in münchen Ausgabe 11/2016

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Redaktion_1116_Redaktionsseiten 23.05.2016 12:00 Seite 7

LOKALES

Der letzte Schaschlikaner für Spieß-Freunde Nach kostspieligen Ausflügen in die italienische Edel-Nobel-Nudel-Welt war es natürlich dringend notwendig und an der Zeit, sich wieder zurück auf den erdigen Boden der realen Verpflegungsmöglichkeiten zu begeben. Wir wollen über die tagtäglichen Nahrungsmöglichkeiten für den werktätigen Normal-Sterblichen sprechen, die der einen lieben, langen, arbeitsreichen Tag über so hat. Und da wollen wir weder rumhadern oder gar in den Chor der „Früher war alles besser ...“Ewignörgler einstimmen, ganz im Gegenteil: Egal in welches Viertel man heutzutage auch schaut – überall herrscht herrliche zwischenmahlzeitliche Vielfalt! Denkt man da zurück an die frühere Monopolherrschaft weniger Großmetzger-Ketten mit ewiggleicher „Speise-Planwirtschaft“, kann man sich über die vielen kleine Läden und Lädchen doch richtig freuen: kleine selbstgestrickte Kuchenbäckereien, italienisch inspirierte Panini-Beleger, alteingesessene Döner-Runtersäbler, reichlich glückliche und auch sonstige Burger-Läden, die ohne Mac und King im Namen auskommen, Bio-Kiosk-Oasen im Englischen Garten und ganze Straßenzüge mit Street-Food. Dazu auch noch eine Armee von Foodtrucks, unterwegs in allen Lackierungen und ausgerüstet mit Aufbereitungsanlagen für jegliche Art von Street Food: Pulled Pork, Pommes, Pizza – alles direkt vor den Augen der geduldig wartenden Schlange dankbarer Sekretärinnen, ITler und anderer Office-Insassen frisch am Firmenparkplatz zubereitet. Und wer nicht kommen kann, dem wird es halt gleich tagsüber an den Schreibtisch oder am Abend nach Hause gekarrt. Die Stadt wimmelt von Radl-Moped-Auto-Boten: Falafel, Sterne-Menü oder Wirtshausessen – (fast) alles wird auch gebracht. Gut, man möchte nicht wirklich wissen, wie die herumirrenden kulinarischen Götterboten ent-

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Ess-Kultur im Stehen ...

lohnt werden ... Man bestellt trotzdem wieder, gibt schlechten Gewissens großzügig Trinkgeld und ärgert sich, wenn man wieder mal den falschen Vietnamesen erwischt hat und das Zeug grausam eklig schmeckt und kriegt obendrein hundertprozentig auch noch wegen korrekter Entsorgung des angelieferten Haufens von Aluverpackungen einen massiven Familienkrach. Stop, Einhalt, jetzt bitte nicht rumnörgeln und destruktiv werden. Denn alles zusammen betrachtet und probiert (abgesehen von den eher kleinen und sicher persönlich verursachten Widrigkeiten und Erfahrungen): Wir finden das alles – ganz grundsätzlich und ganz ehrlich mal gesagt – einfach ganz ganz toll! Es bleibt schließlich doch jedem selber überlassen, wie und wo er sich seinen „Lebenskäse“ für seine Bread-Time besorgt.

... heiliger Gral der Spieße

Food-Spezialität schlechthin, früher frei und problemlos für jedermann an Imbissbuden zugänglich und heute nahezu gänzlich ausgestorben. Das Wort „Schaschlik“ stammt ursprünglich aus dem Russischen und Tartarischen und

Tartarisch, russisch, münchnerisch ... Wir haben nur eine einzige kleine Versorgungs-Sorge – eine, die uns aller- ... gekocht, nicht gebraten dings schon länger und immer wieder umtreibt. Es handelt sich um das gemeine „Schaschlik“, den geliebten heißt eigentlich nur „gegrillter Spieß“. Fleischspieß mit Innereien, die Ethno- Für ein „echtes“ Münchner Schaschlik muss so ein Spieß abwechselnd mit Fleischstückchen, Innereien wie Niere, Herz oder Leber, fettem Wammerl oder gleich purem Speck und, sehr wichtig, immer mit reichlich Zwiebeln aufgesteckt werden. Das Ganze sollte dann ohne jegliches Braten bekömmlich in einer würzigen Brühe gekocht und darin auch warm gehalten werden. Der legendäre Augustiner-Spieß, eine Abwandlung nur mit Nieren, Speck und Zwiebeln in einer grün-gelben Currysauce, den es früher an einem Stand vor dem AugustinerStammhaus in der Fußgängerzone gab, war bis Mitte der 1980er Jahre für Generationen der Inbegriff von

Schaschlik. Mit der Renovierung verschwand leider diese Anlaufstelle – ein großer Verlust für alle Spieß-Freunde. Zu dieser Zeit gab es allerdings schon noch ein paar andere Schaschlik-Hotspots, die aber mit der Zeit immer weniger wurden. Pizza-Ecken und HotDogs in Schwabing, Döner und Gyros um den Hauptbahnhof und auf der Schwanthaler Höhe begannen ihren Junk-Food-Siegeszug, Currywurst und Pommes wurden neu erfunden und von Berlin und dem Ruhrpott endlich erfolgreich nach München importiert. Nur das Schaschlik musste und muss man immer mühseliger suchen. Einer der wirklich Standhaften ist „Rudis Imbiss“ am Gotzinger Platz gleich neben der Großmarkthalle, einer der letzten, echten „Schaschlikaner“ – sechs Quadratmeter Ess-Kultur im Stehen. Schweinefleisch, Niere, Herz, Speck und Zwiebeln in kleinen Stücken täglich frisch aufgespießt, in der Brühe langsam gegart, auf einem klassischen länglichen Teller vom Spieß geschoben, mal ein bisschen weicher, mal mit mehr Biss, mit zwei drei Löffeln Brühe, Salz, Pfeffer und nie ohne Currypulver, auf Wunsch auch mit Ketchup, Tabasco oder Worcestersauce, mehr braucht es nicht. Doch, zwei Semmeln zum Auftunken und eine kleine kalte Cola natürlich. Wie immer. Es gäbe auch noch weiße Bratwurst, rote Brühpolnische, Käsegriller oder scharfe Krainer. Aber der Star hier ist das Schaschlik. Und bei großem Hunger gibt’s die Variante „Schaschlik in Begleitung einer weißen Bratwurst mit Sauce“, alles zusammen auf einen Teller. So entstand übrigens (Achtung Berliner und Ruhpottler!) die „Original Münchner Currywurst“ – nur mal so nebenbei erwähnt … Peter Trischberger Rudis Imbiss Thalkirchner Str.126, Ecke Gotzinger Str. 81371 München Tel. 725 01 87 Di bis Fr: 8 – 15 Uhr


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