Disruption des Journalismus

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Sachse bringt neben dem Recherchieren auch andere handwerkliche Fertigkeiten ein und betont, dass man sich beständig fortbilden muss. Eine idealistische Einstellung oder intrinsische Motivation steht hier nicht so sehr im Vordergrund. Viel eher geht Sachse davon aus, dass jeder mit genug Fleiß das journalistische Handwerk erlernen kann. Was gute Journalisten ausmacht, ist weiterhin die Fähigkeit, unter Zeitdruck gute Arbeit abzuliefern: Wo ich aber immer dazulernen muss, sind Deadline-Situationen, und dann auch wirklich das zu liefern. Viele Leute unterschätzen das. Ich hatte gestern wieder Besuch und der hat gesagt: ‘Ja die Medien und so, alles falsch.’ Klar ist Kritik angebracht, aber man muss sich auch mal vorstellen: Es passiert was, das Ding ist Aufmacher, man muss 100 Zeilen schreiben und hat nur drei Stunden dafür. Das muss einem auch schon mal bewusst sein. Aber das zeichnet dann auch gute Journalisten aus, die dann eben auch was abliefern. (Julius Tröger) Diese Art von Fertigkeit kann man sicherlich nur on the job lernen – denn keine Unterrichtssituation kann einen derartigen Zeitdruck wirklich realistisch nachempfinden. Worauf Tröger hier nicht eingeht, ist der zunehmende Zeitund Aktualitätsdruck im Online-Journalismus. Die von ihm beschriebene Deadline-Situation bezieht sich auf Arbeitsprozesse bei der klassischen Print-Zeitung. Im Online-Bereich dreht sich die Deadline-Situation hingegen komplett um: Sobald ein Ereignis passiert ist, beginnt der Wettlauf darum, wer die Nachricht als Erster bringt. Eine spannende Frage, die sich hier ergibt: Wie wirkt sich diese neue Art von Zeitdruck auf die Arbeit von Journalisten aus? Doch was das Handwerk angeht, gibt es auch ganz andere Einschätzungen. So ist für die weißrussische Journalistin Irina Vidanova entscheidend, dass man eine breite Bildung hat, auf die man bauen kann: I remember having a really good conversation with my dad who said: ‘if you can write, you can learn how to be a journalist later on in your life, by the road of getting some broad education and then developing your techniques as a journalist’. Sie führt in dem Interview aus, dass die Bildung das wichtigste Gut für den Journalisten sei. Denn besonders in repressiven Staaten lerne man erst durch eine gute Bildung das freie Denken, das für den Journalismus so wichtig ist. Durchläuft man hingegen eine klassische journalistische Ausbildung, setzt man sich der Gefahr aus, in die Propaganda-Mühlen des Staates zu geraten. Weiterhin unternimmt Vidanova eine Unterscheidung zwischen Journalisten und Bloggern:

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