Innsbruck infomiert

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S ta dtg e s c h i c h t e

innsbruck informiert nr. 11/2013

A u s d em S t a d t a r c h i v / S t a d t m u s e u m

Georg Trakls einzige öffentliche Lesung

M ag . a Dag m a r K r e i d l

Georg Trakl (1887–1914) gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Vor 100 Jahren, am 10. Dezember 1913, liest er in Innsbruck das einzige Mal öffentlich aus seinen Gedichten.

D

er in Salzburg geborene und aufgewachsene Dichter verbrachte privat wie beruflich entscheidende Jahre in Innsbruck. In der Innsbrucker Kulturzeitschrift „Der Brenner“ erstveröffentlichte er seine wichtigsten Werke und schaffte infolge auch seinen dichterischen Durchbruch. Seine Gedichte wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und es erschienen unzählige Veröffentlichungen über ihn und sein Leben. Das internationale Interesse an Trakl zeigen Trakl-Symposien in London, New York, Krakau, Mailand, Paris und Salzburg, außerdem die Ausstellung zu seinem 100. Geburtstag „Georg Trakl 1887–1914“ in Frankreich, Italien, Österreich, Deutschland und Portugal.

Drogenkonsum, um Depressionen Herr zu werden Trakl wächst mit seinen sechs Geschwistern in der Obhut einer französischen Gouvernante, die ihm die französische Sprache und Literatur näher bringt, in wohlhabenden Verhältnissen auf. 1905 verlässt er nach zweimaligem Sitzenbleiben das k. k. Staatsgymnasium in Salzburg ohne Abschluss. Von 1904 bis 1906 ist er Mitglied des Dichter-Zirkels „Apollo“, später „Minerva“ genannt. Zu dieser Zeit macht er auch seine ersten Erfahrungen mit Drogen. In einem Brief an seinen Schulkameraden Karl von Kalmár schreibt Trakl im August 1905: „Um über die nachträgliche Abspannung der Nerven hinwegzukommen habe ich leider wieder zum Chloroform meine Zuflucht genommen.“ Kurz darauf tritt er ein Praktikum in der Salzburger Apotheke „Zum weißen Engel“ an, welches ihm den Zugang zu Rauschmitteln erleichtert. Sein Leben ist in weiterer Folge geprägt von Drogen, Depression und

seiner inzestuösen Beziehung zu seiner Schwester Margarethe. Ab 1906 erfolgen seine ersten Veröffentlichungen in Form von Besprechungen von Werken bzw. Aufführungen und Würdigungen verdienter Persönlichkeiten. Im selben Jahr erscheint sein erster Prosatext sowie seine beiden Dramen „Totentag“ und „Fata Morgana“, die er aufgrund von schlechten Kritiken in Zeitungen vernichtet. Bald danach erscheinen seine ersten Gedichte und u. a. schreibt er das Puppenspiel „Blaubart“. Zeitgleich studiert Trakl Pharmazie in Wien und schließt 1910 mit dem Magistertitel ab.

„Innsbruck ist die brutalste und gemeinste Stadt.“ Noch vor seinem Abschluss stirbt sein Vater und fortan hat Trakl mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen.

Kurz darauf beendet er seinen Dienst in der Salzburger Apotheke, angeblich, weil er aus Angst vor Kunden mehrmals täglich sein Hemd wechseln musste. Im April 1912 tritt er einen sechsmonatigen Probedienst in der Apotheke des Garnisonsspitals in Innsbruck an. Trakl findet keinen Gefallen an Innsbruck und schreibt in einem Brief an seinen ehemaligen Klassenkameraden Erhard Buschbeck: „Ich hätte mir nie gedacht, daß ich diese schon schwere Zeit in der brutalsten und gemeinsten Stadt würde verleben müssen, die auf dieser beladenen u. verfluchten Welt existiert.“ Dennoch kehrt Trakl immer wieder nach Innsbruck zurück, nicht zuletzt wegen seiner guten Kontakte zu dem Schriftsteller und „Brenner“-Verleger Ludwig von Ficker (1880–1967), der sein

Georg Trakl bei seinem VenedigAufenthalt 1913.

Georg Trakl 1914

Georg Trakl und Familie Ficker 1914

© Original im Brenner-Archiv (3)

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