30 HT WK Internat ional
PODIUM.
Senior Experte - ein Ehrenamt für den Ruhestand Die meisten Professoren sind Beamte auf Lebenszeit. Mit der Pensionierung endet ihre aktive Tätigkeit in Hörsaal und Labor. Natürlich bleibt man als Emeritus seiner Fakultät verbunden, Alumniarbeit und der Förderverein freuen sich über Unterstützung. Aber soll es das schon gewesen sein?
Der Senior Experten Service (SES) …
Foto: W. Sobek
… ist die größte deutsche Ehrenamts- und Entsendeorganisation für Fach- und Führungskräfte im Ruhestand. Weltweit gibt die gemeinnützige Gesellschaft mit Sitz in Bonn seit 1983 Hilfe zur Selbsthilfe, vornehmlich in Entwicklungs-, Schwellen- und Reformländern, aber auch in Deutschland. Träger sind die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft. Die Auslandsaktivitäten des SES werden auch vom Entwicklungshilfeministerium gefördert. SES-Experten zeichnen sich durch langjährige Berufserfahrung aus. Sie geben ihr Wissen ehrenamtlich weiter und qualifizieren Fachkollegen in aller Welt. 12.000 registrierte Experten bringen das Knowhow aus rund 50 Wirtschaftszweigen mit. www.ses-bonn.de
Foto: privat
I
Prof. Wolfgang Sobek wolfgang.sobek@htwk-leipzig.de Prof. em. Wolfgang Sobek ist für den SES weltweit als Berater tätig. Bis 2011 lehrte er an der HTWK Werkstoffe der Druck-, Verpackungs- und Medientechnik.
ch hatte mich bereits in den letzten Semestern mit dem Senior Experten Service beschäftigt (siehe Infobox zum SES). Dessen Experten werden vermittelt, sofern sie sich für einen passenden Auftrag bereit erklären. Die Tätigkeit ist unentgeltlich, die notwendigen Spesen (Flug, Unterkunft, Verpflegung und Transport am Einsatzort) trägt aber der Auftraggeber. Mein erster Einsatz führte mich im November 2011 in die nordphilippinische Provinzhauptstadt Vigan, wo ich im Auftrag des City Government örtliche Unternehmen bei der touristischen Vermarktung lokaler Lebensmittel (Würste, Backwaren, Obst etc.) unterstützte. Landestypische Produkte werden auf dem Markt meist in Papier oder Bananenblätter verpackt – für Käufer bringt das spätestens bei der EU-Einreise Probleme. Also klassifizierte ich circa 40 Produkte nach ihrem Gefährdungspotenzial (steril, feuchtigkeitsempfindlich etc.) und empfahl geeignete Packstoffe oder Verpackungen. Neben dieser Beratertätigkeit führte ich vor allem Schulungsseminare mit den Herstellern durch. Die Zusammenarbeit verlief hervorragend. Überrascht war ich allerdings, als ich am zweiten Tag aufgefordert wurde, mein Projekt in der Stadtverordnetensitzung vorzustellen. Auf die Rede an die »honorable deputies« hätte ich mich gern vorbereitet … Natürlich gehört zum Aufenthalt auch ein wenig Tourismus: Vigan ist eine wunderschöne Stadt. Dort steht eine der ältesten von den Spaniern außerhalb Europas
erbaute Kathedrale und die gesamte Altstadt gehört zum Unesco-Weltkulturerbe. Meine Unterkunft befand sich direkt am Pazifikstrand. Auch für Emeriti muss der November kein trister Monat sein. Im Juni diesen Jahres unterstützte ich einen jordanischen Druckfarbenhersteller bei der Anpassung an die veränderte Mediensituation. Der Einsatz in einem islamischen Land erforderte natürlich besondere Vorbereitung. Hierbei unterstützte mich vor allem der Kollege der Fakultät Wirtschaftswissenschaften Prof. Peter Uecker. Nach seiner Pensionierung war er als Prorektor an der German Jordanian University in Amman tätig, einer Partnereinrichtung der HTWK. Übrigens: Noch während meiner Zeit in Amman erreichte mich eine Anfrage von einem indischen Druckfarbenhersteller. Der Druck- und Verpackungssektor unserer Hochschule ist also weltweit gefragt. Auch in der Lehrausbildung sind ehemalige Hochschullehrer gefragte Senior Experten. In den Staaten der früheren Sowjetunion – ein Kerngebiet für SESTätigkeiten – sind die Kollegen aus der früheren DDR zudem sprachlich im Vorteil. Unabhängig von den benötigten Sprachkenntnissen vermag ich aus eigenen Erfahrungen zu sagen: Die Aufgabe ist höchst sinnvoll, nicht zuletzt für die Ruheständler selbst. ffProf. Wolfgang Sobek