Kunsthandwerk Ausgabe 02/2020

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Das große Interview

VERLIEBT SEIN.

LIM KommR Wolfgang Hufnagl zu Gast im Volkstheater bei Kay Voges … … und beim Interview im Café „Ganz Wien“

Jedoch, wie erreicht man denn dieses Publikum? „Wir teilen uns ja das traditionsbewusste Wiener Publikum“, wirft Wolfgang Hufnagl ein, „ein Publikum, das seinen Nestroy am Volkstheater wiederhaben will und traditionsbewusst beim K&K Hofjuwelier Silberservice aus dem Biedermeier kauft.“ Muss man mit der Suche nach gegenwärtiger Kunst nicht zwangsläufig am nicht vorhandenen Publikum scheitern? Es sei ein gefährliches Vorurteil, so Voges, Wien ausschließlich mit Hofburg, Kaffeehaus und Nestroy gleich zu setzen. „Wien ist auch Wiener Aktionismus, ein Exportschlager in die ganze Welt. Die Stadt hat sich in den letzten 20 Jahren zu einer Weltstadt gewandelt, die eine Öffnung in die Gegenwart hinein vollzogen hat“ und er glaube fest daran, dass sich Qualität am Ende des Tages durchsetzt. Ein schöner Grundsatz, den auch Wolfgang Hufnagl „fast romantisch verzückt“ bejaht. „Wir müssen uns der Parallelexistenz von Netflix durchaus bewusst sein“ so Voges, „aber wir haben den Augenblick, wir haben ‚Real 3D‘“. Es gehe nicht darum, sich zu überlegen, wie man die Menschen ins Theater bringt, sondern darum sich zu fragen, wie man so gute Qualität kreiert, dass die Menschen gar nicht mehr daran vorbeikommen. Denn für ihn gilt es, jeden Tag ins Gelingen verliebt zu sein.

„Dieses Theater kann ein Ort der Auseinandersetzung mit unserer geistigen Gegenwart sein oder er kann auch einfach mal ein lustvolles Genießen sein. Es kann aber auch wirklich in den Körper fahren, dass man Herzklopfen bekommt, dass man weggucken möchte oder, dass man mittanzen möchte, dass der Mensch angesprochen wird. Dann wird dieses Theater nicht ein elitäres Theater, das sagt: ‚Hier kommen die Intellektuellen hinein und wer’s nicht versteht muss bitte draußen bleiben´, sondern dann wird es wirklich ein Volkstheater für jeden Mann und jede Frau.“ Im Gegensatz zu einer Auftragsarbeit für ein Schmuckstück muss Theater keine Zufriedenheit erzeugen, es muss Kommunikation schaffen: „Ich kann gelacht haben, gerührt sein, ich kann zum Nachdenken angeregt worden sein, ich kann mich geekelt haben, gelangweilt, geärgert – das sind Erlebnisse die eine viel größere Auswirkung auf unser ästhetisches und inhaltliches Bewusstsein haben als diese Zufriedenheit, wie jeden Tag.“ Letztendlich geht es da wie dort um Kommunikation, um den Funken, der überspringt, wenn das „Kunststück“ überreicht oder aufgeführt wird. Denn, so Wolfang Hufnagl, in beiden Fällen gilt: „Gleichgültigkeit ist die Höchststrafe.“ Text: Bundesinnung Fotos: Forum Goldschmiede | Charlotte Schwarz

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