INDIEKINO BERLIN Magazin #23, Februar 2016

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INDIEKRITIKEN Deutschland/Österreich 2015 D 96 min D R: Isabelle Stever D B: Isabelle Stever D K: Phillip Kaminiak D S: Oliver Neumann D M: Yoyo Röhm D D: Maria Furtwängler, Mehmet Sözer, Anne von Keller D V: movienet Filmverleih

DAS WETTER IN GESCHLOSSENEN RÄUMEN

Indien 2012 D 113 min D R: Ashim Ahluwalia D B: Ashim Ahluwalia, Uttan Sinur D K: K. V. Mohanan D D: Vineet Singh, Niharika Singh, Anil George D V: Rapid Eye Movies

MISS LOVELY Rausch und Verblendung

Trinken im Hotel

Nach Entwicklungshilfe sieht es wahrlich nicht aus, was Dorothea da treibt. Dorotheas Leben spielt sich vornehmlich im Hotelzimmer und in Konferenzräumen ab. Das Hotel, eine Festung inmitten des Sturms, wirkt wie eine Blase, während draußen die Sprengkörper detonieren. Da ist es auch nicht wirklich von Belang, in welchem arabischen Land wir uns hier befinden. Es ist irgendein Konflikt von vielen, den Dorothea mit Diplomatie und aalglattem Auftreten zu lösen versucht. Zwischendurch bewegt sie sich aufgetakelt durch Partys und Empfänge und verkauft ihre Idee: Ein Flüchtlingsmädchen soll ein Stipendium für ein Londoner College erhalten. Doch die Suche nach der geeigneten Kandidatin gestaltet sich schwierig. Nicht, dass sich Dorothea persönlich darum kümmern würde. Sie verbringt ihre Zeit lieber damit, sich zu betrinken und Männer in ihr Hotelzimmer einzuladen. Mit dem jungen Gigolo Alec scheint sie zumindest eine Konstante in ihren Bettbekanntschaften gefunden zu haben. Aber als der mehr will, wird das zum Problem. Maria Furtwängler gibt mit dem reduziert inszenierten Drama DAS WETTER IN GESCHLOSSENEN RÄUMEN ihr Kinodebüt und legt sich ins Zeug. Sie ist in nahezu jeder Einstellung zu sehen, meist alkoholisiert, aber makellos, bis ihr die Welt unter den Füßen wegbröselt und sich das auch in ihrem Äußeren spiegelt. Leider erschöpft sich Stevers Drehbuch darin, Dorotheas Bettgeschichten und Eskapaden auszubreiten und dieser narrative Stillstand zerrt an der Geduld des Zuschauers. Nach der dritten, vierten Wiederholung wird auch der letzte Zuschauer begriffen haben, dass sich die PR-Beraterin betäubt, um die Welt, durch die sie sich bewegt, nicht an sich herankommen zu lassen. Gerade angesichts des hochaktuellen Themas hätte man sich da mehr gewünscht. D Lars Tunçay

Start am 28.1.2016 ¢ Acud Kino ¢ b-ware!ladenkino ¢ filmkunst66

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Dorothea is an aid worker in some Arab country, but she spends most of her time drinking at receptions and inviting men up to her hotel room. When gigolo Alec wants more, Dorothea is faced with a problem.

Ashim Ahluwalia wollte eigentlich einen Dokumentarfilm über die indische Sexploitation-Filmszene drehen. Aber keiner der Filmemacher war bereit, vor der Kamera die gleichen Geschichten zu erzählen, wie in der Nacht zuvor in der Kneipe. Aus dem Dokumentarfilm wurde ein Spielfilm, der die Nachtseiten der indischen Filmproduktion zeigt. Anfang der achtziger Jahre, Bombay. Die Duggal Bros. haben sich auf Softporno-Sexploitation-Horror spezialisiert. Blutgesichtige Monstren, die mit gierigen Fingern die Braut in der heißen Hochzeitsnacht befummeln, nackte Hexen im Lustrausch und Ähnliches. Weil in Indien Pornografie (also alles jenseits züchtiger Küsse und entblößter Schultern) verboten ist, funktioniert die Sexfilm-Produktion so, dass billig produzierte Horror- und Gangsterfilme, in denen keine Nackten vorkommen, dem Zensor vorgelegt werden. Die Sex- und Nacktszenen werden später auf zusätzlichen Filmrollen, den „bits reels“, direkt an die Kinos geliefert und erst im Vorführraum in die Filme montiert. Das ist natürlich immer noch illegal und gefährlich. Bei einer Verhaftung drohen drei Jahre Gefängnis. Während der jüngere Bruder Sonu davon träumt, einen Liebesfilm mit seiner Angebeten Pinky zu drehen, setzen Vickys Auftraggeber ihn immer mehr unter Druck. Als die Polizei eine Darstellerin tot auffindet, hilft auch Korruption nicht mehr gegen die Polizeiverfolgung. MISS LOVELY ist bewusst auf überlagertem 16mm-Material gedreht, um dem Film einen ungewaschenen, nervös verhangenen Look zu verpassen, der an frühe Filme des New Hollywood-Kinos erinnert. Alles wirkt schmierig und verklebt. An jeder Ecke hängen bunte Birnchen, die hoffnungslos mit der Aufgabe überfordert sind, gegen die Schäbigkeit anzufunzeln. Ein Anti-Bollywood-Film, der die indische Exploitation-Filmszene zwischen brutalem Machismo, Rausch und Verblendung präsentiert. D Tom Dorow

Start am 17.12.2015 ¢ BrotfabrikKino

OMU

Bombay, the early Eighties. Duggal Brothers Sonu and Vicky have specialized in cheap sexploitation horror movies. The pressure rises from both their gangster financiers and the police but Sonu dreams of making a romantic movie with his lover Pinky.

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