Slapshot – Meisterausgabe Nr 7 / 2012

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Nando Wieser

Nach der Karriere

Der Davoser Goalie Nando Wieser wurde Ende der 1990er-Jahre hart kritisiert. In seinem Fall gilt aber auch: Schlechte Presse ist gute Presse. Heute führt er eine Garage in Lyss (Be) und kann dabei mitunter von seinem Namen profitieren.

Die Karriere ging, der Name blieb Text: Foto:

Matthias Müller Pius Koller

Die Schlagzeilen waren an Deftigkeit nur schwer zu überbieten: «Ein Fliegenfänger spaltet sein Dorf», «HCD-Wieser: Halbfinalflops in Serie! ­Heute weite­ re Folge?» oder «Zug am Ziel – ­Wieser half wie­ der». Davos-Keeper Nando Wieser war während den Playoffs 1998 wahrlich nicht zu ­beneiden. Heu­ te sitzt der 41-Jährige in seinem schönen Büro in der Autobahn-Garage Zwahlen & Wieser AG in Lyss und kann über die damaligen Ereignisse lachen. «Das war schon eine ganz spezielle Geschichte», sagt er rückblickend. «In den Viertelfinals gegen Lugano hat dieser Knatsch um meine Person ­angefangen. Die Boulevardpresse waren voll damit. Man wollte mich loswerden, ­ obwohl mir Arno gesagt hatte, dass er auch k­ ünftig auf mich setzen möchte.» Es sei unter ­diesen Umständen schon sensationell gewesen, dass die Mannschaft über­ haupt in den Final ­gegen Zug kam: «Meine mentale Verfassung war grausam und dann habe ich mich auch noch am Handgelenk verletzt. Ich wollte unter diesen Umständen im Final nicht mehr spielen, aber

Arno hat mich überredet. Im Nachhinein hätte ich es besser sein lassen.» Der S­ kurrilität noch nicht ­genug, unterschrieb Wieser danach noch einmal einen Vertrag beim HCD – mit der Auflage, dass er im Ausland spielt. «Unter normalen Umständen hätten wir eine reelle Chance auf den Titel gehabt», ist er überzeugt.

Eine Zäsur im Leben Das alles mag im Nachhinein amüsant klingen. Für Wiesers Leben war es allerdings eine Zäsur: «Zuvor war es immer nur bergauf gegangen. Doch plötz­ lich wusste ich, dass ich mich auf das Leben nach dem Sport vorbereiten muss.» So kehrte der gelern­ te Hochbauzeichner nach seinem Auslandsjahr bei einem texanischen Klub einer Minor League zum EHC Chur in die NLB zurück und begann die Aus­ bildung zum technischen Kaufmann. Der Vater ­seiner Frau Manuela, Willy Zwahlen, hatte dem Schwiegersohn bereits zu verstehen gegeben, dass er ihn künftig gerne in seiner Garage sehen würde. Nachdem er 2002 seine Karriere beendet hatte, zog er mit der Familie ins Seeland und begann seinen Weg im Kundenservice der Firma. Heute, zehn

J­ ahre später, hat sich der Vater aus dem operativen Geschäft zurückgezogen und die Führung der 45 Mitarbeiter starken Garage seinem Sohn Fred und Nando Wieser überlassen. Die beiden haben sich die Kompetenzen aufgeteilt: Zwahlen ist für die Fahrzeuge der Nissan-Gruppe, Wieser für diejenigen der Fiat-Gruppe (Fiat, Alfa Romeo, ­ ­Lancia und Jeep) verantwortlich. Vom Eishockey habe er einiges mitnehmen ­können, findet der Bündner. «Insbesondere im emotionellen Bereich. Man kann den Mitarbeitern glaubwürdiger vermitteln, dass sie nicht nur für den Lohn, sondern für ein gemeinsames Ziel am Morgen zur Arbeit erscheinen.» Nicht zuletzt komme ihm im Verkauf und in der Kundenbe­treuung auch sein Name zugu­ te. Wenn er eine Visitenkarte aushändige, komme besonders von den Leuten im mittleren Alter oft die Frage nach dem Hockey auf. «Ja, einige erkennen mich und stellen mir sogar direkt Fragen zum Eishockey», erklärt er lächelnd. Was den Sport selber betrifft, ist er seit dem Aus­ stieg aber nicht mehr aktiv gewesen. Kontakt mit ehemaligen Mitspielern hat er nur noch selten. Trotzdem hat er das Interesse nicht verloren. Der ältere seiner beiden Söhne (13) spielt im Nachwuchs des EHC Biel und er selbst hat Donatoren-Karten des NL A-Teams, in erster Linie zu Networking-­ Zwecken. «Sei es bei meinem Sohn oder an den Biel-Spielen: Ich wundere mich oft, wie emotional die Leute beim Eishockey werden können. Mich kann das nicht mehr aus der Ruhe bringen», sagt Wieser und ergänzt: «Ab und zu lese ich, wie ­beispielsweise ein Marco Bührer in der Presse ange­ griffen wird. Dann denke ich mir schon: Ui! Ist jetzt der dran? Ich weiss, wie dieses Spiel läuft.» ●

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