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Aus de m S t a d t a r c h i v / S t a d t m useu m

Der Fall Bederlunger

Eine Ehescheidung im 19. Jahrhundert in Innsbruck

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ie Ehescheidung um 1850 erfolgte wie heute nur auf Antrag eines der Ehegatten, aber anders als heute nur beim Vorhandensein triftiger Gründe, die zumeist aber nicht nur gesetzlich bestimmt sein mussten. Solche Gründe waren nach Lehre der Kirche: Ehebruch und „bösliche Verlassung“. Nach den weltlichen Gesetzen kamen je nach Rechtslage weitere Gründe für eine Ehescheidung hinzu. Trotz der vorhandenen rechtlichen Regelung war eine Ehescheidung im 19. Jahrhundert in Innsbruck nichts Alltägliches und oft mit viel öffentlichem Aufsehen verbunden.

Einen triftigen Grund für eine Ehescheidung lieferte 1849 der Innsbrucker Johann Bederlunger (* 07.02.1804, † 23.11.1850) seiner Ehefrau Anna geb. Sterzinger. Nach mündlicher Überlieferung soll Johann Bederlunger „zu einer schönen Bauerntochter in Natters in heißer Liebe erglüht“ sein. Diese schöne Bauerntochter soll sogar ein Kind von ihm erwartet haben. Nach der einen Überlieferung der Familiengeschichte hätte Bederlunger ein Gelübde abgelegt, eine Kapelle zu errichten, wenn kein Kind auf die Welt käme. Nach der anderen Deutung hätte er „über sein sündiges Leben Reue und Leid empfunden“ und als Buße und Sühne eine Kapelle erbauen wollen. Nachweisbar ist, dass Johann Bederlunger an der Brennerstraße, dort wo die Straße nach Natters abzweigt, eine Kapelle errichten ließ. (1939 musste dieses Kleinod einer Straßenverbreiterung weichen.) Auf diese Vorkommnisse hin überreichte Anna Bederlunger ihrem untreuen Ehegatten am 27. Oktober 1849 die Scheidungsklage, die dann auch zur Ehescheidung führte. Über die Scheidungsvereinbarungen wurde im Verfachbuch des Stadt- und Landrechtes Folgendes festgehalten: „1. Die Ehegattin soll von Tisch und Bett geschieden sein, bis sie sich wieder vereinigen. […]

Hochzeitsfoto, um 1880

5. Zum Unterhalt der geschiedenen Gattin verpflichtet sich Joh. Bederlunger, einen jährlichen Beitrag von 220 Gulden R. W. in Viertel Jahresraten zu zahlen. Ferner erhält die Ehegattin Freiquartier in seinem Landhaus zu Natters (Bederlungerhof) nebst freies Holz und den Gartennutzen sowie täglich eine Maaß Milch für die Tochter Maria.“

Das Eherecht Diese Vereinbarungen entsprachen dem geltenden Eherecht, das zu jener Zeit für Katholikinnen und Katholiken nur eine Scheidung „von Tisch und Bett“ vorsah. Das bedeutete, dass diese Ehetrennung eine Aufhebung der Ehegemeinschaft und eine Regelung des Vermögens mit

© stadtarchiv/stadtmuseum

Die Ehescheidung Bederlunger

sich brachte. Die geschiedenen Eheleute besaßen aber kein Recht, sich wieder zu verheiraten, solange die Ehefrau oder der Ehemann noch lebten. Aus diesem Grund heißt es auch am Schluss des Ehescheidungsaktes Bederlunger: „[…] verspricht Anna Bederlunger einen solchen Lebenswandel zu führen, dass ihr Gatte […] gegen sie keine gegründete Ursache zur Klage haben werde. Dagegen verspricht Joh. Bederlunger gegen seine Frau keine grundlose Beschwerde zu führen und insbesonders keinen Zwischenträgern und Ohrenbläsern Gehör zu geben, um so die Möglichkeit einer baldigen Wiedervereinigung zum Wohle des Hauswesens und der Kinder anzubahnen.“ Da es beiden Eheleuten nicht erlaubt war, sich wiederzuverheiraten, war es für die wenig vermögende Frau sehr wichtig, dass vor allem hinsichtlich ihres Unterhaltes eine Entscheidung getroffen wurde. Denn sie hatte als geschiedene Frau keine Möglichkeit, durch Heirat die nötige materielle Versorgung durch einen neuen Ehemann zu erlangen. Der Fall konnte sich aber auch umgekehrt darstellen. Wenn die Ehefrau genug Vermögen besaß oder fähig war, für ihren Unterhalt selbst zu sorgen, musste der weniger vermögende Ehemann bei einer Trennung auf Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft pochen. So erging es auch dem Innsbrucker Kassian Pollendinger, der 1822 seine Ehefrau verlassen hatte. Einige Wochen später reichte er bei Gericht Beschwerde ein, dass man seine Ehefrau dazu anweise, „in gemeinschäftlicher Wirthschaft mit ihm zu leben und nicht für sich allein durch Bewirthung und Bedienung fremder Leute eine Haushaltung zu führen“. Vom Gericht über seine ehelichen Pflichten belehrt, kehrte Kassian Pollendinger schlussendlich zu seiner Frau zurück. Im Fall Bederlunger kam es allerdings nicht mehr zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft, da Johann Bederlunger einige Wochen nach der Scheidung verstarb.

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