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STUDIOBESUCH BEI

DIENSTLEISTER AUS SÜDTIROL Cine Chromatix Italy

In einer ehemaligen Nudelfabrik in Meran versteckt sich eine junge VFX-Firma – mit eigenem Postproduktionskino und großen Ambitionen Studiobesuch

bei … Cine Chromatix Italy

„Wir wollen wachsen, auf Europas Filmlandkarte auffallen und mit unseren Kompetenzen überzeugen.“ Operations Manager Matthias Keitsch, VFX-Supervisor Nicola Nardone und Studiomanager Florian Geiser (v. l.) im Common Room des Studios

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MARIANNA KASTLUNGER

Fotos

PATRICK SCHWIENBACHER Beige und etwas in die Jahre gekommen sieht

die Pobitzer Mühle in der Peripherie von Meran von außen aus. Doch der erste Eindruck täuscht. Hinter ihrer Fassade haben sich diverse Film- und Medienschaffende niedergelassen, darunter die italienische Dependance der Berliner Cine Chromatix KG, mit hervorragend ausgestatteten Postproduktions-Arbeitsplätzen. Die Atmosphäre im Haus ist bei unserem Besuch dementsprechend inspirierend – auch weil die unbehandelten Holzdielen, hohen Räume und großen Fenster das industrielle Flair bewahren. Die ehemalige Mühle und Nudelfabrik sowie spätere Tischlerei ist heute – sobald es die Sicherheitsmaßnahmen in Pandemiezeiten wieder erlauben – „ein lebendiger Ort der

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Zusammenkunft“, sagt Matthias Keitsch, Operations Manager von Cine Chromatix Italy. Seine Kolleginnen und Kollegen sind höchstens Mitte 30, kommen aus Berlin, Südtirol und anderen Regionen Italiens. „Die Zusammenkunft von Leuten mit unterschiedlichen Backgrounds bereichert die Kreativität“, erklärt Nicola Nardone, VFX-Supervisor aus Apulien. Die scharfen italienischen Lockdown-Maßnahmen im vergangenen Frühjahr taten dem Schaffenswillen der Truppe keinen Abbruch: „Da haben wir die Effekte für Hilfe, ich habe meine Freunde geschrumpft einfach zu Hause erarbeitet“, erklärt Keitsch, und Nardone fügt hinzu: „Dafür haben wir die Workstations zu uns ins Heimbüro holen müssen!“ Das junge Team um Keitsch und Nardone blickt auf ein außergewöhnliches Jahr 2020 zurück – und wird im VFX-Bereich immer stärker. 2019 arbeitete man in der Mühle unter anderem an Abel Ferraras Siberia (Data Manager) und Vier Zauberhafte Schwestern (DIT und VFX), 2020 kam Roberto Faenzas Resilient dazu (► Bericht über Resilient S. 20). Mit aktuell neun Festangestellten, einem internationalen Netzwerk aus Freelancern und einer proaktiven Akquise-Kultur – etwa durch Workshops für junge Talente – ist Cine Chromatix Italy mittlerweile der größte Betrieb in der Südtiroler Filmbranche. „Und gleichzeitig auch eine wesentliche Stärkung dieser lokalen Branche“, klinkt sich Studiomanager Florian Geiser in die angenehm lockere Gesprächsrunde ein. Wir sitzen im großzügigen, hellen Common Room im Herzen des alten Gebäudes. Vorzüge wie diese Atmosphäre schätzen nicht nur Besucherinnen, sondern auch die Kunden.

VFX-EINSIEDELEI MIT BERGPANORAMA Nachdem ausreichend Kraft und Koffein getankt ist, geht’s in die Produktionsräume. Zur hochwertigen Ausstattung zählt neben den VFX-Arbeitsplätzen und den Büros für administrative Tätigkeiten vor allem das eigentliche Juwel der Firma: der hauseigene Kinosaal mit DCI-Projektion, einer Raum-in-Raum-Konstruktion für Color Grading und Audiomischung. „Mit dieser Infrastruktur können wir den Produktionen eine Vielzahl von Möglichkeiten anbieten“, berichtet Geiser. Das Unternehmen versteht sich als Inhouse-Komplettdienstleister – und als Brücke zwischen Nord und Süd. Die Kunden, egal ob aus Rom oder Berlin, genießen die Arbeit in Meran sehr, weiß Keitsch: „Es hat mitunter etwas von einer Einsiedelei, mit wochenweise durchgehender, fokussierter Arbeit“, sagt er. „Aber in der Freizeit genießen sie das gute Essen, das Bergpanorama und die Natur in Südtirol.“ Ein Gesamtpaket, das Cine Chromatix Italy 2019 erstmals für die komplette Postproduktion des Spielfilms

Inspirierende Atmosphäre: Hinter der Fassade der alten Pobitzer Mühle sind neun Mitarbeiter tätig.

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Scouting am Penser Joch im Sarntal: Die Balance zwischen Produktionsbedürfnissen und dem Schutz der alpinen Natur ist Defranceschi ein besonderes Anliegen. Komplettdienstleister: Cine Chromatix Italy verfügt über hochwertige VFX-Arbeitsplätze und einen hauseigenen Kinosaal für Color Grading und Audiomischung.

RESILIENT Für den Spielfilm (▶ Artikel S. 20) war Cine Chromatix Italy schon von den ersten Location-Besuchen an in die Dreharbeiten eingebunden. Die Postproduktionsleistungen umfassten CG-Animation, Set Extension und Nachbearbeitung.

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Effetto Domino von Alessandro Rossetto anbot – und prompt Lob erntete: „Dem Mischtonmeister des Films, Paolo Segat – der übrigens auch für die Audiomischung zahlreicher Filme von Paolo Sorrentino verantwortlich war – hat es hier gut gefallen“, verrät Nardone. Das Trio gibt sich selbstbewusst: „Wir wollen wachsen, auf Europas Filmlandkarte auffallen und mit unseren Kompetenzen überzeugen“, lautet das Vorhaben für die Zukunft.

KRITISCHE ZEITEN UND GROSSE AMBITIONEN Dabei hätte es auch anders kommen können. Gegründet wurde Cine Chromatix Italy 2017 als Joint Venture zwischen der Berliner Cine Chromatix und der Südtiroler Produktionsfirma Ammira Film. Eine Verbindung, die vor allem durch den Enthusiasmus und die Netzwerkkünste des Ammira-Gründers und damaligen Geschäftsführers Wolfgang Fliri gelang. Als Fliri 2018 plötzlich verstarb, blieben Keitsch, Geiser und Nardone schockiert und ratlos zurück. „Neben der persönlichen Betroffenheit mussten wir auch für die Firma klären, wer ohne unseren Freund und Drahtzieher Wolfgang nun den Karren ziehen solle“, erinnert sich Keitsch. „Das hat uns zusammengeschweißt“, sagt er heute. Die Zuständigkeiten wurden unter der entstandenen Kerngruppe aufgeteilt, die Firma wurde zu 100 Prozent durch die Berliner übernommen – „die immer sehr freundschaftlich und hilfsbereit agierten“, so Keitsch – und fortan gefestigt und vergrößert. „Wir sind trotz anfänglicher Startschwierigkeiten von der Idee überzeugt, Südtirols Filmindustrie zu stärken“, sagt Geiser – und das stete Wachstum gibt ihnen Recht. „Vielleicht wird die alte Pobitzer Mühle ja irgendwann zum großen Medienhaus“, schwärmt er. Seine beiden Kompagnons attestieren ihm – höchst amüsiert – völligen Größenwahn. „Platz genug dafür hätte sie ja, die alte Nudelfabrik“, wirft Nardone grinsend ein. Na also – wer weiß … T#12