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«Der SCB ist kein PrimaDonna-Team – der SCB ist ein Arbeiterteam»

Während seiner ersten Stippvisite in Bern hat sich Jussi Tapola mit dem insider zum Interview getroffen. Der neue SCB-Cheftrainer (49) spricht dabei über seine Philosophie. Und er erklärt, weshalb er den SCB und sich als «perfect match» betrachtet.

Text: Reto Kirchhofer

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Fotos: Reto Fiechter, IMAGO

Jussi Tapola, was müssen wir über Sie wissen?

Ich bin jemand, der Menschen entwickeln und besser machen will. Ich bin jemand, der den Erfolg bringen möchte. Im Eishockey kommt Erfolg durch die richtige Arbeitseinstellung, durch Teamgeist – und durch Geduld. Ich freue mich sehr, in Bern zu arbeiten.

Sie sind zurzeit während einer Woche in Bern und haben einen eng getakteten Zeitplan, führen mit jedem Spieler ein Einzelgespräch über anderthalb Stunden. Was ist der Inhalt dieser Gespräche?

Ich will die Spieler kennenlernen und eine Verbindung zu ihnen schaffen. Dazu gehört, dass wir über das Leben ausserhalb des Eishockeys sprechen – Familie, Werte – aber auch ihre Geschichte, ihre Karriere, ihre Ziele. Nun ist der ideale Zeitpunkt, sich kennenzulernen, Energie in diesen Austausch zu investieren und gemeinsam ein Commitment abzugeben. Wenn wir im August mit der Arbeit auf dem Eis beginnen werden, wird die Energie vollumfänglich diesen Trainings gehören – und dann- zumal muss das Vertrauen zwischen Spielern und Coach vorhanden sein.

Sind solche Einzelgespräche wichtiger als früher? Absolut. Es ist nicht mehr der Coach, der von oben nach unten Dinge ein- fordert. Es braucht Vertrauen, eine gute Beziehung. Ist Vertrauen da, kannst du auch fordernd sein. Wir wollen gemeinsam einen Weg definieren. Dazu gehört, dass mir die Spieler erklären, was sie unter der SCB-DNA verstehen. Ich sammle diesbezüglich

Vierfacher Meister und CHL-Gewinner

Jussi Tapola startete seine Trainerkarriere bei Hämeenlinna. Nach zwei Jahren als Nachwuchscoach beim finnischen Verband (2010 bis 2012) wechselte Tapola zu Tappara Tampere. Seither war er mit einer Ausnahme – 2018/19 coachte er die chinesische KHL-Franchise Kunlun – ausschliesslich in Tampere engagiert.

In Tampere war Tapola äusserst erfolgreich. Als Cheftrainer führte er den Traditionsclub viermal zum Meistertitel (2016, 2017, 2022, 2023). Zudem gewann der Finne mit Tappara in der abgelaufenen Saison die Champions Hockey League.

Der 49-jährige Finne hat in Bern einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Er wird mit seiner Frau, den beiden Kindern Miska (15-jährig) und Siiri (13) sowie dem vierjährigen Golden Retriever Eeva nach Bern ziehen. «Vieles wird neu sein für uns als Familie», sagt Tappola, «wir freuen uns sehr, dieses neue Kapitel in unserem Buch aufzuschlagen und gemeinsam mit der SCB-Familie zu schreiben.»

Stichworte, dann werden wir den gemeinsamen Weg kreieren.

Sie kommen aus einer äusserst erfolgreichen Saison mit Tappara Tampere. Das Team gewann die finnische Meisterschaft sowie die Champions Hockey League. Was war der Schlüssel des Erfolgs?

Täglich hart arbeiten, dazu die professionelle Einstellung der Spieler im Training und im Match. Dann ein Teamgeist auf Top-Level ohne Grüppchenbildung mit Ausländern, Einheimischen, Jungen und Erfahrenen. Wir waren eine Einheit, die dasselbe Ziel im Fokus hatte. Dazu die richtigen Gewohnheiten, jeder verlangte viel vom anderen. Nach jedem Spiel erinnerten wir uns an diese «winning habits». Und wir hatten ein gutes, effektives System. Das System war das

Gerüst für die Spieler, und innerhalb dieses Gerüsts brachten sie ihre individuellen Stärken aufs Eis. Die Kombination all dieser Faktoren machte uns erfolgreich.

Sie wurden von der Allianz europäischer Eishockeyclubs zum Trainer des Jahres gewählt. Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für Sie?

Sie ist ein Beleg, dass das, was ich mache, funktioniert. Sie gibt zusätzliches Vertrauen in meine Arbeitsweise, meinen Stil, mein System. Auch als Coach erlebst du Aufs und Abs, aber ob du mit dem Team gewinnst oder verlierst: Du brauchst die Überzeugung, dass der Weg der richtige ist. Eine solche Auszeichnung stärkt dich in deiner Überzeugung.

Weshalb haben Sie entschieden, Tappara Tampere nach dieser erfolgreichen Spielzeit zu verlassen?

Als ich bei Tappara erstmals Headcoach wurde, blieb ich drei Saisons, wir gewannen dabei zweimal die Meisterschaft. Danach war der richtige Zeitpunkt, etwas Neues zu machen. Die Spieler brauchten ein neues Gesicht, ich brauchte ebenfalls eine Veränderung. Ich war drei Jahre weg vom Team, kam zurück und wir starteten einen neuen Dreijahresprozess. Auch dieser verlief erfolgreich – und nun war der richtige Zeitpunkt für beide Seiten, einen grösseren Wechsel anzustreben.

Ist es speziell, nach so vielen Jahren die gewohnte Umgebung zu verlassen?

Es ist wunderbar (lacht). In Tampere stand ich am Morgen auf und wusste ziemlich genau, wie der Tag verlaufen wird. Hier in Bern erwartet mich täglich etwas Neues. Die Leute und die Namen sind neu, ich spreche Englisch statt Finnisch, muss nicht immer alles wiederholen wie in Tampere. Das hält mich fit und macht mich jünger. Ich habe immer noch dieselbe Frau, aber im Job-Bereich fühlt es sich an, als lerne ich im übertragenen Sinn gerade eine neue Freundin kennen. Und das fühlt sich gut an.

Weshalb war ein Trainer mit Ihrem Palmares so lange auf dem Markt?

Einerseits lag mein Fokus auf Tampere. Ich sagte den Leuten dort bereits im letzten August: «Dies wird unsere letzte gemeinsame Saison sein, also wollen wir alles gewinnen, was es zu gewinnen gibt.» Der Spielplan war dicht getaktet: Wir bestritten um die 90 Partien, es gab keine freien Wochenenden und entsprechend wenig Zeit und Energie, mit anderen Organisationen über die Zukunft zu sprechen. Aber ich wusste: Ich suche den «perfect fit», den «perfect match». Ist dieser gefunden, kann es schnell gehen. Exakt so verhielt es sich mit dem SC Bern. Der SCB und ich – das passt!

Weshalb?

In den Gesprächen habe ich rasch gespürt, welche Hockeykultur in Bern existiert, welche DNA gelebt werden soll. Die SCB-Kultur ist jener von Tappara sehr ähnlich: Arbeitsmoral, Einstellung, Zweikämpfe gewinnen, Härte auf und neben dem Eis. Der

SCB ist kein Prima-Donna-Team, der SCB ist ein Arbeiterteam – wie Tappara. Technik und die Skills sind vorhanden, aber sie stehen nicht zuoberst. Dort sehe ich eine enge Verbindung zu meiner Arbeit und meiner DNA als Coach.

Sie trainieren zum zweiten Mal eine Mannschaft ausserhalb Finnlands. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Zeit in der KHL in China bei Kunlun?

Hockey ist Hockey – und doch ist es in China etwas ganz anderes. Zweimal pro Woche musst du dich mit Zeitverschiebung und sechs Stunden Jetlag arrangieren: wenn du in den Westen reist – und wenn du in den Osten zurückkehrst. Würde ich jetzt in China coachen, wäre ich der bessere Trainer und wüsste mit den speziellen Herausforderungen noch besser umzugehen. Seit Kunlun ist einiges passiert, ich durchlief einen weiteren Dreijahreszyklus in Tampere, verfüge über noch mehr Erfahrung, habe ein noch stärkeres Vertrauen in meine Arbeit, meinen Weg. Ich bin absolut bereit für den nächsten Schritt in meiner

«internationalen Trainerkarriere», wenn wir das so umschreiben wollen.

Sie haben von Ihrer DNA als Coach gesprochen. Können Sie diese ausführen?

Ich will eine gute Beziehung zu den Spielern aufbauen. Je besser eine Beziehung ist, desto ehrlicher und härter kannst du miteinander umgehen. Es braucht Gespräche, um eine Beziehung zu pflegen, aber meine Ansprüche sind sehr hoch – und ich bin nicht der Freund der Spieler. Da kann es Emotionen in beide Richtungen geben. Als Trainer beeinflusst du in gewisser Hinsicht, wie sich die Karriere eines Spielers entwickelt, das ist eine grosse Verantwortung. Umso wichtiger ist es, eine ehrliche Atmosphäre in der Garderobe zu schaffen. Fordernd sein, aber Spass zulassen, das ist zentral. Eine Eishockeykarriere dauert vergleichsweise kurz: Ich sage den Spielern daher auch: «Es ist die beste Zeit eures Lebens, geniesst sie, spielt, habt Spass.»

Was bedeutet Leadership für Sie?

Mit gutem Beispiel vorangehen, Vertrauen haben und Vertrauen ausstrahlen, eigene Fehler gegenüber den anderen – konkret: den Spielern – eingestehen. Jeder macht Fehler, aber wir verfolgen dasselbe Ziel und lassen uns nicht davon abbringen.

Gibt es Personen, die Sie speziell beeinflusst haben?

Ich begann meine Trainerkarriere bei Hämeenlinna, dort war der spätere finnische Nationaltrainer Jukka Jalonen als Coach tätig. Er brachte ein neues System ins finnische Eis-