Ausgabe 2 - München alte & neue gschichtn

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und die Gründung der „Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung mbH“, die als Sanierungsträger fungieren soll.

Die Philharmonie im Gasteig

In den Bürger- und Einwohnerversammlungen gehen inzwischen die Wogen hoch. In hitzigen Beiträgen ernten die Stadtspitze und Vertreter der MGS oftmals herbe Kritik. Immer wieder kommt es zu tumultartigen Szenen. Der „Entmietungsterror privater Spekulanten“, so die Überschrift einer Münchner Zeitung, steht immer wieder im Mittelpunkt der Diskussion. Man befürchtet zu Recht die Vertreibung großer Teile der „angestammten Wohnbevölkerung“. Erhaltungssatzung und Vorkaufsrecht durch die Stadt sollen gegen Umwandlungsspekulation und Mieterhöhungen nach Hausverkäufen schützen. Im November 1985 bringt die Süddeutsche Zeitung die Sache auf den Punkt:

„Am Ende dieser Entwicklung werden nicht mehr viele Häuser und Straßen so aussehen wie vorher. Die Mieten stei-

gen, und der 14. Stadtbezirk ist dermaßen ‚in‘, dass er besonders abends geradezu aus seinen Nähten zu platzen droht. Auf einmal sind viele neue Kneipen da. Die alten Gasthöfe legen jetzt New-Wave-Make-up auf und heißen ‚Brasserien‘. Auch die Menschen in Haidhausen haben irgendwie andere Gesichter. Es sind auch andere Menschen: Allein zwischen 1981 und 1983 sind - so steht es im Haidhauser Almanach - 17.497 Haidhauser der Aufwertung gewichen oder aus anderen Gründen weggezogen. Das bedeutet, dass jeder zweite Bewohner ... neu zugezogen ist.“

besetzt. Sie wollen den Abbruch verhindern und setzen sich für die Umwandlung des Hauses in ein Bürgerzentrum ein. Die ersten Hausbesetzer waren am Freitag gegen 21.45 Uhr im Gasteig-Spital. Bis zirka 11 Uhr hatten sich ungefähr 150 Leute im Speisesaal im ersten Stock zusammengefunden. Auf der Straße Flugblätter verteilt. Jemand hat einen Plattenspieler mitgebracht, Bier ist auch da, eine Art Fest entwickelt sich. Die Tür zum Haus und das Eisentor zur Straße werden jetzt verbarrikadiert. Gegen 23.15 Uhr rückt die Münchner Polizei, die Bereitschaftspolizei und der Bundesgrenzschutz an. 15 Minuten später stürmen mehrere hundert Polizisten das besetzte Gasteig-Spital. Im April 1978 erfolgt der erste Spatenstich zum Bau des neuen Kulturzentrums. 1984 ziehen im Gasteig mit der Münchner Stadtbibliothek, der Münchner Volkshochschule, der Städtischen Sing- und Musikschule sowie dem Richard-Strauss-Konservatorium die ersten Mieter ein. Im November 1985 wird die „Philharmonie“ eröffnet. Es spielen die Münchner Philharmoniker unter der Leitung von Sergiu Celibidache.

Sechs Jahre später werden die Gebäude entlang der Inneren Wiener Straße abgerissen. Nur die Gaststätte Hofbräukeller und das zugehörige Nachbargebäude bleiben stehen. Anschließend errichtet die „Bayerische Hausbau“ eine dem „gehobenen Wohnen“ zugehörige Wohn- und Geschäftsanlage. Neben den ehemals für das Viertel so typischen Brauereigebäuden mit ihren hohen Schornsteinen verschwinden inzwischen aber auch schon wieder die ersten Szenetreffpunkte der 70er und frühen 80er Jahre. Aus der „Sponti“-Wirtschaft „Ansbacher Schlössl“ wird unter der Regie des selben Wirts das im Stil der nun modern werdenden „kühlen Sachlichkeit“ gestaltete „Casino“. Auch die Wirte des „Cafe Größenwahn“ haben inzwischen aufgegeben. Einst attraktive Musikkneipen wie das „Birdland“ Ecke Kirchen-/Seeriederstraße, die Vielharmonie“ am Preysingplatz oder das „JAM“ (Jazz am Museum, Gasteigberg) sind mit Ausnahme der „Unterfahrt“ alle verschwunden. Von den ehemals preiswerten „alternativen“ Gaststätten hat keine überlebt.

Gleichzeitig laufen die Planungen für neue Großprojekte im Viertel. Nach der Errichtung des Motoramas und des Penta-Hotels am Rosenheimer Berg und der Erstellung der „Hochhäuser“ auf dem Gelände des ehemaligen Franziskaner-Kellers zwischen Franziskaner- und Hochstraße, im Volksmund damals nur „Franziskaner-Beton“ genannt, ist Aus der ehemaligen Münchner Vorstadt neben dem Neubau des Ostbahnhofs „Nobel sind wir geworden“ aber ist inzwischen ein für viele Neuinsbesondere die Errichtung eines riesigen Kulturzentrums am Gasteig im Ge- 1979 wird der dem Gasteig benachbarte zuzügler attraktiver moderner Stadtteil spräch. Bürgerbräukeller zwischen Rosenheimer- geworden. Auch weiterhin gehört Haidund Kellerstraße abgebrochen.Auf dem hausen zu den lebendigsten Vierteln 1974 wird das Altersheim am Gasteig, Areal der ehemaligen Bierfabrik werden der Stadt. Allerdings mit einer entscheian dessen Stelle sich heute der Kon- nun die Gebäude der GEMA und des denden Einschränkung. Man muss sich - wenn man nicht das Glück hat in einer zertsaal der Philharmonie befindet, „City Hilton“ Hotels gebaut. abgerissen. Vorher aber wird das „Ga- 1986 beginnt man mit der Verlagerung preiswerten Wohnung zu leben - das Viertel inzwischen leisten können. steig-Spital“ noch von Demonstranten der Hofbrauerei nach Riem.

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