Malteser st johannes dezember 2015 erschienen

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Das Malteser Krankenhaus St. Johannes Kamenz informiert 2015/16

Neue Kompetenzen Ergotherapeutin Susann Feller, Geriaterin Gabriele Urban und Psychologin Carolin Westfahl freuen sich auf zukünftige Aufgaben.

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Behandlung von Inkontinenz – im Malteser Beckenbodenzentrum

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Diagnose Brustkrebs – Vorsorge ist wichtig

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OP durchs Schlüsselloch – das Spektrum wird breiter

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Sicherheit für Patienten – die neue Überwachungsstation


St. Johannes EDITORIAL Florian Rupp Geschäftsführer Malteser SachsenBrandenburg gGmbH

Sehr geehrte Leserinnen und Leser, Inkontinenz ist ein Tabuthema. Wer möchte sich mit diesem sensiblen Problem schon gern seinen Mitmenschen offenbaren? Dabei ist die schwache Blase eine Volkskrankheit. Mehrere Millionen Menschen in Deutschland leiden daran. Doch kein Betroffener muss sich damit abfinden! Moderne Therapiemethoden ermöglichen es dem Ärzte- und Pflegeteam des Malteser Krankenhauses St. Johannes Kamenz, die Ursachen einer Inkontinenz zu beseitigen oder zumindest zu lindern. Unser Ziel ist die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen. Die Malteser Krankenhäuser in Kamenz und Görlitz haben daher ein gemeinsames interdisziplinäres Beckenbodenzentrum gegründet. In diesem arbeiten Gynäkologen und Urologen zum Wohle des Patienten Hand in Hand zusammen. Erfreulicherweise leben die Menschen in unserer Gesellschaft immer länger. Ihnen bei einer möglichen Erkrankung dennoch so viel Lebensqualität wie möglich zu erhalten, ist Aufgabe der Geriatrie, der Altersmedizin. Mit der geplanten Einrichtung einer speziellen geriatrischen Station im Krankenhaus St. Johannes stellen wir uns auf den steigenden Bedarf ein, gesundheitliche Probleme des Alters komplex und interdisziplinär zu betrachten. Die Krankenhaushygiene ist für uns ein wichtiges Thema. Häufig werden Ängste vor der Ansteckung mit multiresistenten Erregern geschürt. Wir leisten mit zahlreichen Hygienemaßnahmen, strengen Kontrollen und regelmäßigen Mitarbeiterschulungen unseren Beitrag zur Bekämpfung solcher Keime zum Wohle unserer Patienten. Die Kunst unserer Ärzte, verbunden mit modernster Technik, bringt Patienten Gesundheit zurück oder zumindest die Linderung ihrer Leiden. Gynäkologen unseres Hauses arbeiten in Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Brustkrebs intensiv mit Kliniken in Hoyerswerda und Weißwasser zusammen. Und selbstverständlich perfektionieren unsere Chirurgen ihr Handwerk zum Beispiel bei minimalinvasiven Eingriffen, die heute einen großen Teil der Operationen ausmachen. Gern informieren wir Sie in der vorliegenden Ausgabe über die neuesten Entwicklungen im Malteser Krankenhaus St. Johannes. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen, eine besinnliche Adventszeit, ein gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2016. Mit herzlichen Grüßen

Ihr Florian Rupp

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Vom Krankenhaus in die

Rehabilitation

Silvia Wosky vom Sozialdienst kümmert sich um Anschlussbehandlungen. Sie ist Patienten und Angehörigen damit eine große und dankbar angenommene Hilfe.

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ür viele Patienten im Malteser Krankenhaus St. Johannes in Kamenz ist es mit dem Aufenthalt in der Klinik allein nicht getan. Sie benötigen eine Anschlussbehandlung in einer Rehabilitationseinrichtung. Häufigste Diagnosen dafür sind Herzinfarkt, Schlaganfall oder Oberschenkelhalsbruch. Wohin die Reise geht, können sich Patienten aussuchen. „Ob es tatsächlich klappt, hängt davon ab, ob die Rehaklinik für das Krankheitsbild Verträge mit den Krankenkassen hat“, erklärt Silvia Wosky vom Sozialdienst des Krankenhauses. Und es bleibt immer die Frage, ob am Wunschort gerade ein Bett frei ist.

Die Anschlussbehandlung soll bis 14 Tage nach dem Krankenhausaufenthalt beginnen. In der Regel ist es ratsam, Patienten direkt aus der Klinik in die Reha zu bringen. Mit der Organisation dessen sind Angehörige zumeist überfordert. Erst recht die Patienten selbst. Für die sind Silvia Wosky und ihre Kolleginnen Anke Ritter und Romy Wels die guten Seelen des Hauses. Die drei sind Ansprechpartnerinnen für Patienten, Angehörige, Ärzte und Pflegepersonal. Ihr Büro befindet sich im Erdgeschoss. Häufig besprechen die Mitarbeiterinnen vom Sozialdienst aber direkt am Bett des Patienten die Formalitäten und stellen mit ihm zusammen den Antrag auf eine Kur. Ziel der Reha ist es, eine stationäre Pflege oder die nächsthöhere Pflegestufe zu vermeiden. Bei fortgeschrittener Demenz ist eine Anschlussbehandlung oft nicht möglich, weil die Rehafähigkeit aus medizinischer Sicht nicht gegeben ist. Zur Überbrückung oder wenn eine Reha nicht infrage kommt, vermittelt das Team des Sozialdienstes Patienten, beispielsweise mit Oberschenkelhalsbruch, in die Kurzzeitpflege. Allerdings bedarf es dafür einer Pflegestufe oder aber der Betreffende müsste die Kosten selbst tragen. Die Verantwortung, wie es mit dem Patienten weitergeht, liegt bei den Angehörigen. Die meisten nehmen die Hilfe des Sozialdienstes dankbar an. Denn dieser vermittelt ebenso einen ambulanten Pflegedienst für die spätere Betreuung im häuslichen Umfeld oder sogar einen Platz im Pflegeheim. „Es kommt vor, dass ich in

Silvia Wosky (m.) und Anke Ritter (r.) vom Sozialdienst helfen Patienten über bürokratische Hindernisse hinweg zu Anschlussbehandlungen und beraten ihre Angehörigen.

25 Heimen anrufe. Ohne Erfolg“, sagt Silvia Wosky. „Dennoch mache ich meine Arbeit sehr gern.“ Obwohl diese mitunter stressig ist und des Durchhaltevermögens bedarf. Die Abläufe kennt die gelernte Kinderkrankenschwester und spätere Krankenschwester von der Pieke auf. Seit 40 Jahren im Gesundheitswesen arbeitet sie 15 davon im Sozialdienst, in einem berufsbegleitenden Studium hat sie sich zur Sozialarbeiterin qualifiziert. Im St. Johannes sind es 1.400 Patienten pro Jahr, die der Sozialdienst berät und unterstützt. Die Tendenz steigt. Kaum ein Patient verlässt nach schweren Diagnosen das Krankenhaus gesund. „Hinzu kommt, dass die Kinder von 90-jährigen Patienten selber an die 70 und mitunter hilfsbedürftig sind“, sagt Silvia Wosky. Deshalb werde der Umfang ihrer Arbeit weiter zunehmen. Zu Pflegeheimen in der Umgebung besteht ein enger Kontakt. Bei Patienten ohne Angehörige ist die rechtliche Betreuung zu klären. Unabhängig davon sei es für alle gut, die Vorstellungen des Kranken zu kennen. Deshalb wird bei Einweisung ins Malteser Krankenhaus St. Johannes immer nach einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht gefragt. Ersteres regelt die Gesundheitssorge, Letzteres auch viele Alltagsfragen darüber hinaus. Seit 2009 ist beides gesetzlich geregelt. Zum Abschluss einer Patientenverfügung kann der Sozialdienst im Krankenhaus beraten,

bei der Vorsorgevollmacht dürfen das nur Notare und Anwälte.

Um Patienten und deren Angehörige umfassend über das wichtige Thema der Patientenverfügung und der Vorsorgevollmacht informieren zu können, wurde eine umfangreiche Informationsbroschüre erarbeitet. Diese lässt sich von der Homepage www.malteser.de/patientenverfuegung.html kostenlos downloaden.

Der Sozialdienst im St. Johannes vermittelt außerdem Tumorpatienten in Rehabilitation. Dort bekommen sie Abstand von der Krebserkrankung und können erleben, wie andere mit der Situation umgehen. In Härtefällen können Krebspatienten aus dem Tumorfonds einen Zuschuss für die Reha bekommen, der nicht auf den Hartz-IV-Satz angerechnet wird. Auch dabei ist der Sozialdienst behilflich.

Für andere Patienten stellt das Team Kontakt zu Sanitätshäusern her und vermittelt Heil- und Hilfsmittel wie Rollstuhl oder Rollator oder hilft bei der Beantragung eines Pflegebetts.

SOZIALDIENST Malteser Krankenhaus St. Johannes Nebelschützer Straße 40 01917 Kamenz Telefon: 03578 786-450

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Im Alter

Lebensqualität erhalten

Die Menschen leben immer länger. Eine speziell auf ältere Menschen zugeschnittene Medizin (Geriatrie) soll die Mobilität und die Selbstständigkeit so lange wie möglich erhalten und bei Erkrankungen Komplikationen vermeiden.

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ber die Hälfte der Patienten des Malteser Krankenhauses St. Johannes in Kamenz ist über 65 Jahre alt. Die Tendenz zu einem hohen Altersdurchschnitt der Patienten steigt. Deshalb bereitet sich das Krankenhaus seit etwa zwei Jahren auf die Einrichtung einer geriatrischen Station vor. Auf einer solchen Station werden über 75-jährige Patienten behandelt, die an Akuterkrankungen leiden, multimorbid und/oder in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Die Altersmedizin will ihnen helfen, wieder ein Leben im vertrauten Umfeld zu führen. Aus dem Krankenhaus sollen sie so selbstständig wie möglich entlassen werden. .Hierfür ist ein multiprofessionelles Team aus Ärzten, Schwestern und Pflegern, einer Psychologin, Physio- und Ergotherapeuten sowie Sozialarbeitern im Malteser Krankenhaus St. Johannes tätig. -Erleiden alte Menschen eine Akuter-krankung oder verschlimmert sich eine ebereits bestehende Erkrankung, kommt es thäufig zu einer raschen Verschlechterung -des Allgemeinbefindens und zum Verlust .von Mobilität und Selbstständigkeit. Das Ziel der geriatrischen Behandlung besteht darin, die vorhandenen Ressourcen dieser .Patienten zu fördern und zu erweitern. -„Wir wollen möglichst verhindern, dass sie danach in die Pflege oder Kurzzeitpflege nmüssen“, erklärt Gabriele Urban, Fachärztin für Innere Medizin und Geriatrie. Parallel zur Behandlung der Akuterkrankung werden Physio- und Ergotherapeuten versuchen, Haltungs- und Mobilitätsstörungen der Patienten zu mindern. Nach -Ursachenklärung einer Inkontinenz kann tauch ein Harnblasentraining erfolgen. r sViele ältere Menschen weisen eingeschränkte Organfunktionen auf. Einige sind, vor allem wenn sie allein leben, unterernährt, denn das Empfinden von Durst und Hunger lässt im Alter nach. In der geriatrischen Behandlung wird Wert auf eine ausgeglichene, gesunde und regelmäßige Ernährung und Trinkmenge gelegt. Die Patienten werden zu einem strukturierten Tagesablauf mit regelmäßigen Mahlzeiten

qualifiziert. Die Königin hatte für ihre an Demenz erkrankte Mutter ein Konzept zur Erleichterung der Pflege und besseren Versorgung entwickeln lassen und eine Stiftung gegründet. Seit 1996 bietet diese Stiftung entsprechende Weiterbildungen an. Beim jüngsten seiner vier Lehrgänge saß Markus Rupprecht sogar in Stockholm auf der Schulbank und konnte dort in einer Abschlussprüfung seine neu erworbenen Kenntnisse nachweisen.

Wie wichtig Altersmedizin ist, wissen die Mitarbeiter des Malteser Krankenhauses St. Johannes aus ihrer bisherigen Arbeit.

GERIATRIE

Die Mitarbeiter freuen sich auf die neue Aufgabe auf der geriatrischen Station: Internistin und Geriaterin Gabriele Urban, Stationsschwester Silvia Heintze, Physiotherapeutin Katrin Dornick und Pfleger Markus Rupprecht (v. l. n. r.).

angehalten. Unter Anleitung üben sie, wie sie zu Hause ihr Essen allein zubereiten können. Auch eine Psychologin gehört zum geriatrischen Team des Krankenhauses. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, familiäre Konflikte, die das Befinden der älteren Menschen häufig zusätzlich zu ihrer Erkrankung beeinflussen, gemeinsam mit dem Patienten und den Angehörigen aufzuarbeiten. Ein weiteres Ziel ist die enge Kooperation mit einer Mitarbeiterin des Sozialdiensts des Malteser Krankenhauses. Der Sozialdienst führt Gespräche mit den Angehörigen, kümmert sich um die notwendige Bereitstellung vorhandener oder die Bestellung neuer Hilfsmittel wie Rollator, Nachtstuhl, Wannengriffen, erhöhtem Toilettensitz oder besonderen Schuhe bei Fußveränderungen. Für die neue Aufgabe haben sich Mitarbeiter des Malteser Krankenhauses bereits intensiv qualifiziert. Die Ärztin Gabriele Urban hat sich im Sächsischen Krankenhaus Arnsdorf und im Dresdner

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Krankenhaus St.-Joseph-Stift geriatrisch fortgebildet. Stationsschwester Silvia Heintze absolvierte eine umfangreiche geriatrische Weiterbildung und hospitierte ein halbes Jahr im Krankenhaus St.-Joseph-Stift in Dresden. Sie gewann Einblick in die Validation, die verbale und nonverbale Kommunikation mit alten verwirrten Menschen. Zu den Modulen ihrer Ausbildung gehörte auch die Bobath-Therapie. Diese hilft durch konsequente Förderung, die bei Hirnschädigungen, zum Beispiel nach einem Schlaganfall, unterbrochenen Verbindungen im Gehirn eines Patienten neu anzubahnen. So kann der Patient frühere Fähigkeiten wiedererlangen. Physiotherapeutin Katrin Dornick hat schon vor längerer Zeit eine Fortbildung in der Bobath-Therapie abgeschlossen. Pfleger Markus Rupprecht absolvierte eine Ausbildung als Silvia-Hemmet-Trainer, die nach der schwedischen Königin Silvia benannt ist und für die Pflege von Menschen mit demenziellen Erkrankungen

Auch Altersmedizin genannt, ist die Lehre von den Krankheiten des alternden Menschen. Sie vereint interdisziplinär die Behandlung von Mehrfacherkrankungen der Inneren Medizin, Orthopädie und Neurologie mit dem Ziel, älteren und sehr alten Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Zu den typischen Alterserkrankungen gehören unter anderem Herzinfarkt, Schlaganfall, Arthrose, Demenz, Altersdepression, Diabetes mellitus, Grauer Star, Krebs, Osteoporose und Parkinson. Sie äußern sich zum Beispiel in zunehmender Einschränkung der Sinne wie Sehen, Hören, Tasten, Gleichgewicht und Geschmack oder mangelndem Durstgefühl, in Schwindel mit dem zunehmenden Risiko von Stürzen sowie der Inkontinenz von Blase oder Darm und im Intelligenzabbau. Häufig treten mehrere dieser Anzeichen gleichzeitig auf.

IMPRESSUM Herausgeber: Malteser Krankenhaus St. Johannes Kamenz Nebelschützer Str. 40 01917 Kamenz Redaktion: Redaktions- und Verlagsgesellschaft Bautzen/Kamenz mbH Ralf Haferkorn (verantw.), Constanze Knappe (Texte) Fotos: Malteser/Ines Eifler Constanze Knappe (S. 3) Bernd Goldammer (S. 6) Satz/Layout: arteffective/lausitzpromotion Hoyerswerda, Franka Schuhmann Druck: Dresdener Verlagshaus Druck GmbH

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St. Johannes

Kein Tabuthema mehr

Inkontinenz

Mit dem neuen Beckenbodenzentrum der Malteser Krankenhäuser in Kamenz und Görlitz können auch andere Beschwerden im Unterbauch wirksam behandelt werden.

Beckenbodenzentrum ist Teamarbeit: Dr. med. Rainer Kluge, Chefarzt der Gynäkologie, Sebastian Schurk, Oberarzt Gynäkologie, und Dr. Cornelia Meißner, Oberärztin Anästhesie, (v. l. n. r.) besprechen den Fall einer Patientin mit Harninkontinenz.

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at man eine schwache Blase, wird das für die Betroffenen zum Albtraum. Weil ihr Leben durch den Gang zur Toilette bestimmt wird, meiden sie öffentliche Veranstaltungen, verzichten auch sonst auf die Teilnahme am sozialen Leben. So leiden sie in doppelter Hinsicht: an den Beschwerden der Krankheit und an zunehmender Vereinsamung. Die Lebensqualität ist stark beeinträchtigt. Und das keineswegs in Einzelfällen. Harninkontinenz bei Frauen ist Gegenstand der Urogynäkologie, der interdisziplinären Verbindung von Urologie und Gynäkologie. Denn Ursache für Inkontinenz können zum Beispiel eine Schwächung des Beckenbodens nach Geburten, Senkungsleiden oder eine Lageveränderung der Gebärmutter (Prolaps) sein. „Ob Genitalien, Blase oder Enddarm, die Organe im Beckenboden beeinflussen einander. Der Grund für Beschwerden ist deshalb nicht immer eindeutig zu lokalisieren, was eine wirksame Therapie mitunter

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erschwert“, erklärt Dr. med. Rainer Kluge, Chefarzt der Gynäkologie des Malteser Krankenhauses St. Johannes in Kamenz. „Es gibt eine Vielzahl von Behandlungsmethoden. Um die für die Patientin richtige und beste zu finden, braucht es den interdisziplinären Blick auf das Problem.“ Von einer dranghaften Inkontinenz, bei der sich der überaktive Blasenmuskel zu häufig zusammenzieht, oder einer Belastungsinkontinenz, also dem unkontrollierten Abgang von Urin beim Husten, Niesen oder bei körperlicher Anstrengung sind jedoch Frauen und Männer gleichermaßen betroffen. Deshalb arbeiten Urologen, Gynäkologen und auch Chirurgen der Malteser Krankenhäuser in Kamenz und Görlitz schon seit geraumer Zeit eng zusammen, um Erkrankungen des Unterleibs bei weiblichen und männlichen Patienten bestmöglich zu behandeln. Inzwischen ist man aber noch einen Schritt weiter: mit der Bildung eines interdisziplinären Beckenbodenzentrums.

Von Kamenzer Seite aus ist neben Chefarzt Dr. med. Rainer Kluge auch Sebastian Schurk, Oberarzt in der Gynäkologie, beteiligt. Von Görlitzer Seite sind es weitere Ärzte der Urologie und Chirurgie. Außerdem sind Gastroenterologen und Palliativmediziner im Team vertreten. Bei Bedarf werden ebenso Neurologen und Radiologen hinzugezogen. Mehrere Millionen Menschen, fast ein Drittel aller Frauen in Deutschland leiden an einer schwachen Blase. Die Dunkelziffer ist hoch, denn Kontinenzprobleme gelten nach wie vor als Tabu. Mancher scheut sogar den Gang zum Arzt, obwohl die moderne Medizin helfen kann. „Nicht alles lässt sich heilen oder abstellen“, erklärt Dr. med. Andreas Lammert, Chefarzt der Urologie im Görlitz Malteser Krankenhaus St. Carolus, der das Malteser Beckenbodenzentrum Ostsachsen leitet. Aber vielen Patienten ist schon mit der Linderung der Beschwerden geholfen. Es bringt ihnen Lebensqualität zurück.“ Häufigste Beschwerden des Beckenbodens sind Störungen bei der Entleerung von

Blase oder Darm sowie Senkungsleiden als eine Folge der Verlagerung von Harnblase, Genitalorganen oder Darm ebenso wie Ausbuchtungen (Divertikel) der Harnblase oder des Darms. Symptome für Beckenbodenerkrankungen sind chronische Unterbauchschmerzen, Schmerzen im Damm- und Analbereich, Entleerungsstörungen und sehr oft Entzündungen. Auch eine organisch bedingte Funktionsstörung der Blase kann Ursache für Inkontinenz sein. Als Auslöser kommt bei Männern ebenso eine Prostatakrebsoperation in Betracht. Inkontinenz von Blase oder Darm kann bei Männern und Frauen ebenso als Begleiterscheinung von Nervenerkrankungen wie Parkinson, Multipler Sklerose oder Demenz auftreten, selbst als Nebenwirkung diverser Schmerzmittel oder einer Chemotherapie. Erbliche Veranlagung und Übergewicht spielen ebenfalls eine Rolle. Die Aufzählung der Ursachen zeigt, wie notwendig bei diesen Krankheitsbildern die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist.

Zur Diagnostik von Harninkontinenz steht im Malteser Beckenbodenzentrum mit dem urodynamischen Messplatz ein modernes Verfahren zur Verfügung. Es gibt Aufschluss darüber, ob eine Drang- oder eine Stressinkontinenz vorliegt. Nach dieser und eventuell notwendigen weiteren Untersuchungen wird die Therapie festgelegt. Zunächst steht eine breite Palette moderner Medikamente zur Verfügung. Bei Frauen, manchmal auch bei Männern, kann ein spannungsfreies Band eingelegt werden, das den Beckenboden unterstützt. Bei Dranghaftigkeit kann mit dem Einspritzen von Botulinumtoxin (Botox) in den Blasenmuskel die Blase ruhiggestellt werden. Das Mittel ist in der plastischen Chirurgie bekannt und nicht ganz unumstritten. In diesem Fall ist die Behandlung aber ganz seriös und wird auch von den Kassen voll übernommen. Die so genannte Bulkamid-Therapie, die Unterspritzung der Harnröhrenwand in der Nähe des Schließmuskels, gilt als schonende Alternative zu einem operativen Eingriff bei Belastungsinkontinenz.

Um eine andere Art der Behandlung handelt es sich bei der „sakralen Neuromodulation“. Bei sehr hartnäckigen und ausgeprägten Blasen- oder Darmentleerungsstörungen werden Elektroden an den Nervenplexus von Blase oder Enddarm platziert. Durch einen regelmäßigen schwachen elektrischen Reiz normalisiert sich oft die Blasen- bzw. Stuhlentleerung. Nach dem erfolgreichen Test kann der Schrittmacher dann dauerhaft unter die Haut eingepflanzt und mit einem Steuergerät ähnlich einem Handy von außen reguliert

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St. Johannes werden. Im Malteser Krankenhaus St. Johannes steht als zusätzliche therapeutische Alternative bei therapieresistenten Formen von Harninkontinenz auch das Implantieren von ACT-Systemen zur Verfügung. Dabei handelt es sich um zwei kleine mit Flüssigkeit gefüllte Silikonballons, die links und rechts des Blasenausgangs implantiert werden. Beim Husten oder Niesen verengen sie die Harnröhre und schützen so vor unwillkürlichem Harnabgang. Beim Wasserlassen wird der Widerstand aber auf natürliche Weise überwunden. Mit dem Beckenbodenzentrum bündeln die Malteser die Kompetenzen ihrer beiden Krankenhäuser. Alle Behandlungen werden mit Physiotherapie kombiniert. Deshalb sind auf Beckenbodentraining spezialisierte Therapeuten eng in die Arbeit einbezogen. Mit gezielten Übungen kann der Beckenboden

gestärkt und so womöglich eine Operation vermieden werden. „Gleich operieren, das kommt in der Regel nicht in Frage. Wir loten erst aus, was mit Medikamenten und Physiotherapie geht“, erklärt Chefarzt Dr. med. Andreas Lammert. Darin ist man sich fächerübergreifend einig. Ist doch eine Operation nötig, sind Methoden der minimalinvasiven Beckenbodenchirurgie schonender und weniger belastend als konventionelle Techniken. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der erfahrenen Spezialisten aus den verschiedenen Teilgebieten der Medizin bietet den Patienten mit Kontinenzproblemen und sonstigen Beschwerden im Unterleib eine optimale Versorgung. Das Beckenbodenzentrum ermöglicht, die Erkrankungen bestmöglich zu behandeln und Funktionsstörungen vorzubeugen. Damit kann oft ein wichtiges Stück an Lebensqualität zurückgewonnen werden.

Christa Zickmüller, Physiotherapeutin am Malteser Krankenhaus St. Johannes, erklärt einer Patientin, wie sie ihren Beckenboden trainieren kann.

Erkrankungen komplex betrachtet ­– Interview mit Dr. med. Andreas Lammert Woher kommt die Idee dazu? Die gibt es schon seit zehn Jahren. Die Deutsche Kontinenz Gesellschaft hat sich mit ihrer Gründung das Ziel gesetzt, bundesweit solche Zentren zu schaffen, um Erkrankungen des Beckenbodens aus der Tabuzone zu holen. Wir haben in unserem Krankenhaus in Görlitz nach einem Verbesserungspotenzial gesucht. Zumal der Bedarf für ein solches Beckenbodenzentrum in der Region groß ist.

Dr. med. Andreas Lammert, Chefarzt der Urologie am Görlitzer Malteser Krankenhaus St. Carolus und Leiter des Malteser Beckenbodenzentrums

Das von den Malteser Krankenhäusern St. Johannes in Kamenz und St. Carolus in Görlitz gebildete Beckenbodenzentrum ist das erste und bisher einzige in Ostsachsen, welches eine offizielle Zertifizierung bei der Deutschen Kontinenz Gesellschaft (DKG) anstrebt. Was das für die Ärzte bedeutet, aber vor allem den Patienten bringt, das erklärt der Leiter des Beckenbodenzentrums, der Görlitzer Chefarzt Dr. med. Andreas Lammert. Herr Dr. Lammert, warum brauchen kleine Krankenhäuser wie die der Malteser in Kamenz und Görlitz ein Beckenbodenzentrum? Viele Erkrankungen des Beckenbodens haben komplexe Ursachen. Fachärzte sind jedoch meist auf ihr Gebiet fokussiert. In dem Beckenbodenzentrum beziehen wir die Nachbarfachgebiete mit ein und können damit Behandlungen umfassender gestalten.

Um sich Beckenbodenzentrum nennen zu dürfen, streben Sie eine Zertifizierung an. Welche Nachweise mussten Sie erbringen? Der Begriff an sich ist leider nicht geschützt. Jeder darf sich so nennen. Um Qualität zu dokumentieren, streben wir ein Zertifikat der Deutschen Kontinenz Gesellschaft an. Das Verfahren dazu läuft. Wir mussten zum Beispiel eine Spezialisierung auf dem Gebiet der Inkontinenztherapie nachweisen, eine bestimmte Zahl an Operationen, die geforderte Ausstattung an Geräten und Instrumenten und ebenso Fortbildungen der Fachärzte. Es sind harte Kriterien, die streng kontrolliert werden. Um die erfüllen zu können, braucht man ein Qualitätsmanagement. Wir arbeiten intensiv daran. Welchen Nutzen hat der Patient davon? Er wird effizienter behandelt. Der Patient muss nicht mehr von einem Arzt zum anderen, hat damit weniger Wege und eine gewisse Gewähr, dass sein Problem komplex betrachtet und interdisziplinär behandelt wird. Und das nach dem neuesten Stand der Wissenschaften.

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Wovon ist denn abhängig, ob ein Patient oder eine Patientin ein Fall fürs Beckenbodenzentrum wird? Jeder Patient mit Harn- oder Stuhlinkontinenz und anderen Beschwerden des Beckenbodens wird auf eine Liste genommen. Die leichteren Fälle können die Urologen oder die Chirurgen in Görlitz bzw. die Gynäkologen in Kamenz allein lösen. Komplexe Störungen wie etwa bei Nervenkrankheiten oder Bandscheibenproblemen bedürfen des Blicks vieler Fachärzte und werden deshalb im Team besprochen und gegebenenfalls behandelt. Nun können die Ärzte der beiden Krankenhäuser nicht ständig zwischen Kamenz und Görlitz hin- und herfahren. Wie sieht die Zusammenarbeit denn praktisch aus? Problemfälle werden in eine Fallkonferenz eingebracht. Dazu treffen wir uns alle sechs bis acht Wochen abwechselnd in Kamenz oder Görlitz und stehen zwischendurch im telefonischen Kontakt. Bereits seit einem Jahr führen die Urologie und die Chirurgie hier in Görlitz sowie die Gynäkologie in Kamenz solche gemeinsamen Konferenzen durch. In besonders schweren Fällen haben wir auch schon gemeinsam operiert. Und wie kommt ein Patient überhaupt ins Beckenbodenzentrum, mit einer Überweisung des Hausarztes? Je nachdem, woher die Beschwerden kommen, melden sich die Patienten mit einer Überweisung des Hausarztes oder eines niedergelassenen Facharztes im Sekretariat der

Gynäkologie im Krankenhaus in Kamenz oder bei uns in Görlitz an. Sie bekommen einen Termin für die jeweilige Sprechstunde. Abhängig vom Krankheitsbild besprechen wir dann interdisziplinär das weitere Vorgehen.

INTERDISZIPLINÄRES

BECKENBODENZENTRUM Gynäkologie in Kamenz Chefarzt: Dr. med. Rainer Kluge Anmeldung zur Sprechstunde im Sekretariat: Monika Wolff Telefon: 03578 786-431 Telefax: 03578 786-434 Urologie in Görlitz Chefarzt: Dr. med. Andreas Lammert Anmeldung zur Sprechstunde im Sekretariat: Birgit Serve Telefon: 03581 72-1202 Fax: 03581 72-1203 Behandlungsspektrum im Malteser Beckenbodenzentrum Ostsachsen • Spannungsfreie Bänder (TVT, TOT) • Kolposuspension, Harnröhrenunterspritzung • Hysterektomie mit/ohne Plastiken • Deszensuschirurgie, auch mit Netz • Prostata- und Harnröhrenoperationen • Botulinumtoxin-Injektion, EMDA • Enddarm-Operationen (STARR u. a.) • Laparoskopische Darm-OP, Rektopexie • Künstlicher Blasenschließmuskel • Sakrale Neuromodulation (Blasen- oder Enddarmschrittmacher) • ACT-Therapie

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St. Johannes

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ie häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist das Mammakarzinom mit 32,1 Prozent. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft werden in Deutschland pro Jahr 70.000 Neuerkrankungen festgestellt, 17.000 Frauen sterben daran. Jede zehnte Frau ist von Brustkrebs betroffen. Hauptsächlich in der Altersgruppe zwischen 50 und 70 Jahren.

Diagnose

Brustkrebs

Die Heilungschancen sind gut, wenn das Mammakarzinom frühzeitig entdeckt wird, so Chefarzt Dr. med. Rainer Kluge. Aber noch nicht alle Frauen nutzen die Vorsorge.

Zum Teil sind Tumore in der Brust genetisch bedingt. Neben der Vererbung beeinflussen aber auch Risikofaktoren wie Rauchen, fettreiche Ernährung, Übergewicht und wenig körperliche Aktivität die Entstehung von Krebszellen. Begünstigt wird dies zudem durch eine Hormontherapie oder die sogenannte mammographische Dichte, also wenn in der Brust mehr Drüsen- statt Fettgewebe vorhanden ist. Ob und wie viele Kinder eine Frau bekommen und wie lange sie gestillt hat, kann ebenfalls eine Rolle spielen. „Doch im Grunde“, erklärt Dr. med. Rainer Kluge, Chefarzt der Gynäkologie im Malteser Krankenhaus St. Johannes in Kamenz, „sind die Ursachen für die Entstehung des Mammakarzinoms unbekannt.“ Brustkrebs ist die häufigste, nicht aber die gefährlichste Krebsart bei Frauen. Rechtzeitig erkannt und behandelt, ist er meist heilbar. Umso wichtiger ist die Vorsorge. „Frauen sollten regelmäßig die eigene Brust abtasten und Veränderungen sofort von ihrer Frauenärztin abklären lassen“, sagt Dr. med. Rainer Kluge. Im Anfangsstadium macht Brustkrebs keinerlei Beschwerden. Von den Krankenkassen finanziert wird außerdem das Mammographie-Screening, das Röntgen der Brust. Frauen zwischen 50 und 69 Jahren erhalten zu dieser Vorsorgeuntersuchung alle zwei Jahre eine Einladung, ebenso jüngere Frauen, die durch Brust- oder Eierstockkrebs bei nächsten Verwandten ein erhöhtes Risiko haben. Speziell geschulte Ärzte werten die Bilder aus und veranlassen bei verdächtigen Veränderungen weitere Untersuchungen. 70 Prozent der Frauen, die zur Früherkennung aufgefordert werden, nehmen das Angebot wahr. Warum es fast ein Drittel nicht tut, mag an Gleichgültigkeit oder Angst liegen. „Dabei sind das Abtasten der Brust und das Mammographie-Screening die einzigen Möglichkeiten, Brustkrebs frühzeitig zu erkennen“, sagt der Chefarzt. Angeboten wird das Röntgen der Brust übrigens auch in der radiologischen Praxis von Dr. Undine

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Chefarzt Dr. med. Rainer Kluge bei seinem Vortrag „Mammakarzinom“ im Malteser Krankenhaus St. Johannes. Die Klinik bietet regelmäßig Vorträge zu medizinischen Themen an.

Apolle-Kaufmann, die vor zwei Jahren direkt in den Erweiterungsbau des Malteser Krankenhauses in Kamenz gezogen ist. Zur Therapie des Mammakarzinoms gibt es mehrere Bausteine: die operative Entfernung, Strahlentherapie, Chemotherapie, endokrinologische Therapie und Antikörperbehandlung. Welche für die Patientin die effektivste und ob eine Kombination angebracht ist, wird individuell entschieden. Das Krankenhaus St. Johannes ist Mitglied in dem 2007 gegründeten Lausitzer Brustzentrum und arbeitet dort eng mit den Krankenhäusern in Hoyerswerda und Weißwasser zusammen, um den Patientinnen mit Brustkrebs Diagnostik, Therapie und Nachsorge wohnortnah anbieten zu können. Sie kooperieren dabei mit weiteren Partnern. Jeden Dienstag treffen sich Gynäkologen, Onkologen, Strahlentherapeuten und Pathologen zur Tumorkonferenz in Hoyerswerda. Dabei besprechen sie Krankheitsbilder von Patientinnen und legen gemeinsam die Therapieabläufe fest. Für das

Malteser Krankenhaus Kamenz ist Chefarzt Dr. med. Rainer Kluge daran beteiligt. Zur Entfernung des Mammakarzinoms wird am St. Johannes in der Regel brusterhaltend operiert, die Brust nur noch selten vollständig amputiert. Die Chemotherapie im eigenen Haus ist ein Vorteil für die Patientinnen. Sie haben nur einen Arzt als Ansprechpartner, wenn der Operateur zugleich der Nachbehandler ist. Pro Jahr werden im Malteser Krankenhaus St. Johannes etwa 50 Erstdiagnosen zum Brustkrebs gestellt. Durch das Mammographie-Screening und die Optimierung der Therapie über den interdisziplinären Ansatz sind die Prognosen über den Ausgang der Erkrankung viel besser geworden. „Wird der Brustkrebs im Frühstadium entdeckt, liegen die Überlebenschancen bei 80 Prozent, im fortgeschrittenen Stadium leider deutlich schlechter“, sagt der Chefarzt der Gynäkologie. Beim kleinsten Verdacht sofort zum Arzt zu gehen, ist deshalb seine Empfehlung.

Immer wieder finden sich im Internet Informationen, wonach zu enge Büstenhalter, Deos, Brustimplantate oder Schwangerschaftsabbrüche Brustkrebs auslösen. Nach Angaben der Deutschen Krebsgesellschaft handelt es sich dabei um „Krebsmythen“, die jeglicher wissenschaftlichen Grundlage entbehren.

GYNÄKOLOGIE Stationäre Leistungen in der Tumorbehandlung •B ehandlung gut- und bösartiger Veränderungen der Brustdrüsen •B ehandlung gut- und bösartiger Tumorerkrankungen im Genitalbereich • Chemotherapie (stationär) Kontakt Sekretariat: Monika Wolff Telefon: 03578 786-431 Telefax: 03578 786-434

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ber 30 Jahre wird in der Chirurgie die „Schlüssellochmethode“ angewendet. Sie wird auch als minimalinvasive Operationsmethode bezeichnet. Durch kleine Schnitte von 5 bis 12 mm Länge werden Trokare, das sind Hülsen mit einem Dorn und einem Ventilsystem, in das OP-Gebiet gebracht. Durch diese werden eine Optik mit Kamera und verschiedene Instrumente wie Scheren, Klemmen und Häkchen eingeführt. Der Operateur schaut und greift nicht in die OP-Region, sondern auf einen Bildschirm. Den Kontakt zum Gewebe hat er nur über die Instrumente. Die Vergrößerung und hohe Auflösung erlauben ihm ein sehr präzises Arbeiten. 1980 wurde so der erste Blinddarm (Wurmfortsatz) entfernt, zehn Jahre später gutartige Wucherungen im Darm, danach zunehmend bösartige Tumore. Für Oberarzt Dr. med. Blasius Büttner, Kommissarischer Leiter der Chirurgie am Malteser Krankenhaus St. Johannes, und sein Team sind solche Eingriffe selbstverständlich. Doch das Spektrum der Erkrankungen, die auf diese Weise behandelbar sind, wird immer breiter. Im vergangenen Jahr wurden im Kamenzer Krankenhaus 135 Gallenoperationen durchgeführt, fast alle davon nach der sogenannten Schlüssellochmethode. In nur zwei Fällen musste vom endoskopischen auf das offene Verfahren gewechselt werden. Sieben Operationen waren von vornherein als offene Operation geplant. Das ist erforderlich, wenn sich z. B. Gallensteine im Gallengang festgesetzt haben und sich durch ein endoskopisches Verfahren, also eine Art erweiterter Magenspiegelung, nicht entfernen lassen. „Auf unsere Quote von 93 Prozent endoskopischer Operationen bei Gallen-OPs können wir stolz sein“, sagt Dr. Büttner. Dass nicht immer auf diese Weise operiert wird, begründet er: „Trotz aller Fortschritte in Medizin und Technik ist nicht jeder Patient für einen minimalinvasiven Eingriff geeignet.“ Sind bereits mehrere offene Operationen im Bauchraum vorausgegangen oder liegt ein ausgedehnter Befund einer bösartigen Erkrankung vor, komme eine endoskopische Operation eher nicht infrage. Dennoch werden im Kamenzer Krankenhaus viele Patienten laparoskopisch operiert. Bei der sogenannten „Blinddarm-OP“, der Entfernung des Wurmfortsatzes, werden 82 Prozent mit der minimalinvasiven Methode versorgt. In drei Fällen musste auf die offene Operation gewechselt werden. Hierbei

St. Johannes

OP durchs

Schlüsselloch

Am St. Johannes werden viele Eingriffe minimalinvasiv durchgeführt. Besonders bei Erkrankungen der Galle, des „Blinddarms“, des Dickdarms und in der Hernienchirurgie.

Mastdarm durchgeführt, die Hälfte davon minimalinvasiv. Dafür ist ein spezielles Gerät zur gleichzeitigen Spiegelung und Operation des Enddarms erforderlich. Für Erkrankungen des Dickdarms wurde die Schlüssellochmethode inzwischen so perfektioniert, dass viele Operationen auch bei Krebsleiden laparoskopisch möglich sind.

In der Traumatologie (Unfallheilkunde) des Malteser Krankenhauses St. Johannes sind endoskopische Operationen ebenfalls auf dem Vormarsch. Sie werden hier Arthroskopie, Gelenkspiegelung, genannt. „Wir führen arthroskopische Operationen überwiegend an Knie- und Schultergelenken, aber auch an Hand-, Ellenbogen- und Sprunggelenken durch“, sagt Dr. Büttner.

Dr. med. Blasius Büttner, Kommissarischer Leiter der Chirurgie, mit seinem Team bei einer laparoskopischen Gallenoperation.

waren jeweils Besonderheiten hinsichtlich der Lage des Organs oder der Ausdehnung der Entzündung ausschlaggebend. Doch selbst aus dem Versuch, laparoskopisch zu operieren, ergeben sich Vorteile. Etwa kann der Schnitt zur offenen Operation gezielt an der richtigen Stelle gesetzt werden. Deshalb sei es bei der ärztlichen Aufklärung zur laparoskopischen Operation erforderlich, die offene Operation mit zu besprechen und dazu die Einwilligung des Patienten einzuholen, sagt Dr. Büttner. „Auch wenn man sich als Operateur noch so sicher ist, können überraschende Befunde, z. B. Anomalien oder auch Komplikationen, auftreten, die das offene Vorgehen notwendig machen.“

Bauchwandschichten vorgenommen. Hierzu werden die einzelnen Schichten getrennt, das Einfüllen des Gases schafft einen künstlichen Raum zur Operation. Dann legt der Chirurg, ohne das Bauchfell zu eröffnen, ein Kunststoffnetz vor die Bruchpforte. Nach Ablassen des Gases legen sich die getrennten Bauchwandschichten wieder aneinander und halten so das Netz in seiner Position. In der Hernienchirurgie, also der Versorgung von Leisten- und Bauchwandbrüchen, liegt der Anteil endoskopischer Operationen im Malteser Krankenhaus bei etwa 75 Prozent. Auch sogenannte Zwerchfellbrüche, bei denen ein Teil des Magens in die Brusthöhle gleitet, werden mit der Schlüssellochmethode behandelt.

Bei den Operationen im Bauchraum wie der Gallen-OP wird die Bauchhöhle mit Kohlendioxid aufgefüllt. Damit schafft sich der Chirurg den „Raum“ zum Operieren. Von Natur aus liegen die Organe ohne Zwischenraum dicht aneinander. Anders verhält es sich bei der Versorgung von Leistenbrüchen. „Wir bevorzugen die Technik der total extraperitonealen Hernioplastik“, sagt Dr. Büttner. Die Operation wird außerhalb des Bauchfells zwischen den

Bei Mastdarmkrebs ist die präoperative Diagnostik zur Bestimmung des Stadiums wichtig. Kleine Tumore in einem streng definierten Frühstadium und bis 3 cm Größe lassen sich durch das transanale, also durch den After ausgeführte, endoskopisch-mikrochirurgische Verfahren TEM entfernen. Ebenso gutartige Wucherungen und tiefsitzende flächige Polypen. In den vergangenen zehn Jahren wurden im Kamenzer Krankenhaus etwa 100 transanale Operationen am

Das Malteser Krankenhaus St. Johannes Kamenz informiert | 2015/2016

Bis vor einigen Jahren waren das Alter des Patienten und Vorerkrankungen an Herz und Lunge oft ein Ausschlusskriterium für minimalinvasive Eingriffe. „Dank der Entwicklung in der Medizin und der viel besseren Behandlung von Herzerkrankungen gibt es heute kaum noch Gründe, die gegen eine solche Operation sprechen“, sagt der Chirurg. Ohnehin werde die Strategie für jeden Patienten individuell entschieden. Minimalinvasive OPs sind wegen der kleineren Wunden weniger schmerzhaft und die Patienten eher wieder fit. Damit können sie das Krankenhaus meist schneller wieder verlassen, die gesamte Rekonvaleszenz dauert kürzer. „Nach über 30 Jahren meiner Tätigkeit als Chirurg kann ich aus erlebter Erfahrung die Vorteile der minimalinvasiven Chirurgie im Vergleich zur offenen Operation beurteilen“, sagt Dr. Blasius Büttner. „Für die Patienten aller operativen Fächer ist sie eine segensreiche Entwicklung, die sich auch in Zukunft ständig weiterentwickeln und verbessern wird.“

CHIRURGIE Sekretariat: Kathleen Baldermann Telefon: 03578 786-411 Telefax: 03578 786-414 Vergabe von OP-Terminen Mo. bis Do. 8–12 und 13–15 Uhr Fr. 8–12 Uhr

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St. Johannes

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ernadett Pakoßnick ist mit ihrer „Black box“ im Malteser Krankenhaus St. Johannes in Kamenz unterwegs. Sie erscheint bei den Mitarbeitern unangekündigt. Die Hygienefachkraft kontrolliert, ob die Maßnahmen des Desinfektionsplans eingehalten werden. Dabei prüft sie, wie gründlich sich Ärzte, Schwestern und Pfleger die Hände desinfizieren. Sie bittet sie, sich ihre Hände mit einem speziellen, fluoreszierenden Desinfektionsmittel einzureiben und in die „Black box“ zu halten. Eine UV-Lampe zeigt genau an, welche Stellen mit der Lösung in Berührung kamen.

Hände sind Infektionsträger für Erreger aller Art. In Kontakt kommt man damit in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Türen von Einkaufszentren und unzähligen anderen Stellen, wo viele Menschen sind. Wer gesund ist und sich oft die Hände wäscht, widersteht den Keimen. Bei Patienten aber, deren Allgemeinzustand und Immunsystem durch Erkrankungen oder Operationen geschwächt ist, sieht das anders aus. Erst recht, wenn es sich um Erreger wie die Methicillin-resistenden Staphylococcus-aureus-Bakterien (MRSA) oder Multiresistente gramnegative Bakterien (MRGN) handelt, die einigen Antibiotika widerstehen und gegen die man nur schwer vorgehen kann. Häufig wissen Menschen gar nicht, dass sie Träger solcher Erreger sind. Diese sind meist Mitbringsel von Reisen

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chlaganfall- und Herzpatien-

ten, aber auch andere Patienten, die nicht mehr auf der Intensivstation liegen, werden auf der neuen Überwachungsstation versorgt. Waren die Plätze für Patienten mit kontrollbedürftigen Werten bisher auf verschiedene Stationen verteilt, wurde eine früher rein internistische Station umgebaut, um neun Überwachungsbetten zu konzentrieren. An jedem Bett können die Vitalwerte Blutdruck, Herzfrequenz, Herzrhythmus und Sauerstoffversorgung des Blutes gemessen und auf hochmodernen, fahrbaren Monitoren abgebildet werden. Jeder Platz hat eine Sauerstoffversorgung. Zur kontinuierlichen Verabreichung von Medikamenten und Infusionen können Perfusorpumpen oder Infusiomaten angeschlossen werden. Die Station verfügt auch über drei mobile Überwachungseinheiten, mit denen sich der Patient frei bewegen kann. Alle Daten werden auf einen Monitor im Stationszimmer gesendet, an dem das Personal zentral die Werte der bis zu 12 Patienten im Blick hat.

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Immer wachsam als

Hygienefachkraft

Mit strengen Vorsichtsmaßnahmen schützt sich das Malteser Krankenhaus St. Johannes vor multiresistenten Erregern. Bernadett Pakoßnick achtet von Berufs wegen darauf. in exotische Länder oder vom Kontakt mit Tieren. Nach Angaben der Bundesregierung stecken sich jedes Jahr 500.000 Menschen in Deutschland damit an.

Bei der Entlassung des Patienten informiert das Krankenhaus den Hausarzt, den ambulanten Pflegedienst oder das Pflegeheim über den Nachweis multiresistenter Erreger. Angehörige erhalten eine Infobroschüre zum Thema.

Grund genug, das Thema ernst zu nehmen. Mit einem umfangreichen Maßnahmenkatalog schützt das Kamenzer Malteser Krankenhaus Patienten vor Ansteckung. Menschen, die aus anderen Krankenhäusern, Rehakliniken, Dialysepraxen und Herzzentren hierher verlegt werden, gelten als Risikopatienten. Sie werden bei der Aufnahme einem Screening unterzogen: Aus Mund, Nase und chronischen Wunden werden Abstriche abgenommen. Dann werden alle Proben im Labor mikrobiologisch untersucht. Bei Verdacht auf multiresistente Erreger wird der Patient isoliert untergebracht und seine Patientenakte mit einen Vermerk versehen. Sollte ein Patient von MRSA betroffen sein, erhält er eine antibakterielle Ganzkörperwaschung mit Mundspülung und Nasensalbe sowie bei Bedarf Antibiotika. Die Desinfektionsmittel werden auf den Erreger abgestimmt.

Die neue

Die Hygienefachkraft Bernadett Pakoßnick kann mit ihrer „Black box“ sehen, ob sich jeder seine Hände richtig desinfiziert hat.

Wenn Bernadett Pakoßnick ihre Runden durchs Krankenhaus dreht, achtet sie mit geschultem Blick auf die 1.000 vermeintlichen Kleinigkeiten. Sie schaut, ob sich jeder vor und nach Kontakt mit einem Patienten die Hände gründlich desinfiziert. Ob richtig gereinigt und desinfiziert wurde, stellt sie mit Abklatschplatten fest, die mikrobiologisch untersucht werden. Sie wertet die Ergebnisse mit jedem einzelnen Verantwortlichen aus und berät ihn zum Thema Hygiene. Gemeinsam finden die Mitarbeiter Lösungen, um zu gewährleisten, dass auch in der Routine des Arbeitsalltags alle Maßnahmen eingehalten werden. Dabei geht es um den Schutz der Patienten, aber ebenso um den der Mitarbeiter. Diese werden regelmäßig zum Thema Hygiene geschult. Dank der vielen Vorsichtsmaßnahmen konnte ein vermehrtes Auftreten multiresistenter Erreger im St. Johannes bisher vermieden werden.

Überwachungsstation

Im Herbst hat das Malteser Krankenhaus eine Station für Patienten in Betrieb genommen, deren Vitalparameter rund um die Uhr kontrolliert werden müssen. „Für die Einrichtung der neuen Station haben wir fachliche Kompetenzen gebündelt“, sagt Oberarzt Dr. med. Rüdiger Soukup, der die Überwachungsstation zusammen mit Oberärztin Dr. med. Daniela Wessela leitet. „Damit bieten wir Patienten in kontrollbedürftigen Situationen viel Sicherheit und können sie optimal versorgen.“ Waren hier früher drei Assistenzärzte tätig, sind es jetzt vier. Auch mehr Pflegepersonal arbeitet auf der Station, darunter speziell für die Versorgung von Schlaganfallpatienten ausgebildete Krankenschwestern. Im Nachtdienst sind immer zwei Pflegekräfte vor Ort, um sofort reagieren zu können. Eine Stationsassistentin kümmert sich um die Abläufe rund um die Verlegung oder Entlassung der Patienten sowie den Kontakt zum Hausarzt.

Im Stationszimmer der Überwachungsstation haben Ärzte und Pflegepersonal die Vitalparameter aller Patienten im Blick. Schwester Viola Schölzel, Oberarzt Dr. Rüdiger Soukup und der Assistenzarzt Dmytro Grebenyuk (v. l. n. r.).

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