Rush.

HOW TO

GO PRO

Foto: Charlie Munsey

IINTERVIEW: PHILIP BAUES, FOTOS: RUSH STURGES, GREG VON DOERSTEN

KANU 01.14 | 25

024029-How2GoPro-KM0114_end.indd 25

23.01.14 15:13


> SZENE // INTERVIEW // RUSH STURGES

In den 90ern lebten Profipaddler noch in Saus und Braus. Mit dicken Schecks ihrer Sponsoren ausgestattet, tourten Stars wie Corran Addison und Shaun Baker um die Welt. Stets auf der Suche nach dem nächsten Wasserfall – und der nächsten Party.

viele Jahre entwickelt – das ist wie bei jedem anderen Job auch: Du fängst ganz unten in der Hierarchie an und arbeitest dich langsam nach oben. Eine gewisse Zielstrebigkeit hilft da sicherlich, aber viel wichtiger ist auch in diesem Prozess die Leidenschaft: Du musst lieben, was du tust, sonst wirst du potenzielle Sponsoren nie von dir überzeugen können. Aber hey, ich bin selbst noch dabei, mich in dieser Business-Welt zu behaupten! Wie bist du zu deinem ersten Sponsorendeal gekommen? Die erste Firma, die mich unterstützt hat, war Dagger. Der damalige Team-Manager hatte von meiner Grand-Canyon-Tour als Teenager gehört und rief plötzlich aus heiterem Himmel bei mir an: Er wollte mich im Team! Das war natürlich unheimlich cool, aber vor allem war ich unheimlich eingeschüchtert. Also hab’ ich ihm gesagt, dass ich mich noch nicht reif dafür fühle. Ein Jahr später war ich so weit – ich habe also zum Hörer gegriffen und wieder angerufen. Zum Glück wollten sie mich noch …

Bei ihrer Afrika-Mission am Congo River hatten Sturges, Fisher & Co. viel zu lachen – aber auch einige kritische Momente auf dem Fluss. Fast wäre Expeditionsleiter Steve Fisher in einem Strudel ertrunken.

Rush, wann war dir klar, dass du dein Geld mit dem Kajakfahren verdienen willst? Als ich 14 war, bin ich mit meinem Vater den Grand Canyon gepaddelt. Keine Frage, auch vorher hat mir das Kajakfahren schon Spaß gemacht, aber diese 16 Tage auf dem Fluss und das völlige Eintauchen in die Wildnis waren wie eine Offenbarung für mich. In diesem Moment wusste ich, dass ich meinen Lebensinhalt gefunden hatte.

Wie ist es heute? Bewirbst du dich initiativ oder kommen die Firmen auf dich zu? Die Zeiten, in denen Unternehmen von sich aus heiß auf uns Paddler waren, sind vorbei. Früher war das anders: Wenn du gut warst, wurden die Firmen automatisch auf dich aufmerksam – und nicht selten boten sie dir sogar ein kleines Honorar an. Vor allem die Kajakfirmen hatten größere Budgets, und die ProPaddler haben in den späten 90ern und frühen 2000ern einen Haufen Kohle verdient. Damals war ich noch weit davon entfernt, fürs Paddeln bezahlt zu werden, aber zumindest habe ich einen Fuß in die Tür bekommen und mir als Teenager

Rush legt eine perfekte Linie an »Tomata 2« im mexikanischen Dschungel vor.

Deine Eltern haben dich schon ins Boot gesteckt, bevor du überhaupt laufen konntest. Was ist das beste Alter, um mit dem Paddeln anzufangen? Wenn du laufen kannst, kannst du auch paddeln! Nein, im Ernst, ich glaube, es geht weniger um ein bestimmtes Alter als vielmehr darum, wie sehr du bereit bist, zu lernen. Klar haben kleine Kinder Vorteile, was das Verinnerlichen von neuen Bewegungsmustern angeht, aber ich habe auch schon Rentner erlebt, die auf ihre alten Tage noch verdammt gute Paddler geworden sind. Entscheidend ist der Spaß an der Sache. Wenn du Kinder zu einem Hobby oder Sport zwingst, wirst du nur erreichen, dass sie irgendwann genervt das Handtuch werfen. War es immer schon dein Ziel, Profi zu werden, oder ist das einfach so passiert? Auf jeden Fall kam das nicht über Nacht. Wahrscheinlich träumt jeder, der in seinem Sport gut ist, irgendwann mal davon, Profi zu werden. Auch bei mir hat sich das alles über

26 | KANU 01.14

024029-How2GoPro-KM0114_end.indd 26

23.01.14 15:13


Ohne Fleiß kein Preis. Wie hier im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien ist der Weg nach oben oft anstrengend und lang. Um das ganze Jahr über paddeln zu können, ist Rush inzwischen in den regenreichen Westen der USA gezogen.

bin bei großen Multisport-Events angetreten oder habe Stunts für Fernsehshows gemacht. Jetzt kann ich endlich behaupten, vom Paddeln leben zu können. Yes! Wie viele Sponsoren braucht es, um als Profi über die Runden zu kommen? Je mehr desto besser! Du musst nur aufpassen, dass dein Boot nicht irgendwann aussieht wie ein Nascar-Rennwagen ;-)

meinen Platz in der Szene erkämpft. Die ersten richtigen Verträge habe ich unterschrieben, nachdem ich 2003 die Junioren-WM im Freestyle in Graz gewonnen hatte. Dieser Sieg war eine Art Katalysator, um das nächste Level in meiner Paddelkarriere zu erreichen. Boot und Paddel umsonst zu bekommen, ist das eine, vom Sport zu leben das andere. Wie hast du es angestellt, dass dich die Firmen tatsächlich fürs Paddeln bezahlen? (Lacht). Ich gehe denen einfach so lange auf die Nerven und bettele um Geld, bis sie derart genervt von mir sind, dass sie schließlich nachgeben. Nein, im Ernst, man muss schon ein bisschen abgezockt sein in diesem Geschäft. Dem einen fällt das leichter, der andere tut sich schwer damit. Auf jeden Fall steckt immer viel Aufwand dahinter, und wenn die Leute wüssten, was wir Profi-Paddler verdienen, würden sie ganz schön mit den Ohren schlackern. Und zwar nicht, weil es so viel ist … Dann mal Hosen runter: Wie viel Kohle machst du? Inzwischen komme ich über die Runden. Ich bin dankbar für jeden Sponsor, der mich finanziell unterstützt. Aber seinen Traum als Kajakfahrer zu leben, geht auch ganz schön ins Geld. All die Reisen, das Foto- und Video-Equipment … Entweder musst du sehr genügsam sein oder auf mehreren Hochzeiten tanzen, damit am Ende des Monats das Geld nicht ausgeht. Selbst die Top-Paddler haben meist noch irgendwelche Jobs, um die Rechnungen zu bezahlen. Ich habe immer schon leidenschaftlich gern mit der Kamera gearbeitet – in den letzten Jahren hat mich das immer mehr über Wasser gehalten. Wirklich lukrativ wird es eigentlich erst, wenn du den Sprung aus der kleinen Paddelwelt schaffst und einen Fuß in den kommerziellen Markt bekommst. Im letzten Jahr stand ich für einige Werbevideos vor der Kamera,

Wie streckst du deine Fühler in andere Bereiche aus? Ganz einfach: Ich rufe an. Wenn ich der Meinung bin, dass beide Seiten von einer Zusammenarbeit profitieren, versuche ich, das Unternehmen davon zu überzeugen, dass ich eine Investition wert bin. Dafür braucht man natürlich gute Argumente, aber mit jedem Versuch wird man besser. Und bei den vielen Absagen gibt es reichlich Gelegenheit zum Üben ... Hast du keine Agentur, die sich um deine Vermarktung kümmert? Seit Neuestem habe ich eine Assistentin, die mir ein paar Aufgaben abnimmt. Aber das gilt nur für meine Produktionsfirma »River Roots«, mit der ich im Moment Gas gebe. Was meine Angelegenheiten als Profi angeht, mache ich nach wie vor alles selbst. Ich hatte noch nie einen Manager, fühle mich aber auch besser, wenn ich das Heft selbst in der Hand habe. Siehst du dich eher als Athleten oder als Filmemacher und Mastermind hinter großen Projekten? Ich versuche, beides unter einen Hut zu bekommen. Ich liebe das Paddeln und das Filmemachen und will weder auf das eine noch auf das andere verzichten. Ein perfekter Tag für mich sieht so aus: Erst gehe ich zum Paddeln auf den Little White und dann sitze ich ein paar Stunden vor dem Rechner, schneide Filme oder kümmere mich ums Geschäft. >

Je mehr Sponsoren du hast, desto besser. Erst wenn dein Boot mit Logos vollgeklebt ist wie ein Nascar-Rennwagen, solltest du aufpassen, dass du dich nicht lächerlich machst. Sponsoren sind das eine, die Glaubwürdigkeit bei deinen Kumpels das andere. KANU 01.14 | 27

024029-How2GoPro-KM0114_end.indd 27

23.01.14 15:13


> SZENE // INTERVIEW // RUSH STURGES

Ausschnitte aus dem Leben eines Paddelprofis: In den Inga Rapids auf dem Congo River, als Kameramann beim Videodreh in Mexiko und mit der gesamten Expeditionscrew des »Grand Inga Project«.

Rush Sturges geht auf Reisen: Dirtbag oder 5-Sterne-Hotel? Haha, 5 Sterne sicher nicht! Allerdings weiß ich die Wirkung einer erholsamen Nacht mehr zu schätzen, je älter ich werde. Unterwegs kommt es ohnehin oft genug vor, dass wir irgendwo im Busch unter freiem Himmel schlafen, und das ist auch gut so. Man will ja auch nicht völlig verweichlichen! Wie groß ist der Druck durch die Sponsoren, immer spektakulärere Bilder und extremere Stunts zu liefern? In erster Linie fühle ich mich dem Sport verpflichtet. Ich will, dass sich das Kajakfahren weiterentwickelt und meinen Teil dazu beitragen. Und diese ganzen Projekte machen ja Spaß. Klar paddelt immer auch das Risiko mit: Wenn du dich zum Beispiel einen hohen Wasserfall runterhaust, kann immer etwas schiefgehen. Aber wenn du unten im Pool auftauchst und eine gute Linie hattest, ist die emotionale Belohnung umso größer. An die wirtschaftliche Komponente denke ich in diesen Momenten gar nicht so sehr. Am Ende des Tages bin ich dankbar für das Privileg, das tun zu können, was mir am meisten Spaß im Leben macht. Aber wenn du ein großes und aufwendiges Projekt im letzten Moment abblasen musst, steigen dir die Sponsoren doch trotzdem aufs Dach, oder nicht? An den Niagara-Fällen ist letztes Jahr genau dieser Fall eingetreten: Rafa Ortiz wollte eine Befahrung wagen, hat sich dann aber buchstäblich in der letzten Sekunde dagegen entschieden. Das ganze zweijährige Filmprojekt sollte auf diesem Wasserfall basieren, vor Ort standen schon die Kameras in Position, die

Mein großes Ziel ist Hollywood! Irgendwann will ich es mit meinen Filmen ins Kino schaffen. Im Moment nehme ich sogar Schauspielunterricht, um auch den Job vor der Kamera besser zu verstehen. Mein Motto ist: You have to dream big!

Bühne war bereitet. Natürlich waren die Sponsoren und auch ich als Produzent enttäuscht, aber Athleten sind eben keine Maschinen, und man muss solche Entscheidungen akzeptieren. Es gehört ganz schön viel Mut dazu, bei so einem Projekt im entscheidenden Moment »Nein« zu sagen. Rafa hat dafür meinen ganzen Respekt. Für mich ging’s danach zurück ans Storyboard, und jetzt freue ich mich darauf, diesen Film fertig zu stellen und die ganze Geschichte zu erzählen … Wie lange kann man als Paddler erfolgreich sein? Kommt drauf an, wie du Erfolg definierst. Sicher werde ich in 15 Jahren kein aktiver Profi mehr sein, aber Paddler werde ich mein ganzes Leben bleiben. Zurzeit bin ich fokussiert wie nie, ich trainiere nach Plan, achte auf meine Ernährung und investiere überhaupt alles in den Sport, um noch lange vorne mitzumischen. Gleichzeitig wird über kurz oder lang der Schritt kommen, dass ich hohe Wasserfälle und harte Einschläge vermeiden werde. In der letzten Saison habe ich ganz schön eingesteckt: mehrere Gehirnerschütterungen, vier Nasenbrüche, eine Ohr-OP, ein Eingriff am Ellbogen und so weiter. Auch den Rücken habe ich mir schon gebrochen. Neben der körperlichen schrumpft auch die mentale Bereitschaft, immer wieder aufs Neue ein so hohes Risiko einzugehen. In Zukunft werde ich mich wohl mehr auf komplexe Stromschnellen, Expeditionen, Extremrennen und Big-Wave-Freestyle konzentrieren. Fest steht: Dem Kajakfahren bleibe ich treu – das ist eine Verbindung fürs Leben. Hast du denn schon konkrete Pläne für die Zeit nach der Profikarriere? Wie steht’s um die Rentenvorsorge? 2013 war das erste Jahr in meiner ganzen Laufbahn als Paddler, in dem ich ein bisschen Geld zurücklegen konnte. Mein großes Ziel ist Hollywood – ich will es mit meinen Filmen ins Kino schaffen. Mit River Roots versuche ich, den Grundstock dafür zu legen. Das klingt vielleicht vermessen, aber Hollywood war schon immer mein Traum. Ich nehme sogar Schauspielunterricht! Mein Motto ist: You have to dream big!

Apropos: Die Kids glauben, als Kajakprofi jettet man um die Welt, geht paddeln, feiert wilde Partys und reißt einen Haufen Mädels auf. Wie ist es tatsächlich? Yep. Das bringt es eigentlich ganz gut auf den Punkt ;-) <

28 | KANU 01.14

024029-How2GoPro-KM0114_end.indd 28

23.01.14 15:13


UND JETZT DU! Wo ist er, der heimische Paddelnachwuchs, der nach den Sternen greift? Wir wissen, das Interview ist lang und die Konzentrationsphase der Jugend kurz – hier ist Rushs knackiger 5-Punkte-Plan für den Weg zum Kajakprofi. Also ran an die Paddel! 1. GEH PADDELN!

»Das ist wohl nicht die überraschendste Erkenntnis, aber wenn du Profi werden willst – egal worin –, brauchst du unbedingte Hingabe.« Für einen professionellen Paddler ist das ganze Jahr Saison: Egal ob Regen, Schnee oder Sonne – du musst dahin, wo das Wasser ist. Rush ist extra in den Nordwesten der USA am Pazifik gezogen, wo es ständig regnet. Was für andere ein Grund zu jammern ist, bedeutet für ihn, das ganze Jahr über paddeln zu können. Rush sitzt etwa zwei bis drei Stunden am Tag im Boot und kommt auf mehr als 200 Paddeltage im Jahr. Den Rest der Zeit verbringt er im Flieger oder schlägt sich irgendwo auf der Erde durch den Dschungel, um zum nächsten Bach zu kommen. »Man sagt, dass du 10.000 Trainingsstunden brauchst, um in deinem Sport zu den Besten der Welt zu gehören. Die Zeit läuft!« 2. SEI VIELSEITIG

Rush glaubt, »die besten Paddler sind die, die sowohl im Creeker als auch im Freestyleboot gut sind«. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber am Ende zahle es sich aus, »wenn man sich nicht nur auf eine Art des Paddelns beschränkt«. Jede Disziplin stellt ihre eigenen koordinativen Anforderungen und macht aus dir einen besseren Paddler. Auch aus Marketing-Sicht ist deine Vielseitigkeit ein Vorteil, gleichzeitig verschaffst du dir als guter Allrounder Respekt in der Szene. »Für potenzielle Sponsoren bist du interessanter, wenn du gut bei Wettkämpfen, im Freestyle, im Extrembereich und auf Expeditionen bist«, so Sturges. »Also mach alles!« 3. MISS DICH MIT ANDEREN

»Geh mit Leuten paddeln, die besser sind als du. Schaue dir Dinge von denen ab, die Spitze sind in ihrer Disziplin.« Rush paddelt meist mit Profi-Kollegen wie Ben Marr, Evan Garcia, Steve Fisher oder Isaac Levinson. »Deine Freunde pushen dich immer wieder und machen dich jeden Tag ein Stückchen besser. Kaum etwas hat einen so großen Anteil an einer erfolgreichen Karriere wie deine Paddel-Buddies.« 4. BLEIBE IM GESPRÄCH

RUSH STURGES (28) ist im Kajak aufgewachsen – seine Eltern betreiben am Salmon River in Kalifornien die Kajakschule Otter Bar Lodge. In der Highschool begann Rush, die Kunden seiner Eltern beim Paddeln zu filmen und ihnen die Aufnahmen zu verkaufen. Das verdiente Geld investierte er gleich wieder in besseres Kamera-Equipment. Bevor er alt genug war, um in den USA Bier trinken zu dürfen, wurde er von Sponsoren dafür bezahlt, zu paddeln und seine Abenteuer mit der Kamera zu dokumentieren. Im Jahr 2009 gründete Rush die Produktionsfirma »River Roots« (river-roots.com), mit der er bislang drei Kajakfilme produziert hat. 2012 wurde er von der US-amerikanischen Zeitschrift »Outside« mit dem Adventurer-of-the-YearAward ausgezeichnet: Zusammen mit Steve Fisher, Tyler Bradt und Ben Marr paddelte er die Inga Rapids auf dem Congo River – die größten Stromschnellen der Welt (siehe KANU 4/2012).

»Deine Freunde werden dich aufziehen, wenn du jeden Furz auf Facebook postest, aber deine Sponsoren werden es dir danken«, sagt Rush. »Inzwischen sind Likes und Klicks bares Geld für uns Athleten.« Logischerweise legen Sponsoren Wert darauf, dass sich die Leute für dich und deine Meinung interessieren. Vorher bekommst du von ihnen sicher keine Kohle. Wer wie Rush über 12.000 Facebook-Fans hat, beweist, dass er ein echter Meinungsbildner in der Szene und damit ein guter Repräsentant einer Marke ist. »Beim heutigen Stellenwert von Social Media«, so Sturges, »ist es Pflicht, gute Fotos, Videos und Texte zu posten – und zwar regelmäßig.« 5. HABE EINEN PLAN B

»Irgendwann wirst du den Punkt erreichen, an dem du dich weder weiterhin 30-Meter-Wasserfälle hinunterstürzen noch von Krokodilen jagen lassen willst.« Extremes Wildwasser ist etwas für junge Leute. Davon kann auch Rush ein Lied singen, seit er sich 2009 bei einer Wasserfallbefahrung in Argentinien den Rücken gebrochen hat. »Diesen Sport kann man nicht ewig machen. Von Zeit zu Zeit musst du dich eben neu erfinden und kreativ genug sein, um deine Karriere weiterhin am Laufen zu halten.« Rush hat sich inzwischen auch einen Namen als Filmemacher und Musiker gemacht. »Sei dir nicht zu schade, der Kameramann zu sein. Der Redakteur, der Produzent, der Teammanager, der Kajaklehrer, der Fotograf, der Autor … Wenn du dir mehrere Standbeine aufbaust, schläfst du ruhiger und hast auch deinen Sponsoren mehr zu bieten. Bleib also kreativ und fokussiert, aber vor allem habe Spaß!« KANU 01.14 | 29

024029-How2GoPro-KM0114_end.indd 29

23.01.14 15:13


> REISE // SEEKAJAK // STORM GATHERING

Spätherbst und Winter sind ideal, um an der Eskimorolle zu feilen. Wer hierbei aber ans Hallenbad denkt, hat vermutlich noch nie vom UK Storm Gathering im schottischen Oban gehört. Und das Üben der Grönlandrolle im eiskalten Atlantikwasser ist nur eine Disziplin auf dem kältesten

Seekajaktreffen Europas.

30 | KANU 01.14

030035-Stormgathering-0114_end.indd 30

24.01.14 13:57


Schotten dicht, der

TEXT UND FOTOS: BJĂ–RN NEHRHOFF

KANU 01.14 | 31

030035-Stormgathering-0114_end.indd 31

24.01.14 13:57


> REISE // SEEKAJAK // STORM GATHERING

dem Gespräch mit dem Umziehen begonnen hatte. Der Trockenanzug lag sanft und sicher gebettet in einer Kiste im Auto. Ähnlich nass wie der schwarz-weiß gescheckte Hund kann ich immerhin meine Unterkleidung wechseln, ehe die anderen Paddler am Strand eintrudeln. ANGESTREBTES KURSNIVEAU: »SCHLITZSCHRAUBENZIEHER«

Eimerweise kommt der Regen aus dunklen Wolken. »Bei diesem Sauwetter schickt man nicht einmal den Hund vor die Tür«, denke ich. »Und ich will mit dem Kajak raus ...« Wenn sich an der schottischen Westküste die Tiefdruckgebiete die Klinke in die Hand geben, auf den Gipfeln der Berge die ersten Schneehäubchen zu sehen sind und die Temperatur zum Gefrierpunkt tendiert, dann ist November im Land des Whiskys. Sehr optimistisch, wer in dieser Zeit einen Besuch im Die Autovervollbritischen Norden plant, mag so mancher dabei denken. Das ist wohl richtig, wenn man ständigung meines eine gemütliche Tour bei Sonnenschein im Sinn hat. Das »Storm Gathering«, das drei Tage PDF-Anmeldeformulars lang in den schottischen Gewässern rund um hatte aus meinem das idyllische Örtchen Oban stattfindet, wirbt allerdings gerade mit den harten Bedingungen, Wunsch »Rough Water die man hier im November an der Schwelle zu Handling« das deutsche den Hebriden erleben kann. Das Faltblatt der Veranstalter zeigt einen Paddler in drei bis vier Wort SchlitzschraubenMeter hohen Brechern, mitten im Sturm. Allein schon der Anblick treibt einem das zieher gemacht. Adrenalin in die Adern. Also nix mit gemütlich, So ordneten mich die hier geht es voll zur Sache! Während ich die Kajaks ablade, hält neben Veranstalter einer meinem Auto ein Pick-up der Forstverwaltung, Gruppe mit mittlerer und ein Hund wird aus dem Auto geworfen. »Tja, nicht nur das Leben als Seekajaker ist hart Seekajakerfahrung in Schottland«, denke ich bei mir. Einen Moment später kurbelt der Fahrer das Fenster zu. Nun gut ... auf der dem Wind abgewandten Seite runter. Seiner Kleidung nach ist er Förster. Mit rollendem schottischem Akzent dröhnt mir seine raue Stimme entgegen: »Wait ten minutes and you’ll be paddling with the sun!« Als Paddler mit einem forstlichen Hintergrund komme ich schnell ins Gespräch, während der pudelnasse Border Collie aufgeregt um den Range Rover rennt und sich dann Streicheleinheiten bei mir abholt. Um einen Bleistift der schottischen Forstverwaltung reicher stehe ich noch immer im Regen, als sich das Auto vom Parkplatz fortbewegt. Irgendwie doof nur, dass ich kurz vor

Als Autodidakt im Kajak habe ich keine »offizielle« Qualifikation im Paddeln, aber doch über die Jahre so einige Erfahrung gesammelt. Nun muss man wissen, dass es in britischen Gefilden ein Qualifikationsgerüst gibt, das für den Europäischen Paddelpass Pate stand, aber vor allem im Seekajakbereich DAS anerkannte System ist. Kern der Bewertung sind Sternekategorien von eins bis fünf für Paddler, Tourenleiter und Trainer. Zum Glück sind die Briten ein lockeres Völkchen und man muss keine Angst haben, ohne eine solche Qualifikation nicht an einem Symposium teilnehmen zu können. Trotzdem bin ich gespannt, wie ich da hineinpasse. Zwar bin ich schon in der Gegend gepaddelt, doch waren das Solotouren im Expeditionsstil. Die Autovervollständigung meines PDF-Anmeldeformulars hatte aus meinem Wunsch »Rough Water Handling« das deutsche Wort Schlitzschraubenzieher gemacht. So ordneten mich die Veranstalter einer Gruppe mit mittlerer Seekajakerfahrung zu, mit der ich nun gemeinsam die Boote zum Ufer schleppe. Auf dem Wasser erwarten uns vier Windstärken und kleine Windwellen – eigentlich genau das, was ich zu Hause im Winter jeden Tag auf dem heimischen See erlebe. Genau wie vom schottischen Förster vorhergesagt, kommt nun die Sonne raus, ja der Himmel wird zwischenzeitlich sogar blau bis zum Horizont! Heute steht Paddeltechnik auf dem Lehrplan. Wir fahren Kreise um Bojen und lernen Tricks, um kraftschonend gegen den Wind zu paddeln. Im Stillen denke ich: »You can´t teach an old dog new tricks.« Aber das Thema passt zu den anderen Kursteilnehmern, und Coach Ollie bringt die Message überzeugend rüber. Er kann ja schließlich nichts dafür, dass ich nicht in der Lage war, das Formular richtig auszufüllen. Auf der anderen Seite habe ich nun Gelegenheit, das Ganze mit der Kamera zu dokumentieren. PADDELN MIT DER DACHLATTE – DIE HOHE KUNST DES GRÖNLANDSTILS

»Master Class Greenland Rolling« heißt das Thema am nächsten Tag. Während der Nacht ist die Temperatur unter den Gefrierpunkt abgesackt und hat die Straßen von Oban in Rutschbahnen verwandelt. Insgeheim frage ich mich, wie lange ich es unter diesen Umständen wohl unter Wasser aushalten kann, denn der Atlantik hat gerade mal um die vier Grad. Obenrum ist es sogar noch kälter. Vielleicht hilft ja der Golfstrom oder die Klimaerwärmung? Kursleiterin ist Helen Wilson, eine Ikone des Paddelns im Grönlandstil. Die mehrfache Medaillengewinnerin bei den Grönländischen Kajakmeisterschaften kommt aus Kalifornien und hat die Video-DVD »Simplifying the Roll« produziert. Als weltweit agierende Paddeltrainerin hat sie sich allerdings nicht nur auf das reine Grönlandrollen spezialisiert, sondern auch das kulturelle Umfeld des traditionellen Kajaksports im Land der Inuit im Blick. Die Meisterschaften in Grönland verlangen 35 verschiedene Arten der Eskimorolle. Mit einem Video über eben jenen Rollwettbewerb beginnt auch der Kurs ganz gemütlich im Kreis sitzend auf dem Boden des »Game Room« im Kilbowie Outdoor Center. Die Meisterschaften sind keine reine Sportveranstaltung, sondern auch eine der wenigen Gelegenheiten für die sehr isoliert lebenden Küstenbewohner, sich außerhalb ihrer Siedlung mit Grönländern wie Inselbesuchern zu treffen. So gleicht das Ganze eher >

32 | KANU 01.14

030035-Stormgathering-0114_end.indd 32

24.01.14 13:57


Bei Ausfahrten und speziellen Workshops arbeiten die Teilnehmer an ihren persönlichen Fähigkeiten. Als Lehrmeister fungiert der Atlantik vor Schottland, wo Wind und regelmäßige Dünung für anspruchsvolle Bedingungen bürgen. Entspannend sind dagegen die Landgänge durchs schottische Highland im Herbst.

KANU 01.14 | 33

030035-Stormgathering-0114_end.indd 33

24.01.14 13:57


> REISE // SEEKAJAK // STORM GATHERING

einer großen, wochenlangen Feier mit sportlichem Hintergrund. Es folgt eine trockene Einführung in die Benutzung der »Dachlatten«, wie die Grönlandpaddel von Otto Normalpaddler gern respektlos betitelt werden. Wir lernen: Es gibt in Grönland keine festen Regeln für den Umgang mit dem eleganten Holz. Auf Grönland lernen die Kinder das Paddeln durch Hinterherfahren und Abgucken bei den Eltern. Trial and error heißt die Devise. Einen Tipp gibt es aber doch: Dabei geht es um den bekannten »Canted Stroke«, bei dem man das Paddel nicht senkrecht ins Mein Problem ist Wasser taucht, sondern in einem bestimmten allerdings erst mal, mit Winkel mit der Blattspitze nach vorn geneigt. Bei exakter Ausführung taucht das Paddel all den Schichten am geräuschlos ins Wasser und bekommt sofort Körper überhaupt Griff im feuchten Element. Dann kommen wir zum nassen Teil. Das durchzukentern und Wetter gebärdet sich weiter ganz und gar unschottisch: wolkenloser, blauer Himmel bis nicht wie ein Korken zum Horizont! Frisch gefallener Schnee in der Mitte hängen umhüllt die Gipfel der Insel Islay mit einem weißen Mantel. Beim Anblick der Landschaft zu bleiben. gerate ich ins Schwärmen. Doch nun drehen wir uns zunächst mit dem Kajak im Kreis, um das Paddeln mit dem »Stick« zu üben. Wir beginnen mit dem »Canted Stroke«. Anschließend kommt der »Sliding Stroke« ins Spiel, bei dem das Paddel am Schaft hin und her rutscht, um die Schaftlänge auf der Aktionsseite zu vergrößern. Derart aufgewärmt fühlen wir uns bereit, den Kopf ins Wasser zu stecken. Doch halt, nein! Da sich in der Gruppe nicht nur »Master«, sondern auch einige Rollanfänger befinden, beginnen wir ganz von vorn und schwimmen stattdessen einem menschlichen Boot gleich von Kopf bis Fuß im kalten Atlantikwasser. Während der Partner die Füße über Wasser hält, versuche ich an der Wasseroberfläche treibend, die Rollbewegung zu simulieren. Gut, dass ich heute morgen nicht an Kleidungsschichten gespart habe, auch wenn ich nun aussehe wie eine runde, dicke Zwiebel. Als Höhepunkt des Kurses gibt es ein paar Minuten Eins-zu-eins-Unterricht, bei dem die individuellen Rollprobleme jedes Teilnehmers auf den

Prüfstand kommen. Mein Problem ist allerdings erst mal, mit all den Schichten am Körper überhaupt durchzukentern und nicht wie ein Korken in der Mitte hängen zu bleiben. Ich versuche mich an fortgeschrittenen Rolltechniken, die mir Probleme bereiten, und ersetze das Paddel durch den Norsaq. Dieses oft kunstvoll gefertigte Kajakzubehör diente den Inuit ursprünglich bei der Harpunenjagd als Wurfgerät. Beim Erlernen grönländischer Rolltechniken wird das Norsaq anstatt des Paddels benutzt und dient als verlängerter Arm (analog zu Schwimmbrett oder Handpaddles im mitteleuropäischen Rolltraining). Die untergehende Sonne mitsamt rapide sinkenden Temperaturen setzen dem Kurs ein natürliches Ende. Das Fazit: Es war scheißkalt, aber ich bin froh, wieder etwas dazugelernt zu haben. Um die neuen Techniken zu perfektionieren, hilft sowieso nur das Üben zu Hause. KOPFÜBER VERDROSCHEN VOM ATLANTIK

»Rough Water Handling« heißt der Kurs, Zielgruppe sind die Meister ihres Fachs. Als »Master Class« werden ja oft einigermaßen sportliche Veranstaltungen betitelt, deren Teilnehmer die Ü-40-Schwelle knacken. Und da würde ich mittlerweile leider gerade so reinpassen. Die meisten anderen Teilnehmer scheinen allerdings unter dieser gruseligen Marke zu liegen. Es muss sich also doch um echte Könner im Seekajak handeln! Ein Sturm hat sich zwar nicht eingefunden, aber ein wenig Swell läuft vom offenen Atlantik in unsere Bucht. Unser Coach Chris kommt aus Kanada. Logisch, dass bei seinen Aufwärmübungen das Paddel wie ein Stechpaddel im Kanu eingesetzt wird, aber bitte schön im Übergriff. Eine feine Übung zur Paddelkoordination, wie ich schnell merke! Und gar nicht so einfach. Derart verrenkt sind wir vorbereitet auf größere Taten. Also nix wie los in den Felsengarten, hier spült der Swell mit Kraft zwischen den Steinen hindurch. Folgt man der Masse der Welle, wird man automatisch mitgenommen. Hat man ein schlechtes Timing, bleibt man stecken. Am Ende der Spielstelle hilft der Kehrwassereffekt, um das Boot zu drehen und anschließend gegen die Wellen wieder herauszupaddeln. Yes, Wildwasser mit Salzgeschmack.

Bei solchen OffshoreBedingungen gehört das volle Ornat an Bord: Trockenanzug, Pumpe, Paddlefloat & Grips.

34 | KANU 01.14

030035-Stormgathering-0114_end.indd 34

24.01.14 13:58


INFO

STORM GATHERING

STORM GATHERING: Das Symposium (ukstormgathering.com) wird von Mark Tozer und Helen Wilson (greenlandorbust.org) unter Mithilfe weiterer renommierter Seekajak-Coaches organisiert. Einige Veranstaltungen sind sehr beliebt, eine frühzeitige Anmeldung ist daher meist ratsam. Wie bei den meisten Treffen auf den Britischen Inseln schließt sich dem Storm Gathering eine Ausbildungswoche der British Canoe Union an, während der Kurse und Prüfungen absolviert werden können. BEIM LANDGANG: In Oban gibt es über den Paddlerhorizont hinaus eine ganze Menge zu entdecken. Da wären zum Beispiel die pittoreske Altstadt mit den geschichtsträchtigen Steinhäusern, heimeligen Cafés und rauen Pubs, die eindrucksvolle Burganlage, der Hafen und nicht zuletzt die örtliche Whisky-Destille.

Auch ohne »Storm Gathering« ist die Region rund um Oban an der schottischen Westküste jede Reise wert.

Weiter geht es mit fortgeschrittener Paddelgymnastik. Aus dem Augenwinkel erkenne ich eine Stelle, an der der Swell alle paar Minuten donnernd über einen unter Wasser verborgenen Felsen bricht. Sofort danach scheint dieselbe Stelle völlig glatt, nichts deutet auf das Hindernis unter Wasser hin. Langsam, aber sicher treibt uns die Strömung während der Übungen in Richtung dieses Orts. Plötzlich erwacht die Stelle wie aus dem Nichts zum Leben und türmt den Swell vor uns auf. Die Wellenberge sind noch ein ganzes Stück größer als bisher. Der erste Paddler in unserer Gruppe schafft es noch locker über die Welle. Als die nächsten zwei die Welle nehmen, wird mir erst das volle Ausmaß der anrauschenden Wogen bewusst. Auch die beiden schaffen es über den Kamm, ehe dieser sich immer mehr aufstellt, so dass der nächste Paddler die brechende Krone abbekommt. Mir als rote Laterne in der Reihe schwant, dass es für mich nicht ganz so glimpflich ausgehen wird. Die Woge ist mittlerweile so steil geworden, dass ich in eine hohle Röhre schaue, die einen Atemzug später mit voller Kraft auf mich eindrischt. Im Rückwärtsgang werde ich mitgenommen, dann ganz schnell unter Wasser gedrückt. Ein Beobachter erzählt mir später, dass die Pirouetten meines Kajaks einer Art Rückwärts-Cartweel glichen. Doch davon bemerke ich nichts. Stattdessen stecke ich kopfüber in einem intensiven Spülprogramm der Marke Atlantik. Ich bin heilfroh, als mich die Welle nach einer langen Tauchfahrt freigibt und ich endlich aufrollen kann. Doch noch bin ich nicht aus der Gefahrenzone.

Bedenklich nahe neben mir ragt die Felswand aus dem Wasser. Ein kleiner Bruder der ersten Monsterwelle wirft mich erneut in den Sidesurf UNTERKUNFT: Das Storm Gathering und schiebt mich mit furchteinflößendem logierte im Kilbowie Outdoor Center, das Tempo der Wand entgegen. Gut, dass ich im PEim Regelfall nur Jugendliche beherbergt Boot sitze, denn ohne Kratzer am Boden komme und für private Buchungen nicht zur ich aus dieser Nummer nicht heraus. SchließVerfügung steht. Campingplätze sind lich gelingt es mir, mit wild drehenden Windin der Gegend vorhanden, waren aber mühlenflügeln zu entkommen. Wow, das war allesamt schon geschlossen. meine Welle des Tages. Zwar zwängen wir uns noch durch so einige Felsen und fahren Fahrstuhl in Armreichweite steiler Klippen – der Adrenalinspiegel bleibt nach dieser Aktion aber zum Glück zwei Stufen niedriger. UND DIE MORAL VON DER GESCHICHT?

Im Gegensatz zum Image sind britische Seekajaktreffen keine reinen Hardcore-Veranstaltungen, sondern gut durchorganisierte Kurse und Workshops, bei denen sowohl Anfänger wie Fortgeschrittene viel erleben und lernen können. Ein Highlight sind sicher die Bekanntschaften mit Sportlern verschiedenster Nationen. Sogar zur spätherbstlichen Unzeit machten sich Paddler aus Kanada und den Vereinigten Staaten auf den weiten Weg über den Großen Teich. Die europäische Fraktion war mit Schweden, Irland, Deutschland, Italien, Griechenland und der Schweiz ebenfalls stark vertreten. <

Von Profis lernen! Im Seekajakzentrum Rosenhagen, am Bodden und auf der Nordsee, mit erfahrenen und qualifizierten Seekajaklehrern

www.nanuk.de 030035-Stormgathering-0114_end.indd 35

24.01.14 13:58


> REISE // TOURING // KÄRNTEN

Kanuland

Kärnte Auf dem Wasser durch Österreichs sonnigen Süden

TEXT & FOTOS: ALFONS ZAUNHUBER

Von Schwall zu Schwall die Gail hinab. Schwimmweste und Helm vergisst man idealerweise dennoch besser nicht im Auto.

36 | KANU 01.14

036041-Kaernten-KM0114-end.indd 36

23.01.14 15:15


ten Kärnten? Liegt das nicht auf dem Weg zur Soča hinterm Tauerntunnel links und rechts vom Standstreifen? Beim nächsten Mal bitte Blinker setzen und rausfahren, denn Österreichs südlichstes Bundesland ist selbst ein Paddelparadies der Extraklasse – und zwar für Touringfreunde und Wildwassergourmets gleichermaßen.

KANU 01.14 | 37

036041-Kaernten-KM0114-end.indd 37

23.01.14 15:16


> REISE // TOURING // KÄRNTEN

Ausflug in die Botanik gefällig? Der Pressegger See bei Hermagor ist mit seinen moorigen Ausläufern ein Refugium für zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten.

Pressegger See – Naturoase vom Feinsten er nur an wenigen Stellen zugängliche Pressegger See mit einer Größe von 55 Hektar ist ein empfehlenswertes Basislager für Urlauber, die im Gailtal wandern, paddeln, radeln und relaxen wollen. Umrahmt von 2000 Meter hohen Bergen ist das Gewässer mit seinen ausgedehnten Schilfgebieten und einigen wenigen Badeplätzen fast ein Geheimtipp. Wer in den frühen Morgenstunden hier sein Boot am Strandbad einsetzt, um den See zu umrunden, und hinterher im Café sein Frühstück genießt, dem sind einige Glückshormone sicher. Für den Nachmittag kann man dann immer noch ein Teilstück der Gail ins Auge fassen. Die Seeache, der Abfluss des Pressegger Sees zur Gail, ist inzwischen leider für den Kanusport gesperrt und fest in der Hand der einheimischen Angler. Kein Wunder, beide Gewässer sind extrem fischreich: Hechte, Welse, Karpfen, Aiteln und Rotaugen, selbst der Edelkrebs kommt hier vor – ein Indiz für eine ganz besondere Strukturvielfalt. Die Flora glänzt mit hohem Schilfbestand und einer in Mitteleuropa seltenen Orchideenart, der Liparis loeselii. Auf Deutsch »Sumpf-Glanzkraut« genannt, gedeiht die rare Schönheit in den moorartigen Bereichen rund um den Zu- und Abfluss. Campingplätze und einige Hotels bzw. Ferienwohnungen bieten sich als Unterkunft an, und der im Sommer bis zu 24 Grad warme See ist ein wunderbares Badegewässer in toller Lage.

Die Gail – Kärntens Wildwanderfluss 6 Kilometer lang ist dieser Kärntner Paradefluss von St. Daniel bis zum kurz vor der Mündung in die Drau gelegenen Maria Gail. Die Fahrt wird lediglich von einem einzigen Wehr unterbrochen. Die Schwierigkeiten pendeln bei durchweg flotter Strömung um WW I. Dazu kommt die Wildwasserstrecke im bezaubernden Lesachtal mit 24 Kilometern

WW II–III+. Die Gail rechtfertigt im Frühjahr und Frühsommer auch eine weite Anreise. Sie ist kein Wanderfluss im klassischen Sinn, da die einfach zu befahrenden Minikatarakte und Kurvenschwälle stets Aufmerksamkeit fordern. Im Gegenzug sind moderate Stromschnellenabenteuer und Abwechslung garantiert. Schwimmweste sowie im Kajak auch Helm und Spritzdecke gehören zum Standard-Equipment, eventuell auch ein Neoprenanzug. Besonders der erste Streckenabschnitt zwischen St. Daniel und Kirchbach bietet erhöhte sportliche Anforderungen. Das Flussbett ist noch schmal, das Wasser reicht hier meist bis Spätsommer. Danach wird die Flussaue breiter und die Schwierigkeiten nehmen ab. Kiesbänke teilen die Strömung und Flachwasserzonen verlangen einen höheren Wasserstand. Nun hat man mehr Zeit, sich der grandiosen Berglandschaft zu widmen – links die Gailtaler und rechts die Karnischen Alpen. Immer im Blick dominiert der markante Dobratsch als fast freistehender Gipfel das Villacher Becken. Die gesamte Flussstrecke wird von einem sehr lohnenden Radweg begleitet, der sich ideal zum Fahrzeugstellen anbietet. Das Gailtal hat noch weitere Höhepunkte zu bieten, zum Beispiel die wildromantische Garnitzenklamm bei Hermagor, ein höchst lohnendes Wanderziel mit Klettereinlagen. Wer’s sportlicher mag, durchsteigt die düstere Mauthener Klamm auf einem Canyon-Klettersteig. Dieser sogenannte Klabautersteig bei Kötschach-Mauthen verlangt alpine Erfahrung und führt in Abschnitten wie der »Ersten oder Zweiten Finsternis« durch eine Fels- und Wasserwildnis, die ihresgleichen sucht.

38 | KANU 01.14

036041-Kaernten-KM0114-end.indd 38

23.01.14 15:16


»Abstand – halber Tacho!« gilt auch in den langen Schwallstrecken der Möll. Wo war beim Kajak noch mal die Bremse?

und die man meist für sich allein hat. Erst wenn die Sonne hinter den Bergen verschwindet, wird man sein Kajak wieder in Richtung Ausgangspunkt lenken. Die Bilder des Tages bleiben dem geistigen Auge noch lange erhalten.

Wörthersee – Österreichs karibikblaue Badewanne Weißensee – Fjordlandschaft im Gebirge ur wenige Kilometer nördlich des Gailtals auf 930 Metern Höhe gelegen, wird der Weißensee oft mit einem norwegischen Fjord verglichen und ist im Winter einer der größten Eislaufplätze der Alpen. Wenn man bei Paternion die Autobahn verlässt und über eine schmale und wenig befahrene Straße zum östlichen Seeende bei Stockenboi kommt, ist gleich klar: Hier gibt es keinen Massentourismus. Ein paar Häuser, ein Campingplatz und ein Anleger der Weißensee-Schifffahrt – das war’s! Als Nächstes fällt der Blick auf den azurblauen See, und ob der Schönheit fehlen einem glatt die Worte. Ein Kanute, der nicht sofort Lust verspürt, sein »Schifferl« vom Dach zu laden und in See zu stechen, der hat keine Paddlerseele! Genuss pur schon auf den ersten Metern – am fernen Horizont fällt der Blick auf weiß gezuckerte Dolomitengipfel, rechts und links sind die 2000 Meter hohen Berge im Herbst verziert mit stimmungsvollen verfärbten Mischwäldern. Mehrere Felswände am Nordufer sind ein Anziehungspunkt der besonderen Art: Oft sind hier Klippenspringer am Werk, meist junge Burschen, die sich aus zehn bis 15 Metern Höhe in den erfrischend kalten See stürzen. Wagemutige Überflieger können dieses Abenteuer als »Acapulco-Springen« buchen – nur eine der actionreichen Attraktionen, die den Urlaub in Kärntens Naturarena bereichern. Zwei Drittel des Seeufers sind unverbaut – zwischen den Orten am Ost- und Westufer gibt es lediglich einen Wanderweg. So findet man traumhafte Plätze, die nur per Boot erreichbar sind

er vor allem als Filmkulisse bekannte Wörthersee mit einer Uferlänge von 42 Kilometern ist in Sommerurlaubszeiten fest in der Hand der Badetouristen. Außerhalb dieser Zeit, oft sogar noch im Oktober, präsentiert sich der karibikblaue See aber durchaus als lohnendes Ziel. Er bietet mehr Natur, als man glaubt, und mit dem Kajak in den frühen Morgenstunden zur Kapuzinerinsel bei Pörtschach zu paddeln, das hat was! Oder einen Ausflug zur romantischen, bei Hochzeitsgesellschaften beliebten Halbinsel Maria Wörth. An den Wörthersee kam auch schon Gustav Mahler, um hier im ausgehenden 19. Jahrhundert im ruhig gelegenen Komponierhäuschen großartige Musik zu schaffen. Wer es urbaner mag, paddelt vom Campingplatz am Strandbad über den Lendkanal in die reizvolle Innenstadt von Klagenfurt. Städtetourismus auf die gleitende Art!

Faaker See – Badesee am Fuße des Dobratsch er Faaker See bei Villach ist wie der Pressegger See ein relativ kleines Gewässer, dennoch mit 22 Hektar der fünftgrößte See Kärntens. Eine kleine Insel erhebt sich aus dem Wasser, in dem sich das Massiv des Dobratsch und die Gipfel der Karawanken spiegeln. Sein Zufluss Wourounitza ist verantwortlich für das türkisblaue, mit feinem Kalkstaub vermischte Wasser. Der Faaker See ist ein weiteres mögliches Basislager für Kanuten, die die Nähe zu den anderen >

KANU 01.14 | 39

036041-Kaernten-KM0114-end.indd 39

23.01.14 15:16


Kanugewässern schätzen. Das Kajakcenter Faaker See bietet neben einem Bootsverleih Einsteigerkurse und geführte Touren in der näheren Umgebung an, außerdem Rafting, Canyoning und Stand Up Paddling. Auf dem Faaker See ist eine Vielzahl lohnender Spritztouren möglich. Die Untere Gail ist nur einen Katzensprung entfernt, ebenso das Untere Drautal. Wer einen Ausgleich für die Beine sucht, vergnügt sich im Klettergarten am Kanzianiberg, startet zur Bergtour auf den Mittagskogel oder nutzt einen der vielen Radwege zum Bikesport. Eine weitere Option sind Tagesausflüge ins nahe Slowenien, zum Beispiel zum Bleder See oder – bei ausreichend Wasser im Frühjahr – aufs leichte Wildwasser der Save-Quellflüsse. Unbedingt meiden sollte man den Faaker See Anfang September, wenn Tausende von Motorradfahrern während der »European Bike Week« die Uferstraßen bevölkern.

Die Gurk – Auwaldromantik pur anz viel Natur gibt’s auf der Gurk – fast für die Hälfte des gesamten Laufs bescheinigt der WWF eine intakte Naturlandschaft. Dabei ist die Gurk mit einer Länge von 157 Kilometern der zweitlängste Fluss in Kärnten. Der Oberlauf ist zum Teil Naturschutzgebiet, die Waldschlucht der Engen Gurk ist ein hochkarätiges Wildwasserziel im oberen Schwierigkeitsgrad. Der Ort Gurk ist für seinen Dom bekannt, einer der wichtigsten Sakralbauten Österreichs. Wanderpaddler setzen hier im Frühjahr zu einer flotten Kleinflusstour mit leichten WW-I-Passagen und einigen Wehren ein. In Gurk begegnet man nur selten Paddlern. Im Klagenfurter Becken lohnt sich die Strecke zwischen Niederdorf und dem Völkermarkter

Stausee bei Tainach. Unser immer noch schmales Flüsschen sucht sich seinen Weg durch Mischwälder, nimmt die von Westen zufließende Glan auf und strömt zwischen Kiesbänken und üppigen Frühlingsblumen dem Unteren Drautal entgegen. Nur mit wendigen Boote und einer ausgereiften Paddeltechnik hat man auf diesem Gewässer richtig Spaß.

Die Drau – ein wiedererwecktes Paradies a, die Drau ist auf weiten Strecken ein kraftwerksreguliertes Gewässer. Aber dafür kann man von der Iselmündung bei Lienz bis kurz nach Spittal 85 Flusskilometer paddeln, ohne ein einziges Wehr, aber mit flotter Strömung. Eine Besonderheit in Österreich, das sich zwar gegen die Kernkraft entschieden hat, im Gegenzug jedoch recht exzessiv auf Wasserkraft setzt. Die Drau hat schon den »Dichter im Kajak« Herbert Rittlinger fasziniert. Zwischenzeitlich finden im Oberdrautal Renaturierungsmaßnahmen statt, das Paradies wird zu neuem Leben erweckt. Die Staustrecken im Unterdrautaler »Rosental« sind mittlerweile Naturreservate und bieten Paddlern, die zahme Gewässer lieben, ein bezauberndes Kanuziel. Diese Stauseen wirken wie ein breiter ruhiger Fluss, oft gesäumt von Wäldern und Felsen, dazu bilden

40 | KANU 01.14

036041-Kaernten-KM0114-end.indd 40

23.01.14 15:16


INFO

WILLKOMMEN IN DER KANUREGION KÄRNTEN Enns

Immer rein ins Vergnügen: Ob beim Anfängerkurs mit den Profis vom Kanucenter Faaker See, im Toureneiner auf der Gail unterhalb Kirchbach oder mit dem Schlauchkanadier auf der Möll – Kärntens Gewässer bedienen alle Facetten des Paddelsports.

e

d

er

e

Tau

ern

Knittelfeld

Oberwölz

2863 Hochgolling

Murau

Judenburg Neumarkt

M ur

N

Badgastein

i

Schwarzach S alz a c h

Bad Sankt Leonhard

3105

M öll Obervellach

Oberdrauburg

Gmünd

2140 Spittal Millstätter See WeißenOssiacher see See Paternion

Drau KötschachMauthen Hermagor Pressegger See Gail

ITALIEN

Möll – Gletscherfluss mit Wildwassereinlagen ie Möll entspringt den Gletschern des Großglockners, Österreichs höchstem Gipfel. Die Stromwirtschaft hat den Fluss fest im Griff, dennoch ist der kraftwerksregulierte Wildfluss auch für sportliche Tourenpaddler ein interessantes Ziel. Nahe des Kraftwerks Außerfragant beginnt eine 20 Kilometer lange Strecke, meist um WW I–II, nur die letzten fünf Kilometer bis zum Kolbnitzer Stausee erreichen knapp WW III. Wem das zu viel ist, der kann die Fahrt vorher beenden. Insgesamt bietet die Möll meist Schwallstrecken ohne große Verblockung, ideal, um das Schlauchkanu im flott strömenden Wasser auszutesten. Selbstverständlich ist wildwassergerechtes Equipment Pflicht. Auf den anspruchsvollsten Strecken bieten Veranstalter Raftingtouren an, die Seitenklammen locken zu geführten Canyoningtouren. Übrigens: Seit Kurzem machen eigens angelegte Spielwellen das Mölltal auch für Freestyle-Fans attraktiv – gerade für gemischte Gruppen durchaus eine interessante Ergänzung.

2079

Sankt Veit

Feldkirchen

Völkermarkt

Klagenfurt

Bleiburg

Villach Wörthersee Dra u Faaker See

Ferlach

Tarvisio

SLOWENIEN

BESTE ZEIT Die Gurk ist nur im Frühjahr befahrbar, der Unterlauf bis Ende Juni. Auf der Gail findet man zumindest bis in den Juli ausreichend Wasser. In trockenen Sommern reicht das Wasser manchmal nur bis Kirchbach, danach verläuft sich die Gail im Kiesbett. Alle anderen Gewässer, auch Drau und Möll führen das ganze Jahr ausreichend Wasser.

die nahen Karawanken im Süden eine reizvolle Kulisse. Das saubere Wasser lädt jederzeit zum Schwimmen ein, und über den Köpfen der wenigen Paddler kreisen Kraniche und Bussarde. Es empfiehlt sich, Brotzeit und Badesachen ins Boot zu packen: Man findet garantiert einen einsamen Picknickplatz.

Gurk Gur k

AUSRÜSTUNG Vom wildwassertauglichen Kombikajak bis zum aufblasbaren Kanadier ist alles erlaubt. Auf den Seen sind natürlich schnelle Seekajaks Trumpf, aber auch alle anderen Gattungen wie Kunststoffeiner oder Zweierboote (auch zerlegbar) sind geeignet. Die Schwimmweste ist Pflicht, auf wilderen Gewässern auch Spritzdecke, Helm und Neoprenanzug. KULINARIK Die traditionelle Kärntner Küche ist deftig und vielfältig, der Service sehr professionell wie fast überall in Österreich. Viele Einflüsse Italiens und Sloweniens finden sich hier, z. B. die an Ravioli erinnernden Kasnudeln oder Polenta, insgesamt also eine Art »Alpen-AdriaKüche«. Mehlspeisen wie Marillenknödel und Palatschinken sind der süße Abschluss und neben Bier, Most und hervorragenden Obstsäften gibt es Versuche, auch in Kärnten Wein anzubauen. Da haben allerdings die Nachbarn Steiermark und Friaul-Venetien wohl noch eine längere Zeit die Nase vorn. ANREISE Am besten mit dem eigenen Pkw über München und Salzburg zum Knoten Villach (315 km ab München). Von dort je nach Basislager Richtung Osten oder Westen. Möll und Weißensee erreicht man über den Knoten Spittal und Möllbrücke/Greifenburg bzw. die Ausfahrt Paternion/Feistritz (Ostseite des Weißensees). In Österreich besteht Vignettenpflicht (8,50 €/zehn

0

10

20

30 km

Tage). Tauern- und Katschbergtunnel kosten für die einfache Strecke weitere 11 €. Benzin ist günstiger als in Deutschland, Diesel etwa gleich teuer. BASISLAGER Als Standquartier haben sich folgende Campingplätze bewährt: Arneitz Village (am Faaker See), Tel. 0043/4254/2137, www.camping-arneitz.at; Camping Klagenfurt am Wörthersee, Tel. 0043/463/287810, www.camping-woerthersee.at; Camping Max am Pressegger See, Tel. 0043/4282/2039, www.camping-max.com. Alternativ bietet sich ein reiches Angebot an Ferienwohnungen oder Hotels an (siehe Touristik-Infos). KANUVERLEIH & KURSE

Kanucenter Faaker See, Tel. 0043/650/ 4102271, www.kajak-faak.com. Kanupanzi, Tel. 0043/4256/29196, www.kanupanzi.com. TOURISTIK-INFOS

Urlaubsinfo Kärnten, Tel. 0043/463/ 3000, www.kaernten.at. Karnische Tourismus GmbH, Tel. 0043/4282/3131, www.naturarena.com (Gail, Pressegger See, Weißensee). LITERATUR & KARTEN

DKV-Auslandsführer Band 1 Österreich/ Schweiz (2009), 19,95 €. Alfons Zaunhuber, »Die 50 schönsten Kanutouren Österreichs auf Flüssen und Seen« (Pollner Verlag, 2011), 24,90 €. Sabine Becht/Sven Talaron, »Kärnten« (Michael Müller Verlag, 2013), 19,90 €. ADAC-Reisemagazin »Kärnten« (ADAC-Verlag, 2010), 7,80 €. Kompass Wanderkarten 1 : 50.000, Nr. 60 (Gailtaler Alpen, Karnische Alpen, Oberdrautal), Nr. 61 (Wörthersee, Karawanken West), je 9,99 €. Zur Einstimmung: Ingeborg Bachmann, »Sämtliche Erzählungen« (Piper Verlag, 2003), 12,99 €.

KANU 01.14 | 41

036041-Kaernten-KM0114-end.indd 41

23.01.14 15:16


> REISE // TOURING // BOAT & SKI

SEHN SUCHT NACH SENJA TEXT: MARTIN FIALA

FOTOS: TONI BREY & MARTIN FIALA

Kombinierte Abenteuerei in Nord-Norwegen 42 | KANU 01.14

042047-Boat2Ski-Fiala-KM0114-end.indd 42

23.01.14 17:13


Zitternd komme ich zu Bewusstsein. Irgendwas lief schief. Eine Stimme sagt: »Halt durch, der Hubschrauber kommt gleich!« Dann schwebe ich in der Luft, versuche klare Gedanken zu fassen. Vergeblich. Erst einige Stunden später werde ich mit der Realität konfrontiert: »Sie haben Glück gehabt, Herr Fiala ... doppelter Schädelbasisbruch, Hirnblutung, mehrere Halswirbelbrüche!« Nach diesem Skiunfall kämpfe ich mich über ein Jahr durch die Reha, entdecke dabei das Paddeln und beschließe: Beim nächsten Skitrip muss ein Kajak mit.

KANU 01.14 | 43

042047-Boat2Ski-Fiala-KM0114-end.indd 43

23.01.14 17:13


> REISE // TOURING // BOAT & SKI

Monate nach dem Unfall stehe ich in Kiel am Kai der Color Line und warte auf meine Skikollegen Hannes Zehenter, Peter Eigler und Michael Brunner, die mich auf einer Reise durch Norwegen begleiten sollen. Wir wollen am kommenden Tag in Oslo aufbrechen und in acht Tagen nach Tromsø fahren. Jeden Tag weiße Tiefschneehänge hochlaufen und das machen, was uns auch nach den vielen Jahren immer noch zu Kindern werden lässt: Ski fahren. In Tromsø werden die Jungs dann den Heimflug antreten, und ich lade für den Rückweg mit Schlenker über die Lofoten den Fotografen Toni Brey und meinen Schweizer Freund Sven Bethke in das Wohnmobil ein. So die Theorie. Zehn Tage peilen wir für die Erkundung der entlegenen Inselkette ein, die ich nur von traumhaften Bildern und von einigen Erzählungen kenne. Es waren diese faszinierenden Bilder von den Lofoten, die mich bei den unzähligen Krankengymnastik-Terminen und Trainingseinheiten im Geiste begleiteten. Bilder von unberührten Tiefschneehängen, die direkt am türkisblauen Wasser enden. Sie machten mir erst Angst, Angst vorm Skifahren, aber ich versuchte mich dem Gedanken zu entziehen. Im Sommer fing ich mit dem Paddeln an, um meinen Schultergürtel und Halsbereich zu stabilisieren und um mein verlorenes Gleichgewichtsgefühl zu schulen. Aus zaghaften und unsicheren Spinnereien formierte sich dann doch langsam der Traum, mit dem Kajak zu diesen Traumlinien zu paddeln, wieder Ski anzuziehen und da

hochzulaufen, wo ich hoffentlich auch wieder runterfahren können würde. Die folgenden Tage vergehen wie im Flug. Unser Tagesablauf ist reduziert auf eine Reihe von Annehmlichkeiten: Wir reisen mit einem LMC-Luxuswohnmobil, kochen gemeinsam und genießen die norwegische Einsamkeit. Wir fühlen uns privilegiert, unsere Schwünge in 30 Zentimeter Neuschnee zu hinterlassen, und bei Sturm und angespannter Lawinenlage umzukehren. Wir erleben klassische Whiteouts und grinsen wie die Lausbuben bei traumhaftem Firnschnee in der endlosen Weite dieser so wunderschönen und wilden Berge. LET THE SHOW BEGIN

Die erste Möglichkeit zum Paddeln finden wir am nördlichsten Ende der Halbinsel Tranøy vis-à-vis der Inselkette der Lofoten. Die Infos dazu bekamen wir an einer Tankstelle. Die Kajaks auf dem Anhänger haben den Tankwart in einen regelrechten Rederausch gebracht und einen Besuch von Tranøy fast unumgänglich gemacht. Wir kommen bei Schneefall an. Vor uns weiße Strände und im Hintergrund die weiß behaubten Lofoten. Dazwischen Buchten mit glasklarem Wasser. Hektisch werfen wir uns in die Trockenanzüge und springen in die Boote. Mehrere Stunden kurven wir parallel zur einsamen Küste durch die Fluten. Zum Finale wartet eine kleine Surfeinheit. Ein kleiner Break in Strandnähe beschert uns allen kalte Hände und ein breites Grinsen im Gesicht. Wir schlafen, essen, halten nach geeigneten Bergen und Fjorden Ausschau, schwitzen, befahren wunderschöne Linien und paddeln am Nachmittag. Ab und an duschen wir sogar zum Ausgleich. >

Bis zu 1000 Höhenmeter liegen zwischen Gipfel und Meer – je nach Exposition kann man die Tour sogar am Wasser beginnen.

44 | KANU 01.14

042047-Boat2Ski-Fiala-KM0114-end.indd 44

23.01.14 17:13


Ende Mai im hohen Norden – die Sonne ist unser steter Begleiter, nicht mal um Mitternacht verschwindet sie kurz hinterm Horizont. Rinnen hochklettern, Skifahren und Paddeln geht daher zur Not nonstop.

DIE ANREISE AUF DEM LANDWEG WIRD VON VIELEN KLEINEN FÄHRÜBERFAHRTEN AUFGELOCKERT. DIE PASSAGE KIEL – OSLO IST GAR EINE MINI-KREUZFAHRT.

KANU 01.14 | 45

042047-Boat2Ski-Fiala-KM0114-end.indd 45

23.01.14 17:13


> REISE // TOURING // BOAT & SKI

FAST WIE IN DER KARIBIK: OBWOHL LUFT UND WASSER NOCH KALT SIND, BRENNT UNS DIE NACHMITTAGSSONNE SCHON ORDENTLICH AUF DEN PELZ.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: das Wetter auf Senja ist nicht immer Karibik pur.

46 | KANU 01.14

042047-Boat2Ski-Fiala-KM0114-end.indd 46

23.01.14 17:13


Bevor wir uns versehen, sind wir in Tromsø. Die Jungs verabschieden sich, Sven und Toni kommen an Bord. Sven hatte vor zwei Jahren ebenfalls einen schweren Skiunfall und ist auch auf dem Weg der Besserung. Toni ist ein leidenschaftlicher Fotograf, der unsere Abenteuer bildgewaltig dokumentieren soll. Ich bin nach den ersten Wochen zwar recht entspannt, doch Toni und Sven sind hungrig und voller Tatendrang. Also los. Wir setzen die Reise fort und entschließen uns, auf der Insel Senja einen Zwischenstopp einzulegen. Eine mehr als glückliche Entscheidung, wie sich später herausstellen soll. Unser Tagesprogramm ist weiterhin zweigeteilt. Vormittags sind wir mit den Ski unterwegs, nachmittags bringen wir unseren Adrenalinspiegel im Kajak bei geruhsamen Touren auf einen Normalpegel runter. Karibische Strände und glasklares Wasser machen uns sprachlos. Die Touren zu den kleinen vorgelagerten Inseln (Store Faerøya, Kvaløya und Ertnøya) erscheinen uns fast unwirklich. Wir entscheiden gemeinsam, die Lofoten sein zu lassen und stattdessen auf der Insel Senja zu bleiben. Unvergessen bleibt ein einsamer Paddelausflug nach der Befahrung des steilen Couloirs am Krokelvtinden. Sven paddelt allein raus und verschwindet bald hinter einer Insel. Eine Stunde später, gegen 23 Uhr, taucht er mitten aus einem glühenden Sonnenuntergang als Silhouette wieder auf und surft mit der einsetzenden Flut Richtung Wohnmobil. Als er ankommt, ist er sprachlos und wortkarg, sagt nur ganz trocken, er wäre vollkommen high und das sieht man ihm auch an. Mir geht’s am kommenden Tag genauso. Ich paddele mit der endenden Ebbe zu der Insel Store Faerøya raus. Bei einer kurzen Rast am Strand werde ich von einem neugierigen Seeadler entdeckt und begutachtet. Eine Zeit lang fessele ich seine Neugierde, dann zeigt er mir seine Flugkünste und fängt sich sein Abendessen. Die kommende Flut erleichtert mir den Heimweg. Ohne Kraftaufwand

Unser XL-Wohnmobil mit Platz für vier samt Kajakanhänger ist das perfekte Abenteuermobil. Ebenfalls an Bord: vieeeel Zeit.

MARTIN FIALA, 44, fuhr in den frühen 90er Jahren Weltcup-Skirennen in der Abfahrt. Im Anschluss sattelte er auf Skicross um und nahm 2010 an den Olympischen Spielen teil. Nach einem lebensgefährlichen Absturz 2012 beim Skitourengehen lernte Fiala während der Reha das Kajakfahren kennen – und lieben!

und vollkommen berauscht komme ich am Strand an. Ich muss nichts sagen, die Jungs wissen, was in mir vorgeht. Ich bin dankbar für die Möglichkeit, die Naturschönheiten und -gewalten nicht nur auf Ski, sondern auch mit dem Kajak zu erleben. Eine einmalige und sich wunderbar ergänzende Kombination, vor allem hier auf der Insel Senja. Ein Spruch, den wir in Tranøy am Strand in einen Stein eingemeißelt fanden, bringt die ganze Reise ganz gut auf den Punkt: En tak for den ensomme nat, for bergene, morkets og havets sus, det suser gjennem mit hjaerte. Will heißen: Danke für die einsame Nacht, für die Berge, die Dunkelheit, das Raunen des Meeres, sein sanftes Flüstern in meinem Herzen. <

INFO

SKI- UND SEEKAJAKPARADIES SENJA

Zugeben, die Kombination aus Tourenski und Tourenpaddeln leuchtet nicht auf Anhieb ein. Doch wer schon mal im späten Frühjahr in Nord-Norwegen war, versteht schnell: Die Kombination aus Schneefeldern bis runter ans Meer, akzeptablen Temperaturen und einer beinahe 24 Stunden scheinende Mitternachtssonne macht absolut Sinn. Morgens, wenn der Schnee am besten ist, wird aufgestiegen und abgefahren, nachmittags und abends zum Ausgleich gepaddelt. Und ab und an dient das Kajak auch als direkter Zubringer zur sonst unerreichbaren Skitour.

CHARAKTER Tour ab Oslo mit dem Wohnmobil und Kajaks zu den Fjorden. Ziel waren die Lofoten, um vom Wasser mit Ski die Rinnen zu erklimmen und zu befahren. Auf Grund des Schneemangels wurde die Reise auf die Insel Senja verlagert. Senja ist die zweitgrößte Insel Norwegens. Sie liegt etwa 350 km nördlich des Polarkreises. Die Fahrtroute: Oslo – Halbinsel Tranøy – Tromsø – Insel Senja = rund 2000 km. Hier konnten wir mit dem Wohnmobil direkt an den Bergen parken und die Rinnen befahren. Am Nachmittag kamen dann die Kajaks zum Einsatz, um ganz nach Gusto zwei bis 20 Kilometer »spazierenzupaddeln«. Wir waren insgesamt 16 Tage unterwegs, aber auch bei 60 Tagen würde einem nicht langweilig werden. ANREISE Mit der Color Line (www.colorline.de) von Kiel nach Oslo und von dort mit dem Wohnmobil hoch bis Tromsø und zurück. Faltbootfahrer können auch via Oslo nach Tromsö fliegen und mit dem Mietwagen in rund zweieinhalb Stunden nach Senja fahren. SKIFAHREN Senja bietet von Dezember bis in den Mai tolle Möglichkeiten für Skitourengeher, Skibergsteiger und Freerider. Je nach Können, Vorlieben und Verhältnissen kann man in allen Expositionen interessante Ziele finden. Die Berge

fordern einem bis zu 1000 Höhenmeter ab, Abfahrten bis zum Nord-Atlantik sind keine Seltenheit. Viele Linien sind leicht mit Fahrzeug über kleine Straßen erreichbar. PADDELN Steiles, zerrissenes Gebirge, das senkrecht ins Meer abfällt, aber auch idyllische Buchten mit Sandstränden sowie malerische kleine Fischerdörfer, die sich am Fuße der Berge an die Felswände klammern. Das Meer vor Senja zählt zu den fischreichsten Gewässern in ganz Norwegen. AUSRÜSTUNG Komplette Skitourenausrüstung inklusive Lawinensuchgerät/ ABS-Rucksack und Erfahrung. Abgeschottete Seekajaks mit kompletter Ausrüstung inklusive Schwimmwesten und unbedingt ein Trockenanzug. BESTE ZEIT April/Mai (für Ski & Kajak), sonst Juni bis September. INFOS Die Guides von der Senja-Lodge (www.senjalodge.com) helfen, wo sie können – sofern man nicht nur versucht, ihr Wissen abzugreifen ... Hier gibt‘s ein bisschen Paddel-Beta: www.kayak.im/ senjakayak.php. Auf Youtube findet man unter dem Suchwort »Senja & Kayak« zwei Videoclips, die den Charakter der dortigen Verhältnisse und Seekajakmöglichkeiten sehr gut veranschaulichen.

KANU 01.14 | 47

042047-Boat2Ski-Fiala-KM0114-end.indd 47

23.01.14 17:13


> SZENE // VIP // TONI PRIJON

TONI PRIJON

INTERVIEW: MORITZ BECHER

Das Rosenheimer

Original

VERY IMPORTANT PADDLER

Wo sich Paddler tummeln, ist er nicht weit – oder zumindest eines seiner Boote: Toni Prijon, Chef des gleichnamigen Rosenheimer Familienbetriebs, ist einer der führenden deutschen Bootsbauer und passionierter Paddler. Im Interview spricht er über seinen Führungsstil, die Entwicklung des Kanusports und die »Kauzigkeit« der Paddler.

48 | KANU 01.14

048049-VIP-ToniPrijon-KM0114_end.indd 48

23.01.14 15:17


T

oni, du warst Slalomweltmeister, hast Extremtouren im Kajak bestritten, bist Inhaber einer weltbekannten Kajakschmiede – hat so jemand noch Vorbilder? Ein »Idol« im klassischen Sinne habe ich nicht. Es gibt durchaus Leute, die ich für ihr Tun, ihren Mut und für das, was sie für die Menschheit geschaffen haben, bewundere. Wie etwa Isaac Newton, der durch seine Leidenschaft für die Wissenschaft Erkenntnisse gewonnen hat, die für alle von uns von enormer Wichtigkeit sind. Oder – um bei aktuellen Personen zu bleiben – Barack Obama, der meines Erachtens wirklich etwas bewegen will und sich etwa im Rahmen der Gesundheitsreform gegen massive Widerstände für sozial schwache Menschen einsetzt. Wenn er damit durchkommt, wäre das in den USA ein echter Meilenstein. Ansonsten bin ich keiner, der groß Leute anhimmelt – mir fallen eher Leute ein, die ich nicht bewundere ... Zum Beispiel? Na ja, spontan kommt mir da der eine oder andere Politiker in den Sinn – oder Dieter Bohlen (lacht). Bist du denn ein sozialer Mensch? Als Unternehmer hast du immer zwei Seelen in dir. Aber grundsätzlich bin ich sehr sozial eingestellt. Für mich schließt sich das nicht aus: Auch als Unternehmer musst du sozial denken, für langfristigen Erfolg ist das eine wichtige Voraussetzung. Als Mensch ist mir ökologische und soziale Nachhaltigkeit sehr wichtig – aber auch als Unternehmer. Erfahrene und zufriedene Mitarbeiter engagieren sich stärker für die Firma, identifizieren sich mit ihr und erbringen gute Leistungen. So etwas ist unersetzlich. Und eine intakte Umwelt ist die Basis für unser Betätigungsfeld und meine Leidenschaft – nämlich das Paddeln. Wenn ich das unter einen Hut bringe und dabei wirtschaftlich gesund bleibe, ist das für mich ein nachhaltiger Unternehmenskreislauf. Das machen wir übrigens schon immer so bei Prijon, ganz ohne jede »Öko-Spinnerei«, die ja zurzeit bei vielen Firmen in Mode ist.

Unterscheidet euch das von anderen Firmen? Ein Stück weit schon. Das liegt aber auch daran, dass wir ein Familienbetrieb sind. Ich bin keiner, der Profit-Optimierung um jeden Preis will. Und ich bin keinem Investor Rechenschaft schuldig. Wenn das so wäre, hätten wir die Produktion vermutlich längst aus Rosenheim nach Asien verlegen müssen.

Als TONI PRIJON im Jahr 1962 geboren wird, gründen seine Eltern in Rosenheim die Toni Prijon Sportwerkstätten. Toni senior entwickelt den Knickspant, den ovalen Paddelschaft, die Neoprenmanschette für Paddeljacken, die Lenzschraube und vieles mehr. 1982 wird im Inn mit dem Taifun das erste HTP-Kajak der Welt aus der Taufe gehoben.

Sei ehrlich – hast du noch nie darüber nachgedacht, in Fernost produzieren zu lassen? Abgesehen von meiner Überzeugung, dass man als Unternehmer Verantwortung für die Menschen vor Ort übernehmen sollte, bin ich auch unternehmerisch nicht der Meinung, dass sich das für eine Firma unserer Größenordnung wirtschaftlich rechnet. Wir produzieren in Rosenheim ja nicht nur unsere HTPBoote, sondern auch nahezu sämtliches Zubehör oder beziehen es von Lieferanten aus der Region. So können wir schnell reagieren, falls etwas nicht passt. Und die Zuverlässigkeit der Infrastruktur ist in Deutschland ein klarer Vorteil: Schon ein simpler Stromausfall wäre für uns eine kleine Katastrophe. Welche Werte sind dir besonders wichtig und wie überträgst du sie auf deine Firma? Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, etwas Spontanität – und Humor. Man darf das Leben und sich selbst nicht zu ernst nehmen. Ich bin zu meinen Mitarbeitern immer ehrlich, erwarte das aber im Gegenzug auch von ihnen. Mir ist es lieber, wenn jemand einen Fehler zugibt, als dass er versucht, ihn vor mir zu verheimlichen. Fehler können passieren, die kann man verzeihen, aber anlügen geht gar nicht. Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, würdest du alles noch einmal genau so machen? (Überlegt lange) Ja. Du paddelst seit deinem fünften Lebensjahr, heute bist du 51. Was hat sich verändert? Was die jungen Wilden heute paddeln, hätten wir damals nicht für möglich gehalten. Höher, krasser, spektakulärer. Das ist natürlich auch ein Phänomen

5000 Boote pro Jahr, 35 Mitarbeiter, 5 Millionen Euro Umsatz und der Chef macht die Qualitätskontrolle immer noch selbst. Klarer Vorteil »Made in Germany«.

1987 gewinnt Toni junior die Slalom-WM auf der Isère, seit 1994 ist er Chef des Familienbetriebs.

unserer Zeit. Aber ebenso hat sich das Material verbessert. Heute kann man Sachen paddeln, die früher schlicht nicht möglich waren. Findest du diese Entwicklung bedenklich? Einerseits freue ich mich über jedes faszinierende Bild und jeden spektakulären Film, der die Menschen für den Sport begeistert. Gleichzeitig finde ich es bedenklich, dass das Kajakfahren in den Medien meist auf solche Bilder reduziert wird. Paddeln ist nicht nur Extremsport! Eine der schönsten Facetten unseres Sports ist ja die Vielfalt. Das ganz normale Tourenpaddeln zum Beispiel: Das kann jeder machen – und das kommt für mich oft zu kurz. Sind Paddler ein Menschenschlag für sich? Die Paddler aus meiner Generation sind schon ganz spezielle Typen, ein bisschen »kauzig« vielleicht (grinst). Früher war ein Paddler ein Paddler. Heute steigen die Leute am Samstag ins Boot, und am Sonntag gehen sie klettern, wandern oder Rad fahren. Was sagst du jemandem, den du vom Paddeln überzeugen willst? Gar nichts. Ich würde ihn einfach mitnehmen: Eine Runde paddeln an einem schönen Sommertag auf einem unserer bayerischen Seen – danach bräuchte es nicht mehr viel Überzeugungsarbeit ... Was hast du für die Zukunft noch in der Pipeline – beruflich und privat? Mit der Firma will ich erreichen, dass wir für jeden Paddler das passende Boot anbieten. Zum Beispiel für Rentner ein besonders leichtes mit bequemem Ein- und Ausstieg, da ist einiges in Planung. Privat war ich letzte Saison mit drei Freunden in Grönland beim Paddeln. Mal sehen, wo es dieses Jahr hingeht. Ich bin ja jetzt ein alter Mann (lacht), da steht eher Genusspaddeln auf dem Programm. <

KANU 01.14 | 49

048049-VIP-ToniPrijon-KM0114_end.indd 49

23.01.14 15:18


> REISE // TOURING // TOURENTIPPS

D

DEUTSCHLAND / HESSEN / MARBURG

Lahn 46 Kilometer von Marburg nach Wetzlar Dreitägige Flusswanderung für jedermann • Naturerlebnis und Sightseeing im Doppelpack

BESTE ZEIT Ganzjährig, vorzugsweise

Sieg

Windeck

Wetzlar nach Limburg (66 km) und in drei Tagen von Limburg nach Lahnstein (57 km). Ein absolutes Highlight ist der Schiffstunnel Weilburg auf der Etappe von Wetzlar nach Limburg: Auf einer Länge von knapp 200 Metern führt der letzte befahrbare Schifffahrtstunnel Deutschlands einmal quer durch den Mühlberg. ALTERNATIVEN Bei Lahnstein mündet die Lahn in den Rhein. Von der Mündung aus sind es nur zehn Kilometer bis Koblenz. Direkt an der Mündung der Mosel in den Rhein gelegen, bietet sich Koblenz als Ausgangspunkt für weitere Touren an.

Dillenburg

Altenkirchen

w er t s We

A3

WEITERE ETAPPEN In vier Tagen von

Marburg Betzdorf

Hamm

Eitorf

THOMAS KETTLER

Neuwied 8

A4

Bad Ems

Koblenz Lahnstein

Diez Lahn

d al

Weimar

Lahn

Fronhausen

Herborn Lollar Biebertal

A480

A4

5

A5

EINSTIEG/AUSSTIEG Los geht’s am »Campingplatz Lahnaue« (Trojedamm 47, 35037 Marburg). Der Ausstieg der hier beschriebenen Etappe befindet sich kurz hinter dem »Campingplatz Wetzlar« (Dammstr. 52, 35576 Wetzlar).

Etwa ab Flusskilometer –16 beginnt am nächsten Tag ein relativ flotter Teil der Lahn. Bei Wißmar befindet sich im Fluss eine 100 Meter lange Stromschnelle, in die die Slalomstrecke des ortsansässigen Paddelclubs eingebunden ist.

A61

jedoch in der warmen Jahreszeit. Allerdings sollte man bei der Tourenplanung die Pegel checken, da bei Niedrigwasser im Oberlauf manch ein Stein zum Vorschein kommt.

Der Campingplatz »Lahnblick« bei Flusskilometer –16,5 eignet sich perfekt als Endpunkt der ersten Tagesetappe. Von hier aus bieten sich kürzere Radtouren oder Wanderungen ins nahe Lumdatal oder ins Salzbödetal an.

ein Rh

CHARAKTER Eine mehrtägige Flusswanderung, die vor allem durch ihren Abwechslungsreichtum und bezaubernde Natur besticht. Wer während eines Paddeltrips gerne Städte und Sehenswürdigkeiten besichtigt, ist auf der Lahn genau richtig. Auch die vielen selbst zu bedienenden Schleusen sorgen dafür, dass es nie langweilig wird.

An ihrem Ende steht rechts das Clubhaus des Vereins, auf dessen Wiese Paddler zelten dürfen. Direkt gegenüber liegt idyllisch am Fluss die Badenburg und lädt zu einer Besichtigung ein. An der Schleuse von Naunheim mit dem direkt danebenliegenden Biergarten müssen wir – typisch Lahn – selbst schleusen. Wie das geht, wird jedoch an jeder Schleuse durch Infotafeln genau erklärt. Nur wenig später (Flusskilometer 9,5) erreichen wir den »Campingplatz Wetzlar«, der das Ende der hier beschriebenen Etappe markiert. Per Bootswagen muss das Kanu jetzt vorbei an der griechischen Gaststätte »Fischerhütte« zum Zeltplatz gerollt werden. Wer nach der Tour noch Zeit hat, sollte diese für einen Abstecher in das historische Zentrum von Wetzlar nutzen.

Grün, grüner, Lahn: Im üppigen Uferbewuchs versteckt sich so manch altes Bauwerk.

Leun

Gießen

Lahn Wetzlar

Löhnberg

Braunfels Weilburg

Weil- Butzbach Limburg münster 0

10

20

A5

Unweit der Marburger Altstadt an der Steintreppe des Campingplatzes »Lahnaue« setzen wir ein. Entlang der stark befahrenen Bundesstraße geht es auf dem ruhig strömenden Fluss hinaus aus dem Stadtgebiet. Hinter der roten Sandsteinbrücke achten wir wegen des niedrigen Wasserstands auf Steine. Im Schutz der Schatten spendenden Bäume geht es vorbei am Schwimmsteg des Marburger Rudervereins. Auf den nächsten 16 Kilometern wird es auf der Lahn relativ einsam, bevor das erste Highlight der Tour ansteht: Kurz vor Friedelhausen fällt links oben am Hang das wunderschöne gleichnamige Schloss ins Auge. Wegen eines Uferbetretungsverbots paddeln wir aber bis Odenhausen, um anschließend den knappen Kilometer zurückzulaufen und das 1851 im spätgotischen Stil erbaute Schloss zu besichtigen.

30 km

Nassau

KANU-TIPP Alleine auf der hier beschriebenen Strecke gibt es fünf Portagen. Es empfiehlt sich also, einen Bootswagen mitzunehmen. Die beiden Schleusen auf der Etappe dürften vor allem bei Kindern für eine willkommene Abwechslung sorgen. INFOS Detaillierte Infos samt Kartenmaterial gibt’s im Flussführer »Kanu

Kompakt: Lahn«, Thomas Kettler Verlag, ISBN 978-3-934014-27-5, 9,95 Euro. Dort sind sowohl die hier in Auszügen dargestellte Tour als auch weitere Etappen ausführlich beschrieben. Sehenswürdigkeiten, Übernachtungsmöglichkeiten, Befahrungsregeln werden ebenfalls in dem Flussführer aufgeführt. Alle Infos zum Buch gibt’s online unter www.thomas-kettler-verlag.de.

Der Schiffstunnel Weilburg. 050051-Tourentipps-KM0114-end.indd 50

23.01.14 15:19


D

DEUTSCHLAND / BAYERN / GUNZENHAUSEN

Altmühl

Landschaftlich ist die Altmühl ein Highlight unter den deutschen Wanderflüssen.

Von Gunzenhausen bis Eichstätt Vier Tage und 72 Kilometer auf dem langsamsten Fluss Bayerns • Zünftige Lokale und idyllische Biergärten inklusive

ALTERNATIVEN Kaum ein Bundesland bietet so vielfältige Möglichkeiten für Kanutouren wie Bayern. Egal ob ruhiger Kleinfluss, malerischer Alpensee oder großer Strom – hier findet jeder Tourenpaddler ein passendes Revier. Einige Beispiele sind Isar, Loisach, Ammersee und Kochelsee. Der Regen und die Donau fließen in unmittelbarer Nähe der Altmühl.

EINSTIEG/AUSSTIEG Einsetzen

an der Bootstreppe nahe der Stadthalle in Gunzenhausen (Isle-Platz 1, 91710 Gunzenhausen). Ausstieg am besten am Wohnmobilstellplatz Eichstätt (Schottenwiese/Pirkheimer Straße, 85072 Eichstätt).

durchfließt die Altmühl den Ort Pappenheim. Dessen Altstadt, die sich malerisch in eine Flussschleife schmiegt, hat den Lauf der Zeit im Schutze der mittelalterlichen Stadtmauer nahezu unbeschadet überstanden. Trotz der überschaubaren Größe gibt es dort einiges zu entdecken:

INFOS Mehr Infos samt Karten gibt’s für 9,95 Euro im Flussführer »Kanu Kompakt:

Muhr am See

n R e d Georgensgmünd

Mühlhausen

Main-DonauKanal

Brombachsee

Gunzenhausen

Pleinfeld Ellingen

Dittenheim

Berching

Greding

Dietfurt

Kinding

Weißenburg

Markt Berolzheim

Kipfenberg

9

KANU-TIPP Bei Flusskilometer 90

Altmühl«, Thomas Kettler Verlag, ISBN 978-3-934014-34-3. Dort sind sowohl die hier in Auszügen dargestellte Tour als auch die Etappe ab Eichstätt ausführlich beschrieben. Sehenswürdigkeiten, Übernachtungsmöglichkeiten, Befahrungsregeln werden ebenfalls aufgeführt.

MICHAEL HENNEMANN

A

BESTE ZEIT Ganzjährig. Im Sommer sorgt die üppige Vegetation jedoch für ein besonderes Naturerlebnis.

WEITERE ETAPPEN In zwei bis drei Tagen von Eichstätt bis Dietfurt (52 km).

Die Burg Pappenheim, ein ehemaliges Augustinerkloster und das Neue Schloss sollten bei einem Stadtrundgang auf jeden Fall besichtigt werden.

hl mü Alt

CHARAKTER Gemütliche Gepäcktour auf einem der idyllischsten Flüsse Deutschlands. Durch die geringe Strömung auch für Familienausflüge geeignet. Wer gerne autark unterwegs ist, findet auf der Altmühl direkt am Ufer viele schöne Stellen zum Zelten. Den einzigen Wermutstropfen bilden die neun unvermeidlichen Portagen.

mittelfränkischen Kleinstadt zählen das Stadtschloss, das Rathaus und die Lambertuskirche. Ab Treuchtlingen sind es noch etwa 45 Kilometer, also ungefähr zwei Tagesetappen, bis Eichstätt. Als Übernachtungsmöglichkeit bieten sich die vielen schönen Campingplätze und Hotels direkt am Fluss an, von denen einige explizit auf paddelnde Gäste eingestellt sind.

Oettingen Treuchtlingen

Pappenheim Solnhofen

Eichstätt

Langenaltheim Mörnsheim 0

5

mühl

Obwohl es auf der Altmühl eher gemütlich zugeht, gilt es die ein oder andere Bootsrutsche zu meistern.

mühltherme am rechten Ufer an. Der Wiedereinstieg erfolgt hinter der nächsten Straßenbrücke. Kurz darauf folgt das zweite Wehr, das ebenfalls am rechten Ufer umtragen werden muss. Ein Zwischenstopp in Treuchtlingen bietet sich schon wegen der guten Erreichbarkeit an: Vom »Bootsrastplatz Treuchtlingen« (Kilometer 97,5) aus ist es nur ein Katzensprung bis zur Innenstadt. Zu den Sehenswürdigkeiten der

Al t

im Zuge der Maßnahmen angelegt. An allen Flussgabelungen stehen spezielle Schilder für Bootsfahrer, die per Richtungspfeil die Wegfindung erleichtern. Bei Flusskilometer 99,5 fällt am linken Ufer die 1961 geweihte Kriegsgräberstätte ins Auge, auf der über 2500 Gefallene der beiden Weltkriege begraben liegen. Bald darauf überspannt eine hölzerne Fußgängerbrücke die Altmühl. Diese markiert die Einfahrt in das Stadtgebiet von Treuchtlingen. Hinter der Straßenbrücke bei Kilometer 98 rauscht die Altmühl über das erste Wehr im Stadtgebiet. Für die Portage legt man direkt gegenüber der Alt-

it z

Bei der Straßenbrücke hinter dem Wehr in Gunzenhausen befindet sich eine Bootstreppe, die sich als Einstieg anbietet. Der Parkplatz »Zum Schießwasen« bietet eine gute Abstellmöglichkeit für das Auto während der Tour. Im Ort selbst gibt es einen Kanuverleih. Bis Treuchtlingen fährt man durch ein Renaturierungsgebiet. Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in ein kanalartiges, gerades Flussbett gezwängte Altmühl wurde auf diesem Teilstück renaturiert und darf sich nun wieder in weitverzweigte Arme auffächern und in verschlungenen Bögen durch das Tal winden. Breite Uferstreifen und unzugängliche Inseln wurden

Pondorf Denkendorf Stammham

Dollnstein 10

15 km

Ingolstadt Don a u

KANU 01.14 | 51

050051-Tourentipps-KM0114-end.indd 51

23.01.14 15:19


> MARKTPLATZ

Händler/Schulen

KanuShop München

alles zum Paddeln

Grabner Robson Gumotex Nautiraid Linder

Jetzt NEU! Airis L uft Ka yaks

Artistik

www.wassersportzentrum-muenchen.de Wettersteinstr. 16, 82024 München/Taufkirchen Tel. 089 61455440, E-Mail: boote.jochum@t-online.de

Neu! Seekajakcamp/-Kurs & Self- Guided Touren Westschweden Neu! Kajakexpeditionen Schweden: WW, Seekajak, Kajakangeln, KW Neu! WW Individualkurse / Videoanalyse: 1 - 3 TN

www.wasserfest.net

OSTTIROLWIENSOCA SALZAENGADINNEPAL Schnell und mit viel Spass paddeln lernen! Termine & Anmeldung unter www.laolakanuschule.at

Ladenfest am 26. April 2014

23

Jahre Gadermann

Privater Bootsmarkt Tolle Angebote Test-Boote Kaffee & Kuchen Würstchen und Getränke

Seekajakverleih & Verkauf Öffnungszeiten Kajakkurse & Touren Mo-Fr: 9:30-18:00 Kanadier & Paddel Sa: 9:30-13:00

www.GADERMANN.de

Tel: 040 52983006 22851 Norderstedt bei HH

AUF 430 SEITEN ALLES FÜR…

REISE TREKKING ABENTEUER TB

OOT

E

L AF

S ÄC

KE

·

OT

SSE

FAL T

WA

BO

RDICH

KATALOG KOSTENLOS ANFORDERN

TE BOXEN

07 11 / 70 96-700

FILDERSTADT STUTTGART ULM METZINGEN Plieninger Str. 21/29

Besuchen Sie uns auch im Internet unter: www.kanumagazin.de

GP

F LU

KSÄCKE · ZELTE · SC H · RUC

Schmale Str. 9 Hafenbad 17 Stuttgarter Str. 45/1

www.Helmi-Sport.de - Kajaks + Canoes und alles was dazu gehört - Spritzdecken und Paddeljacken nach Maß - ACA-Canoe-Schulung und Probepaddeln - Versandkatalog + Laden + Online-Shop D-31535 Neustadt, Aschenkrug 11 Tel. 0049-5036-429 Email: helmi-sport@t-online.de

www.Kanu-Sport-Stahl.de

www.ergo-boot.de Wiesbaden

Anzei g enver kauf: S andra Wilderer | Telefo n: 08 9.55241.28 9 | s andra.wilderer@atlas -verl a g . d e

52 | KANU 01.14

052053-KanuFachmarkt-0114-end.indd 52

23.01.14 18:31


MARKTPLATZ <

Händler/Schulen

Lernen in schönster Umgebung

Kajak- und Kanadierkurse, Reisen und Jugendlager CH-7104 Versam · www.kanuschule.ch · + 41 (0) 81 645 13 24

Kanutouren

www.

Dalsland / Värmland / Dalarna Rogen / Svartälven / Frankreich Irland / Uckermark / MeckPomm Canadier / Seekajak / Wildwasser Erwachsene / Jugend / Familien Kanuverleih Schweden Kanutouren Münsterland

F a ltb ootz e ntr u m . com

Ihr vielfältiger Faltbootspezialist und Stützpunkthändler in Süddeutschland für Feathercraft, nortik, Triton advanced, Folbot, Pakboats und vieles mehr. Permanente Ausstellung mit rund 40 verschiedenen Booten aus aller Welt! Fordern Sie kostenlos Ihren Katalog an! Out-Trade GmbH | Nicolaus-Otto-Str. 34 | 89079 Ulm Tel. 0731 400 7675 | kontakt@out-trade.de | www.faltbootzentrum.com

korsika camp

2014

Das Kanu-Center an der A 5 Karlsruhe-Basel

Tel. 0251-87 1 88-0 Aktivurlaub und Gruppenreisen

www.rucksack-reisen.de

Shop-Schule-Vermietung

Ausfahrt Freiburg Mitte, erste Ampel in Freiburg rechts auf die B3 Richtung Colmar, nach 300 m wieder rechts in die Rehlingstraße Kanu-Outdoor-Center Rehlingstraße 5 D-79100 Freiburg 0761/292250-0 gertspilker@t-online.de

Phone: +49 (0) 2152 / 553 628 3 outdoordirekt.de Phone: +49 (0) 2152 / 553 628 3

Aufblasbare Boote und Equipment auf das Sie vertraunen können

Kontakt Info:

Lenneper Str. 33 D-42289 Wuppertal info@spreu-boote.de www.spreu-boote.de

Anzeigenverkauf: sandra.wilderer@atlas-verlag.de

Reisen

siestaoppi.ch

Grösster Kanushop in CH Miete, Kurse, Touren Spezialist für Patagonien CH-3176 Neuenegg

Kanuvermieter auf einen Klic k www.kanumagazin.de/kanu vermieter

Anzei g enver kauf: S andra Wilderer | Telefo n: 08 9.55241.28 9 | s andra.wilderer@atlas -verl a g . d e

KANU 01.14 | 53

052053-KanuFachmarkt-0114-end.indd 53

23.01.14 18:31


> SERVICE // TEST // WILDWASSERKAJAKS

TEXT: MANUEL ARNU, FOTOS: MICHAEL NEUMANN

Drei Leute, vier Tage, 90 Kilo Freigepäck im Flieger: Schnell war klar, dass bei der KANU-Reportagereise in die Vereinigten Arabischen Emirate neben Sonnencreme und frischer Unterhose auch noch Platz ist für drei neue Wildwasserkajaks …

54 | KANU 01.14

054059-WWKajaktest2014-KM0114_end.indd 54

27.01.14 15:23


Machte mit dem KANU-Testteam die Probe aufs Exempel: KanuslalomWeltcupsieger Sebastian Schubert.

D

er Wildwasserparcours in Al Ain ist ein perfektes Testgewässer. Wunderschön am Fuße des Hajar-Gebirges gelegen, überragt vom Aussichtsberg Jebel Hafeet. Im Januar liegen die Temperaturen bei angenehmen 20 Grad, das Wasser rangiert von 18 Grad im Winter bis zu 32 Grad im Sommer. Allerdings kommt der Sommer für Trainingszwecke kaum infrage, die Temperaturen steigen auf fast 50 Grad. Paddeln geht dann nur nachts, bei Flutlicht. Der 488 Meter lange Hauptkanal beeindruckt mit wuchtigem Wildwasser III–IV. 10,5 Kubik kristallklares, gefiltertes und leicht gechlortes Wasser rauschen mit 7,5 Meter Gefälle im Kreis. Drei mächtige Pumpen befördern das Wasser wieder ins Startbecken, ein Förderband die Paddler. Nebenan gibt es noch zwei einfachere Kanäle mit 350 und 280 Metern Länge und etwa

der Hälfte an Wasser und Gefälle. Zusammen mit dem Wellenbecken, Café, Hotel und Pool eine lässige Trainingsanlage, nicht nur für Slalomkanuten. Und eben drum wurde die Stipp- und Fotovisite des KANU-Magazins bei der deutschen Nationalmannschaft in Al Ain kurzerhand zum Wildwassertest aufgebohrt (siehe auch Editorial).

A

lle drei Neulinge sind reinrassige Wildwasserkajaks, fallen aber sehr unterschiedlich aus und sind kaum miteinander vergleichbar. Testkandidaten waren der Pyranha Burn III in den Größen M und L, der Exo Six aus Italien und der Liquidlogic Stinger. Der Reihe nach: Pyranha betreibt mit dem Burn III klassische Modellpflege. Die Form wurde optimiert und das Boot besser in

das bestehende Sortiment eingebettet. Im Klartext heißt das: Der Burn III bekam mehr Länge, mehr Kante, mehr Rocker im Bug verpasst. Früher war der Burn ein Creeker, dann wurde er vom Shiva abgelöst. Die moderaten Korrekturen machen aus dem Burn III einen voluminösen River Runner mit viel Sicherheitsreserven. Dank wohlproportioniertem und üppigem Volumen ist der Burn III immer noch eine gute Wahl für schweres und steiles WW, doch das Unterschiff macht den Unterschied: das Boot ist sehr breit, die Kanten sind ausgeprägt, die Anfangsstabilität ist kaum zu übertreffen. Der Burn liegt total satt auf dem Wasser. Anfängern und WW-Neulingen wird es gefallen, der Burn vermittelt sofort ein Gefühl von Gutmütigkeit und Sicherheit. Das breite Unterschiff neigt beim Geradeauslauf etwas zum Saugen, schnell ist der Burn nicht gerade. Dafür zeigt er auf Wellen, dass auch Dickschiffe richtig > KANU 01.14 | 55

054059-WWKajaktest2014-KM0114_end.indd 55

27.01.14 15:23


> SERVICE // TEST // WILDWASSERKAJAKS

Das freut den Paddler: Förderband, 1a Wildwasser, ein Pool mit Surfwelle und eine grandiose Kulisse obendrauf.

Alle getesteten Kajaks sind nahezu formvollendet. Nur die ersehnte Gewichtsrevolution lässt auf sich warten.

Spaß machen. Das Boot gleitet mit geringstem Kraftaufwand auch auf kleinen Wellen, plötzlich ergeben Kanten und breites Unterschiff Sinn. Und große Wellen? Der Wadi Adventure Park beeindruckt nicht nur mit seinem Wildwasser, ein Highlight ist auch das große Wellenbecken mit computergesteuerter Surfwelle. Alle 90 Sekunden können Surfer oder Kajaker auf eine fast zwei Meter hohe, perfekt geshapte Welle springen. Ideales Testrevier für die Surfeigenschaften des Burns, der auch große Wellen mit Eleganz und Leichtigkeit meistern kann. In seiner Klasse dürfte er damit klar an der Spitze liegen. Schwächen zeigt der Burn aufgrund seiner Breite vor allem beim Queren von scharfen Stromzungen und beim Sidesurf in der Walze. Das Aufkanten fällt gezwungenermaßen schwer. Bei der Ausstattung setzt Pyranha auf die bewährte Connect-Ausstattung: bequem und funktional. Der Süllrand wurde überarbeitet, die Spritzdecke soll noch besser halten und das Tragen leichter sein. Neu sind seit 2014 die verbesserte Trimmbarkeit des Sitzes und Schaumkeile, mit denen Sitzwinkel und Sitzhöhe variiert werden können. Mit einer höheren Sitzposition können versierte Paddler den Nachteil des breiten Unterschiffs kompensieren. Den Burn III wird es in Zu-

kunft sogar in vier verschiedenen Größen geben (S, M, L, XL). Somit dürfte für jede Körpergröße und jeden Fahrstil das passende Boot dabei sein.

D

er Exo Six hat bereits vergangenen Herbst Schlagzeilen gemacht, als Teamfahrer Daniel Klotzner den zweiten Rang bei der Sickline-WM auf der Wellerbrückenstrecke im Ötztal erreichte. Damit ist auch schon einiges über das Boot gesagt. Der Six ist verdammt schnell und sein natürlicher Lebensraum sind steile und wuchtige Creeks. Optisch ist er klar als purer Creeker zu identifizieren, aber im Detail stecken allerhand Eigenschaften, die der erste Blick kaum freigibt. Angefangen bei den Fahreigenschaften: Das Boot lässt sich extrem gut beschleunigen, das liegt sowohl an seiner Form als auch am Gewicht von nur 20 Kilo. Damit zählt der Six zu den Leichtesten der Branche. Trotz seiner Geschwindigkeit ist der Six unwahrscheinlich wendig und reaktionsschnell. Sein dicker und voluminöser Bug taucht kontrolliert und mit wenig Geschwindigkeitsverlust auf. Bei den ersten Schlägen wird man

56 | KANU 01.14

054059-WWKajaktest2014-KM0114_end.indd 56

27.01.14 15:23


auch schnell die geringe Anfangsstabilität bemerken, Anfänger würden den Six vermutlich als zu kippelig abstempeln, fortgeschrittenen Paddlern müsste das feinfühlige Unterschiff gefallen. Das ganze Geschwindigkeitspotenzial des Six’ schöpft man aus, wenn das Boot sehr flach gefahren wird, ähnlich wie ein Slalomkajak, nur ohne unterschneiden. Dann pflügt der Six wie auf Schienen durchs Wasser, Konzentration und Reaktionsvermögen vorausgesetzt. Bei den Einbauten zeigt

sich EXO stark verbessert. Die neuen Alugriffe sind handlich und stabil, die Griffmulden großzügig bemessen. Die Schenkelstützen sind in den Süllrand integriert, der Sitz ist auf einer zentralen Schiene platziert. Damit kann der Six bis auf die Prallplattenschrauben auf Bohrungen in der Hülle verzichten und die Sitzposition ist mit wenigen Handgriffen in Längsrichtung trimmbar. Einzig der flache und kaum konturierte Sitz fällt mangelhaft auf, der Halt in der Sitzschale ist

verbesserungswürdig. Ein zentrales Designelement vom Six ist der Mittelkeil, der das Boot aussteift, als Notausstieg dient und mit weiteren Innovationen punktet. Auf Kniehöhe gibt es eine in die Versteifung integrierte Wurfsackhalterung, im Heck eine Aussparung für eine 1200er Pelibox. Warum ist da vorher noch keiner drauf gekommen? Zu verbessern wäre nur der Fußraum, mit einer Aussparung für die Fersen. Alles in allem ist der Six ein gut durchdachter Creeker mit un- >

PYRANHA »BURN III L« – DAS VOLKSBOOT PRÜFSTAND: WILDWASSERKAJAKS BOOTSPROFIL träge unruhig eng

GESTATTEN, Burn der Dritte! Im Königreich Britannien legt man Wert auf einen guten Stammbaum. Die Ahnen des Burns galten als toughe Creeker, der Aktuelle hat die Gene eines River Runners bekommen. Bug und Unterschiff wurden überarbeitet. Zusätzliche Länge, klarere Kanten, mehr Rocker im Bug und kleine Volumenverschiebungen. Augenscheinlich keine gravierenden Änderungen, aber im WW fühlt man den Unterschied. Der Burn liegt unwahrscheinlich satt und sicher im Wasser, vermittelt sofort Sicherheit und Stabilität. Das extrabreite Unterschiff ist Fluch

und Segen: Der Burn ist relativ langsam, das Aufkanten in Walze und scharfer Strömung verlangt Einsatz und Gefühl. Auf der anderen Seite gibt es kaum ein Kajak dieser Größenklasse, das auf der Welle schneller ins Gleiten kommt. Die überarbeitete Connect-Ausstattung ist top! Der Burn III hat Alugriffe, der Sitz ist leichter verstell- und trimmbar. Mit Schaumstoffkeilen lassen sich Sitzwinkel und -höhe dem Fahrstil anpassen. Mit einer höheren Sitzposition kann ein versierter Paddler den Nachteil der Breite kompensieren. Den Burn III wird es in vier Größen geben (S, M, L, XL).

Fazit: Weniger Creeker, mehr River Runner und so bequem wie eh und je. Einer für alle und fast alles!

agil gutmütig bequem

FAHREIGENSCHAFTEN Geradeaus Wendigkeit Beschleunig. Endgeschw. Boofen Auftauchen Rollen A-Stab. E-Stab. Walze** Welle**

SICHERHEIT Konzept Ausstieg Süllrand SONSTIGES Ausstattung Handling Verarbeitung DATEN // Maße: Gewicht: Ausstattung: Info: Preis:

PREIS/ LEISTUNG

EINSATZBEREICH Park’n’Play

Funcruiser

Allrounder

Creeker

Kehrwasserkönig

Boofmeister

Profi

FAHRERGEWICHT 30 kg

60 kg

2,1

GESAMTEINDRUCK

SKILL-O-METER Einsteiger

69 x 252 cm 22 kg (Herstellerangabe) Umfangreiches Fittingset, Schwamm www.pyranha.com Tel. 0821/582827 1199 €

90 kg

120 kg

1,7 ®

Der neue Wilderness Systems Focus. Unser neuestes Touringkajak mit Topausstattung und überzeugenden Fahreigenschaften. Schnelles und schlankes Kajak, mit Frontund Heckschott, sowie einrotierter Tagesluke. Die Phase3 AirPro XP Sitzanlage lässt keine Wünsche offen. Erhältlich in 3 Größen.

054059-WWKajaktest2014-KM0114_end.indd 57

IST ES NICHT AN DER ZEIT, DAS LEBEN AUS EINER NEUEN PERSPEKTIVE ZU BETRACHTEN?

27.01.14 15:23


> SERVICE // TEST // WILDWASSERKAJAKS

EXO »SIX« – HÄSSLICHES ENTLEIN PRÜFSTAND: WILDWASSERKAJAKS BOOTSPROFIL träge unruhig eng

DAS MÄRCHEN IST BEKANNT. Ein hässliches Entlein ist in Wahrheit ein strahlend schöner Schwan. Der Exo Six mag keine Schönheit sein, aber der Wert eines Kajaks misst sich in seinen Fahreigenschaften. Und beim Six kommt man schon mit dem ersten Paddelschlag ins Staunen, das Boot ist schnell und reagiert sensibel auf jede Bewegung, wie ein gutes Rennpferd. In Sekundenschnelle ist der Six auf Höchstgeschwindigkeit, bleibt trotzdem wendig und beherrschbar. Auffällig ist die geringe Anfangsstabilität, der Six ist kein Kajak für Gemütliche. Er fordert einen aktiven, flachen

Fahrstil mit wenig Aufkanten, dann zeigt der Six Rasanz und Tempo, beim Kehrwasserfahren und im WW-Sprint. Mit massig Volumen und sattem Rocker im Bug weiß der Six auch im Steilen zu gefallen. Bei der Ausstattung hat Exo mächtig zugelegt: handliche Griffe, gute Verstellmöglichkeiten beim Sitz, ganz wenige Schraubenlöcher in der Hülle, integrierte Wurfsack- und Pelicase-Halterung im Mittelkeil, alle Einbauten sind am rechten Platz. Nur dem Sitz fehlt es an ergonomischem Halt, das geht noch besser! Mit knapp über 21 Kilo zählt der Six zu den Leichtgewichten am WW-Markt.

Fazit: Unvergleichlicher Creeker, der aus der Masse heraussticht. Man liebt den Six oder man hasst ihn.

agil gutmütig bequem

FAHREIGENSCHAFTEN Geradeaus Wendigkeit Beschleunig. Endgeschw. Boofen Auftauchen Rollen A-Stab. E-Stab. Walze** Welle**

SICHERHEIT Konzept Ausstieg Süllrand SONSTIGES Ausstattung Handling Verarbeitung DATEN // Maße: Gewicht: Ausstattung:

65 x 262 cm 21,5 kg (nachgewogen) Fittingset, Sitzauflage, Pelicase-Halterung www.willyneumann.com Tel. 06142/998465 790 €

Info: Preis:

PREIS/ LEISTUNG

EINSATZBEREICH Park’n’Play

Funcruiser

Allrounder

Creeker

GESAMTEINDRUCK

SKILL-O-METER Einsteiger

Kehrwasserkönig

Boofmeister

1,9

Profi

FAHRERGEWICHT 30 kg

60 kg

1,1

90 kg

120 kg

LIQUIDLOGIC »STINGER« – SPITZE ANGELEGENHEIT PRÜFSTAND: WILDWASSERKAJAKS BOOTSPROFIL BO O träge u unruhig eng

LÄNGE LÄUFT. Dieses Gesetz ist unumstößlich. Mit 379 Zentimetern Länge wirkt der Stinger wie ein Relikt aus vergangener Zeit, aber die Zielsetzung ist auch klar: Das Kajak ist in erster Linie schnell, rekordverdächtig schnell. Der Stinger hat zahlreiche Streckenrekorde bei Extremrennen pulverisiert, dafür wurde er gebaut. Ein Kajak nur für eine Handvoll Athleten? Weit gefehlt. Paddeln im Stinger ist berauschend rasant und macht auch jenseits von Rennen viel Spaß. Das Boot ist überraschend handlich, für seine Länge geradezu wendig. Schneller, als man denkt, gewöhnt man sich an

die Oldtimer-Ausmaße. Der Stinger zirkelt präzise in Kehrwasser, liegt trotz geringer Breite ruhig und sicher im Wasser. Viel Rocker und Volumen im Bug bringen erstklassiges Auftauchverhalten. Die Sitzausstattung ist ausgesprochen bequem. Liquidlogic verlässt sich auf die seit Jahren bewährte Bad-Ass-Ausstattung mit Wohlfühl-Garantie. Mit 26,5 Kilo Gewicht ist der Stinger ein echtes Pfund, zusammen mit seiner Länge braucht man Kraft und Ausdauer. Das Schöne am Stinger: Langsam paddeln geht nicht. Jede Fahrt ist Krafttraining und macht dich schneller.

Fazit: Modernes Old-School-Kajak für gemütliche Gepäcktouren oder neue Streckenrekorde auf dem Hausbach.

agil gutmütig bequem

FAH FA A FAHREIGENSCHAFTEN G Geradeaus W Wendigkeit Bes B Beschleunig. En Endgeschw. Boofen Auftauchen Rollen A-Stab. E-Stab. Walze** Welle**

SICHERHEIT Konzept Ausstieg Süllrand SONSTIGES Ausstattung Handling Verarbeitung DATEN // Maße: Gewicht: Ausstattung: Info: Preis:

PREIS/ LEISTUNG

EINSATZBEREICH Park’n’Play

Funcruiser

Allrounder

Creeker

Kehrwasserkönig

Boofmeister

Profi

FAHRERGEWICHT 30 kg

60 kg

2,3

GESAMTEINDRUCK

SKILL-O-METER Einsteiger

62 x 379 cm 26,5 kg (nachgewogen) Fittingset, Trinkflasche www.liquidlogickayaks.com 1249 €

90 kg

120 kg

1,8

58 | KANU 01.14

054059-WWKajaktest2014-KM0114_end.indd 58

27.01.14 15:23


gewöhnlichen, aber herausragenden Fahreigenschaften für technisch ambitionierte Paddler. Kein Wunder: Im Team Exo, das an der Entwicklung beteiligt war, sind namhafte Paddler wie Olympiasieger Daniele Molmenti, Wildwasser-Guru Francesco Salvato oder eben Daniel Klotzner.

D

er Liquidlogic Stinger ist kein gewöhnliches Kajak, das sieht man auf den ersten Blick. Ein Kajak mit nostalgischer Länge und ebensolchem Gewicht. 370 Zentimeter Plastik mit spitzen Enden und schmal wie eine Zigarre. Das wirkt verstaubt, fast schon ausgestorben. Die heutige Generation von jungen Paddlern kennt solche Kajaks nur aus Super-8-Filmen oder Josef-Haas-Büchern. Ist der Stinger nur ein Kajak für Ewiggestrige? Weit gefehlt! Im Stinger steckt mehr modernes Bootsdesign, als man vermutet. Der Stinger entstand aus einem Projekt, das nur ein Ziel hatte: das berühmteste aller Extremrennen, das Green Race in den USA, zu gewinnen. Fünf Jahre Testphase, zahllose Prototypen, endloses Feintuning und am Ende war der Stinger geboren. Sein Ziel hat er erreicht: Er hält den Streckenrekord am Green und an vielen weiteren Wildflüssen. Der Wildwasserkanal des Wadi Adventure Parks ist natürlich wie gemacht für den schlanken Renner. Mit Speed eine saubere Linie verfolgen, durch Wellen stechen, durch Kehrwasser carven und persönliche Bestzeiten toppen – der Stinger ist in seinem Element. Die eigentliche Überraschung ist, dass ein fast vier Meter langes Kajak wendig und sensibel sein kann. Für den Stinger braucht man keine brachiale Kraft, sondern besser ein feinfühliges Händchen. Er lässt sich sehr präziChefpilot Arnu testet den Burn se steuern und dreht trotz besten auf seine Surfqualitäten – alle Geradeauslaufs mit geringem 90 Sekunden rollt eine Welle Kraftaufwand. Der Stinger ist nur mit echter Tube durch den Pool. 62 Zentimeter breit, aber kein bisschen kippelig. Sein langes Heck sorgt für Laufruhe und Spurtreue, der voluminöse Bug mit viel Rocker taucht sauber durch Walzen und Wellen, immer mit der Tendenz zum Vorwärtsdrang. Die Umstellung auf dieses Langschiff klappt schneller als gedacht. Allerdings leert sich auch der Akku in den Armen schneller. Wer Stinger paddelt, braucht eine gute Kondition. Auch wenn man kein Wettkämpfer ist und den Stinger nicht zum Siegen braucht, macht dieses Boot viel Spaß. Einfach nur, um den Geschwindigkeitsrausch zu spüren, um den Hausbach in neuer persönlicher Bestzeit zu paddeln. Der Stinger hätte auch noch ganz andere Einsatzgebiete: eine gemütliche WW-Gepäcktour, Brandungssurfen oder Rock-Garden-Hopping im Salzwasser.

A

lle getesteten Kajaks sind gemeinsam auf hohem Niveau, das betrifft sowohl die Fahreigenschaften als auch die Ausbauten. Eine Revolution am Bootsmarkt findet derzeit nicht statt. Nischen werden besetzt, Konkurrenten verdrängt, Modelle optimiert. Das Angebot ist breit aufgestellt, für jeden Fahrstil, für jede Vorliebe, für jede Größe und jedes Gewicht gibt’s das passende Kajak. Beliebte Boote wie die Top drei der vergangenen KANU-Leserwahl, also der fünf Jahre alte Wave Sport Diesel, die Lettmann Granate, Dagger Mamba, Prijon Pure oder ZET Raptor sind noch immer zeitgemäße WW-Kajaks, die sich vor keiner Neuvorstellung verstecken müssen. Fehlt nur noch die Gewichtsrevolution. Der Stinger von Liquidlogic wiegt satte 26,5 Kilo. Mehr als ein Prijon T-Slalom vor 30 Jahren. Doch noch diese Saison könnte was passieren ... mehr dazu in KANU 4/2014. <

054059-WWKajaktest2014-KM0114_end.indd 59

27.01.14 15:23


> SERVICE // HABEN WOLLEN

WERNER OVATION Was derzeit geht in Sachen Leichtbau, zeigt Werner zum 50. Firmengeburtstag mit dem Touringpaddel Ovation. Schlappe 567 g wiegt das edle Teil bei satten 220 cm Länge. Die scharfen Kanten schneiden butterweich durchs Wasser, das grazile Design der mittelgroßen Blätter ist perfekt für ausgedehnte Touren. Klar ist aber auch, dass so ein Gewichtswunder nicht fürs Brandungspaddeln in der 3-Meter-Dünung gemacht ist. Zu haben ist der Luxuslöffel ab 550 €, die Infos gibt’s auf wernerpaddles.com.

Power fürs Paddeln bekommt man beim Paddeln. Doch die Zeiten, in denen das Stemmen des Paddels schon als Hanteltraining durchging, sind zum Glück vorbei. Mit diesen leichten Löffeln haben Sie mehr Kraft für den Vortrieb – und damit mehr Spaß auf dem Wasser.

BLACK LIGHT GREENLAND

PRIJON COAST Hier ist der Name Programm: Die Blätter des Coast sind extrem schmal und damit wenig windanfällig – perfekt für das Paddeln auf offenen Gewässern. Das handlaminierte Paddel aus Rosenheim kommt mit Hartschaumkern und abriebfester Dynel-Kante. Das Gewicht beträgt vernünftige 790 g, dafür ist die Ergoversion (448 €) aber kein Gramm schwerer. Preis: 322 €, Infos: prijon.com.

Da staunt der Eskimo: Das traditionelle Grönlandpaddel bringt dank Vollcarbon nur federleichte 630 g auf die Waage. Durch die ovalisierte Teilung liegt es absolut verdrehsicher in der Hand. Seit letzter Saison produzieren und vertreiben die Lettmänner aus Moers das von der Schwedin Sara Wagner designte Paddel. Der stolze Preis für so viel Hightech: 649 €. Mehr Infos unter lettmann.de.

AT ORACLE Mit dem von Wildwasserpaddeln inspirierten Oracle hat man »gut Druck auf dem Stock«, wie man so schön sagt. Damit ist es erste Wahl für anspruchsvolle Ausflüge auf turbulenter See. Das Oracle lässt sich stufenlos im Winkel und in der Länge um bis zu fünf Zentimeter verstellen. Die Carbonversion wiegt bei 210 cm Länge 751 g, auch die Glasvariante liegt nur knapp über der 800-Gramm-Marke. Zu haben ab 259,95 €. Infos: atpaddles.com.

60 | KANU 01.14

060062-HabenWollen-KM0114_end.indd 60

24.01.14 09:19


TY WARP TOUR CC Das Tour CC ist mit 800 g das leichteste Paddel aus dem Hause Ty Warp. Der edle Carbonlöffel (379 €) lässt sich mittels WarpLok-Teilung stufenlos zwischen 0 und 90 Grad und um 10 cm in der Länge verstellen. Mit Glasblatt wiegt das Tour 150 g mehr, die ökologische Variante aus Basaltfaser bringt 1050 g auf die Waage. Alle Infos auf tywarp.com.

KOBER LAGOON EFC Handmade im Schwarzwald. Das Lagoon (ab 419,95 €) ist die richtige Wahl für kraftsparendes und entspanntes Paddeln auf langen Touren. Dafür sorgen die mittelgroßen Blätter, die hydrodynamisch für eine flache Paddelführung optimierte Blattform und natürlich das Gewicht: Dank EFC-Bauweise (Entire Foam Core) wiegt das Lagoon bei 220 cm Länge schlanke 605 g. Nur ein wenig schwerer wird’s mit Teilung oder Ergoschaft. Infos: kober-paddel.de.

ROBSON SYNERGY CARBON HELIUM Das Synergy ist mit 720 g schon ein Leichtgewicht, in der Helium-Version bleibt die Waage noch einmal 120 g früher stehen. Gleich bleiben hingegen die mittelgroßen Blätter für effizientes und ermüdungsfreies Paddeln über lange Strecken. Zu haben ab fairen 299 € bei robson.de.

AQUA-BOUND SWELL CARBON PLUS Das Swell Carbon Plus hat alles, was ein modernes Tourenpaddel braucht, wiegt aber trotzdem gerade einmal 720 g. Die Teleskopteilung von Aqua-Bound kommt ohne aufwendige Verschraubungen aus, das Paddel lässt sich stufenlos in Länge (15 cm) und Winkel verstellen. Beim deutschen Importeur gatz.com liegt der UVP bei 399,90 €.

KOBER CARVING C Das Carving (830 g) ist Kobers Waffe für den Stangentanz im Kanuslalom, hat sich aber längst auch im Wildwasser und beim Freestyle bewährt. Das sehr dünne Blatt schneidet präzise durchs Wasser, eine Alukante schützt vor Schlägen und Abrieb. Besonders interessant: Das Carving gibt’s in zwei Blattgrößen, die Infos zum 460-Euro-Löffel auf kober-paddel.de.

PRIJON GODZILLA Der Name Godzilla ist eine Kreuzung aus den japanischen Wörtern für Gorilla und Wal. Der eine verfügt über unglaubliche Kraft, der andere lebt im Wasser. Passt also: Der Schaumkern im 980 g schweren Godzilla verleiht dem Blatt Auftrieb, die Dynel-Kante steckt Schläge weg und für einen flatterfreien Zug sorgen die supersteifen Blätter. Ab 279 € bei prijon.com.

WERNER STIKINE Das Stikine ist das populärste Wildwasserpaddel der US-Edelschmiede Werner. Kein Wunder – sind die gut ausbalancierten, mittelgroßen Blätter doch ideal für die allermeisten Sturzbachpaddler. Die Dynel-Kante lässt das Paddel auch nach ein paar Jahren auf dem Bach noch wie neu aussehen. Wie alle Werner-Paddel gibt’s das Stikine in zwei Schaftdurchmessern und mit Ergo- oder geradem Schaft (1035 zu 950 g). Preis: ab 379 €. Infos: wernerpaddles.com.

LETTMANN MULTI WAVE WW

TNP PYXIS Low Angle & Low Budget: Das einteilige Pyxis mit geschliffenem Glasschaft kostet 99,95 € und wiegt 890 g. Zweigeteilt kommen 50 g und 15 € obendrauf. Das Blatt besteht aus einem Mix aus Glas und faserverstärktem Polyamid – das macht das Paddel unempfindlich gegenüber Hitze und Kälte. Infos: tnp.cz.

Sieht auf den ersten Blick seltsam aus, funktioniert aber: Das 900 g leichte Multi Wave kommt ohne Schaumkern aus, für einen flatterfreien Zug sorgt der hydrodynamische Lift, der durch das Wellenprofil im Blatt erzeugt wird. Gleichzeitig geben die Wellen dem Blatt die Statik für Biege- und Bruchfestigkeit. Zu haben für 369 € bei lettmann.de.

KANU 01.14 | 61

060062-HabenWollen-KM0114_end.indd 61

24.01.14 09:19


> SERVICE // HABEN WOLLEN

AT HERCULES Die neuen Paddel aus der Advanced Serie von AT sind nahezu unzerstörbar. Selbst bei einem Bruch bleibt der Schaft in Form, und man kommt mit dem Paddel noch heil aus der dunklen Schlucht. In der handgelenksfreundlichen Glasvariante wiegt das Hercules mit geradem Schaft nur 907 g und kostet faire 239,95 €. Wer’s noch leichter (879 g) und steifer will, greift zur 50 € teureren Carbon-Ausführung. Infos: atpaddles.com.

TY WARP CLAW CC LITE Die Vollcarbon-Version des Claw von Ty Warp richtet sich an Freestyler, die bei der Kombination von Steifigkeit, Gewicht und Haltbarkeit keine Kompromisse eingehen wollen. Im Vergleich zum Vorjahr wurde das Claw CC Lite bei gleichbleibender Langlebigkeit um fast 100 g leichter. Das 900 g leichte Paddel kostet 349 €. Mehr Infos unter tywarp.com.

ROBSON SOLARIS Hell strahlt das Solaris am RobsonPaddel-Firmament: Der 950 g leichte Stock ist mit seinen großen Blättern gemacht für die starken Jungs im wilden Wasser. Der ovale Schaft liegt allzeit sicher in der Hand, der Vollschaumkern gibt auch in luftdurchsetztem Wasser guten Auftrieb. Mit geradem Schaft ruft Robson 329 € für das Solaris auf. Infos: robson.de.

TNP RAPA Dass Anfängerpaddel nicht schwer sein müssen, zeigt TNP mit dem Rapa: Mit geschliffenem Glasschaft und Polyamid-Blatt bleibt das Paddel mit 960 g locker unter der magischen 1-Kilo-Marke. Unschlagbar ist vor allem der Preis, das Rapa in erwähngibt’ss schon für ter Ausführung gibt 109,95 €, die Infos dazu unter tnp.cz.

LETTMANN PERFECT PRO SL Das Rundum-sorglos-Stechpaddel von Lettmann: Mit dem Perfect Pro SL hat Seniorchef und Tüftelkönig Klaus Lettmann ein Kanadierpaddel gebaut, das im Wildwasser, beim Slalom und auf Tour gleichermaßen funktioniert. Mit 690 g zwar nicht federleicht, dafür aber in Sachen Verarbeitung über jeden Zweifel erhaben. Der Preis: 289 €, die Infos: lettmann.de.

BENDING BRANCHES SUNBURST ST KOBER ROCKET SL Noch mehr Hightech aus dem Wettkampfsport: Das 570 g leichte Rocket SL ist auf den Slalomstrecken dieser Welt zu Hause, sorgt aber auch beim ambitionierten Tourenpaddler für olympisches Flair und eine Top-Performance. Kostet knapp 300 €. Infos: kober-paddel.de.

PRIJON JANUS Für 199 € bekommt man bei prijon.com viel Stechpaddel fürs Geld: Das Janus hat ein sehr breites Blatt, wodurch man ordentlich Wumms ins Wasser bringt – vorausgesetzt, die eigene Kraft reicht. Das 600 g leichte Janus ist erste Wahl für Paddler, die maximalen Vortrieb wollen.

Hightech meets Classic: Beim Sunburst ST kombiniert Bending Branches einen superleichten Carbonschaft mit einem faserbeschichteten Holzblatt mit Rockguard-Schutzkante. Obendrauf sorgt der handgeformte Holzgriff für perfekten Halt. Beim deutschen Importeur gatz.com geht das 420 g leichte Sunburst ST für 239,90 € über den Tresen.

ROBSON QUANTUM Carbon-Fetischisten aufgepasst: Das 249 € teure Quantum aus dem Hause Robson ist ein 650 g leichtes, puristisches Stechpaddel, das mit einem ultrasteifen, ausgeschäumten Blatt, einer integrierten Alukante und einem edlen Finish überzeugt. Infos auf robson.de.

62 | KANU 01.14

060062-HabenWollen-KM0114_end.indd 62

24.01.14 09:19


Foto: Michael Neumann – Paddler: Philip Baues – Location: Al Ain (V.A.E.)

Paddeln. Jederzeit! Überall!

Das KANU Magazin für iPhone und iPad. >>> 063063-EA-iPad-KM0114-end.indd 1

24.01.14 14:11


> SERVICE // WORKSHOP // DIE GUTE LINIE

1

2

A C

D 4

5

3

6

B

LOCATION: Koritnica, Slowenien IM BOOT: Philip Baues CHARAKTER

Im Bereich des Abschlusskatarakts kurz vor der Mündung in die Socˇa nimmt die Koritnica noch mal Fahrt auf. Hauptströmung (A) verläuft ziemlich linear, die größte Herausforderung ist Stufe (B). Es bilden sich viele Kehrwässer, die sich allerdings deutlich in ihrer Größe unterscheiden: Kehrwasser (C) ist groß und lang, die folgenden Kehrwasser (D), (E), (F) und (G) sind hingegen sehr eng.

8

EINSCHÄTZUNG

Viele Paddeleinsteiger sind froh, wenn sie diesen Katarakt ohne Schwimmeinlage meistern. Dem versierten Kanuten aber bietet sich hier die perfekte Gelegenheit, an der Kehrwassertechnik zu feilen und ein wenig in die Strömungslehre einzutauchen. Denn jedes Kehrwasser will anders angefahren werden: Fließgeschwindigkeit, Kehrwassergröße und Hindernisse im Flusslauf bestimmen den Einfahrtswinkel … BEFAHRUNG

1. Philip befindet sich in der Hauptströmung (A) und hat Kehrwasser (C) fest im Blick. 2. Anstatt jedoch gleich zu Beginn des Kehrwasser einzufahren, peilt er mit spitzem Winkel die Kehrwassermitte an. Doch Vorsicht: Wer zu spät einschlingt, riskiert, rückwärts in Stufe (B) zu rauschen! 3. Deshalb richtet Philip nach einer schnellen Drehung ohne Atempause seine Spitze direkt in Richtung Kehrwasser (D) aus. 4. Der Vorteil dieser Aktion: Er kann (D) in einem flacheren Winkel anfahren ... 5. ... und benötigt so weniger Platz zum Drehen – denn (D) ist klein und wird zum Ufer hin sehr flach. 6. Dadurch, dass Philip nun von der flusslinken Seite das flussrechte Kehrwasser (E) anfahren kann … 7. ... hat er erneut einen guten Winkel, um zügig zu drehen. 8. Wo er grad schon dabei ist, nimmt Philip das Mini-Kehrwasser (F) natürlich auch noch mit. Dafür traversiert er einfach durch den Auslauf der Stufe (B) hinüber. 9. Ist (F) eigentlich schon Kehrwasser oder noch Rücklauf? Egal, Drehung und weiter … 10. … vielleicht kann man in Kehrwasser (G) endlich mal pausieren?

TECHNIK & TAKTIK

DIE GUTE LINIE

7

E

Das Boot verstaubt, die Knochen eingerostet? Höchste Zeit, sich beim Kehrwasserfahren den Schliff für die kommende Saison zu holen. Und keine Angst: Auch wer nicht an Socˇa & Koritnica wohnt – die heimischen Fließgewässer tun’s fürs Brummkreiseltraining auch!

TEXT & FOTOS: JENS KLATT

Von Jens Klatt

Kehrwasserschwindel

64 | KANU 01.14

064065-GuteLinie-KM0114_end.indd 64

23.01.14 13:10


Aus Paddlerperspektive sieht immer alles verdammt gleich aus. Suche dir Orientierungspunkte am Ufer, um im Kehrwasserdschungel nicht den Überblick zu verlieren.

F 9

10

G

TIPP Kehrwasserfahrten K Keh Ke ehrwas hr auf leichtem WW zu üben, ist gutes Training für höhere Aufgaben! Also beim nächsten Soča-Urlaub an der Koritnica-Mündung üben, bis der Schädel brummt!

KANU 01.14 | 65

064065-GuteLinie-KM0114_end.indd 65

23.01.14 13:11


> SZENE // TESTED ON TOUR

WENN DER BESITZER EINES starren Kajaks von einem Haus auf dem Land in ein winziges Apartment in Los Angeles umzieht, muss er sich etwas einfallen lassen, wenn er weiterhin seinem Sport frönen will. Vor diesem Problem stand auch der Kalifornier Anton Willis – bis zu seiner Erfindung eines Origami-Kajaks. Ein konventionelles Faltboot, bestehend aus einer Haut und einem komplexen Innengerüst, hätte zwar Antons Platzproblem gelöst, der relativ aufwendige Auf- und Abbau erschien ihm aber für die schnelle Feierabendrunde noch zu zeitraubend. Und ein Schlauchkajak kam aus Gründen der Fahrkultur nicht infrage – dafür war er durch die Fahreigenschaften seines Festboots schon zu verwöhnt. Mitten in diesem Dilemma stolperte Willis in einer Illustrierten über einen Artikel über die neuesten Entwicklungen und industriellen Anwendungen des Origami, der uralten japanischen Kunst, aus zweidimensionalen Papierbögen komplexe 3D-Gebilde von unglaublicher Steifigkeit und Stabilität zu falten. In dieser Sekunde fiel bei Anton der Groschen: Wenn auf diese Art nicht nur Blüten, Schmetterlinge und Vögel entstehen, sondern auch Flugzeugtragflächen, Möbel und sogar erdbebensichere Häuser, sollte es ja wohl auch möglich sein, ein fahrbares Kajak zu origamieren. Nach endlosen Versuchen mit Papiermodellen folgten zwei Dutzend Prototypen im Maßstab 1 : 1, für die Willis natürlich kein Papier mehr verwendete, sondern ein vier Millimeter starkes PE-Plattenmaterial, das durch seine Struktur, bestehend aus zwei Decklagen mit innen liegenden Stegen, eine viel höhere Grundsteifigkeit bietet als einlagiges Material. Der gesamte Rumpf des Oru Kayaks besteht aus einer einzigen zusammenhängenden Platte, die wie bei einem Umzugskarton durch vorgeprägte Faltlinien gegliedert ist. Dadurch ergibt sich zwangsläufig ein Knickspant-Unterschiff und gefirstete Oberdecks. Diese vielen Winkelprofile sind der Grund für die enorme Formsteifigkeit des Rumpfs, der außer zwei stehenden Platten (Spanten) im Vor- und Hinterschiff keine weiteren Aussteifungen benötigt. Hier liegt der konstruktive Vorteil des Oru Kayaks gegenüber konventionellen Faltbooten, bei denen Haut und Gerüst getrennte Elemente sind: Die Hülle des Oru Kajaks ist Haut und Gerüst in einem,

ORU KAYAK – Das Origami-Kajak aus Kalifornien wodurch das Bootsgewicht und die Aufbauzeit deutlich reduziert werden. Für dieses geniale Konzept und seine Realisierung kassierte die Firma den diesjährigen ISPO-Brandnew-Award als innovativstes Produkt für 2014. ERST LESEN, DANN BASTELN

genauso rollen wie jedes Festboot von ähnlicher Form. Für Gewässerbedingungen, wo die Rolle zum Standard-Repertoire gehören sollte, ist das Oru Kajak aber gar nicht vorgesehen. Seine Domäne ist nicht der steinige Sturzbach oder das aufgewühlte Meer, sondern der beschauliche Binnensee, die ruhige Bucht und der gemütliche Wanderfluss. Das Hohlkammer-Material des Oru bricht bei harten Grund- und Felskontakten zwar nicht, wird aber punktuell eingedrückt. Wenn dabei die Stege zwischen den Deckschichten einknicken, bleiben kleine Dellen zurück, die sich nicht beseitigen lassen. Das ist zwar kein Unsicherheitsfaktor; aber das Boot wird davon auf Dauer nicht hübscher. Vermeintlich

In seiner maßlosen Überheblichkeit versuchte das berüchtigte KANU-Testteam Erdmann/Neumann, das Oru Kayak aufzubauen, ohne die gedruckte Anleitung eines Blickes zu würdigen – und landete prompt in einer Sackgasse: Das einzig Tückische sind nie die einzelnen Handgriffe an sich, sondern nur deren richtige Reihenfolge. Um zu vermeiden, ein paar Aufbauschritte rückgängig machen zu müssen, weil vorher ein anderes Teil dran gewesen wäre, lohnt es sich beim Erstaufbau in jedem Fall, stur nach der Anleitung vorzugehen. Die Knickspant-Form ergibt sich automatisch aus dem Konstruktionsprinzip des Oru Kayaks, ist aber keineswegs ein Merkmal, das man nur in Kauf nimmt, weil es nicht anders geht – im Gegenteil: Ein Knickspant-Unterschiff ist ohnehin die erste Wahl für ein unkompliziert zu bedienendes, steuerloses Kajak. So bietet auch das Oru einerseits eine gute Spurtreue in waagrechter Lage und lässt sich andererseits durch bloßes Ankanten leicht in eine Kurve leiten, wobei der Anfänger obendrein von der Knickspant-typischen hohen Endstabilität profitiert. Für die Eskimorolle bietet das Cockpit des Oru Kayaks zu wenig Drei, die sich gut Halt, so dass man einfach nach verstehen: das unten aus der Luke fällt. Aber schon Oru Kayak, ein mit zwei eilig hineinimprovisierten Faltpaddel und Hüftpolstern ließ sich das Oru Cheftester Erdmann.

66 | KANU 01.14

066067-TestedOnTour-KM0114_end.indd 66

23.01.14 13:10


für mehrere Paddlerleben. Als ambitionierter Streckenpaddler kann man schon froh sein, am Ende einer Saison diese Zahl als gefahrene Kilometer im Logbuch zu haben. NORBERT ERDMANN <

glatte, gepflasterte oder betonierte Flächen, auf denen vereinzelte scharfkantige Splittsteinchen herumliegen, sind als Platz für den Aufbau (oder gar eine Sitzprobe!) maximal ungeeignet, weil hier das ganze Gewicht auf nur wenigen Punkten lastet, was unweigerlich zu kleinen Einkerbungen im Unterschiff führt. AVOID A MESS

Als Ergänzung zur gedruckten Anleitung ist das Aufund Abbauvideo unter www.orukayak.com, Stichwort »support«, eine wertvolle Orientierungshilfe für den richtigen Umgang mit dem Boot. Unbedingt vermeiden sollte man z. B. das Abknicken der vorgeprägten Faltlinien in die falsche Richtung, weil dabei das Material an der Knickzone einseitig überdehnt und geschwächt würde. Etwas Übung erfordert das Zusammenlegen der Hülle, da dies nach einem asymmetrischen Faltschema vonstatten geht. Dieser Vorgang ist mit Worten schwer zu beschreiben, aber auch hier schafft der Film sofort Klarheit. Das Boot ist seine eigene Verpackung: Die Cockpitwanne dient, enger gefaltet, als Schachtel für die zusammengelegte Hülle nebst Innereien. Das ganze Bündel ist leicht und kompakt, lässt sich mittels Schulter-

Selbst die Rolle funktioniert – zumindest unter Laborbedingungen im Hallenbad.

Fazit: Das Oru Kajak ist eine imponierende Demonstration modernen Industriedesigns auf der Basis einer alten Kunsttradition. Durch sein geringes Gewicht, das kleine Packmaß und den unschlagbar schnellen Aufbau hat es einen hohen praktischen Wert für Paddler mit wenig Lagerplatz und/oder wenig Zeit zum Paddeln.

TECHNISCHE DATEN // ORU KAYAK

riemen bequem tragen oder auch auf dem Fahrrad-Gepäckträger transportieren. Die Lebenserwartung der Faltscharniere wird mit 20.000 Faltungen angegeben. Die Überprüfung dieser Angabe durch sechs KANU-Praktikanten war bei Redaktionsschluss noch in vollem Gange. Nach drei Wochen 24-h-Schichtbetrieb sind die armen Teufel immerhin bei 4471 Auf- und Abbauten angelangt – ein schönes Zwischenergebnis! So viel ist klar: Die Zahl der möglichen Faltungen reicht schon jetzt

Länge: Breite: Gewicht: Aufbauzeit: Packmaß: Faltungen: Preis: Info:

366 cm 64 cm 11,8 kg ca. 5 Minuten 84 x 74 x 33 cm mind. 20.000 1095 USD, Packrucksack: 195 USD www.orukayak.com

SHEARWATER WEBBED PADDLE – Neues aus Entenhausen ERSATZPADDEL ODER MEHR ALS NUR DAS? Was im ersten Moment wie ein Scherz aussieht (nein, keine Panik – es ist noch nicht April), entpuppt sich bei genauem Hinschauen als durchaus solide, ernstzunehmende Konstruktion. Für einen einmaligen Gag würde sich kaum jemand so viel Arbeit machen. Der schwarze Fiberglasschaft ist noch ein vertrauter Anblick, wie man ihn von hochwertigen Wildwasser- und Touringpaddeln gewohnt ist: 1,5 mm Wandstärke, dazu eine fast spielfreie, 13 cm lange Carbon-Teilungshülse in Schaftmitte, die per Federschnapper wahlweise in drei Stellungen arretierbar ist: 55 Grad links; 0 Grad; 55 Grad rechts. Das ist uns noch geläufig. Aber was wir da als Paddelblätter sehen, schaut aus wie die Füße eines prähistorischen Riesenschwans. Je drei »Finger« aus Fiberglas stecken in einer Klemmfassung aus gepresstem Edelstahl, die mit zwei handelsüblichen 3/16-Zoll-Flügelmuttern gespannt werden. Die Stäbe sitzen bombenfest und sorgen wie die Speichen eines Regenschirms für straffe Spannung des robusten PVC-Planenstoffs. Durch die starke Spreizung der Finger bringen es die Entenfuß-Paddelblätter an ihren Außenkanten auf enorme 37 cm Breite. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, beim Paddeln die Blätter immer vollständig einzutauchen, damit der Druckpunkt möglichst in der Mittelachse des Paddels bleibt, also in der Linie des Schafts, an dem man zieht. In nur halb eingetauchtem Zustand liegt der Druckpunkt bei dieser Blattbreite so weit neben dieser Mittelachse, dass es

einem das Paddel in der Hand verdreht. Hier wären ovalisierte Griffbereiche dringend, die aber bei diesem Paddel fehlen. Es kommt noch besser: Um diese ultrabreiten Blätter vollständig einzutauchen, ist es wiederum nötig, das Paddel sehr steil zu führen. Das ist aber nicht das, was der erholungssuchende Freizeitpaddler braucht, denn dieser Stil ist besonders

TECHNISCHE DATEN // WEBBED PADDLE

Länge: Blattfarben: Gewicht: Preise: Info:

nach Wunsch blau, orange, rot 1120 g Doppelpaddel 125 $, Stechpaddel 99 $, Kombipaddel 145 $ www.webbedpaddles.com

kraftraubend. Da helfen auch die extrabreiten Hochleistungstropfringe nicht. M I C H A E L N E U M A N N < Fazit: Das Shearwater eignet sich am besten für den Job als Reservepaddel oder für Packrafter, denen Packmaß und Gewicht alles sind. Dafür spricht z. B. der minimale Platzbedarf in zerlegtem Zustand: Was dieses Paddel anderen »spares« voraushat, sind die einfaltbaren Blätter. Ein in vier Teile zerlegtes Shearwater passt in ein schlankes Säckchen von nur 8 cm Durchmesser und ca. 70 cm Länge, das man auch noch in ein flaches Spielboot hineingeben kann. Wer mitten in einer Schlucht sein Premiumpaddel abschwimmen lässt oder abbricht, wird sich glücklich schätzen, wenn er ein vierteiliges Webbed Paddle aus seinem Boot ziehen kann.

KANU 01.14 | 67

066067-TestedOnTour-KM0114_end.indd 67

23.01.14 13:10


So schĂśn kann paddeln sein! KANU MAGAZIN Abovorteile + Preisvorteil gegenĂźber Kioskpreis + jede Ausgabe pĂźnktlich frei Haus + Gratis-Ausgabe bei Bankeinzug + Online-Kundenservice + fĂźr Abonnenten kostenlose Kanu-App

gratis Top-Extras 1 Hi-Power Sport-Chronograph von PROS Der Sport-Chronograph (Gehäuse-Durchmesser ca. 45 mm) mit Edelstahlboden und Taucher-Kunststoff-Armband ist bis 5 ATM nach DIN 8310 wasserdicht. Am blau beleuchteten Ziffernblatt Âż QGHQ VLFK 'DWXP XQG :RFKHQWDJ GLH $Q]HLJH LVW DQDORJ XQG digital mĂśglich. Weitere Features: Rundenzeitnahme, Stopp- und Alarmfunktion. Im Probeabo mit 2 Ausgaben fĂźr nur 14,90 â‚Ź Im Jahresabo GRATIS

2 Ultraleichter ORTLIEB-Packsack Der wasserdichte Behälter aus ultraleichtem Nylongewebe PS 10 mit durchdachten Features: Am verstärkten, runden Ende aus knick- und abriebfestem PS 17-Gewebe hilft die breite Bodenschlaufe beim (QWOHHUHQ GHV %HXWHOV /LPLWLHUWH $XĂ€ DJH PLW .$18 0$*$=,1 /RJR FassungsvermĂśgen: 22 Liter!

Zuzahlung im Probeabo (2 Ausgaben) von nur 19,90 â‚Ź Im Jahresabo (46,50 â‚Ź) GRATIS

068069-Aboanzeige-KM0114.indd 68

24.01.14 09:58


KANU KOMPAKT Buch – Lahn

3

KANU KOMPAKT Buch – Mosel

KANU KOMPAKT Buch – Mecklenburgische Kleinseen 2

4

5

Tour: Die Lahn von Marburg bis Lahnstein

Tour: Die Mosel von Koblenz bis Trier

Touren: Strelitzer Gewässer, Rheinsberger Gewässer, Feldberger Seen.

Perfekte Kombination aus Tourenführer, Wasserwanderkarte, Reiseführer inkl. Insidertipps und Kanufahrschule. Umschlag aus wasserabweisender Struktur folie mit praktischer Spiralbindung. 96 Seiten, Maße ca. 13,5 x 18,5 cm

Perfekte Kombination aus Tourenführer, Wasserwanderkarte, Reiseführer inkl. Insidertipps und Kanufahrschule. Umschlag aus wasserabweisender Struktur folie mit praktischer Spiralbindung. 102 Seiten, Maße ca. 13,5 x 18,5 cm

Perfekte Kombination aus Tourenführer, Wasserwanderkarte, Reiseführer inkl. Insidertipps und Kanufahrschule. Umschlag aus wasserabweisender Struktur folie mit praktischer Spiralbindung. 100 Seiten, Maße ca. 13,5 x 18,5 cm

Im Probeabo mit 2 Ausgaben für nur 14,90 € Im Jahresabo GRATIS

Im Probeabo mit 2 Ausgaben für nur 14,90 € Im Jahresabo GRATIS

Im Probeabo mit 2 Ausgaben für nur 14,90 € Im Jahresabo GRATIS

Abonnementservice KANU MAGAZIN Zenit Pressevertrieb GmbH Postfach 81 05 80 70522 Stuttgart

01805 / 72 72 52 239 *

kanumagazin@zenit-presse.de

01805 / 72 72 52 399 *

www.kanumagazin.de/abo * aus dem dt. Festnetz nur 0,14 €/Minute, Mobilfunkpreise max. 0,42 €/Minute

Ich bezahle per Bankeinzug und erhalte zusätzlich eine Gratis-Ausgabe. (nur beim Jahresabo)

Ja, ich möchte KANU MAGAZIN frei Haus Im Probeabo testen Im Jahresabo lesen

Best.-Nr.: KANU0114PA Best.-Nr.: KANU0114JA

Senden Sie mir bitte ab der nächsterreichbaren Ausgabe KANU MAGAZIN zu. Beim Probeabo erhalte ich 2 Ausgaben KANU MAGAZIN für nur 14,90 € bzw. 19,90 €, zusammen mit dem Top-Extra wie angekreuzt. Falls ich nach dem Testbezug von zwei Ausgaben keine weiteren Hefte wünsche, sage ich sofort nach Erhalt der 2. Ausgabe ab. Ansonsten bekomme ich KANU MAGAZIN weiterhin zum Jahresvorzugspreis für nur 46,50 € (A: 51,90 €; CH: 77,50 SFr.; weiteres Ausland auf Anfrage). Dieser Folgebezug ist jederzeit kündbar.

BLZ

Kontonummer

Geldinstitut

Ich bezahle per Rechnung

Als Top-Extra wähle ich (bitte nur eine Auswahl ankreuzen) 1 PROS-Chronograph

Beim Jahresabo bestelle ich KANU MAGAZIN zum Gesamtpreis von zur Zeit nur 46,50 € (A: 51,90 €; CH: 77,50 SFr.; weitere Auslandspreise auf Anfrage). Gratis dazu erhalte ich das Top-Extra wie angekreuzt mit separater Lieferung. Nach Ablauf des ersten Bezugsjahres kann ich jederzeit kündigen.

2x KANU MAGAZIN für 14,90 € (A: 19,90 €; CH 24,90 SFr.;**) oder GRATIS im Jahresabo

Meine persönlichen Angaben: (bitte unbedingt ausfüllen)

2x KANU MAGAZIN für 19,90 € (A: 20,90 €; CH 29,90 SFr.;**) oder GRATIS im Jahresabo

2 2 ORTLIEB-Packsack

Name, Vorname

3 KANU KOMPAKT „Lahn“ 2x KANU MAGAZIN für 14,90 € (A: 19,90 €; CH 24,90 SFr.;**) oder GRATIS im Jahresabo

Straße, Nr.

PLZ

4 KANU KOMPAKT „Mosel“ 2x KANU MAGAZIN für 14,90 € (A: 19,90 €; CH 24,90 SFr.;**) oder GRATIS im Jahresabo

Wohnort

5 KANU KOMPAKT „Mecklenburgische Kleinseen 2“ Telefon

2x KANU MAGAZIN für 14,90 € (A: 19,90 €; CH 24,90 SFr.;**) oder GRATIS im Jahresabo

Geburtsdatum

E-Mail

Datum

Unterschrift für Ihren Auftrag

Ja, ich bin damit einverstanden, dass KANU MAGAZIN und atlas Verlag mich künftig per Telefon oder E-Mail über interessante Angebote informieren. Verlagsgarantie: Ihre Bestellung kann innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform widerrufen werden bei: KANU MAGAZIN Aboservice, 70522 Stuttgart. Kosten entstehen Ihnen im Fall des Widerrufs nicht. Lieferung so lange Vorrat reicht, Ersatzlieferung vorbehalten. *0,14 €/Minute aus dem dt. Festnetz, max 0,42 €/Minute aus dem dt. Mobilfunk. Bitte Best.-Nr. angeben!

068069-Aboanzeige-KM0114.indd 69

24.01.14 09:58


> SZENE // INTERVIEW // TOBIAS KARGL

INTERVIEW / FOTOS: MICHAEL NEUMANN

Ein Slalomkanute über das Leben als Spitzensportler – und wie man selbst einer wird. 70 | KANU 01.14

070073-TobiasKargl-KM0114_end.indd 70

23.01.14 16:21


Sommer im Winter – Kargl beim Warmwassertraining zwischen den Jahren im arabischen Al-Ain.

Tobias Kargl zählt zu den hoffnungsvollsten Nachwuchsfahrern im Kanuslalom. KANU wollte wissen, was ein Jungleser braucht, um ebenfalls ein erfolgreicher Stangenfahrer zu werden.

Ich bin zwölf Jahre alt und will mal Slalomweltmeister werden. Was muss ich tun? Am besten erst einmal in einen Verein eintreten, der Kanuslalom betreibt, und dort fleißig trainieren. Ob man es am Ende auch schafft, ist anfangs schwer abzuschätzen, doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Welche Hürden muss ich dann konkret nehmen, um es bis in die Nationalmannschaft zu schaffen? Man muss bei den nationalen Ausscheidungsrennen im Frühjahr unter die Top drei in seiner Disziplin und Altersklasse fahren. Dann wird man idealerweise vom Trainerrat für die Nationalmannschaft nominiert.

auf dem ich mich bewege, kommt es auf Hundertstel- und Zehntelsekunden an. Da muss man so professionell wie möglich arbeiten. Doch nicht nur der Trainingsplan ist wichtig. Vielmehr fängt es bereits bei der Ernährung an und hört erst beim richtigen Material auf. Man muss sich das wie ein Puzzle vorstellen, das nur vollständig werden kann, wenn alle Teile vorhanden sind und auch zusammenpassen. Was hast du schon alles beim Paddeln erreicht? Meine Highlights waren 2009 die Bronzemedaille bei der Junioren-EM, 2012 der sechste Platz bei der Sickline-WM auf der Wellerbrücke und 2013 der Weltmeistertitel mit dem U23-Team.

Reicht allein der Fleiß, oder brauche ich zwingend auch Talent? Fleiß ist sicherlich wichtig, doch ganz ohne Talent wird man sich ab einem gewissen Punkt schwertun, sich weiter zu verbessern. Andersherum ist das aber genauso: Man kann noch so viel Talent haben, wenn man nicht fleißig trainiert, wird man sich irgendwann auch nicht mehr verbessern können.

Und 2016 dann Olympia in Rio? Hoffentlich (lacht), das ist mein großer Traum. Allerdings muss man fairerweise sagen, dass das ein ziemlich hochgestecktes Ziel ist. Für Olympia kann sich immer nur ein Starter pro Disziplin qualifizieren, und die Konkurrenz in Deutschland ist zurzeit enorm. Aber ich bin ja noch jung, und wenn es 2016 nicht klappt, kann ich es 2020 wieder versuchen.

Trainingsplan hin, Trainingsplan her – bekommt man sofort die Quittung, wenn man es mal nicht so genau nimmt? Man wird die Quittung nicht sofort bekommen, aber man wird sie bekommen. Auf dem Leistungsniveau,

Dein Boot kostet über 2000 Euro, das Paddel 500. Wer soll das bezahlen? Gute Frage! Im Endeffekt wir selbst. Viele von uns sind bei der Bundeswehr oder bei der Polizei in der Sportförderung angestellt und verdienen so ihren

Lebensunterhalt. Mittlerweile werde ich auch von Sponsoren unterstützt, so dass es mir gut möglich ist, diese Kosten zu decken. Aber reich werden kann man mit Kanuslalom in Deutschland definitiv nicht. Aber dafür sind die Flüge in der ersten Klasse zu den Wettkämpfen mit der goldenen DKV-Kreditkarte bezahlt, oder? Schön wäre es. Meistens fahren wir zu Trainingslagern und Wettkämpfen mit dem Auto. Selbst bis ins hinterste Spanien. Mit erster Klasse hat das nicht viel zu tun. Sind Slalompaddler die besseren Wildwasserpaddler? Das würde ich so nicht sagen. Sicherlich hat man als Slalomfahrer eine gute Grundvoraussetzung, da man technisch gut ausgebildet und maximal fit ist. Aber deswegen ist man nicht automatisch der bessere Wildwasserpaddler. Schließlich gewinnt bei der Sickline meist Sam Sutton, und der hat in seinem Leben noch in keinem Slalomboot gesessen. Schon mal einen Wurfsack geworfen? Ja. Im BKV-Wildwassercamp. Damals war ich zwölf oder 13 Jahre alt. Ich habe mit dem Wurfsack auch gut getroffen. Allerdings hatte sich der Schwimmer davor schon das Bein gebrochen und musste dann mit dem Helikopter abtransportiert werden. > KANU 01.14 | 71

070073-TobiasKargl-KM0114_end.indd 71

23.01.14 16:21


> SZENE // INTERVIEW // TOBIAS KARGL

Hat jemand, der sonst primär auf künstlichen Strecken paddelt, Angst vor der Wellerbrücke? Angst ist das falsche Wort, eher Respekt. Aber das ist meiner Meinung auch wichtig, denn wenn man mangels Respekt nicht mehr konzentriert bei der Sache ist, passieren Fehler, und die können auf der Wellerbrücke dann ganz anders enden als auf dem Eiskanal. Und klar, wenn man die Wellerbrücke nach knapp einem Jahr das erste Mal wieder fährt, hat man natürlich auch ein bisschen Bammel … In welcher Liga würde man Fußball spielen, wenn man den Trainingseifer eines Slalomkanuten zugrunde legt? Sicherlich in der Ersten! Der Trainingsaufwand, den wir betreiben, ist enorm. Unser ganzes Leben richtet sich darauf aus, der Beste zu sein oder zu werden. Wir achten auf die Ernährung schon beim Frühstück, um danach ein bis zwei Trainingseinheiten zu absolvie-

ren. Mittags wird dann wieder ordentlich gegessen und nachmittags stehen noch mal eine oder zwei Trainingseinheiten auf dem Plan. Nach dem Abendessen fällt man meistens todmüde ins Bett – und am nächsten Tag beginnt das Ganze dann von vorne. Wenn man den Verdienst dann mit einem Fußballspieler in der Ersten Liga vergleicht, muss man schon ein ziemlicher Idealist sein, um sich immer wieder aufs Neue motivieren zu können. Was ist für dich die Faszination Kanuslalom? Ich bin Paddler mit Leib und Seele. Slalom ist dabei für mich die höchste Form der Perfektion. Um schnell sein zu können, muss man das Wasser lesen und nutzen, denn wenn man gegen das Wasser arbeitet, hat man keine Chance. Das Gefühl, wenn man auf der Ideallinie ist und förmlich übers Wasser fliegt, ist für mich einfach das Größte. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, aber es macht definitiv süchtig.

Die besten deutschen Slalomkanuten sind allesamt Weltklasse, doch keiner kann es sich leisten, allein für den Sport zu leben. Studium oder Ausbildung müssen parallel gemanagt werden. Leidet darunter nicht die Leistung? Könnte man meinen. Aber ich habe nicht das Gefühl. Eher im Gegenteil. Ich finde es auch mal ganz angenehm, wenn man den Kopf mit etwas anderem beschäftigt. Ansonsten macht man sich irgendwann selbst verrückt, wenn man nur daran denkt, wie man besser wird oder was die anderen vielleicht besser machen könnten. Dazu kommt auch, dass man den Sport, wenn es gut läuft, bis Anfang 30 machen kann. Bis dahin sollte man nebenbei seine Ausbildung gemacht haben, um sich nach der sportlichen Karriere in den Beruf stürzen zu können. Welchen Weg gehst du, um Sport und Beruf zu verbinden?

Ob California Roll im Slalomboot oder ein sechster Platz bei der Sickline-WM – Tobis Horizont reicht weit übers Stangenfahren hinaus.

72 | KANU 01.14

070073-TobiasKargl-KM0114_end.indd 72

23.01.14 16:21


Slalomfahren ist Millimeterarbeit in einem unkontrolliert pulsierenden Element.

Ich bin in der Spitzensportförderung der Bayerischen Polizei. So kann ich neben dem Sport eine fünfjährige Ausbildung zum Polizeimeister machen. Die Ausbildung ist dabei so gelegt, dass wir im Winter von Anfang Oktober bis Ende Januar in der Präsenzphase sind und neben dem Training zusätzlich noch die Schulbank drücken. Von Februar bis September geht die Freistellungsphase. Dann liegt der Fokus wieder ganz klar auf dem Sport. Gibt es in anderen Nationen Vollprofis? Die gibt es. Unser Sport wird immer professioneller, die Leistungsdichte immer höher. Das kommt nicht von ungefähr. Die anderen Nationen wie etwa die Briten investieren viel Geld in ihre Sportförderung und das trägt mittlerweile Früchte. Da können wir uns schon einmal warm anziehen. Ihr kämpft in einem dynamischen Element, trotzdem liegen die Finalzeiten oft nur einen

Wimpernschlag auseinander. Wie ist diese Konstanz zu erklären? Das ist manchmal schon verrückt, wie knapp es auf einer 90 Sekunden langen Strecke zur Sache geht. Genau das ist eben die Kunst: konstant auf einem technisch hohen Niveau schnelle Zeiten zu fahren und wenn es darauf ankommt, noch einmal eine Schippe draufzulegen. Man darf sich eigentlich keinen Fehler mehr erlauben, will man vorne dabei sein. Gleichzeitig wird man durch die hohe Leistungsdichte gezwungen, mehr und mehr Risiko einzugehen und enger an die Torstäbe heranzufahren. Den Mittelweg aus Sicherheit und Risiko zu finden, ist die hohe Kunst des Kanuslaloms. Wollte man bei internationalen Meisterschaften auf die Sieger wetten, würde man schnell feststellen, dass oft einer gewinnt, den man gar nicht auf der Liste hatte.

Klar gibt es da auch immer mal wieder Überraschungen. Auf einmal hat jemand, den man nicht mit auf der Rechnung hatte, den Lauf seines Lebens und fährt sich in ein internationales Finale. Aber die, die über eine ganze Saison hinweg gut sind, sind dann doch die üblichen Verdächtigen und meist keine Überraschungskandidaten. Wie trainierst du derzeit im Hochwinter? Wie gesagt mache ich ja momentan nebenbei noch meine Ausbildung bei der Bayerischen Polizei in Dachau. Ansonsten steht viel stupides Ausdauerfahren im Boot und Krafttraining auf dem Plan. Ein Highlight war das Trainingslager über Silvester auf der neu gebauten Strecke in Al-Ain in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Da macht das Paddeln bei 25 Grad gleich wieder viel mehr Spaß als daheim bei null Grad. Im Februar geht es noch einmal für einen Monat mit dem DKV zum sogenannten Warmwasserlehrgang nach Australien. < KANU 01.14 | 73

070073-TobiasKargl-KM0114_end.indd 73

23.01.14 16:21


> REISE // WILDWASSER // GEORGIEN

TEXT: CHRISTOPH SCHEUERMANN – FOTOS: SALOME FRITZ, BOBY FRIESER, SEBI BAUER, DAVID WOMMER

On My Mind! Ein halbes Jahrhundert hinterm Eisernen Vorhang versteckt, in den Neunzigern Schauplatz blutiger Bürgerkriege, Blutrache und Korruption der übelsten Art: Der Kaukasus weckte bei Westeuropäern bislang eher unangenehme Assoziationen. Doch heimlich, still und leise hat sich ein kleines Land dem Tourismus geöffnet und lockt Alpinisten wie Kajakfahrer mit Natur im XXL-Format: Willkommen in Georgien!

74 | KANU 01.14

074081-Georgien-KM0114_end.indd 74

23.01.14 16:26


Grundgestein und Kurzarmshirt: georgischer Sommer am Tekhura.

KANU 01.14 | 75

074081-Georgien-KM0114_end.indd 75

23.01.14 16:26


> REISE // WILDWASSER // GEORGIEN

Eile mit Weile: Von der 40-Stunden-Woche können Georgiens Einzelhändler nur träumen. Im Gegenzug ist ein erquickendes Nickerchen während der Arbeitszeit schon mal gestattet.

eorgia, you gonna fly to Georgia? Great that you finally come to the States!« Nicht nur im Gespräch mit den Freunden aus Amerika bedarf es hin und wieder einer näheren Erklärung, warum man denn ausgerechnet nach Georgien reisen wolle. Während viele die englische Bezeichnung zuerst mit dem Sonnenstaat an der amerikanischen Ostküste in Verbindung bringen, denken die meisten Europäer beim Wort Georgien an Krisenregion und Bürgerkrieg. Georgien, das war doch der kleine Staat, der im Kaukasuskrieg 2008 die Russen herausgefordert hatte. Flüchtlingsströme aus Separatistenprovinzen, überkommene Infrastruktur aus der Sowjet-Ära. Wenn Georgier nach Deutschland kommen, dann zum Autokaufen! Die Georgier kennen die Vorurteile, sie wissen aber auch um die Schönheit ihres Landes, die Gastfreundlichkeit ihres Volkes, ja, sie sehen das gewaltige Potenzial ihres Landes, das bis zu Perestroika und Glasnost als Top-Touristenziel Osteuropas galt. Damit auch der skeptische Westtourist mit eigenen Augen sieht, was das Land zu bieten hat, ging die Regierung in Tbilisi in der von Autokraten dominierten Region gänzlich neue Wege: Sie hat die Grenzen geöffnet. Das Visum für EU-Bürger? Abgeschafft! Strenge Aufenthaltsbestimmungen? Ach was, volle sechs Monate lang darf das Auto ins Land, der Fahrer gleich ein ganzes Jahr. Dennoch ist die Verwunderung enorm, als wir in fünf Minuten die Zollabfertigung passieren, umgeben von ausschließlich jungen, perfekt gestylten Grenzbeamtinnen. Der Chefinspektor ist der einzige Mann, er kommt auf dem Segway ans Auto gerollt.

Und natürlich das Paddeln. »Scheuer, ich weiß, du verehrst den Rand Europas, wo außer dir kein vernünftiger Mensch zum Paddeln hinfährt. Aber Georgien, das sind braune Geröllrinnen und schlechte Straßen. Fahr ruhig noch mal hin. Aber ins Heft kommst du damit erst, wenn du die Verzasca des Kaukasus entdeckt hast. Oder besser! Auf jeden Fall klares Wasser und Grundgestein.« Aye, aye, Sir. Zumindest der Chefredakteur schien nicht so recht an das neu entdeckte Wildwasserparadies. Wieder und wieder sichtete ich die mitgebrachten Fotos. Nein, allzu viel Grundgestein war wirklich nicht dabei. Und trotzdem: Wo gibt es noch mächtige Gletscherflüsse, die über hundert Kilometer von keinem Wehr gebremst werden? Welches Revier bietet Wildwasser jeden Levels, dazu Wassersicherheit von Februar bis November? Warum soll ich nach Nordamerika oder in den Himalaja fliegen, wenn im Kaukasus unzählige Kilometer unbe-

kanntes Wildwasser auf Erstbefahrer warten? Und dazu die Kultur: Monumentale Relikte sozialistischer Architektur kontrastieren mit von ehrlicher Hand gebauten Bauernhäusern, das Ganze im Schatten der Viertausender. Und erst das Essen. Köstliche, ofenwarme Khachapuri, eine kuchenartige Käsepastete. Khinkali, die georgischen Maultaschen, deren wohlgeformtes Äußeres nicht nur die heiße Brühe über die Finger, sondern auch das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Und die Suppen, der Koriander ... DIE MAUSEFALLE

Juli 2011, zweiter Paddeltag im Großen Kaukasus: Der Appetit ist uns vergangen. Uns ist so ziemlich alles vergangen, zumindest aber das letzte Kehrwasser, an dem wir leider etwas zu gierig vorbeigeschanzt sind. Ich pumpe wie ein Blöder, um die Mamba auf maximalen Speed zu kriegen. Vor zwei Sekunden ist Boby über die Kante verschwunden,

Kein Baum weit und breit: Die Wanderung durch die Truso-Schlucht lohnt auch für Nichtpaddler.

76 | KANU 01.14

074081-Georgien-KM0114_end.indd 76

23.01.14 16:27


Georgien hat nicht nur Gletschersuppe zu bieten: links der Khobistskali, rechts oben die Kernstelle des Mtkvari, darunter das Empfangskomitee am Ausstieg bei Khertvisi.

einen Augenblick später würde mir das Gleiche blühen. Ich hole aus zum Boofschlag meines Lebens, um das Boot aufs Prallpolster zu wuchten, das sich mir von der Wand in zwei Metern Entfernung entgegenstemmt. Ich weiß nicht, ob ich’s gut finden soll, dass sich nur 50 Kubik durch den schmalen Schlitz zwischen Riesenblock und Wand pressen. Die anderen 30 laufen einen Meter links von mir über ebendiesen Felsklotz. Immerhin blockiert Boby nicht das Riesenloch, das ich am Ausgang vermute. Zumindest ist er nicht zu sehen. Es ist gar nichts zu sehen. Die ganze Kraft des Tergi schiebt mich tief in Gischt getaucht durch den Felskanal. Im ruhigen Pool richte ich den Blick stromauf. Nach und nach entlässt der mysteriöse und dann so plötzlich aufgetauchte Zweimeterfall meine Freunde aus seinen Armen. Ja, der Tergi. Er nimmt sich Zeit, seine Gäste einzulullen. Vom Ufer aus flößt er Respekt ein. Das Klacken und Poltern der unablässig am Flussgrund rollenden Felsen macht Angst. Überhaupt passe der russische Name besser, denkt man unwillkürlich. Terek, das Monster von Kazbegi. Sitzt man dann im Boot, fühlt man den kalten Atem der Flusskreatur. Von den 25 Grad Außentemperatur scheinen auf dem Wasser maximal noch zehn übrig zu sein. Winzig kleine Sandkörner reizen die Augen nach den ersten Brechern. Hier gibt es keine Abrisskanten, hier gibt es schräge Ebenen. Ebenen

aus Wellen und Brechern. Überraschend wenige richtig böse Löcher, aber doch genug, um sich gewaltig zu fürchten. Für eine halbe Sekunde gewinnt man Übersicht, ganz oben auf der Woge. Dann geht’s runter, und man bekommt eine auf die Zwölf. Der Bayer würde es womöglich »a Watschn« nennen, hier ist es eher eine Sandwatschn. Doch man gewöhnt sich an alles. Ja, so nach den ersten zwei Kilometern beginnt man es sogar zu mögen. Genießt es schließlich, reitet voller Zuversicht und

Wagemut ins Duell. Die niedrige Röhrenbrücke? Ein Kinderspiel, mit gekonntem Hüftknick ganz links durchgequetscht. Unser Fahrer? Da oben, freudige Handzeichen, die Wohlbefinden signalisieren. Das Monster mit seinem rauen Charme der Elemente hat uns jetzt voll am Strick. Dann die Klamm ... Sollte man besichtigen, meint der Flussführer. Anlanden, zwei Paddler klettern am Rand des Canyons voraus, kommen zurück, geben Entwarnung. »Macht gleich auf, da ist eine breite Kiesbank. Kein Problem!« Tatsächlich ist es ein leichtes Spiel. Das Vorspiel, wie sich schnell herausstellt. Die Kiesbank neben uns, wir treiben weiter. Die Ufer werden schluchtig, klammig, das letzte Kehrwasser, vorbei ... (siehe Kapitelanfang). TRESTERSCHNAPS UND HEISSE QUELLEN

Auf dem Land herrscht Subsistenzwirtschaft. Was übrig bleibt, wird aus dem Kofferraum heraus verkauft.

Ich könnte jetzt erzählen vom Oberlauf des Tergi, der Truso-Schlucht. Dort ganz hinten, kurz vor der Grenze zur Separatistenrepublik Südossetien, tobt der Tergi durch einen versteckten Spalt im kaukasischen Gebirge. Wie ein junger Stier senkt er das Haupt, nimmt Anlauf und stürmt im Wahn seiner Adoleszenz zu Tale. Die Bergwelt ist grandios, der Einstieg am Fuße gewaltiger Sinterterrassen ein Ort des Moments. Ein wahrer Teufelsritt zur Hochschmelze! Die Furie kaum zu bändigen. Doch genug der Drachen und Monster. Georgien hat auch ein mildes, sanft geschnittenes Gesicht. > KANU 01.14 | 77

074081-Georgien-KM0114_end.indd 77

23.01.14 16:27


> REISE // WILDWASSER // GEORGIEN

Zugegeben, die Reisekollegen streben eher nach großem Sport als nach Milde und Sanftheit. Den unscharfen Blick und die Vergebung des Vergessens erfahren wir während unserer Reise mehr dank des Biers aus Zweiliterflaschen und des selbstgebrannten Tschatschas, eines Tresterschnapses nach Art des Grappas. Ein Ort, wo beide Spielarten der Entspannung – die Gnade der Prozente wie die untypisch zahme Flusslandschaft – aufeinandertreffen ist die Zeltwiese am Fuße des Höhlenklosters Vardzia. Hier am Talgrund des Mtkvari, nur ein Dutzend Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, befinden wir uns in Sichtweite einer der größten kulturellen Sehenswürdigkeiten des Landes. Im 12. Jahrhundert ließ König Giorgi III. eine unterirdische Stadt in die 500 Meter hohe Felswand am Ufer des Flusses treiben. Der als Grenzfestung errichtete Rückzugsort diente wenig später seiner Tochter Tamara, die mitsamt ihrem Gefolge zwei Jahre lang im Inneren des Felsmassivs Zuflucht vor den Seldschuk-Türken fand. Zu Hochzeiten bot die Stadt im Untergrund bis zu 50.000 Menschen Schutz. Ein gewaltiges Erdbeben ließ später die Außenwand kollabieren und legte zahlreiche der heute noch 750 Räume frei. Hier fand nicht nur eine ganze Herrscherclique Unterschlupf, heute werden die Höhlen nach längerer Absenz wieder von Mönchen bewohnt, die unter anderem die

DAS CAMP IN VARDZIA STEHT IM ZEICHEN VON KULTUR UND WELLNESS: IN UNSEREM PRIVATEN SPA ENTSPANNEN WIR MIT BLICK AUF DIE BERÜHMTEN HÖHLENKLÖSTER DIE VOM PARAVANI-RITT GESTÄHLTEN MUSKELN IM HEISSEN SCHWEFELWASSER. prächtig verzierte Klosterkirche instand halten. Wir sparen uns die Höhlenbesichtigung für den Morgen auf und beenden den Abend im Zeichen von Sanftheit und Wellness. Fünfzig Meter neben unseren Zelten erwartet uns das kultigste Spa des Kaukasus. Na ja, zumindest hat man eine tolle Sicht auf die Höhlen, wenn man die Tür einen Spalt offen stehen lässt. Das Schwefelwasser plätschert aus einem krummen Plastikrohr, der Abendregen nieselt durch das eingebrochene Dach, wir entspannen unsere vom

MIT DEM KAJAK NACH GEORGIEN

INFO

Wenngleich zurzeit noch Individualreisende die Oberhand haben, rüstet sich Georgien für den großen Touristenansturm. Europäische Billigflieger landen bereits in Tbilisi, professionelle Tourenanbieter bieten reibungslose Logistik vor Ort. KANU hat den Guide für den Kaukasus.

M Süd- tiu o s s e t i e n letis

Kutaisi

Poti Rioni

Kintrishi li Adjaristska Batumi

Borjomi Mtkvari Gori Potshkovi TBILISI Akhaltsikhe

TÜRKEI

Par ava ni

ARMENIEN BESTE ZEIT: Die Vielfalt an Klimazonen verschafft Georgien eine ausgedehnte Paddelsaison. Im zum Schwarzen Meer gewandten Adscharien füllt Regenwasser die Bäche von November bis Juni. Den Rest des Jahres stehen die Gletscherflüsse des Großen Kaukasus im Saft. Das meiste Wasser gibt’s von April bis Juni (Kleiner Kaukasus) und von Juni bis August (Großer Kaukasus). Im Juli/August sehr heiß im Tiefland, im Frühjahr und Herbst im Hochgebirge kühl und windig.

100

150 km

Pshav is

Rioni

Oni

50

Kazbegi

Aragv i

Te kh Ts ura kh en ist sk ali

Schwarzes Meer

Terg i

Khe ledu ra Lentekhi

uri i Eng tskal is b o Kh

0

RUSSLAND

Mestia

A b ch as ien

GEFÜHRTE TOUREN: Mietwagen sind (noch) relativ teuer in Georgien (50 bis 80 €/Tag). Höchste Paddeleffizienz gepaart mit hohem Komfort bietet ein Kleinbus samt Fahrer (XXL-Sprinter für 100 €/Tag, Platz für bis zu acht Paddler). Geführte Touren wie auch Tipps zu Anreise und Logistik auf www.toros-outdoors.de.

Telavi Ala zan i

ASERBAIDSCHAN

ANREISE: Eine Anreise mit dem Auto ist problemlos via Balkan und Türkei möglich. Die 50 Stunden reine Fahrtzeit schrecken aber zumindest Kurzurlauber ab. Direktflüge mit Lufthansa ab 400 Euro (Bootstransport 150 Euro). Günstiger fliegen Pegasus Airlines (ab 250 Euro, via Istanbul), Turkish Airlines (via Istanbul, Probleme bei Bootsmitnahme über 2,40 m), Air Baltic (über Riga) und LOT (über Warschau). Eine gute Übersicht bietet www.skyscanner.net.

UNTERKUNFT: Wildzelten außerhalb der Siedlungen ist generell kein Problem. Am Rioni werden Paddler von der örtlichen Polizei begrüßt, seit es 2011 zu einem nächtlichen Diebstahl bei einer britischen Paddlergruppe kam. Die Herren in Blau lassen freie Platz- und Streckenwahl, schauen gelegentlich auch mal am Camp vorbei. Wir haben uns bei wilden Übernachtungen im ganzen Land stets sicher gefühlt. In Tbilisi Hotels aller Preisklassen, dazu gute Hostels in reicher Zahl (8 bis 12 € im Mehrbettzimmer). Guesthouses im Backpacker-Stil (15 bis 20 € mit Halbpension) in Kazbegi, am Rioni, in Tsageri, Mestia und um Vardzia. In Kutaisi ist das Hotel Argo Palace (Doppelzimmer 25 €) zu empfehlen. ALTERNATIVEN: Tbilisi zählt definitiv zu den interessantesten Städtezielen Europas. Eine unglaubliche Dichte an Baudenkmälern aus allen Epochen, eine lebhafte

Künstlerszene, entspannte Straßencafés mit (noch) unverdorbenen Preisen, Kirchen, Moscheen und Synagogen. Mindestens einen vollen Tag sollte man dieser Stadt widmen. Wandertourismus ist etabliert in Swanetien (v. a. um Mestia/Ushguli), Kazbegi (erfahrene Alpinisten können den 5047 m hohen Kazbek besteigen) und Tuschetien (abgelegene Region an der Grenze zu Dagestan, nur mit Allrad erreichbar). Abenteuer und Natur pur nur eine Fahrstunde von Tbilisi bietet das Aragvi Adventure Center von Soso Mekvevrishvili (Facebook: Aragvi Adventure Center). Soso guidet Raft- und Kajaktouren am Pshavis Aragvi, verleiht Mountainbikes, gibt Tipps zu Wandertouren im Tal – und spricht perfekt deutsch. Mehr auf dem Youtube-Channel »georgiantourism«. INFOS: Flussinfos gibt es bislang nur im Web. Einen ersten Überblick bietet www.toros-outdoors.de. Empfehlenswerte Reiseführer sind der Lonely Planet Georgia, Armenia & Azerbaijan (4. Aufl. 2012, 15,95 €) oder Reise Know-How Georgien (2013, 19,50 €, 456 S.). Zur Grobplanung empfehlenswert: Reise Know-How Landkarte Kaukasus 1 : 650.000 (2013, 8,90 €). Topografische Karten von 1 : 50.000 bis 1 : 500.000 produziert www.geoland.ge, erhältlich bei www.mapfox.de.

78 | KANU 01.14

074081-Georgien-KM0114_end.indd 78

23.01.14 16:27


Ob in der Waldschlucht der Kheledura, beim morgendlichen ofenfrischen Frühstück oder während der Suche nach Sprit – in Georgien gibt’s für Westeuropäer immer was zu gucken.

wilden Paravani-Ritt gestählten Muskeln in der badewannenwarmen Brühe. Gaumarjos! (Prost!) DISKO, DISKO, PARAVANI

Gegen Mittag ist das Kulturprogramm beendet, wir spazieren zurück zu den Zelten und lassen die Boote nebenan zu Wasser. Die Mtkvari-Schlucht im Juli ist Relaxprogramm. Kein Rapid knackt die Vier, dafür finden gestresste Großstadtseelen Ruhe bei entspanntem Drop’n’Pool inmitten der faszinierenden Landschaft des Kleinen Kaukasus. Die Berge sind hier einem deutschen Mittelgebirge nicht unähnlich,

wenngleich weniger bewaldet. Weit geschwungene Höhenzüge werden unterbrochen von den schroffen Wänden der Schlucht. Hier konnten sich keine Gletscher halten, das Wasser speist sich aus den letzten Schneefeldern im türkischen Bergland, bevor der Fluss in weiten Bögen durch eine sumpfige Ebene schwingt. Für uns bedeutet das waschechte Warmwasserpaddelei – endlich kommen Shorts und Kurzarmjacke zum Einsatz. Ein kleines Schläfchen am frühen Nachmittag macht uns hernach fit für das Kernstück des Paravani. Wie der Mtkvari entwässert er ausgedehnte Sumpfebenen, diese jedoch nahe der armenischen Grenze. Also gleiche Wassertemperatur, die gleiche bräunliche Farbe, nur einen ganzen Tacken mehr Sport. Bereits am Vortag waren wir die vollen 30 Kilometer vom Städtchen Akhalkalaki bis zur Mündung bei Khertvisi gepaddelt. Heute reicht die Zeit nur zum Rosinenpicken, also die schnelle Abfahrt durch das steile Mittelstück. Der Kaukasus-Pionier in Sachen Kajak, Steffen Schülein, der von 2007 bis 2009 als Entwicklungsmitarbeiter in Tbilisi gelebt hat, hatte in blumigen Worten vom Paravani geschwärmt. Aus-

Kuriose Szenerie am Paravani: Heute gibt’s dort nur noch Wavetrains.

sagekräftig auch die Worte im von ihm verfassten Flussführer: »(...) kontinuierliche Stromschnellen, relativ fair, wirkt von der Straße weniger steil, aber schneller, als er ist«. Egal ob weniger steil oder mehr schnell: Auf dem Paravani geht’s bergab. Eine unterspülte Stelle am Anfang und einen besonders dick verwalzten Katarakt schaut man sich besser vom Ufer aus an. Der Rest ist auf Sicht machbar und gerade das bringt unglaublichen Flow. Die Steine wirken grobklotzig, dennoch sind Siphone selten. Die allfälligen Löcher sind sportlich, aber nie hinterhältig positioniert. Auch wenn die Wasserqualität des Paravani weit unter georgischem Standard liegt, nimmt der Fluss einen Platz ganz oben auf der Bestenliste ein. Wer zum Disco Fever des Paravani abhotten will, sollte sich jedoch beeilen. Derzeit entsteht im Kernstück ein Staudamm, der voraussichtlich 2014 in Betrieb gehen wird. Der Kleine Kaukasus ist übrigens auch für mehrtägige Wildwandertouren gut: In knapp einer Woche kann man – stets auf guter Strömung – von Vardzia bis Tbilisi paddeln. Zumindest bis zum Kurstädtchen Borjomi (dort sprudelt eines der berühmtesten Mineralwasser des Sowjetreichs aus dem Trinkbrunnen) ist flottes Wildwasser bis zum dritten Grad garantiert. Wem die Schlucht ab Vardzia zu heftig ist, der beginnt die Fahrt erst in Khertvisi an der Mündung des Paravani. >

DER MTKVARI BERUHIGT GESTRESSTE GROSSSTADTSEELEN MIT FEINEM DROP’N’POOL-WILDWASSER IN MONUMENTALER LANDSCHAFT. DAS WASSER IST WARM, SHORTS UND KURZARMJACKE HEISST DIE KLEIDUNG DER WAHL. KANU 01.14 | 79

074081-Georgien-KM0114_end.indd 79

23.01.14 16:27


> REISE // WILDWASSER // GEORGIEN

FRÜHSTÜCK AUF GEORGISCH

Wir setzen unsere Georgienrunde im Uhrzeigersinn fort, im Schritttempo klettert unser Sprinter die ausgespülte Schotterstraße zum Goderdzi-Pass hinauf. Die knirschende Fahrt über Kies und Schlaglöcher wird immer wieder von kurzen Asphaltpassagen unterbrochen. Das Phänomen ist im Straßenbau sichtbar wie auch im Kurwesen oder anhand der zahlreichen Industriebrachen. Der Übergang zur Marktwirtschaft vergrößerte nicht nur politische Freiheit und das Angebot im Supermarkt, sondern auch das Investitionsdefizit in den ländlichen Gegenden. Heute schafft ein Pkw ohne Allrad die 60 Kilometer lange Traverse zwischen Adigeni und Khulo nur bei trockenem Wetter und benötigt dazu locker drei Stunden. Freilich noch länger dauert die Reise, wenn man unterwegs zum original adscharischen Bauern-

EHE WIR UNS VERSEHEN, SITZEN WIR AM REICH

Heute mal kein Kindergeburtstag – bei Full Flow hält man in der Truso-Schlucht seine Sinne besser beisammen.

GEDECKTEN TISCH BEI HAUSGEMACHTEM KOMPOTT, BAUERNWURST UND DREI FLASCHEN WODKA. UNSER GUIDE GIO ÜBERSETZT GLÜCKWÜNSCHE UND DANKSAGUNGEN.

Völkern. Unser Guide Gio übersetzt Glückwünsche und Danksagungen, Geist und Zunge werden befeuert vom klaren Obstbrand. Ziemlich geschafft, aber tief berührt von der tiefen georgischen Gastfreundschaft wanken wir gegen elf Uhr morgens zum Sprinter und singen ein Loblied auf unseren Fahrer Webcho, der uns auch in Ausnahmesituationen wie dieser sicher ans Ziel bringt. GLETSCHERSUPPE VS. TROPENPADDELN

frühstück eingeladen wird. Während meiner Tramptour im Spätherbst 2010 hatte mich wenige Kilometer vor der Passhöhe eine georgische Familie vor einem Gewitter der härteren Art gerettet. Der Versuch, sich drei Jahre später bei einem kurzen Stopp zu bedanken, endet am reich gedeckten Tisch bei hausgemachtem Kompott, Bauernwurst, Bergkäse und drei Flaschen Wodka. Schnell entsteht eine lebhafte Kommunikation zwischen den

Wellness in der Blechbaracke – die heißen Quellen von Vardzia sind eine Institution.

Keine Frage, an Paddeln ist nach diesem Auftakt nicht zu denken, zudem tut die unsägliche Hitze der subtropischen Schwarzmeerküste ihr Übriges. Auch die Gewitter, die sich im Sommer nahezu täglich über Adscharien entladen, verschaffen kaum Abkühlung. Die feuchte, mit Meersalz geschwängerte Luft ist zum Schneiden dick und nimmt uns den Atem. Die glänzende Seite des Treibhauses manifestiert sich in üppiger Vegetation und reicher Tierwelt. Und wenn es des Abends nur heftig genug kracht, gibt’s sogar die Chance auf Wasser in den Flüssen. Am nächsten Morgen haben wir tatsächlich Glück: Im Bett des Kintrishi sammeln sich einige Kubik. Eine Stunde später laufen wir hinter dem Sprinter über eine von glitschigen Felsplatten durchsetzte Schotterpiste. Die Straße ist ein Schein ihrer selbst. Der Wagen schafft es nur leer die Steigung hinauf und selbst dann rumpelt es an der Ölwanne bedenklich. Meterhohe Farne verwandeln den Wald in undurchdringliches Dickicht, weiche Moospolster überziehen jeden Felsen. Völlig durchgeschwitzt erreichen wir das Rangerhaus des Kintrishi-Nationalparks. Der Bach selbst ist ein Traum: klares, nach dem Regen colafarbenes Wasser, dichte Verblockung, im Frühjahr gesäumt von farbigen Rhododendron-Büschen. Die unübersichtlichen Steilkatarakte sind dank des wenigen Wasserdrucks gerade noch auf Sicht fahrbar und

enden stets im ruhigen Pool. Wären nicht die subtropische Flora und das Hitzewetter, der Fluss könnte sich auch im Schwarzwald oder im Harz befinden. Wir sind so gestoked (darf man das heute noch sagen?), dass wir am Ausstieg glatt vorbeipaddeln, prompt werden wir mit drei Extrakilometern Traumwildwasser III–IV belohnt. Ach ja, und dann wären da noch die Klassiker des Großen Kaukasus. Rioni und Tskhenistskali bahnen sich unter konstantem Gefälle ihren Weg durch dünnbesiedelte Landschaften zum Schwarzen Meer und begeistern mit extralangen Etappen wechselnder Schwierigkeitsgrade – endlose Wavetrains im Stile der Ötz, fordernde Waldschluchten und mehrere kaum erkundete Seitentäler. Georgien bietet viel zu viele Flusskilometer, um das Land in einem Urlaub abzuhaken. Die Landschaft kann sich mit den spektakulärsten Alpenregionen mühelos messen. Die georgische Küche weiß Gourmets zu begeistern, die Gastfreundschaft der Menschen ist legendär. Der georgische Abschiedsgruß geht uns leicht von der Zunge. Nakhvamdis! (Auf Wiedersehen!) <

CHRISTOPH SCHEUERMANN

hatte Georgien seit vielen Jahren auf der Liste. Als Visazwang und Flugpreise fielen, packte der Osteuropafan 2010 den Rucksack und begab sich trampend auf die Suche nach der georgischen Seele. Heute veranstaltet er mit seiner Kanuschule Toros Outdoors geführte Touren in Griechenland und der Schwarzmeerregion.

80 | KANU 01.14

074081-Georgien-KM0114_end.indd 80

23.01.14 16:27


INFO

VOM GLETSCHER IN DIE SUBTROPEN – DIE BESTEN FLÜSSE GEORGIENS

Zwei Wochen im Juli, zwölf Flüsse, 300 Paddelkilometer – wer im Sommer den Kaukasus bereist, läuft nicht Gefahr, auf dem Trockenen zu sitzen. Hier die Agenda zur Georgienrunde, aufgequollene Finger inklusive.

NÖRDLICH VON TBILISI

Pshavis Aragvi > Zusammenfluss der Quellbäche bis Aragvi Adventure Center, 20 km WW III, abnehmend auf WW II. Der höchst anfängertaugliche Hausbach der Hauptstadtpaddler. Auf den Quellbächen superschnell und Gefahr durch Bäume (2 x 5 km WW III–IV+). Unterhalb des Stausees von Bulachauri ganzjährig fahrbar, weitere 20 km WW I–II+. Mtiuletis Aragvi > Mleta bis Meneso, 5 km WW IV, 30 km WW II–III+. Schnelles, stets von der Straße nach Kazbegi begleitetes Kiesbettwildwasser. Auf den ersten Kilometern sehr rasant und ohne Pools, danach breites Kiesbett. Vor Pasanauri erneut steiler mit verwalzter Grundgesteinsstufe am Ortsbeginn. Tergi > Sägewerk Okrakana bis Stepantsminda, 20 km WW III–V. Der Hauptfluss Kazbegis, in gut zwei Stunden von Tbilisi erreichbar. Im Sommer gletschergraues Eiswasser, Flachstücke wechseln mit wuchtigen Katarakten. Zwei Röhrenbrücken sind knapp unterfahrbar oder einfach zu umtragen. Die rückläufige Zwangspassage im Canyon von Sioni sollte vor der Fahrt vom linken Hochufer besichtigt werden. Obacht! Flussab von Stepantsminda rauscht der Tergi ungebremst durch die Dariali-Schlucht der russischen Grenze entgegen. Gucken ja, paddeln nein! > Truso-Schlucht, Sinterterrassen bis Okrakana, 3 km WW V (V+). Spektakuläre Ouvertüre zur Standardstrecke in beeindruckender Landschaft. Im Hochsommer bei etwa 50 Kubik WW V+, im Herbst immer noch WW IV–V. Vor der Fahrt wandert man am besten auf gutem Weg durch die Schlucht. Die Zufahrt zum Einstieg erfolgt rechtsufrig auf schlechter Straße, in manchen Jahren nur mit Allrad machbar. KLEINER KAUKASUS

Mtkvari > Vardzia bis Khertvisi, 15 km WW II–IV (V). Feines Drop’n’Pool-Wildwasser in spektakulärer Schlucht. Die schwierigsten Stellen kommen nach der Burgruine Tmogvi, dort auch vereinzelte Siphone. Bei Niedrigwasser (15 Kubik) im Kernstück knapp WW IV, zur Schmelze im Mai/Juni wuchtiges WW V.

Paravani > Stauwehr bis zur Mündung in Khertvisi, 18 km WW III–IV (V). Höllenschneller Roadside-Run, im steilen Mittelteil kontinuierliches WW V. Ein Staudamm befindet sich im Bau, Vorsicht vor Eisenteilen. Im Frühjahr ist auch der Oberlauf zwischen dem ParavaniSee und Akhalkalaki lohnend (WW III–IV in toller Basaltschlucht, nur grob erkundet). Kintrishi > Rangerhaus bis Chakhati, 6 km WW III– IV (V). Wilder Kleinfluss im dank Schwarzmeerklima immergrünen Kintrishi-Nationalpark. Ausreichend Wasser zur Schmelze zwischen März und Mai, später nach dort häufigen Regenfällen. Drei Kubik am Einstieg sind ausreichend, dann kaum schwerer als WW IV. Bei viel Wasser forderndes WW IV–V mit einigen Siphonen.

vor der Schmelze (bis Mai) oder im Spätsommer. Dann überaus faires, stufiges Traumwildwasser. Kurz vor Lentekhi übler Geröll-Rapid (WW V–VI, umtragen leicht). > Lentekhi bis Tsageri, 18 km WW IV, abnehmend auf WW III. Wunderschön wuchtig zur Hochschmelze. Wer schwimmt, schwimmt lang. Im Spätsommer perfekte Initiation für Wuchtwasserneulinge.

fahrbar. Schon bei der Anfahrt besichtigen! Unbedingt den Ausstieg (nahe der Kuranlagen) vor dem langen Utsera-Katarakt festlegen. Die 800 m bis zur Hängebrücke gehen bei Full Flow als echter Sechser durch. > Utsera bis Ambrolauri, 38 km WW III–IV+ (V). Big Water at its best! Der erste Kilometer nach der Hängebrücke ist deutlich heftiger, als es vom Ufer wirkt. Wer zweifelt, steigt an

Georgien bedeutet Vielfalt: Creeking an der Kheledura, gemütliches Kiesbettwildwasser am Aragvi und – der Klassiker – die rasante Schussfahrt in der Steppenlandschaft des Paravani.

SAMOGRELO

Tekhura > Oberhalb Taleri bis Tamakoni, 22 km WW III+ abnehmend auf WW I. Im Oberlauf enges Waldtal mit schwerem Wildwasser, die begleitende Straße ist nur mit 4x4 machbar. Normal-Einstieg am Beginn der letzten kurzen Klamm, zunächst WW III, bald Auffächerung im breiten Kiesbett, die letzten 5 km unschwierige Schlucht. Bei Taleri Rinne im Tongestein, ansehen! Khobistskali > Schlucht oberhalb Mukhuri, 7 km WW III+, abnehmend auf WW II. Fahrt mit Normal-Pkw bis zur Mündung eines Seitenbachs von rechts. Dort siphonierte Stelle, leicht umtragbar. Anschließend schönes Drop’n’Pool auf klarem Wasser. Der mit Allrad erreichbare Oberlauf scheint sehr lohnend, Wasser ausreichend bis Juli. NIEDERSWANETIEN

Tskhenistskali > Zakhundera bis zum Beginn des Steilstücks, 23 km WW II–III+ (IV+). Panoramareiche Fahrt im dünn besiedelten Hochtal. Ideal zur Hochschmelze, dann kann die Fahrt noch weiter oben beginnen. Vorsicht in den kurzen, aber knackigen Waldschluchten. > Steilstück bis Lentekhi, 12 km WW V (VI), abnehmend auf WW III. Die Mittlere Ötz des Kaukasus, im Sommer schwarzes, sandschweres Wasser. Normalpaddler kommen

> Durchbruch unterhalb Tsageri, 10 km WW IV–V. Oft wenig Wasser aufgrund der Ableitung zum Lajanuri-Speicher. Einstieg an der Mündung eines klaren Seitenbachs (schönes Camp mit Badeplatz 1 km taleinwärts). Zwischen den Kataraktstrecken lange Flachstücke zum Landschaftgucken. Ausstieg, wenn die Straße nach Kutaisi das Tal verlässt. Die folgende Schlucht wirkt verheißungsvoll: Expeditionisten vortreten! Kheledura > Kheledi bis Lentekhi, 8 km WW III–V. Vielleicht die bezauberndste Flussperle Niederswanetiens. Gute Pegel im Frühsommer, aber auch bei Mini-Durchlauf im August machbar. Bei 20 Kubik (Anfang Juli) ähnlich der Virgen-Schlucht (Isel), WW V. RATSCHA

Rioni > Mündung Chanchakhi bis Utsera, 10 km WW IV–V (VI). Ein Klassiker im Kaukasus! Ein Wehr mit Moniereisen ist ganz rechts

der übernächsten Brücke unterhalb der kurzen Waldschlucht zu. An Oni vorbei endlose Schwälle ohne große Pools. Erst ab Sori steiler und Beginn einer hübschen Schlucht, die im Hochsommer einige dicke Dinger bereit hält (bis IV+). > Ambrolauri bis zur Shareula-Brücke, 15 km WW ???. Vermutlich leicht, wird selten gepaddelt. Die Brücke nahe der Ortschaft Gvardia (Schild zum Outdoorcamp Shareula) markiert den Ausstieg. Das Camp liegt einen Kilometer weiter im linken Seitental. Sehr idyllisches Plätzchen mit Zeltwiese, Bungalows und reichhaltigem Abendessen. > Tvishi-Schlucht, 22 km WW III–IV (IV+). Einstieg beim Shareula-Camp oder 6 km später am Kraftwerk bei Alpana. Landschaftlich herausragende Schlucht à la Vorderrhein. Im Spätsommer gemütliches Cruisen bei knapp 100 Kubik. Zur Hochschmelze ist der Pegel schon mal zwei Meter höher. An einer Straßenbrücke in Schluchtmitte zwei riesige Walzen – vorher besichtigen! Ausstieg, wo die Straße auf Flussniveau kommt.

Noch immer nicht genug? Dann gleich im Netz weiterlesen: Auf www.kanumagazin.de/georgien sind weitere 270 Paddelkilometer im Großen und Kleinen Kaukasus beschrieben.

KANU 01.14 | 81

074081-Georgien-KM0114_end.indd 81

23.01.14 16:27


> VORSCHAU //

> IMPRESSUM //

ANSCHRIFT DER REDAKTION KANU MAGAZIN, Provinostraße 52, 86153 Augsburg Telefon 08 21 / 42 07 84-0, Fax 08 21 / 42 07 84-20 E-Mail: redaktion@kanumagazin.com REDAKTION Michael Neumann (Chefredakteur), DW -13 E-Mail: neumann@kanumagazin.com Stephan Glocker, DW -11, E-Mail: glocker@kanumagazin.com Philip Baues, DW -18 E-Mail: baues@kanumagazin.com Julian Rohn, DW -19 E-Mail: rohn@kanumagazin.com Moritz Schäfer, DW -16 E-Mail: schaefer@kanumagazin.com LAYOUT/PRODUKTION Achim Matschiner, Sebastian Rothe, Angelika Unterreiner Intermag Publishing GmbH, München STÄNDIGE MITARBEIT Manuel Arnu, Falk Bruder, Norbert Erdmann, Dr. Lars Dammann, Claudia Meyer, Björn Nehrhoff AN DIESEM HEFT WIRKTEN MIT Jens Klatt, Christoph Scheuermann, Rush Sturges, Charlie Munsey, Greg von Doersten, Alfons Zaunhuber, Martin Fiala, Moritz Becher, Jürg Buschor, Toni Prijon, Thomas Kettler, Michael Hennemann, Tobias Kargl

Wildwasserklassiker einmal anders Sie finden Loisach und Imster Schlucht im Kajak langweilig? Dann steigen Sie aufs SUP und WW III wird zu WW V. Eine Testfahrt.

Foto: Andy Klotz

VERLAG atlas Spezial GmbH Geschäftsführung: Philip Artopé Flößergasse 4, 81369 München Postfach 700 209, 81302 München Telefon 0 89/55 241 0 KANU MAGAZIN erscheint 8 x jährlich. Einzelheft 6,00 Euro Jahresabonnement Inland (inklusive Versandkosten) bei Jahresrechnung: 46,50 Euro. Jahresabonnement Ausland (inklusive Versandkosten) bei Jahresrechnung: Schweiz 77,50 sfr; Österreich 51,90 Euro, übriges Ausland auf Anfrage. Studenten erhalten gegen Vorlage einer Immatrikulationsbescheinigung das Abo mit einem Preisvorteil von 40 % gegenüber dem Kauf am Kiosk zum Preis von 28,80 Euro (Österreich: 32,16 Euro; Schweiz: 48 sfr; weiter e Preise auf Anfrage). ANZEIGENVERWALTUNG atlas Verlag GmbH Geschäftsführung: Philip Artopé Anzeigenabteilung KANU MAGAZIN Flößergasse 4, 81369 München Postfach 700 209, 81302 München Fax 0 89 / 55 24 12 71

Foto: Jörg Knorr

ANZEIGENLEITUNG Sandra Wilderer (verantw.) Tel. 0 89 / 55 24 12 89 oder 07 11 / 2 48 78 92, Fax 0 89 / 55 24 12 71 oder 07 11/2 48 78 91, E-Mail: sandra.wilderer@atlas-verlag.de oder mail@wilderer-marketing.de ANZEIGENVERKAUF Silvia Vieregg, Tel. 0 89 / 55 24 12 52 E-Mail: silvia.vieregg@atlas-verlag.de Nadine Stalla, Tel. 0 89/55 24 12 69 E-Mail: nadine.stalla@atlas-verlag.de

Von Ketzin ins Kanzleramt Knorr senior und Knorr junior paddelten zu Saisonbeginn über die Havel direkt ins Herz der Hauptstadt. Ein Abenteuer zwischen Stadt und Land.

DISPOSITION Ines Ladwig, Tel. 0 89 / 55 24 12 45, E-Mail: ines.ladwig@atlas-verlag.de SERVICE Roswitha Reiser, Tel. 0 89 / 55 24 12 23, E-Mail: roswitha.reiser@atlas-verlag.de Zurzeit ist die Anzeigenpreisliste 4 vom 1. Januar 2013 gültig. Erfüllungsort und Gerichtstand: München

Malle ohne Ballermann Mallorca, für viele Deutschlands 17. Bundesland, hat Paddlern weit mehr zu bieten als Bettenburgen und Sangria aus Eimern.

VERTRIEB MZV GmbH & Co. KG, Ohmstraße 1, 85716 Unterschleißheim, Tel. 0 89 / 31 90 6-0, Fax 0 89 / 31 90 61 13, www.mzv.de, info@mzv.de

Foto: Björn Nehrhoff

DRUCK Oberndorfer Druckerei, A-5110 Oberndorf/Salzburg

Des Paddlers Kleider Wer beim Paddeln noch friert, ist selber Schuld. Moderne Paddelbekleidung kann aber noch mehr, als warm und trocken halten. Eine Kaufberatung.

Ausgabe 2/2014 erscheint am Donnerstag, 20. März 2014.

Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt der Verlag keine Haftung. Für Bild und Text gelten die Honorarsätze des Verlages. Höhere Gewalt entbindet den Verlag von der Lieferungspflicht. Ersatzansprüche können nicht anerkannt werden. Alle Rechte vorbehalten.

KANU-Magazin Leserservice Postfach 81 05 80, 70522 Stuttgart Tel. 01805/727252-239, Fax 727252-399 E-Mail: kanumagazin@zenit-presse.de KANU-Leserservice rund um die Uhr unter www.kanumagazin.de/kundenservice

82 | KANU 01.14

082083-Vorschau-KM0114_end.indd 82

27.01.14 07:25


So werden Sie

Fachhändler

• Sie verkaufen das KANU MAGAZIN und profitieren vom Händler-Rabatt in Höhe von 35 % • Sie erhalten einen kostenlosen Eintrag ihres Shops s in jeder Ausgabe vom KANU MAGAZIN • Sie erhalten eine hochwertige wie auffällige Regalschale für Ihren Kassenbereich • Sie bieten Ihren Kunden einen Zusatznutzen

Ihnen Wir liefern AZIN AG M das KANU cheinen rs E h c sofort na ers d zu beson itionen d n o K günstigen . frei Haus

Hier Ihre Vorteile: • Erste Lieferung über 5 Exemplare gratis • Frei-Haus-Lieferung • Individuelle Mengenanpassung • Jederzeitige Kündigungsmöglichkeit • Preisbindung mit fester Handelsspanne

Bei diesen Fachhändlern erhalten Sie immer die aktuellste Ausgabe vom KANU MAGAZIN

PLZ 1

PLZ 5

Österreich

Soltauer Straße 26-30 13509 Berlin

Richmodstr. 10 50667 Köln

Am Rollerdamm 2 A-1210 Wien

PLZ 6

Source to Sea

Kanu-Connection

Kanusport Spree Bahnhofstr.1 15537 Hangelsberg

Kanusport Berlin Friedrichstr.1 15537 Erkner PLZ 2

Globetrotter Ausrüstung Wiesendamm 1 22305 Hamburg

Globetrotter Ausrüstung

Globetrotter Ausrüstung Hanauer Landstr. 11-13 60314 Frankfurt PLZ 7

Kutenhauser Str. 218 32425 Minden

Kanurado Mengelgasse 30a 37269 Eschwege PLZ 4

La Ola

Wilhelmshofstr. 69 74321 Bietigheim-Bissingen

Schweiz

PLZ 3

Bootswana

Natterer See 1 A-6161 Natters Mühlgasse 15 A-9900 Lienz

Rehlingstraße 5 79100 Freiburg PLZ 8

Kuster Sport St. Gallerstrasse 72 CH-8716 Schmerikon Länggstrasse 15 CH-8308 Illnau-Effretikon

Zur alten Bergehalde 3 82380 Peißenberg

Frankreich

Innlände 6 83022 Rosenheim

Heinz Zölzer

Kanu-Treff

Kupferdreher Str. 196 45257 Essen

Haunstetter Str. 49 86161 Augsburg

Lettmann

Sport Schneller

Franz-Haniel-Str. 53 47443 Moers

Rainer Str. 25 86609 Donauwörth

Das Kanu Lädchen

Out-Trade

Virneburgstr. 8 40764 Langenfeld

Nicolaus-Otto-Str. 34 89079 Ulm

Bestellung: Fachhändler KANU MAGAZIN inklusive kostenlosem Dauereintrag J Ja, ich möchte das KANU MAGAZIN in meinem Geschäft verkaufen. Die Veröffentlichung meiner Adresse im KANU MAGAZIN ist im Preis inbegriffen. Bitte liefern Sie mir ______ Exemplare KANU MAGAZIN ab der nächsten erreichbaren Ausgabe bis auf Widerruf im Dauerbezug. Verkaufspreis im Geschäft 6,- Euro je Ausgabe (Erscheinungsweise: 8 x pro Jahr, Mindestabnahme je Heftfolge: 5 Exemplare)

Ihr Händler-Rabatt: 35 %

Seekajak.ch

Kajak-Hütte

Sportshop Prijon

Möchten Sie auch mit Ihrer Adresse im KANU MAGAZIN erscheinen – als Fachhändler mit dem KANU MAGAZIN im Sortiment? Dann füllen Sie bitte den Coupon aus (Zutreffendes bitte ankreuzen bzw. ausfüllen) und senden ihn an: atlas Spezial GmbH, Flößergasse 4, 81369 München. TEL. 089/55241-0 • FAX 089/55241-244 • E-MAIL: anzeigen@atlas-verlag.de

Arwex Sport Raabe

Massive Deutschland GbR

Kanu-Center

So einfach geht‘s!

Firma, Ansprechpartner

Globepaddler 1b Quai du Maroc 68330 Huningue

Straße, PLZ, Ort

Slowenien

Telefon, Fax, E-Mail

Cezsoca 12b SLO-5230 Bovec

Name des Kontoinhabers

Prijon Sport Center

Name und Sitz des beauftragten Kreditinstituts, Bankleitzahl

Kontonr. des Kontoinhabers

Datum, rechtsverbindliche Unterschrift

082083-Vorschau-KM0114_end.indd 83

27.01.14 07:25


ERLEBEN SIE FJORD-NORWEGEN.

COLOR LINE BRINGT SIE HIN. Hirtshals - Kristiansand Hirtshals - Larvik Kiel-Oslo*

2 Personen

+ 1 Pkw sch

on ab ¤

**

89, -

Oslo

Larvik

* ab ¤ 279,-

Kristiansand

© Foto: Terje Rakke/Nordic Life, Geirangerfjord

Hirtshals

København

Kiel Hamburg

Unser Tipp: Geld sparen mit dem Fjord-Pass

Jetzt buchen

¬ Bis zu 50% Rabatt für Hotels, Aktivitäten und Mietwagen.

¬ colorline.de/fjordnorwegen ¬ Tel.: 0431-7300 300

Color Line GmbH, Norwegenkai, 24143 Kiel ** Bei telefonischer Buchung zzgl. ¤ 15,00 Servicegebühr.

084084-Colorline-KM0114-end.indd 84

23.01.14 18:27


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.