Motion 2/15 – Wettrennen um die Zukunft

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Motion indepth interview international

02.2015 Das Kundenmagazin der UNITED GRINDING Group

Energieeffizienz bei der UNITED GRINDING Group Haug, Horn, Putz: Lernen von der Formel 1 Unsere Marken auf der EMO in Mailand

Anwendungstechniker Dieter Höckh, Tübingen/ Deutschland

hand in hand mit dem roboter Automatisierungslösungen bringen entscheidende Vorteile für Präzision und Bearbeitungsgeschwindigkeit


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Wettrennen in die Zukunft Im Gespräch Michael horn Michael Horn, seit 2007 für die UNITED GRINDING Group tätig, verantwortet seit 2010 die Bereiche Produktion und Supply-ChainManagement. 2011 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung der Fritz Studer AG, seit 2013 ist Horn Chief Operation Officer (COO) der UNITED GRINDING Group und betreut Themen wie Lean Exellence und Effizienz.

norbert haug Norbert Haug gilt als Architekt der Formel-1-Erfolge des Mercedes-Motorsport-Teams. Der ehemalige Journalist leitete 22 Jahre lang erfolgreich den Mercedes-Motorsport und prägte eine neue Ära der Silberpfeile mit großen Namen wie Michael Schumacher und Nico Rosberg.

Prof. Dr. Matthias Putz

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Prof. Dr. Matthias Putz ist Institutsleiter und Leiter des Wissenschaftsbereichs Wekzeugmaschinen, Produktionssysteme und Zerspanungstechnik am Fraunhofer Institut IWU in Chemnitz.

Die Formel 1 macht es vor: Rennwagen müssen aerodynamisch, leicht und ihre Motoren so effizient wie möglich sein. Ähnliches gilt für Schleifmaschinen. Im Motion-Gespräch diskutieren der langjährige Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, Prof. Dr. Mathias Putz, Experte für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik am Fraunhofer Institut, und Michael Horn, Chief Operation Officer der UNITED GRINDING Group, über Erfolg durch Effizienz TExT: MICHaEl HOPP FOTOGRaFIE: MaRkUS HINTzEN

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„Motorsport ist ein Lernprozess für ingenieure, techniker und Mechaniker. Wenn sie Mit Wenig aufWand vieL erreichen können, dann ist das ihr zieL.“ Norbert Haug

Welche Rolle spielt die Effizienz im Motorsport?

enz ist also das ein und alles im Motorsport – wer nicht effizient ist, gewinnt nichts.

Norbert Haug: Die absolut zentrale Rolle. Ein Rennfahrzeug, das auf maximalen Antrieb ausgelegt, aber aerodynamisch nicht effizient ist, würde keinen Blumentopf gewinnen. Beispiel Treibstoffverbrauch: Das Limit für die Renndistanz liegt bei der Formel 1 aktuell bei 100 Kilo. Schafft es ein Starter mit fünf Kilogramm weniger Treibstoff über die Runden zu kommen als die Wettbewerber und trotzdem konkurrenzfähige Rundenzeiten zu fahren, verbessert er diese durch das Mindergewicht der Fuhre von vornherein um zwei Zehntel Sekunden pro Runde. Bei einem Rennen über 70 Runden sind das 14 Sekunden und in den umkämpften Zeiten der Formel 1 haben 14 Sekunden schon über Sieg oder Platz fünf entschieden. Effizi-

Herr Horn, wie wichtig ist Effizienz für die UNITED GRINDING Group? Horn: Der gezielte Umgang mit Ressourcen spielt auch bei uns eine große Rolle. Wir durchleuchten unsere Prozesse, um Verschwendung zu identifizieren. Mit dem Label „Blue Competence“ wecken wir das Bewusstsein für den Umgang mit Energie und vor allem mit Verschwendungsprozessen. Dabei reicht es nicht, allein den Schleifprozess zu betrachten, um die Effizienz einer Maschine zu bewerten – wir müssen die gesamte Wertschöpfungskette überblicken, bis hin zum Umgang unserer Kunden mit dem Produkt.

Herr Prof. Putz, wo sehen Sie die Parallelen vom Motorrennsport zu Werkzeugmaschinen? Prof. Putz: Ähnlich wie bei einem Fahrzeug, darf man auch bei Werkzeugmaschinen nicht nur eine Komponente betrachten – man muss den Rahmen groß setzen, um etwas zu erreichen. Vor zehn Jahren haben wir aufgehört, von „Wirkungsgrad“ zu sprechen und den Begriff „Effizienz“ eingeführt – weil das zu kurz gedacht war. Damals erschienen Studien, auch aus unserem Haus, die ganz pauschal sagten, dass man überall 30 Prozent einsparen könnte. „Blue Competence“ war die Antwort des VDMA (Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau), der sagte, dass wir nicht allein die Maschine betrachten dürften, sondern das ganze System, zumindest die Maschine und die Tech-

nologie. Unter diesem Aspekt haben auch wir unseren Betrachtungsrahmen erweitert auf die drei zentralen Themen in der Produktion: Qualität, Zeit und Kosten. Herr Haug, wie haben sich im Motorsport die Parameter in Hinblick auf Effizienz verschoben? Haug: Effizienz ist im Motorsport der Drehund Angelpunkt. Wer mit weniger mehr erreicht, ist vorne. Weniger Gesamtgewicht – und zur Erreichung des vorgeschriebenen Mindestgewichts das Anbringen von Zusatzgewichten an der tiefsten Stelle des Fahrzeugs – spart enorm viel Rundenzeit. Ein Gramm Gewichtsreduktion kostet in der Formel 1, sicherlich ungleich viel mehr als bei einer Werkzeugmaschine. Von schnellen und zielführenden Entscheidungen wie sie im Motorsport tagtäglich getroffen werden müssen, wenn man nicht untergehen und von der Konkurrenz überholt oder gar überrollt werden will, können andere Branchen nach meiner Einschätzung viel lernen. Herr Horn, gibt es einen Wissenstransfer vom Motorsport zum Maschinenbau? Horn: Bei Rennen sind die Prozesse auf Millisekunden genau getaktet. Der Motorsport kann Vorbild für Prozesse, aber auch für Materialien sein: Im Werkzeugmaschinenbau lässt sich mit Hochleistungswerkstoffen noch mehr Effizienz aus der Maschine holen. Es gibt dabei nicht die eine Lösung, sondern viele kleine Ansatzpunkte in einem Gesamtsystem, die zu einer effizienzsteigernden Lösung kommen. Es ist unser Anspruch, das Gesamtsystem beim Kunden zu betrachten, um ihn erfolgreicher zu machen. Wo und für welche Arbeitsschritte werden unsere Produkte eingesetzt? Wo generieren diese für den Kunden einen Mehrwert? Prof. Putz: Gerade die angewandte also sehr praxisnahe Forschung kann aus dem Motorsport viel gewinnen, wenn man lernt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Gerade jetzt, wo es immer mehr um Flexibilität

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„eS reicht nicht, allein den SchleifprozeSS zu Betrachten – Wir MüSSen die geSaMte WertSchöpfungSkette üBerBlicken, uM die effizienz zu BeWerten.“ Michael Horn

und die Individualisierung geht. Als deutsche Ingenieure ist es unser Alleinstellungsmerkmal seit vielen Jahren, dass wir alles machen und das immer zu 100 Prozent. Dabei verlieren wir aber auch mal das Ziel des Kunden aus den Augen, agil und wertschöpfend in den Wettbewerb zu treten. Haug: Fünf Jahre lang nach der 100-Prozent-Lösung zu suchen, kann weit weniger effizient sein, als anstelle dessen eine 70-Prozent-Lösung fünf Jahre lang in aller Entschiedenheit voranzutreiben. Nach fünf Jahren ist Vorgehen 2 in aller Regel uneinholbar vor Lösung 1. Herr Horn, sind Energiekosten für den Kunden ausschlaggebend? Horn: Die Kunden fordern heute, dass wir den Gesamtprozess betrachten und Einsparpotenziale aufzeigen. Damit rückt die reinen Maschinenkosten immer mehr in den Hintergrund zugunsten der Total Cost of Ownership. Letztendlich steht nur eine Frage im Vordergrund: „Was bringt unserem Kunden einen Mehrwert?“, denn dafür ist er bereit, Geld auszugeben. Wir müssen dem Kunden Potenziale aufzeigen, welche die gesamte Logistikkette einschließen.

Haug: Wenn die angestrebte Effizienzsteigerung mehr kostet als der jetzige Standard, findet man dafür beim Kunden in aller Regel erst einmal wenig Begeisterung. Bei unseren zahlreichen Motorsport-Engagements war das nicht anders: Wer die Wahrscheinichkeit der Verbesserung nicht eindrücklich nachweisen kann, wird sich schwer tun, den Zuschlag zu erhalten für einen kostenintensiven Mehraufwand, der sich ja erst später auszahlt. Herr Prof. Putz, verfolgt Ihr Konzept E3 einen ähnlich umfassenden Ansatz? Prof. Putz: Wenn man darüber spricht, wie die Produktion der Zukunft gestaltet sein soll, muss man sich auch fragen, was man anders machen muss als bisher oder wo noch Reserven liegen. Vor diesem Hintergrund ist das E3-Konzept an unserem Institut entstanden. Das erste E fußt auf unserer Kernkompetenz, den energieeffizienten Produktionstechniken, also Basistechnologien und Maschinen. Das zweite E entstand aus der Frage, was passiert, wenn ich eine effizientere Einzeltechnologie in eine bestehende Prozesskette integrieren oder Prozesse grundlegen neu gestalten will. Hier sind wir wieder bei der ganzheitlichen Betrachtung. Motion 02. 2015

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„Bei vielen Projekte werden wir schon im entwicklungsstadium miteingeBunden. so können wir den gesamtProzess mit Beeinflussen und maschine und anwendung gezielt darauf ausrichten.“ Michael Horn

Die „energieautarke, emissionsneutrale Fabrik“ ist hier als Leitvision entstanden. Das dritte E kam aus der Angst, dass wir alle älter werden: Ergonomie. Inzwischen denken wir ganz grundlegend über neue Konzepte zur Einbindung des Menschen nach, den wir als kreativen Problemlöser in den Mittelpunkt der Produktion stellen. Wenn es uns gelingt, diese drei Es integrativ übereinander zu legen, dann sind wir bei wirklich zukunftsträchtigen Innovationen. Herr Horn, zahlen energieeffiziente und ressourcenschonende Schleifmaschinen auf den Erfolg und damit das Wachstum des jeweiligen Unternehmens ein? Horn: Das schlägt sich sicher in der einen oder anderen Weise nieder. Viel wichtiger ist, das sehen wir beispielsweise in starken Wachstumsregionen wie in Asien, dass die Ressourcenknappheit und -verschwendung aktiv angegangen wird. Wenn Sie heute einem Kunden eine Lösung anbieten, um damit eingehenden Risiken zu minimieren, wird er ihnen dankbar sein. Dankbar, weil seine Maschine zum Erfolg beiträgt, bestimmte Ressourcen gar nicht mehr zu „verschwenden“. Wie ist das Verhältnis der UNITED GRINDING Group zum Motorsport? Horn: Nun, wir liefern beispielsweise Maschinen zur Herstellung von Kurbelwellen. Der Vorteil ist, dass wir heute bereits im Entwicklungsstadium miteingebunden werden. So können wir den Gesamtprozess mit beeinflussen und unsere Lösung gezielt auf die Anforderungen unserer Kunden ausrichten. Früher stand das Werkstück im Fokus, und schrittweise versuchte man die kundenoptimale Lösung zu erreichen. Die ganzheitliche Sicht von heute ist effektiver bietet uns mehr Mitwirkungsmöglichkeiten. Was waren die Evolutions- oder Innovationssprünge bei hocheffizienten Motoren?

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Haug: Aktuell seit letzter Saison die sogenannte „Power Unit“. Ein hochinteressantes technisches Wunderwerk: nicht nur ein klassischer Verbrennungsmotor, sondern mit Systemen arbeitend, die aus Verlustenergie Zusatzleistung schaffen. Im Vergleich zum etwa gleichstarken V8-Verbrennungsmotor wurden von einem Jahr auf das andere über 30 Prozent weniger Treibstoffverbrauch realisiert – ein Quantensprung also. Mercedes hat die seit vielen Jahren konsequent praktizierte enge Zusammenarbeit zwischen Serie und Motorsporttechnik zur Marktführerschaft, zum anerkannt besten Antrieb der Branche, geführt. Bei AMG ist die Motorsportwettbewerbsdenke vom ersten Tag an existent und daraus wurde eine weltweit vielbeachtete Erfolgsgeschichte mit ganz enormer Nachfrage am Markt geschrieben. Ohne den im Motorsport gelernten Spirit wäre dieser beeindruckende Erfolg sicher so nicht möglich gewesen. Horn: Bei uns kommen Ansätze für Innovationen auch aus einem intensiveren Austausch mit unseren Lieferanten durch deren Einbindung in unsere Wertschöpfungskette. Wie ist das im Motorsport? Haug: Genauso. Wenn man sie so früh wie möglich in den Prozess integriert, haben zwei Köpfe im Idealfall bessere und konstruktivere Ideen als einer. Im Motorsport muss immer ein paar Schritte vorausgedacht werden und man ist im besten Sinne wettbewerbssüchtig. Diese Wettbewerbsdenke konsequent zu praktizieren ist nach meiner Überzeugung ein wichtiger Erfolgsfaktor. Zwei positiv rivalisierende Teams im Haus für ein- und dasselbe Thema einzusetzen ist in der Konsequenz meist effizient. Der Wettbewerbsgedanke steckt im Menschen – wenn das positiv gelebt wird, geht es voran, wenn nicht, stagniert alles. Ist die Elektrifizierung des Rennsports ein Schritt in Richtung Effizienz? Haug: Das ist eine gute und gut gemachte Initiative. Die Formel E in ihrer medialen Wir-

„in der forSchung haBen Wir gelernt, daSS Man auS deM MotorSport viel geWinnen kann, Wenn Man lernt, Sich auf daS WeSentliche zu konzentrieren.“ Matthias Putz

kung mit der Formel 1 zu vergleichen, wäre augenblicklich die Relation von einem Millimeter zu einem Kilometer. Es gibt gute Rennen in der Formel E und gute Namen, darunter viele ehemalige Formel-1-Fahrer. Die Rennautos haben wenig Abtrieb, fahren auch mal zu dritt durch die Kurve, es gibt spektakuläre Szenen, alles ist diesbezüglich gut. Doch – wie bei der automobilen Elektrifizierung insgesamt – fehlt es an Reichweite. Doch der Wettlauf um die leistungsfähige Batterie ist ja in vollem Gange. Die Batterie, ihr Gewicht, ihre Größe und ihre Leistungsfähigkeit wird bekanntlich der Dreh- und Angelpunkt für die Chancen der Elektrifizierung von Automobilen sein. Inwieweit kann die Digitalisierung zur Erhöhung der Effizienz betragen? Stichwort: Industrie 4.0. Horn: Industrie 4.0, die Informatisierung der Fertigungstechnik, ist ein absolutes Effizienzthema. Unsere Werkzeugmaschine sollen zukünftig weit im Voraus wissen, welches Werkstück auf sie zukommt. Zum Beispiel verwenden wir eine Schleifscheibe, die Informationen mitbringt. Porosität, gemessene Dichte, qualitative Eigenschaften, Kühlmedium – diese Informationen werden von der Maschine verarbeitet und im Pro-

zess berücksichtigt. Das wird den Bauteilen für Nachfolgeprozesse mitgegeben, um dort das Optimum herauszuholen. Unter der Begrifflichkeit „Industrie 4.0“ steht die Betrachtung bereits bestehender oder neuer Technologien (Digitalisierung, neue Medien …) in Kombination mit bestehenden und neuen Anwendungen. „Industrie 4.0“ wird der Innovationstreiber der Zukunft. Herr Prof. Putz, kommt die Industrie 4.0 in Deutschland schnell genug voran? Prof. Putz: Nein! Industrie 4.0 heißt, dass aus Daten durch intelligente Vernetzung Informationen entstehen, aus denen Wissen und schließlich Wertschöpfung generiert werden kann – neue Produkte, neue Märkte. Wenn etwa in einer Studie unsere Industriepartner sagen, dass sie glauben, in ihren Kernbereichen Maschinen- und Automobilbau sei Industrie 4.0 in vier oder fünf Jahren für sie relevant, dann ist das meiner Meinung nach zu spät. Ich glaube, dass unser Gespräch heute gezeigt hat, dass wir das Thema Industrie 4.0 nicht nur schneller brauchen, sondern dass wir es ganz konkret in einer zentralen Frage weiterdenken müssen: Wie wollen wir in Zukunft produzieren? Vielen Dank für das Gespräch! Motion 02.2015

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