Interiorfashion 5|2016

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„Ein ganzheitlicher Ansatz ist am erfolgreichsten“ Der Wechsel von einer Industrie- zur Wissensgesellschaft hat die Arbeit komplett verändert. Die Büro- und Wissensarbeit hat heute für den Wohlstand einer Volkswirtschaft eine deutlich höhere Bedeutung, als dies noch vor einigen Jahrzehnten der Fall war. Immerhin gehen heute in Deutschland mehr als 40% der Erwerbstätigen Büroarbeit in den unterschiedlichsten Formen nach. Während im produzierenden Bereich große Schritte in Richtung Produktivitätssteigerung gemacht wurden, blieb dies bei der Büro- und Wissensarbeit aus. Dies zu verändern, hatte sich Prof. Dr. Wilhelm Bauer, heutiger Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO, 1996 mit der Gründung des Verbundforschungsprojekts „Office 21“ auf die Fahnen geschrieben. Dabei wurden beeindruckende Erkenntnisse gewonnen. Eines vorneweg: Das optimale Büro an sich gibt es nicht. Es ist abhängig von Aufgaben, Tätigkeiten und wie sich die Arbeitsprozesse gestalten. Es lässt sich aber ganz klar sagen, dass das Büro von heute nicht mehr nur ein Ort der Leistungserbringung ist, sondern ein Instrument, mit dem spezifische Erfolgsfaktoren positiv beeinflusst bzw. stimuliert werden können – es ist ein wichtiges Aktionsfeld für Unternehmen, um erfolgreich zu sein. Bianca Schmidt sprach mit Mitja Jurecic, Wissenschaftler am Fraunhofer IAO und Projektmanager von „Office 21“.

IF: „Office 21“ ist keine klassische Studie, sondern ein Verbundforschungsprojekt, an dem unterschiedliche Unternehmen beteiligt sind. Wie setzen sich diese Unternehmen zusammen? Mitja Jurecic: Unsere Partner sind einerseits Unternehmen, die auf der Anwenderseite zu finden sind und die Forschungserkenntnisse dazu nutzen, um eine Zukunftssicherheit zu haben und eine optimale Arbeitsumgebungen zu gestalten. Weiterhin haben wir Partner, die in der Projektentwicklung und im Gebäudemanagement zu finden sind und einen Campus oder ein Gebäude bis hin zur Fläche planen. Zu guter Letzt kommen noch Partner aus der Industrie hinzu. Das sind beispielsweise Hersteller von Beleuchtung, Büromöbeln und Elektrifizierung oder IT-Ausstattung. Diese einzelnen Gruppen wiederum werden aus Wissenschaftlern, Ingenieuren, Partnern aus der Marketing-Abteilung, aus dem Vertrieb oder aus der Forschung und Entwicklung gebildet. Die Zusammensetzung ist also an allen Stellen sehr heterogen. Gleich ist ihnen aber, dass sich alle mit dem Thema Zukunft der Arbeit befassen oder die Schnittstelle zum Büro aufweisen. Wir befruchten uns gegenseitig auf der

Anwenderseite, im wissenschaftlichen Part und auf der Herstellerseite und haben somit ein multidisziplinäres Team. IF: Wie gehen Sie bei Ihren Forschungen vor? Jurecic: Wir definieren gemeinsam mit unseren Partnern Forschungsthemen, die wir in sog. Forschungsphasen, die grundsätzlich zwei Jahre andauern, entwickeln, bearbeiten und erforschen. Die jeweiligen Ergebnisse stellen wir in drei bis vier Projekt-Meetings pro Jahr unseren Partnern vor. Dort treffen wir auch gemeinsam Entscheidungen, in welche Richtung es weitergehen soll, wie wir die Ergebnisse verwerten, wo wir tiefer einsteigen sollten und wo wir es erst einmal dabei belassen. Zwischen den Projektsteuerungs-Meetings finden bedarfsorientiert Abstimmungen und Workshops statt, um spezifische Themen voranzutreiben. Zur Erforschung der einzelnen Themenfelder greifen wir auf einen Methodenmix zurück, wobei dieser je nach Thema und Ziel individuell zusammengestellt wird. Wir machen hier ebenso Literaturstudien wie Befragungen – in den Unternehmen selbst wie auch online. Es finden zudem Labor-

Mitja Jurecic. Foto: Fraunhofer IAO

studien, Felduntersuchungen und Workshops statt. Zudem können wir hier im Zentrum für virtuelles Engineering (ZVE) – wir sprechen von unserem lebenden Labor – auch Dinge an uns selbst erforschen und vor Ort experimentieren. IF: „Office 21“ ist 1996 entstanden. Was war damals der konkrete Anlass und mit welchen Zielen wurde das Verbundforschungsprojekt ins Leben gerufen? Jurecic: Der produzierende Sektor hat in den vergangenen Jahrzehnten aufgrund zum Teil bahnbrechender Innovationen die Produktivität und Effizienz enorm steigern können. Dies ist in der Büro- und Wissensarbeit ausgeblieben. Hinzu kommt, dass wir uns von der Industriegesellschaft hin zur Wissens- und Informationsgesellschaft weiterentwickelt haben. Das hat natürlich auch veränderte Anforderungen nach sich gezogen. Hier musste folglich etwas passieren, das uns die bisher unausgeschöpften Potenziale nutzen lässt. Auch in der Büro- und Wissensarbeit waren Innovationen vonnöten, die eine höhere Produktivität quasi erzwingen. Auf der anderen Seite haben auch unsere Partner den Anspruch, die Besten am

Das Zentrum für virtuelles Engineering (ZVE) ist ein architektonisches Highlight.

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