INDIEKINO BERLIN Magazin #38, Juni/Juli 2017

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INDIEKRITIKEN Originaltitel: Un profil pour deux D Deutschland/Frankreich/Belgien 2017 D 99 min D R: Stéphane Robelin D B: Stéphane Robelin D K: Priscila Guedes D S: Patrick Wilfert D D: Fanny Valette, Pierre Richard, Gustave Kervern, Stéphane Bissot D V: Neue Visionen

Monsieur Pierre geht online Cyrano de Bergerac digital

Pierre Richard war in den frühen Achtzigern für viele die erste Berührung mit dem französischen Kino. Sein stilles, körperbetontes Spiel stand im Gegensatz zum aufbrausenden Naturell seines Landsmannes Louis de Funès. DER GROSSE BLONDE MIT DEM SCHWARZEN SCHUH machte ihn zur Legende. In den folgenden Jahrzehnten wurde es ruhig um ihn. Stéphane Robelin holte ihn für seine Ensemblekomödie UND WENN WIR ALLE ZUSAMMENZIEHEN? zurück ins Kino. Richard versprach ihm damals eine erneute Zusammenarbeit und so schrieb ihm Robelin den Monsieur Pierre auf den Leib. Der Witwer lebt einsam in seiner Pariser Wohnung. Seine Tochter Sylvie bemuttert ihn, seine Enkel meiden den grummeligen Alten. Pierre hat seit dem Tod seiner Frau das Haus kaum verlassen. Deshalb hält es Sylvie für eine gute Idee, ihrem Vater die Welt des Internets näher zu bringen. Als Coach bietet sich der Freund ihrer Tochter Juliette an, der arbeitslose Autor Alex, der gerade bei ihnen wohnt. Alex lässt sich widerwillig darauf ein, hat er doch nicht einmal das Rückgrat, Nein zu sagen. Die beiden Männer freunden sich an und Pierre meldet sich bei einem Datingportal an, flunkert dabei allerdings ein wenig mit dem Alter und nutzt Alex’ Bild. Als es zum Treffen mit Flora kommt, muss deshalb Alex einspringen. Das Problem: Pierre weiß noch gar nicht, dass Alex mit Juliette liiert ist. So entspinnt sich eine amüsante Hommage an Cyrano de Bergerac, um einen heimlich Verliebten, der einem anderen Mann als Ghostwriter dient, in der vor allem Richard mit seinem zurückhaltenden Spiel glänzt. Yaniss Lespert als Alex wirkt allerdings den gesamten Film über wie ein „geprügelter Hund“, wie Pierre es gut auf den Punkt bringt, und steht beim etwas hingebogenen Ende dieser charmanten Ménage à Trois vielleicht etwas zu gut da. D Lars Tunçay

Start am 22.6.2017 ¢ Bundesplatz Kino DF OMU ab Juli ¢ Eva Lichtspiele DF OMU ab 13.7. ¢ Union Filmtheater DF

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D JUNI/JULI 2017

Grumpy widower Pierre lives alone in his Parisian apartment. His daughter sends him his granddaughter’s boy­ friend Alex to cheer him up and teach him about the online world. Pierre registers himself on a dating portal – with Alex’s photo and identity.

Originaltitel: This Beautiful Fantastic D USA, Großbritannien 2016 D 100 min D R: Simon Aboud D B: Simon Aboud D K: Mike Eley D M: Anne Nikitin D D: Tom Wilkinson, Jeremy Irvine, Jessica Brown Findlay, Anna Chancellor, Andrew Scott D V: NFP marketing & distribution

Der wunderbare Garten der Bella Brown Essen, Gärtnern, Fliegen

Der deutsche Titel von MY BEAUTIFUL FANTASTIC spielt nicht umsonst auf DIE WUNDERBARE WELT DER AMELIE an. BELLA BROWN fährt die volle Niedlichkeitsattacke und entwirft eine poppig bunte Zauberwelt, in der das Wünschen noch hilft. Bella (Jesssica Brown Findlay – Lady Sybil aus „Downton Abbey“), einst als Findling bei Nonnen aufgewachsen, und jetzt eine junge Frau mit Hut und einem Faible für Grau, hat zwei Obsessionen und einen großen Wunsch: Sie sortiert ständig alles bis hin zum Essen auf ihrem Teller, sie hasst die Natur und sie möchte Kinderbücher schreiben. Aber wenn sie abends in ihrem englischen Reihenhäuschen vor ihrer Schreibmaschine sitzt, fällt ihr nicht so recht etwas ein. Zum Glück ist Bella nicht allein auf der Welt. Ausgerechnet der biestige Nachbar Alfie (wie immer unschlagbar charmant: Tom Wilkinson) lockt sie hinaus in die Welt, indem er sich beim Vermieter über den verwahrlosten Garten beschwert. Vom Rauswurf bedroht, muss Bella fluchend den Kampf gegen Unkraut und Müll auf sich nehmen. Dabei stehen ihr neben Alfie ein sympathischer irischer Koch mit Zwillingstöchtern und ein verpaddelter Erfinder, der an einem mechanischen Vogel baut, zur Seite. Essen, Gärtnern und Fliegen sind die Freiheitsmetaphern, die BELLA BROWN durchdekliniert. Nach und nach wird das Essen auf dem Teller unordentlicher, der Garten wandelt sich von einer dunklen Höhle zum sonnigen Schmuckstück mit Teich, und Bella findet den Mut, ihre Geschichte zu schreiben. BELLA BROWN feiert die künstlerische Selbstverwirklichung. Ob die Kreativität wirklich proportional zur Überwindung von Obsessionen steigt, sei mal dahin gestellt. Realistisch ist der Film immerhin in einer Sache: Damit alles so schön wird, muss es einen geben, der das Glück – von den Karpfen im Teich, bis zur Zeit zum Kinderbuchschreiben – finanziert. D Hendrike Bake

Start am 15.6.2017 ¢ b-ware!ladenkino DF OMU ab Juli ¢ Eva-Lichtspiele DF OMU ab 6.7. ¢ Union Filmtheater DF

Bella Brown dreams of writing children’s books. But when she sits in front of her typewriter at night, she can’t come up with anything – until her grumpy neighbor Alfie complains about her dilapidated garden and lures her into the world.

Termine unter www.indiekino.de


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