Marcel Jenni/Björn Kinding Eine ganz andere Frage. Sie haben in Skandinavien, in Japan, in Frankreich, Deutschland und in der Schweiz gearbeitet und kennen das internationale Hockey. Was ist das Schweizer Eishockey, was ist unser Stil? Schwedens U18-Nationaltrainer Torgny Bendelin hat kürzlich im Interview mit SLAPSHOT gesagt, er sehe keinen Schweizer Stil. Björn Kinding: Torgny Bendelin ist ein Theoretiker und Gefangener der schwedischen Denkmodelle. In Schweden wird so viel über eine angebliche schwedische Hockeyphilosophie gesprochen, dass inzwischen alle glauben, man habe tatsächlich einen eigenen schwedischen Stil entwickelt. Dabei ist alles aus Kanada und Russland importiert. Schweden hat nicht mehr zur Entwicklung des Eishockeys beigetragen als die Schweiz.
Sport ausüben, bei dem sie schwer verletzt werden können, so werden in Zukunft Haftpflichtfragen gestellt – so wie wenn ein Kind unter Aufsicht beim Seilklettern abstürzt. Wird es weitere Regeländerungen geben? Björn Kinding: Ja. In Alberta ist beispielsweise im Juniorenhockey ernsthaft erwogen worden, nicht nur einen Spieler zu bestrafen, der ein Foul begeht. Sondern auch den Spieler mit zwei Minuten auf die Strafbank zu schicken, der sich in Gefahr bringt. Sich in Gefahr bringt? Björn Kinding: Zwei Minuten für Fehlverhalten bei einem Check. Wer sich nicht richtig
verhält bei einem Check und sich so selbst in Gefahr bringt, wird aus dem Spiel g enommen und nach drei solchen Strafen gibt es eine Sperre und ein Pflichttraining für richtiges Verhalten bei einem Check. Der Trend geht also gegen das, was wir als kanadisches Hockey bezeichnen. Björn Kinding: Ja. Das Eishockey wird athletischer, schneller, kreativer und weniger gefährlich. Eine Entwicklung, die dem Schweizer Eishockey also entgegenkommen wird. Björn Kinding: Die Schweiz pro duziert Spieler für genau die ses Hockey der Zukunft. l
Was ist denn der Schweizer Stil? Björn Kinding: Die Schweizer spielen in ihrer Liga einen Stil, der international nicht so erfolgreich ist, weil das Spiel zu wenig intensiv und kämpferisch ist. Dafür bilden die Schweizer kreative Spieler aus, die für Mannschaften in jeder Liga, auch in der NHL, ein bereicherndes Element sein können. Aber mit einer Mannschaft, die mehrheitlich aus solchen Spielern besteht, ist es schwierig, die Schweden und Finnen regelmässig zu besiegen. Und weil die Schweizer international zu wenig erfolgreich sind, heisst es dann eben, es gebe keinen Schweizer Stil. Marcel Jenni ist demnach ein typischer Schweizer. Björn Kinding: Ja, aber mit 22 Marcel Jennis geht es eben auch nicht. Auch neben dem Eis wäre es mit 22 Marcel Jenni schwierig. Marcel Jenni: Das wäre wohl nicht gut für Björns Nerven (lacht). Björn Kinding: Das wird wohl nicht so schlimm gewesen sein. Marcel ist jedenfalls noch nie zu spät zum Training gekommen. Sind die Schweizer auch taktisch clever? Björn Kinding: Ja, sonst wäre WM-Silber nicht möglich gewesen. Marcel Jenni: Es gibt viele Schweizer Spieler, die clevere Entscheide treffen. Technik und Erfahrung helfen auch dabei. Wichtig ist, dass man weiss, was man als nächstes tun muss. Diese Spieler haben wir in der Schweiz. Blicken wir noch kurz in die Zukunft: Wie sieht das Hockey in zehn Jahren aus? Björn Kinding: Das Eishockey hat sich bis heute fast ausschliesslich nach den kanadischen Entwick lungen ausgerichtet. Das ändert sich. Die Gesell schaft wird die Gewalt im Eishockey nicht mehr akzeptieren. Auch aus wirtschaftlichen Gründen. Wenn Kinder unter der Obhut von Trainern einen
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