SLAPSHOT Nr. 5 • Saison 2016/2017

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Gut, dass die Trainer gefeuert werden Der Autor und die Rubrik : Klaus Zaugg (60) war zwölf Jahre lang Chefreporter bei «Blick» und «SonntagsBlick». Er arbeitet heute als freier Publizist für in- und ausländische Medien und gilt in Fachkreisen zu Recht als der wohl einflussreichste Eishockey­ journalist der Schweiz. Im Fachmagazin «Schweizer Journalist» wurde er überdies zum Sportjournalist des Jahres 2013 gewählt.

Trainerentlassungen sind ein fester Bestandteil unserer Hockeykultur. Und ein Erfolgsgeheimnis. Es gibt vier Gewissheiten: Unser Dasein endet, wir müssen Steuern zahlen und Trainer werden ent­ lassen. Über die Sterblichkeit und die Steuern müssen wir nicht debat­ tieren – wir kommen einfach nicht darum herum. Über Sinn und Unsinn von Trainerentlassungen hingegen schon. Puritaner und Technokraten erklären uns gerne, dass Trainerentlassungen nichts bringen. Und bringen Statisti­ ken und Beispiele, die diese Behaup­ tung scheinbar bestätigen. Es ist barer Unsinn. Wären die Trainer so unwichtig, dann müsste man ihnen nicht sechsstellige Saläre bezahlen. Ein lokaler Turnlehrer könnte die Jungs ein wenig übers Eis scheuchen. Richtig ist, dass nicht ALLE Trainerentlassungen etwas bringen. Wenn der Trainer bloss das Opfer anderer Versäumnisse ist, wie diese Saison Hans Kossmann in Ambrì, dann bringt eine Trainerentlassung nichts. Auch der beste Trainer kann fehlen­ de Qualität nur bis zu einem gewis­ sen Grade kompensieren. Aber das schmälert seine Bedeutung nicht. Ja, in keiner anderen Mannschaftsport­ art ist der Trainer so wichtig wie im Eishockey.

ball. Und der Körperangriff zur Ein­ schüchterung des Gegners ist legal. Dies alles bedeutet, dass im Eishockey «weiche Faktoren» wichtiger sind als in allen anderen Teamsport­ arten. Es gibt «harte Faktoren», die klar messbar sind: Grösse, Gewicht, Kondition, Kraft und bis zu einem gewissen Grade auch das Talent der Spieler. «Weiche Faktoren» sind die Eigenschaften, die so oft stärker sind als Grösse, Gewicht, Kondition, Kraft und Talent: Leidenschaft, Mut, Aggressivität, Disziplin, Selbstver­ trauen und Zähigkeit. Der Trainer kann nur bis zu einem gewissen Punkt die «harten Faktoren» beeinflussen. Eher früher als später ist ein höheres Tempo, noch mehr Kraft und eine bessere Kondition nicht mehr möglich. Die «weichen Faktoren» kann er hingegen stark beeinflussen. Das Argument, der Trainer könne ja die Tore nicht selber schiessen, ist unsinnig. Der Trainer kann nämlich die Spieler dazu bringen, für ihn die Tore zu schiessen. So wie es Schul­ klassen oder im Militär Züge gibt, die unter einem Lehrer oder einem Leutnant nicht funktionieren, unter einem anderen Lehrer oder Leutnant hingegen grosse Leistungen voll­ bringen, so gibt es Mannschaften, die unter einem Trainer funktionie­ ren und unter einem anderen nicht. Dafür stehen letzte Saison, dafür stehen diese Saison die SCL Tigers als Beispiel.

gefeuert worden? Weil die Wirkung eines Trainers zeitlich begrenzt ist. Der Job ist so anspruchsvoll, dass nur aussergewöhnliche Persönlich­ keiten unter ganz besonderen Um­ ständen länger als drei Jahre im Amt bleiben. Wenn es einem Trainer ge­ lingt, eine Schicksalsgemeinschaft zu bilden, in der alle, die nicht an ihn glauben, gehen müssen, dann kann er länger verweilen. Dies gelingt nur einer aussergewöhnlich charismati­ schen und energiegeladenen Per­ sönlichkeit, die in einer geschlosse­ nen Welt, vorzugsweise in den Bergen, auf und neben dem Eis eine Führungsrolle übernimmt. Beispiels­ weise in Davos, das so abgelegen und abgeschottet ist, dass sich dort selbst die mächtigsten und reichsten Menschen der Welt sicher fühlen und jedes Jahr zum WEF kommen. Arno Del Curto ist ein JahrhundertTrainer und die Kombination «Arno Del Curto-Davos» hat es vorher noch nie gegeben und wird es nachher nie mehr geben. An allen anderen Orten kommen die Präsidenten nicht darum herum, ihre Trainer von Zeit zu Zeit zu entlassen. Und so lange sie wissen, WARUM sie die Trainer entlassen und die Coaches nicht der Entlassung willen entlassen, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Es stimmt: In keiner anderen Liga der westlichen Welt werden die Trainer so oft gefeuert wie bei uns. Aber gerade weil die Trainer keine Atem­ pause erhalten, holen wir aus einem beschränkten Potenzial mehr heraus als jede andere Hockeynation und können uns an einer der besten Ligen der Welt erfreuen.

#7 David McIn Eishockey ist keine exakte Wissen­ schaft. Sondern ein unberechenbarer Sport, der auf einer rutschigen Unterlage gespielt wird. Und das Streitobjekt wird weder mit der Hand noch mit dem Fuss gespielt. Sondern mit einem Stock. Das macht Eishockey anspruchsvoller als Fuss­ ball, Handball, Football oder Basket­

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Aber warum ist nun auch Doug Shedden, der Finalheld vom Vorjahr

Sage mir, ob die Trainer gefeuert werden und ich sage dir, wie es um unser Hockey steht. l


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