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RATHAUSPROJEKT
INNSBRUCK
3. August 2000
Der Adolf-Pichler-Platz kaden (1513) und einem Kreuzgang ausgestattet. In iler form glich er einem Sechseck, das in fünf ungleiche Grabfelder aufgeteilt war. Viele berühmte Grabstätten und kunstgeschichtlich wertvolle Monumente befanden sieh darin. 1784 forderte Kaiser Joseph IL, dass Friedhöfe aus sanitären Gründen außerhalb der OrtschafDie Geschichte des Innsbru- ten anzulegen sind, und verbot Becker Stadtfriedhofes dürfte bis ins erdigungen auf einem Teil des be14. J a h r h u n d e r t zurückreichen, stehenden Areals. Dies hatte eine der Friedhofsteil im Bereich des Erweiterung des Friedhofs nach heutigen Adolf-Pichler-Platzes Westen und Süllen (über die ganentstand in voller Ausdehnung erst ze heutige Grünfläche und einen im Zuge der Friedhofserweiterun- überwiegenden Teil des Bereiches Adolf-Pichler-Platz) zur Folge. gen um 1784. Der Friedhof grenzte im Im Jahr 1 500 wurde die Verlegung des alten Friedhofes von St. Nordosten an das ehemalige Jakob auf den damaligen Spitals- Stadtspital (Marktgraben 14) und friedhof beschlossen. Der Spitals- an die I Ieilig-Geist-Kirche an der friedhof musste hiefür erweitert Maria-Theresien-Straße. werden und wurde am 8. SeptemUm 1830 zählte Innsbruck ber 1510 neu geweiht. rund 11.000 Finwohner. Im Laufe der folgenden JahrErste Überlegungen zur Verhunderte, in denen der Friedhof legung des Friedhofes wurden beden Innsbrucker Anforderungen reits im Jahr 1852 angestellt und entsprach, wurde er mehrmals aus- 1 855 Verhandlungen über die Anund umgebaut (1571 sowie lage eines neuen Friedhofes auf1742/43), mit verschiedenen Zu- genommen, beeinflusst durch die bauten und Kapellen sowie mit Ar- Bevölkerungszunahme der Stadt. Bereits im Mai 1896 wurde die Anlage eines Platzes auf einem Teilgrund des ehemaligen Innsbrucker Friedhofes beschlossen. Der Beschluss zur völligen Auflassung des Friedhofes wurde bereits 4 0 Jahre davor, am 3 1 . Dezember 1856, gefasst. Von diesem Zeitpunkt an begannen der Friedhof und seine Grabmäler zu verfallen.
Das Adolf Pichler-Sfandbild am Karl-Ludwig-Platz (heute AdolfPichler-Platz), vermutlich kurz nach der Aufstellung im Mai 1 909 fotografiert.
Augenmerk auf pietätvolle Bergung der Gebeine Die Aushubarbeiten für den Rathaus-Neubau haben begonnen. Dabei ist es oberstes Gebot, dass im Bereich des Adolf Pichl e r f l a t z e s auf den pietätvollen und wissenschaftlich korrekten Umgang mit zutage tretenden Gebeinen oder Skeletten aus dem ehemaligen Innsbrucker Stadtfriedhof, der bis ca. 1850 an dieser Stelle situiert w a r , geachtet w i r d .
Die (,! abungsarbeiten werden daher unter der strengen Aufsieht des Instituts für Ur- und Frühgeschichte Abteilung für mittelalterliche- und neuzeitliche Archäologie der Universität Innsbruck (Dr. Alexander Zanesco) - und des Instituts für Anatomie und I Iistologie (Ass.-Prof. Dr. Karl Heinz Kunze!) vor sich gehen. \)v. Kanzel: „Die Universität Innsbruck ist mit allen Problem Stellungen im Zusammenhang mit Skelettfunden - nicht um wegen der Erfahrungen mit dem ,()t/i' bestens vertraut. ! s üibt
hohe Erfahrungswerte und dadurch auch eine hohe Sensibilität im Umgang mit Verstorbenen. Daher kann auch bei den Grabungen am Adolf-Pichler-Platz von einer pietätvollen, sauberen und wissenschaftlich korrekten Bergung der Gebeine ausgegangen werden. Das sind wir unseren Vorfahren schuldig." So wird zunächst mit dem Bagger vorsichtig die oberste Fidschi cht abgegraben, bis die ersten Grabfelder zum Vorschein kommen. Dann muss sorgfältigst mit der Hand jedes Skelett freigelegt und dabei auch auf mehrere Grabungsschichten Rücksicht genommen werden. Alle Vorgänge werden mit Digitalkameras im Bild festgehalten. Die Skelettfunde werden - so Dr. Zanesco - interessante Einblicke in frühere Fpochen geben. Man erhofft sich Aufschlüsse u. a. über die Lebensweise, den Stoffwechsel und den Bewegungsapparat der Menschen von damals.
Nach der Zwischenlagerung und der anatomischen Untersuchung werden die Gebeine im Rahmen einer Begräbnisfeier in einem ( irai) am Westfriedhof bestattet. Von den ( irahmigen erwartet man sich auch weitere Informationen zur Alltagsgeschichte Innsbrucks. Es sind dies nicht die ersten Grabungen am Adolf Pichle, Platz: Sowohl beim Bau des Stadtspitals, der Schule, beim Bau des Wasserbehälters in der Nazizeit wie erst jüngst bei <.\vv Errichtung i\vv Turnhalle sind ( rebeine zu Tage getreten. DDr. I .ucas Morscher, I .euer des
Stadtarchivs: „In <\cv Nazizeit wurden die Skeleltiundc m der für damals zeitgemäßen Form entsorgt. Sicher ist die jetzige und
wahrscheinlich letzte Bergung v<m ( iebeinen aus dem ehemall
gen [nnsbrucker Stadtfriedhof die sorgfältigste
u n d p i e l al \ I illsi e
Vorgangsweise in der ( ieschich te Innsbrucks."
Arn 24. Dezember 1855 genehmigte die S ta tth alterei die „Verlegung" (d. h. die Umwidmung) in die so genannten Wiltener Felder, am südwestlichen Ende des limraines. Der neue Friedhof, der heutige Westfriedhof, wurde zwischen H.August und 18. Dezember 1856 errichtet. Die Einsegnung des ersten "Feiles des neuen Friedhofes erfolgte am 18. Dezember 1856. Begräbnisse jüdischer Mitbürger fanden bis zur Errichtung des Westfriedhofes unterhalb des Spitzbühels bei der Weiherburg statt. Nach dem Beschluss zur endgültigen Auflassung des Friedhofes (1856) vergingen noch etwa 13 Jahre bis zur vollständigen Räumung, zu dc\- auch der Abbruch der so genannten St.-VeitsKapelle zu zählen ist (1869). Das Mobiliar der Kapelle, ein Altar, Kirchenstühle und Statuen wurden in die Pfarrkirche St. Nikolaus gebracht. Einzelne (iräber bedeutender Persönlichkeiten wurden in den neuen (West-) Friedhof überführt. Darunter auch das von Vlevander Golin, das 1918 in die I [ofkirche übertragen wurde. Einige Familien entschlossen sieh, ihre Familiengräber in die jeweilige Gruft am neuen Friedhof zu übertragen. Die Gebeine wurden in einem Saninielgrab am städtischen Westfriedhof beigesetzt. 1875 wurde das „Saturndenk mal" (ein Marmordenkmal vom Grabmal des Paris Gral Wolkenstein-Trostburg) von der Stadt restauriert und zum ( iedenken an jene Verstorbenem deren Gebeine auf den Westfriedhof übertragen wurden, aufgestellt. Alljährlich gedenkt das offizielle Innsbruck dieser Verstorbenen zu Allerheiligen durch Kranzniederlegungen und zeichnet auch für die Pflege des Sondergrabes verantwortlich. Die meisten Kunstwerke des aufgelassenen Friedhofes gingen verloren, einige Grabsteine < I annsteiner, Reif, Vphover) kamen 1889 über den Umweg einer Stärkefabrik in Absam ins Ferdinandeuin, wo sie noch heute aufbew ahn w erden. Nahezu zur selben Zeit, I 869/70, w urde das Spitalsgebäude um das heutige I 1 auptgebäude des Bundesrealgymnasiums erweitert, bis zur Übersiedlung in die Neubauten in der Anichstraße im Jahr 188° wurde das Gebäude