100jahre ifa

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12 Die Idee zur Gründung des Deutschen Ausland-Instituts hatte Theodor Wanner ursprünglich bereits vor dem Ersten Weltkrieg. Aber der Entschluss reifte erst in den Jahren 1914 bis 1916, als Wanner seinen Plan durch drei andere Initiativen bestärkt sah. Die erste Anregung gab die Ausstellung „Deutsche Geisteskultur und Deutschtum im Ausland“, die Anfang August 1914, also schon nach Kriegsbeginn, von dem Geografen Hugo Grothe in den Leipziger Messeanlagen eröffnet wurde und die lange Zeit unterschätzte Bedeutung der deutschen Auswanderer und ihrer Nachfahren umfas­­­send darstellte. Einen weiteren Anstoß erhielt Wanner durch das 1915 von Friedrich Naumann veröffentlichte, sehr viel Aufmerksamkeit ­erregende Buch „Mitteleuropa“. Der liberale Politiker Nauman beschreibt darin die politischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands im zentraleuropäischen Raum, die durch den Weltkrieg – mit Blick auf die dort lebenden Auslandsdeutschen, die Naumann kaum erwähnte – noch an Aktualität gewonnen hatten. Das Buch wurde auch im „Württembergischen Verein für Handelsgeographie und zur För­ derung deutscher Interessen im Auslande“ kritisch diskutiert. Die dritte für Wanner ausschlaggebende Anregung lieferte 1916 der Berliner Professor Carl Heinrich Becker, Orientalist und späterer preußischer Kultusminister, der in einer Denkschrift für das Preußische Abgeordnetenhaus die Einrichtung von „Auslandsstudien“ als neues Hochschulfach zur „Hebung der Weltkenntnis“ und der „weltpolitischen Bildung“ in Deutschland gefordert hatte. Wanner bündelte gewissermaßen all diese Anregungen und konnte so in den damals führenden gesellschaftlichen Kreisen bis hin zum deutschen Hochadel trotz schwieriger Kriegslage Unterstützer und finanzielle Mittel für seinen Plan gewinnen.

„Ein Werk des ­Friedens inmitten des Kriegs“ Welche politischen Interessen aber bestimmten diese neuartige Institutsgründung, die obendrein mit der Eröffnung eines Museums

Gründung und Entwicklung des Deutschen Ausland-Instituts 1917 –1932

Kurt Düwell

einhergehen sollte? Der württembergische König Wilhelm II. bezeichnete das Deutsche Ausland-Institut, das gemeinsam vom Deutschen Reich, vom Königreich Württemberg und der Stadt Stuttgart getragen wurde, am 10. Januar 1917 bei dessen feierlicher Eröffnung als „ein Werk des Friedens inmitten des Kriegs“. In seiner Rede knüpfte er daran die Hoffnung auf einen baldigen Frieden. In der Tat wurde das Institut inmitten ei-­ ner äußerst angespannten politischen, mili­ tärischen und wirtschaftlichen Kriegslage gegründet, die sich in jenen Wochen noch verschärfte. War der Krieg bis dahin eine Auseinandersetzung in Europa und den über­ seeischen deutschen „Schutzgebieten“, vor allem in Afrika, so drohte an der Jahreswende 1916  /  17 der Kriegseintritt der USA an der ­Seite Frankreichs, Großbritanniens und Russlands und damit eine globale Ausweitung des Kampfes. Die Frage war: Konnte der Kriegs­ eintritt der Vereinigten Staaten durch eine deutsche Friedensinitiative noch verhindert werden? Die Sache stand auf der Kippe. Es war eine brenzlige Situation. Erst kurz zuvor, im Dezember 1916, war eine deutsche Friedensnote von Frankreich und England abgelehnt worden. Und auch die Idee des württember­ gischen Königs und des DAI, die Auslands­ deutschen, besonders in den USA, für den Friedensgedanken zu mobilisieren und den amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson als Vermittler eines Friedens zu gewinnen, ­zerschlug sich bald, als Deutschland Anfang ­Februar den uneingeschränkten U-Boot-Krieg begann. Während des Krieges vermochte das DAI daher nur eine sehr marginale Rolle für den Frieden zu spielen, da es sich überdies eher im Rahmen der Propaganda bewegen musste.

Die Arbeitsstruktur des Instituts Die eigentliche Arbeit des Instituts konnte erst nach Kriegsende 1918 beginnen. Am 1. Oktober 1918, noch vor dem Waffenstillstand, wurde Fritz Wertheimer, der zuvor schon Theodor


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