René Weiler 40 Jahren habe, den nimmt mir niemand mehr. Ich habe doch schon einiges erlebt.»
Vier Super League-Spiele mit St. Gallen Unter «bereits erlebt» verbuchen kann er auch ein knapp dreijähriges Engagement als Sportchef beim FC St. Gallen (Januar 2005 bis Oktober 2007), wo er bei insgesamt vier Spielen in der höchsten Liga auch als interimistischer Cheftrainer einsprang. «Ich kam wie die Jungfrau zum Kind zum Job als Sportchef beim FC St. Gallen. Mir haben damals sehr viele Leute davon abgeraten, doch es ist auch der Stolz, den wir Männer haben. Ich dachte mir: Wenn die auf mich zukommen, dann mache ich das, dann packe ich das. Das war etwas jugendlicher Leichtsinn und auch ein gesundes Selbstver trauen», erinnert sich der 39-Jährige. Er habe sich in diesen drei Jahren beinahe ins Elend «gchrampfed» und dann für den geleisteten Job eine brutale Quittung erhalten. «Aber diese Mechanismen mit den Medien, mit Leuten, die sich profilieren möchten und sich so positionieren, dass es für sie in einer kritischen Phase nicht gefährlich wird, habe ich da kennen gelernt und enorm davon profitiert.» Tempi passati, denn mittlerweile schwingt René Weiler seit über zwei Jahren auf dem Brügglifeld erfolgreich das Szepter. Da verfolgt er das Ziel, das Optimum rauszuholen und ist bereit, an die Grenzen zu gehen, «so dass man am Schluss zumindest sich selber keinen Vorwurf machen lassen muss, dass man nicht alles versucht hat». Es sei bekannt, dass er relativ viel und intensiv trainiere, zudem arbeite er viel im individuellen Bereich mit den Spielern. «Wenn mein Sohn in Mathematik nicht genug gut ist, dann braucht er auch in diesem Fach Nachhilfe», erklärt Weiler und ergänzt: «Man muss in unserem privilegierten Job alles der Arbeit unterstellen. Es braucht totales Engagement und Leidenschaft.» Und diese Leidenschaft lebt er jeweils auch an der Seiten linie aus. Er sehe sich schon eher als Vulkan denn
SAISON 2013/2014 Zuzüge • Alexander González • Bruno Martignoni • Swen König • Otele Mouangue • Linus Hallenius
BSC Young Boys FC Locarno AC Bellinzona FC Luzern FC Genua 1893
Abgänge • Predrag Pribanovic • Silvan Widmer • Roman Buess • Goran Antic
FC Baden Udinese/Grenada FC Basel 1893 unbekannt
René Weiler gemeinsam mit seiner Partnerin Alexandra und Sohn Noah.
als ruhigen Trainer. «Ich bin zwar nicht cholerisch, aber doch emotional – und auch enthusiastisch. Also ein kontrollierter V ulkan», charakterisiert er sich selber. Aber er könne auch sehr sachlich und abgeklärt sein, zumal es zum Fussballgeschäft gehöre, teilweise verschiedene Hüte zu tragen. «Die Spieler kennen mich aber sicher auch als menschlichen Trainer. Authentizität ist mir sehr wichtig. Ich will mich bei der Mannschaft nicht verstellen und möchte, dass auch die Spieler authentisch sind.»
Die Wichtigkeit des Privatlebens Wie stark er von diesem Job beansprucht wird, zeigt sich während des Gesprächs. Immer wieder vibriert das mittlerweile lautlos gestellte Handy. «Nicht irritieren lassen, es ist Transferzeit», sagt Weiler lächelnd. Und doch ist es auch ein Zeichen der hohen Belastung, unter der er beim Aufsteiger steht. Umso wertvoller sind die Momente am See in Zürich, wo er lebt und seine Batterien auflädt. «Ich jogge auch gern, gehe schwimmen und geniesse meine Familie», so Weiler, der jeden dritten oder vierten Tag 10 Kilometer läuft, um fit zu sein. Schliesslich wolle er das, was er von der Mannschaft verlange, auch vorleben. Er sei extrem froh, dass seine Partnerin seine Belastung akzeptiere und ihm den Rücken frei halte. Aber viel Zeit n eben dem Sport habe er nicht. Wichtig sind da auch die Momente mit seinem 14-jährigen Sohn aus seiner ersten Beziehung, der bei der
Mutter lebt, beim FC Winterthur spielt – und wenn möglich auch die Spiele des FC Aarau besucht. «Wenn man privat eine Hypothek, irgendwelche Probleme hat, kann man in unserem Business fast nicht überleben», erklärt René Weiler ein wenig nachdenklich. «Es hört sich zwar krass an – aber da darf die Familie oder eine Partnerin keine grossen Ansprüche stellen. Es kann ja auch sein, dass ich vier oder fünf Tage nicht nach Hause komme.» Und wenn das Abenteuer Raiffeisen Super League für den FC Aarau nun beginnt, steigt auch das Frustpotenzial beim Trainer, der eine harte und strapaziöse Saison erwartet. «Wir werden auf jeden Fall sehr viel Geduld und Nerven brauchen, mit negativen Ergebnissen umzugehen lernen müssen», sagt er. Dass der FCA aus diesem «Städtli» und noch ohne adäquates Stadion in der Super League mitspielen könne, sei allein schon fantastisch. «Jetzt wollen wir den Grossstädten und Grossvereinen ein Bein stellen und schauen, dass wir in der Liga bleiben. Das einzige Ziel, das wir aber verfolgen dürfen, ist der Ligaerhalt. Wenn wir das schaffen, ist das einfach nur toll. Wir starten aus der letzten Startreihe.» Aber die Vergangenheit in der Formel 1 hat ja schon mehrmals gezeigt, dass die Aussenseiter gefährlich werden können, wenn sie ihren Job akribisch genau machen und die Gunst der Stunde und das Schwächeln der vermeintlich übermächtigen Gegner ausnützen... l
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