Evonik-Magazin 2/13 – Kleine Geschichte der Effizienz

Page 1

G E S E L L S C H A F T 25

Schiffsmühlen gehören zu den frühesten Wasserkraftwerken. Die älteste stammt aus dem Jahr

540

EFFIZIENTE NUTZUNG DER WASSERKRAFT Die Energie des Wassers genau dort aufzunehmen, wo sie entsteht, das leisten Schiffsmühlen. Sie sind mit ihren Wasserrädern als schwimmende Plattform im Fluss errichtet. Unser Bild zeigt die Schiffsmühle in Ginsheim am Ufer des Rhein – gegenüber Mainz. 2011 wurde diese Rekonstruktion einer historischen Schiffsmühle hier verankert

nach Christus

Zahl der Schiffsmühlen, die 1850 auf dem Rhein zwischen Basel und Koblenz lagen

60 OBST IST GESUND, gesünder zumindest als Donuts.

Eine moderne Schiffsmühle kann pro Jahr Strom produzieren für circa

1.760 € Mindestens nötige Fließgeschwindigkeit des Flusses

Meter pro Sekunde

Kleine Geschichte der Effizienz Seit 1512 ein Vertrauter Machiavellis verlangte, ein Staat dürfe nur nach seiner Effizienz beurteilt werden, ist viel Wasser den Arno, die Ruhr und die Themse hinuntergeflossen. Heute in Zeiten des wachsenden Umweltbewusstseins und der erforderlichen Nachhaltigkeit ist Effizienz zu einer eigenen Wirtschaftsphilosophie geworden – und zur Messlatte für das Handeln von Individuen, Unternehmen und ganzen Volkswirtschaften TEXT MICHAEL HOPP

Evonik-Magazin 2 | 2013

FOTO: JÜRGEN SCHREPFER

1,5

Das weiß jeder. Doch erst wenn ein Spiegel hinter dem Büfett angebracht ist, greifen Menschen eher zum vitamin- als zum zuckerreichen Snack. Das ist eines der Beispiele, die aufgeführt werden, wenn das „Nudge“Konzept der US-Verhaltensökonomen Prof. Dr. Dr. h. c. Richard H. Thaler und Prof. Dr. Cass R. Sunstein erklärt werden soll. „Der Mensch ist von Natur aus kein rational handelndes Wesen“, erläutert Thaler, „er ist träge, verliert schnell die Übersicht und lässt sich leicht beeinflussen.“ Daher müsse er oft von außen veranlasst werden, das Richtige zu tun – für sich, aber auch für die Allgemeinheit. Und dies geschähe am besten mit einem „Nudge“, einem Schubser, der ihn auf den Pfad der Tugend lenkt. Englands Premierminister David Cameron war 2010 von dem Konzept so angetan, dass er eine „Nudge Unit“ gründete, mit dem Ziel, die öffentliche Verwaltung effizienter zu gestalten. Eine kleine Truppe von Professoren machte sich daran, „Nudges“ zu entwickeln, die wirksamer sind als Gebote, Verbote oder Informationsbroschüren. Etwa für die Jobcenter: Bisher mussten die Antragsteller bis zu sieben Formulare ausfüllen, bevor das erste Mal mit ihnen gesprochen wurde. Der „Schubser“ bestand nun darin, die Reihenfolge umzukehren, erst Gespräch, dann Formulare. Ergebnis: 15 bis 20 Prozent Steigerung des Anteils derer, die nach nur einem Beratungsdurchgang wieder in Arbeit gebracht werden konnten. Ähnlich erfolgreich war die „Nudge“-Idee der Finanzämter, Mahnschreiben für die Einkommensteuer mit einem Vermerk zu versehen: „42 Prozent der Steuerpflichtigen Ihres Stadtteils haben ihre Steuern bereits beglichen.“ Im nächsten Anschreiben war

Evonik-Magazin 2 | 2013


26 G E S E L L S C H A F T

G E S E L L S C H A F T 27

Seit den 1960ern gilt das Motto: Zeit ist Geld

Anteil der Windenergie am Energiebedarf Deutschlands 2011

8% Nutzbare Volllaststunden der Windenergie an der Nordsee

pro Jahr.

In Deutschland in Betrieb befindliche Windkraftanlagen

21.164 Zahl der Windmühlen in Europa im 19. Jahrhundert

200.000 Evonik-Magazin 2 | 2013

die Prozentzahl schon angestiegen. Für Kfz-Steuer-Säumige wurden die Mahnungen in einer Version mit der großen Überschrift „Bezahlen Sie Ihre Steuer, oder verlieren Sie Ihr Auto“ versehen, in einer anderen kam noch ein Foto des Autos dazu. Die erste Version verdoppelte, die zweite verdreifachte die Zahlungseingänge im Vergleich zu den bislang gängigen Schreiben. Inzwischen interessiert sich auch US-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Barack Obama für das „Nudge“System, und in England ist die Truppe so erfolgreich, dass sie ihre Dienste nun auch in der freien Wirtschaft anbietet. Die obrigkeitliche Effizienzerhöhung mit den Mitteln der Verhaltenspsychologie mag nicht jedermanns Sache sein, doch zeigt das Beispiel, dass auch ungewöhnliche Ideen gefragt sind, wenn die Effizienz erhöht werden soll.

EFFIZIENTE NUTZUNG DER WINDENERGIE Die Kinderdijk-Windmühle in der Nähe von Rotterdam (Niederlande) wurde um 1738 erbaut. Die ersten Windmühlen der Menschheitsgeschichte gab es vermutlich schon 1750 vor Christus in Babylon. Windmühlen fanden ihre erste Verwendung als Mahlmühlen, Säge- oder Pumpwerke. Die Windkraftanlagen von heute, wie sie etwa in Offshorewindparks Energie erzeugen, sind die Nachfolger der Windmühlen

Schon 1512 wurde Effizienz gefordert

FOTO: PLAINPICTURE/BENJAMIN RONDEL

2.000

Wenn wir heute von Effizienz sprechen, meinen wir meist die Verwendung von Rohstoffen sowie Technologien und Verfahren, die deren Einsatz optimieren können. David Camerons „Nudge“-Kampagne steht in einer langen Tradition, da der Fachbegriff von der Effizienz historisch seinen Ursprung in der politischen Verwaltung nimmt. Seinen Ursprung als Fachterminus hat das Wort, das heute wahrscheinlich so häufig verwendet wird wie nie zuvor, im Jahr 1512 in der Politik der Florentiner Renaissance-Republik; der Politiker und Historiker Francesco Guicciardini, ein enger Vertrauter Machiavellis, forderte, die Qualität einer Regierung dürfe nur aufgrund ihrer „effeti“ beurteilt werden – also an den Leistungen der Politik für das Gemeinwohl. Auch im weiteren Verlauf der Geschichte, etwa im aufgeklärten Absolutismus, bezog sich der

Begriff auf die Steigerung der Effizienz des Staates oder der Strafverfolgung. Ein Begriff von Effizienz im Sinne von Nutzenoptimierung entwickelte sich erst in den folgenden Jahrhunderten. In Europa war Dr. Karl Marx der erste, der ein Theoriegebäude um den Gedanken errichtete, was eine Gesellschaft tatsächlich für die Herstellung eines Produkts aufwenden muss. „Der Preis ist der Geldname der in der Ware vergegenständlichten Arbeit“, schrieb er in „Das Kapital“ (1867). Eine Frühform des Effizienz-Gedankens findet sich auch in Marx’ Konzept der „Ressourcenallokation“, bei der es um die Zuordnung knapper Ressourcen wie Arbeit, Kapital, Boden und Rohstoffen geht. Während Karl Marx zur Lösung des Problems nur verordnete Gleichheit und die Vision einer perfektionierten Planwirtschaft sah, entwarfen 100 Jahre später Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Milton Friedman und seine „Chicago-Boys“ fast spiegelbildlich das Konzept des „perfekten Marktes“. Der Philosoph Sir Prof. Dr. Karl R. Popper deckte schließlich die Verwandtschaft der beiden Konzepte auf, die auf derselben Prämisse beruhen: Die Weltwirtschaft ist ein Nullsummenspiel, bei dem den einen genommen und den anderen gegeben wird. Für die Dynamik des Wachstums, für Psychologie oder die Innovationskraft der Ideen Einzelner ist in diesen Modellen kein Platz. Die Karriere unseres Wortes von der Effizienz nimmt nun verschlungene Wege. Die reine Lehre der Effizienz bleibt zunächst auf bestimmte Regionen der Welt beschränkt, nur in den Ländern mit einer weit zurückreichenden Geschichte der Industrialisierung werden im Laufe des 20. Jahrhunderts Zeit und Gelderwerb eng verknüpft zu einem mächtigen Stimulans: Da Zeit eine begrenzte Ressource ist, Geld aber

Evonik-Magazin 2 | 2013


28 G E S E L L S C H A F T

G E S E L L S C H A F T 29

„Wo der Besen nicht hinkommt …“

Von Luther bis Steve Jobs: Seit Langem machen sich die Menschen Gedanken über Effizienz. Das zeigen unsere gesammelten Zitate aus fünf Jahrhunderten

Prof. Dr. Tomáš Sedláček (*1977), tschechischer Ökonom

Mao Zedong (1893 – 1976), chinesischer Staatspräsident

Prof. Dr. Dr. h.c. John Maynard Keynes (1883 – 1946), britischer Ökonom

Prof. Dr. Dr. h.c. Peter F. Drucker (1909 – 2005), US-amerikanischer Ökonom

Prof. Dr. Martin Luther (1483 – 1546), Reformator

„Es braucht jemanden, der die Wirtschaft daran hindert, alles zu berühren. Es ist wie der Central Park in New York. Rundherum herrscht Effizienz, aber im Park ist sie verboten. Der Park gehört der Muße und den Eichhörnchen.“

„Wo der Besen nicht hinkommt, wird der Staub nicht von selbst verschwinden.“ „Das politische Problem der Menschheit ist die Kombination von drei Dingen: ökonomischer Effizienz, sozialer Gerechtigkeit und individueller Freiheit.“

„Nichts ist weniger effizient, als etwas effizienter zu machen, was überhaupt nicht gemacht werden sollte.“ „Denn Gott will keine faulen Müßiggänger haben, sondern man soll treulich und fleißig arbeiten, ein jeglicher nach seinem Beruf und Amt, so will er den Segen und das Gedeihen dazugeben. Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen.“

Dr. Dr. h.c. mult. Angela Merkel (*1954), Bundeskanzlerin, MdB, CDU

„Ein effizienter, fairer, sorgsamer Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen ist das A und O unserer zukünftigen Gestaltung der Welt.“

Dr. Norbert Röttgen (*1965), MdB, ehemaliger Bundesumweltminister, CDU

„Eine Kultur der Schonung und der Effizienz zu entwickeln und ökonomisch durchzusetzen ist eine Herausforderung, von der wir ökonomisch, ökologisch und auch gesamtgesellschaftlich profitieren.“

Graffito, Autor unbekannt

„Effizienz ist nur die Faulheit der Intelligenten.“

Prof. Dr. Wolfgang Sachs (* 1946), deutscher Soziologe, Mitglied im Club of Rome und im wissenschaftlichen Beirat von Attac

„Die Effizienzrevolution bleibt richtungsblind, wenn sie nicht von einer Suffizienzrevolution begleitet wird. Eine Ökologie der Mittel muss Hand in Hand mit einer Ökologie der Ziele gehen. Nichts ist schließlich so irrational, als mit einem Höchstmaß an Effizienz in die falsche Richtung zu jagen.“

Dr. Dr. Ludwig Reiners (1896 – 1957), deutscher Kaufmann und Schriftsteller

„Millionen von Arbeitsstunden gehen jedes Jahr durch unzureichende Lehrbücher verloren.“

Steven „Steve“ Jobs (1955 – 2011), US-amerikanischer Unternehmer und Apple-Gründer

Bewusstsein für die Begrenztheit der Ressourcen

„Klick. Bumm. Fantastisch!“

Dr. h.c. mult. Gerhard Schröder (*1944), Altbundeskanzler, SPD

„Wir brauchen ein Sozialsystem, in dem endlich Marktwirtschaft und Effizienz einkehren, sonst bleibt es unbezahlbar.“

Henry Ford (1863 – 1947), US-Unternehmer und Erfinder der Massenproduktion

„Wer aufhört zu werben, um Geld zu sparen, kann ebenso seine Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.“

eine theoretisch unbegrenzte, liegt im – effizienten – Umgang mit der Zeit der Schlüssel zur Geldvermehrung. Daher gilt ab den 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts das volkstümliche Motto: Zeit ist Geld. Von der Stechuhr in der Fabrik, die einen bestimmten Zeiteinsatz garantieren sollte, bis zur Entwicklung des Kalenders auch zum privaten Gebrauch entsteht eine breite Kultur des Zeitmanagements, dem hohe Effizienzwirkung unterstellt wird. Oftmals verwechselt wurden zu dieser Zeit noch die Begriffe „Effektivität“ und „Effizienz“, bis in Deutschland im Jahr 1982 das Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN) ein Machtwort spricht, und die Unterscheidung trifft: Effektivität ist „die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen“. Effizienz dagegen ist ein Maß für den „im Verhältnis zur Genauigkeit und Vollständigkeit eingesetzten Aufwand, mit dem Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen“. Eine umfassendere Theorie der Effizienz entsteht erst um die Jahrtausendwende, als mit der weltweiten Klimadiskussion die Notwendigkeit des reduzierten Verbrauchs beziehungsweise des Ersatzes der fossilen Energieträger ins Bewusstsein rückt. Ein Umdenken scheint notwendig, wenn es etwa um die Frage nach der Versorgung der Weltbevölkerung mit bezahlbarer Energie geht. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Dennis Meadows’ 1972 postuliertes Dogma von den „Grenzen des Wachstums“ behält bis heute drängende Aktualität, insofern es Bewusstsein schafft für die Begrenztheit der Ressourcen. Mit der These, dass daraus das „Ende des Wachstums“ abzuleiten wäre, steht Meadows zu Beginn des neuen Jahrtausends allerdings zunehmend isoliert da. Überzeugend wirken jetzt die Möglichkeiten der neu entstehenden, effizienten und nach-

haltigen Technologien, deren Entwicklung bei Weitem nicht bloß der Idee des reinen Wachstums geschuldet ist, sondern vielmehr den drängenden Fragen, die sich aus einer rasch anwachsenden Weltbevölkerung ergeben und dem rasant steigenden Konsum der Schwellenländer. Die „Effizienz-Revolution“ entwickelt sich zu einer Plattform, auf der sich verschiedene Disziplinen der Industrie verknüpfen und wirksam werden können. Der chemischen Industrie, und vor allem der Spezialchemie, kommt hier eine Schlüsselrolle zu, da ihre Produkte entscheidend dazu beitragen, die knappen Ressourcen der Welt effizienter zu nutzen.

„Effizienzrevolution“ im Alltag Die Effizienz wird dabei zu einem Blickwinkel, der sich auf viele Felder anwenden lässt. In Unternehmen werden nicht nur die für jeden sichtbare Produktentwicklung, sondern auch unterschiedliche interne Bereiche und Prozesse auf den Prüfstand der Effizienz gestellt, unter – dem selbst sehr „effizienten“ – Parameter neu bewertet und mit neuen Ideen gefüttert. Gleichzeitig wird ständig der Nachweis erbracht, wie gut effiziente Technik funktioniert. Häuser können heute als Passivhaus ohne klassische Gebäudeheizung gebaut werden. Licht verbraucht dank LED-Technik nur mehr einen Bruchteil des bisherigen Stroms. Für das „Volltanken“ eines Elektroautos kann man schwerlich mehr als 10 € ausgeben. Fernab jeder Theorie betreffen diese Effekte jeden, sie sind massenwirksam, entfalten in allen Regionen der Welt Wirkung und verändern rasch auch die Sichtweisen der Menschen. Das ist die Macht der „Effizienzrevolution“: Sie findet vor allem im Alltag statt. Von der Zahnbürste, dem Föhn bis zu Auto, Handy und Compu-

FOTOS: KIRCHGESSNER/LAIF, ARCHIV (6), BUNDESTAG/LICHTBLICK/MELDE, SHUTTERSTOCK, PR, PICTURE ALLIANCE (3)

Evonik-Magazin 2 | 2013

Evonik-Magazin 2 | 2013


G E S E L L S C H A F T 31 FOTO: DDP IMAGES

30 G E S E L L S C H A F T

Mit den Kosten runter

Worüber man weniger gern spricht: Effizienz kann auch Sparen bedeuten. Unternehmen gehen sehr unterschiedlich damit um

Anzahl der Personen, für die Wassertriebwerke 2012 in Deutschland Strom lieferten

13

Millionen

Eine Keynote auf der MacWorld sollte gute Laune verbreiten. 5 bis 6 Millionen Computer wolle man im Jahr verkaufen. Dann verhagelte eine Verlustmeldung über 96 Millionen US-$ fürs erste Quartal die Stimmung. Sofort gingen Gerüchte über Massenentlassungen um, und die Kommentatoren spotteten: „Nie war die Apple-Aktie so wertlos wie heute.“ Sie haben recht: Die Geschichte ist alt, von 1996, also aus der Zeit vor iPhone und iPad, jenen Innovationen, die Apple im neuen Jahrtausend zum wertvollsten Unternehmen der Welt machten. Doch im Laufe seiner Geschichte stand der Computerhersteller zweimal auf der Kippe. Sicher wird er in solchen Zeiten einen genauen Blick auf die Ausgaben gehabt haben; vom eingeschlagenen Weg ließ sich Apple aber nicht abbringen, investierte in eigene Stärken und entwickelt sich bis heute mit beispielloser Innovationskraft. Erinnern Sie sich an José Ignacio López? Der Manager gelangte zu zweifelhaftem Ruhm, als er Ende der 80er-Jahre mit brutalen Sparmaßnahmen bei Opel aufräumte. Die Folgen: Kostensenkungen, Qualitätsmängel, die Opel-Krise nahm ihren Lauf und der „López-Effekt“ fand Eingang in die Lehrbücher. Heute steht er für die Fälle, in denen Unternehmen kaputtgespart werden, mit allen Konsequenzen. Die schlimmste: keine Innovationen mehr. „Wer zu spät an Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen“, sagt der Industrielle und Designer Philip Rosenthal. „Wer zu früh an Kosten denkt, tötet die Kreativität.“

Mit 1.000 Liter Wasser, die von der Spitze des Eiffelturms fallen, lässt sich Strom für eine Waschmaschinenfüllung erzeugen

1

Kilowattstunde

Menschen nutzen Wasserkraft seit

5.000

Jahren

Anteil der Energieversorgung, den Brasilien mit Wasserkraft deckt

%

ter – die Produkte, deren Verfügbarkeit unseren Wohlstand definiert, müssen unter hohem Einsatz von Energie und Ressourcen hergestellt werden und verbrauchen bis an ihr Ende und darüber hinaus Energie. Wenn wir diese Ausstattung beibehalten wollen, sind wir – bei sinkenden Ressourcen und damit steigenden Preisen – gezwungen, den Ressourceneinsatz für diese Produkte zu minimieren, wenn er sich nicht in den Verbraucherpreisen abbilden soll. Sparsamere Autos und Hausgeräte, energieautarke Wohn-, Büro- und Produktionsgebäude werden sich auf den Märkten daher immer besser durchsetzen können. Es sieht so aus, als wäre das Effizienz-Gen bereits unwiderruflich eingeschrieben in die DNA der Märkte, und nicht nur in die der Industrieländer. Die Einhaltung der Effizienzgebote ist gerade in den Schwellenländern unumgängliche Voraussetzung für den Wohlstand für alle, denn verliefe die Entwicklung zu höherer Ressourcenschonung identisch wie in den Industrieländern, wären die Umweltkosten unabsehbar hoch. Da sich so viele Hoffnungen auf sie gründen, ist die Effizienz nicht nur zu einer vorherrschenden Wirt-

Evonik-Magazin 2 | 2013

schaftsphilosophie, sondern auch zur Wissenschaft geworden. Die Effizienzforschung – teils in Unternehmen betrieben, teils von Hochschulen und Instituten – begleitet Gesellschaft und Wirtschaft in ihrer großen Transformation. „Die technische kennt ebenso wie die biologische Evolution Gewinner und Verlierer, und die Geschwindigkeit der Anpassung ist ein entscheidender Faktor“, heißt es im Jahresbericht 2012 der Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e.V. Die Forscher begründen Effizienz als unausweichlichen evolutionären Vorgang: Wer ein Ziel erreicht, ohne alle seine Ressourcen zu verbrauchen, ist im Vorteil gegenüber dem, der das Ziel ebenfalls erreicht, aber dann keine Reserven mehr hat. Effizienz ist ein zentrales Muster der Natur, und gerade die frühen und effizientesten Erfindungen des Menschen – wie Wasserrad oder Windmühle – waren eng mit den Kräften der Natur verbunden. Die Steigerung von Effizienz ist in der Natur ein Gesetz und läuft auch unabhängig vom Menschen. Allerdings haben wir die Chance, mitzumachen und sie zu unserem Vorteil zu nutzen. Es gibt keinen Grund, dies nicht zu tun. Mit oder ohne „Nudges“.

EFFIZIENTE NUTZUNG DER WASSERKRAFT II Effizienter lässt sich die Energie des Wassers ausnutzen, wenn man fließendes Wasser zusätzlich aufstaut. Das Wasser wird durch eine Wasserturbine geleitet, die die Energie des Wassers in eine mechanische Drehbewegung umwandelt, welche dann wiederum einen Generator antreibt. Schon 1853 wurde an den Niagarafällen Strom erzeugt, Deutschlands erstes Wasserkraftwerk entstand 1890 in Bad Reichenhall

Sparen für höhere Effizienz „Kostensparen allein macht Unternehmen nicht wettbewerbsfähig“, befindet der langjährige Fraunhofer-Präsident Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger. Selbst in Zeiten nachlassender Konjunktur müsse oftmals zuerst investiert werden – in die Effizienz. Tabu für Sparmaßnahmen sollten Ausbildung, Sicherheit und Zukunftsinvestitionen sein. Jedes Unternehmen muss seinen Weg beim Sparen finden. Doch für alle gilt: Bei wachsender Konkurrenz und stagnierenden Einnahmen muss man an den Ausgaben feilen. Diese Einschätzung scheint sich derzeit einmal mehr zu verfestigen. Allein in Deutsch-

FOTO: FOTOLIA

90

Auf den individuellen Mix an Maßnahmen kommt es an

lands 30 DAX-Konzernen laufen nach Berechnungen des „Handelsblatts“ in diesem Jahr Sparprogramme von rund 20 Milliarden €. Auch in der deutschen Chemieindustrie sah man zuletzt verhaltene Prognosen. Für 2013 geht die Branche nur von einem Anstieg der Produktion um 1,5 Prozent aus. Die Umsätze im Inland waren in der ersten Jahreshälfte rückläufig, der Absatzmarkt Europa erholt sich, in den Märkten Asien und Lateinamerika schwächt sich die Konjunktur ab. Beim oft notwendigen Sparen ist das „Wie“ entscheidend. Die Erfahrungen vieler Unternehmen zeigen: „Gutes Sparen“ macht effizienter. Wettbewerbsfähigkeit, profitables Wachstum und gute Perspektiven für Arbeitsplätze sind untrennbar verbunden, ebenso schlanke Prozesse, kurze Entscheidungswege und innovative Produkte. Wichtig ist aber auch die Einbindung der Mitarbeiter. Denn immer wieder zeigen Beispiele, dass Mitbestimmung Wege aus Krisensituationen eröffnen kann. Mitarbeiter wissen meist um die Bedeutung von Effizienzsteigerung: Hätte die Produktion heute noch den Stand von vor zehn Jahren, wäre man nicht mehr konkurrenzfähig. Die Erfahrung zeigt: Wenn Effizienzinitiativen nachvollziehbar die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, werden sie auf breiter Basis mitgetragen.

Evonik-Magazin 2 | 2013


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.