Gründungsförderung an der HTW Berlin

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GrĂźndungsfĂśrderung an der HTW Berlin Erfolgsgeschichten seit 2001



GrĂźndungsfĂśrderung an der HTW Berlin



Inhalt

04 Vorwort 06 09 10 12 15

Die Entwicklung der Gründungsförderung Das Start up-Kompetenzzentrum Die Aufgaben der Gründungsförderung Das Gründernetzwerk Das Team vom Start up-Kompetenzzentrum

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Bildung, Beratung und Betreuung Impressionen zur Sommeruni

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Aus der Praxis: 13 Gründerportraits

74 Ein bleibender Eindruck 75 Schlusswort


Vorwort Die HTW Berlin begreift sich als eine auf die Berufspraxis ausgerichtete, akademische Ausbildungsstätte und als anwendungsorientierte Entwicklungspartnerin für die regionale bzw. überregionale Wirtschaft. Ihr zentrales Anliegen besteht darin, das akademische Potential der Einrichtung verstärkt auch für kleine und mittlere Unternehmen nutzbar zu machen. Ziel ist es, die Hochschule für diese Unternehmen, das heißt nicht zuletzt auch für Existenzgründer/-innen und Jungunternehmer/-innen, zur ersten Anlaufstelle zu machen, wenn es um die Lösung technischer, wirtschaftlicher oder gestalterischer Probleme geht. Die HTW Berlin ist inzwischen für kleine und mittlere Unternehmen, die akademisch gebildete und praxisorientierte Nachwuchskräfte suchen, zu einer der wichtigsten Adressen geworden. Ihr Leistungsangebot vermittelt darüber hinaus aber auch Fachwissen und Führungskompetenzen für den Aufbau eines eigenen Unternehmens. 4

Absolventen der HTW Berlin haben bekannte und weniger bekannte, große und kleine Unternehmen in den verschiedensten Branchen hervorgebracht. Zu diesen Absolventen zählen zum Beispiel Gründer und Mitgründer der ZANOX AG, der PIN MAIL AG, der sofatutor GmbH, der ecoIntense GmbH und der Derrixx GmbH. Für die Kreativwirtschaft stehen stellvertretend Axel Völcker, bekannt durch das Magazin „Der Wedding“, oder Modedesigner/-innen wie Sissi Goetze und Hien Le. Unter den Studierenden ist das Interesse an einer Unternehmensgründung besonders ausgeprägt. Rund zwei Drittel der Studierenden denken ernsthaft über diese berufliche Option nach. Absolventenbefragungen belegen, dass dann rund 14% aller Bachelorabsolvent/-innen innerhalb eines Jahres nach Studienabschluss tatsächlich gründen.


Für viele waren bzw. sind die Ausbildung und die zusätzlichen Unterstützungsangebote der Hochschule eine wertvolle Hilfe bei ihrer Entscheidung für die Selbstständigkeit sowie in der anschließenden Gründungsphase. Diese Broschüre wirft einen Blick zurück auf die Anfänge der Gründungsförderung an der HTW Berlin und stellt das heutige Kernstück ihrer Arbeit vor: das Start up-Kompetenzzentrum. Mit seinem umfangreichen Lehr- und Beratungsangebot begleitet es bereits seit über 13 Jahren Studierende, Alumni, Professoren/-innen und wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen der Hochschule.

Die Beispiele zeigen, dass die berufliche Selbstständigkeit eine spannende Alternative zur abhängigen Beschäftigung ist und viel Raum zur Selbstverwirklichung bietet. Sie sollen Mut machen, es diesen Gründern gleich zu tun. Prof. Dr. Klaus Semlinger Präsident der HTW Berlin Prof. Dr. Birgit Müller Vizepräsidentin für Lehre an der HTW Berlin

Den Mittelpunkt dieser Broschüre bilden 13 Portraits von Absolventen/-innen unterschiedlicher Studiengänge, die das Wagnis einer unternehmerischen Existenzgründung eingegangen sind.

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Die Entwicklung der Gründungsförderung an der HTW Berlin Berlin ist die „Gründerhauptstadt“ Deutschlands. Überdurchschnittlich viele Menschen gehen hier den Weg in die Selbstständigkeit und stärken somit den Wirtschaftsstandort Berlin. Sie schaffen neue Arbeitsplätze, verwirklichen innovative Ideen und treiben den Wettbewerb an. Dementsprechend existieren heutzutage zahlreiche Wirtschaftsinitiativen und Förderer, die Jungunternehmer/-innen auf die Gründung vorbereiten und in der schwierigen Gründungsphase helfen. Das war vor 20 Jahren noch ganz anders. Nicht der Gründergeist fehlte - der war im Gründungsjahr der (F)HTW 1994 schon genauso spürbar wie im Jahr 2014. Es war die Gründungsförderung, die an der Hochschule noch in den Kinderschuhen steckte. Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) wurden in der Betriebswirtschaftslehre lange Zeit nur am Rande behandelt. Der Umstand, dass 99 Prozent der Unternehmen – 6

nicht nur in Berlin – KMU sind, veranlassten die (F)HTW von Beginn an, die Besonderheiten dieser Unternehmen in den Fokus der Forschungs- und Lehraktivitäten zu stellen. Auf diesem Weg entstand eine ganz eigene Vertiefungsrichtung für den Studiengang Betriebswirtschaftslehre, die heute die Bezeichnung „Entrepreneurship und Mittelstandsmanagement“ trägt. Im Jahr 1997 gründete die (F)HTW das „Existenzgründerzentrum Technische Dienstleistungen“ (EGZ) mit gut ausgebauten infrastrukturellen Bedingungen, umfangreicher Beratung sowie Begleitung. Daher war es letztlich nur konsequent, begleitend zu Forschung und Lehre eine (F)HTW interne Anlaufstelle für gründungswillige Studierende und Alumni zu schaffen, die Kontakte und Hilfestellungen für die Gründer/innen und Unternehmer/-innen anbietet. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft würdigte dieses umfassende Engagement 2001 mit der Auszeichnung zur „Reform Fachhochschule“.


Dank der finanziellen Unterstützung des Stifterverbandes sowie weiterer Drittmittel und Eigenmittel der Hochschule konnte im September 2001 das Start up-Kompetenzzentrum als eigenständige Serviceeinrichtung eröffnet werden.

Seit 2002 wurden mehr als 1000 persönliche Gründungsberatungen durchgeführt. 7


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Das Start up-Kompetenzzentrum

Das Start up-Kompetenzzentrum versteht sich als Schnittstelle zwischen Hochschule und Wirtschaft. Es will als Partner für alle Studierenden, Alumni, Professoren/-innen und Mitarbeiter/-innen der HTW Berlin dabei helfen, wissenschaftliche Arbeiten und Forschungsergebnisse in wirtschaftlich erfolgreich umsetzbare Geschäftsmodelle zu überführen. Damit unterstützt das Start up-Kompetenzzentrum nicht nur konkrete Gründungsvorhaben, sondern zeigt vor allem jungen Akademiker/-innen die unternehmerische Selbstständigkeit als berufliche Perspektive auf.

Fotografie: Jennifer Weber

Die Vision des Start up-Kompetenzzentrums besteht in der • Qualifizierung von Gründer/-innen und gründungsinteressierten Studierenden, Alumni und wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen, • Erschließung und Verwertung ungenutzter Innovationspotenziale für technologie- und wissensorientierte Unternehmensgründungen • und in der Schaffung einer nachhaltigen Gründungskultur durch die Vernetzung von Technik, Wirtschaft und Kreativwirtschaft.

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Die Aufgaben der Gründungsförderung Als zentrale Anlaufstelle für alle Fragen und Problemstellungen rund um das Thema Existenzgründung bietet das Start up-Kompetenzzentrum in erster Linie Beratungs- und Coachingleistungen an.

Damit begleitet es individuell zukünftige Unternehmer/innen von der Entwicklung einer Gründungsidee, über die Erstellung des Businessplanes bis hin zur Einwerbung finanzieller Unterstützung für ihre Gründungsvorhaben. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Qualifizierung der künftigen Existenzgründer. Insbesondere für Studierende nicht-ökonomischer Studiengänge werden Lehrveranstaltungen mit Gründungsbezug angeboten. Regelmäßig können alle Gründungsinteressierten Informationsabende und Workshops mit wechselnden Themen besuchen. Ein mehrwöchiges Fortbildungs- und Trainingsprogramm - die Sommeruniversität - wird jährlich konzipiert und organisiert.

Fotografie: Alexander Rentsch


Alle Angebote des Start up-Kompetenzzentrums sind kostenfrei. Das ist möglich, da das Projektteam öffentliche Fördergelder akquiriert. Besonders die finanzielle Unterstützung durch den Europäischen Sozialfonds (ESF) hat in den letzten Jahren zu einem deutlichen Ausbau des Beratungs- und Bildungsangebotes beigetragen.

Zitate von Studierenden »Es ist super, dass man die wichtigsten Kriterien und Methoden für die erfolgreiche Umsetzung kennenlernen kann. Meine Idee ist dadurch viel konkreter geworden.« Matthias L. über das Seminar „Innovative Existenzgründung“

»Ich kann jetzt einschätzen, was auf mich zukommt. Ich traue es mir zu. Vorher hätte ich nicht gewusst, wo ich anfangen soll.« Sarah K. über das Seminar „Existenzgründung für kreative Frauen“

»Die vier Tage „Businessplan-learning by doing“ haben viele Prozesse bei mir in Gang gesetzt, die ich gerne noch genauer ausarbeiten würde. « Tina U. über das Seminar „Businessplan-learning by doing“

»Endlich erkenne ich die Wichtigkeit und Komplexität von betriebswirtschaftlichen Rechnungen!« Nora B. über ein Planspiel-Seminar

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Das Gründernetzwerk Das umfangreich ausgebaute Netzwerk des Start upKompetenzzentrums bedeutet für Gründer/-innen den schnellen Zugang zu Informationen, Expertenwissen, Infrastruktur, finanziellen Ressourcen, Partnern und Förderern. Durch die Einbindung in die Hochschulstrukturen verfügt das Start up-Kompetenzzentrum über Kontakte zu Professoren/-innen und Lehrbeauftragten, die ihre technischen und branchenspezifischen Erfahrungen gern mit den Gründer/-innen teilen. Auch der Kontakt zu anderen - insbesondere den Berliner Hochschulen und deren Gründungsservices - ist wichtig. Daher ist das Start up-Kompetenzzentrum Mitglied des “B!gründet“- Netzwerkes. Diese Initiative bildet einen Zusammenschluss aller Berliner Hochschulen mit dem Ziel, Leistungen und Angebote im Hinblick auf die Vernetzung und den Informationsaustausch innerhalb der Berliner Gründungsszene deutlich zu verbessern.

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In den Jahren seit der Gründung konnten auch viele Kontakte zu Partnern/-innen aus der freien Wirtschaft geknüpft werden. Vertreter/-innen der Bürgschaftsbank Berlin Brandenburg, der Berliner Sparkasse und der Berliner Volksbank, der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer Berlin, der regionalen Wirtschaftsförderungen, des Business Angels Club BerlinBrandenburg e.V. und viele andere werden in die Tätigkeit des Start up-Kompetenzzentrums eingebunden, z.B. als Berater/-innen und Referenten/-innen oder als Sponsoren.


Wenn Gründer/-innen eigene Büro- und Arbeitsräume suchen, unterstützt das Team des Start up-Kompetenzzentrums bei der Bewerbung um kostengünstige Mietflächen im Existenzgründerzentrum (EGZ) der HTW Berlin. Hier stehen auf insgesamt 1772 m2 Nutzfläche gleich in unmittelbarer Nähe des Campus Treskowallee Räumlichkeiten für Gründungsinteressierte zur Verfügung. Wer sich direkt gegenüber dem Campus Wilhelminenhof niederlassen möchte, den vermittelt das Start upKompetenzzentrum an das Technologie- und Gründerzentrum Spreeknie (TGS), mit dem die Hochschule Kooperationsbeziehungen unterhält. Im TGS befindet sich seit dem Sommersemester 2014 auch der „Raum für Ideen“. Als gemeinsames Projekt des TGS, der HTW Berlin und der studentischen Initiative Berliner Ideenlabor bewährt er sich als »Pre-Inkubator« für multidisziplinäre Kreativ- und Ideenfindungsprozesse, für Austausch und Vernetzung.

Fotografien: Michael Richter

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Dr. Angela Hรถhle und Dipl.Kfm. (FH) Reiko Fischer

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Fotografie: Jessica Schlottke


Das Team vom Start up-Kompetenzzentrum Das Start up-Kompetenzzentrum ist mit seinem Dienstleistungsangebot vorrangig auf die Bedürfnisse der eigenen Studierenden und Absolventen/-innen ausgerichtet. Daher ist es in die Organisationsstruktur des Studierendenservices der HTW Berlin integriert und fachlich der Vizepräsidentin für Lehre zugeordnet. Auf den Weg gebracht wurde das Kompetenzzentrum von Prof. Dr. Klaus Semlinger (Präsident der Hochschule), der es auch heute noch begleitet. Ein aktiver Unterstützer seit der ersten Stunde ist Prof. Dr. Markus Thiermeier (Professor für BWL, mit den Schwerpunkten „Finanzierung und Investition“ und „Management in KMU“), der die Verbindung zu der Spezialisierung „Entrepreneurship und Mittelstandsmanagement“ schafft. Dr. Angela Höhle, Programmkoordinatorin seit 2006, und Dipl. Kfm.(FH) Reiko Fischer stehen allen Gründungsinteressierten regelmäßig für persönliche Beratungsgespräche an den Standorten Treskowallee und Wilhelminenhof zur Verfügung.

Sie sind Ansprechpartner für alle Fragen rund um das Thema Existenzgründung und organisieren alle Serviceund Bildungsangebote des Start-up Kompetenzzentrums. Beide verfügen über langjährige Berufserfahrungen im Gründungsbereich und arbeiten nebenberuflich als selbstständige Lehrbeauftragte für die Themen Unternehmensgründung und -führung.

Kontakt: Dr. Angela Höhle Tel 030/5019-2742 Fax 030/5019-2744 Email angela.hoehle@htw-berlin.de Reiko Fischer Tel 030/5019-2745 Fax 030/5019-2744 Email reiko.fischer@htw-berlin.de 15


Bildung, Beratung und Betreuung In jedem Semester organisiert das Start up-Kompetenzzentrum ein wechselndes Seminar- und Workshopangebot zu aktuellen Fragestellungen aus der Gründerszene. Studierende können hier im Rahmen Allgemeinwissenschaftlicher Ergänzungsfächer (AWE) Kenntnisse und Fähigkeiten für die eigene berufliche Selbstständigkeit erwerben und damit gleichzeitig Leistungspunkte für ihr Studium sammeln. Zu diesen Lehrveranstaltungen zählen u.a. die Seminare Businessplan – Learning by doing und das Unternehmensplanspiel für Existenzgründer. Außerhalb des Lehrplans gibt es Informationsabende beispielsweise zu den Themen Gründen im Studium, Vom Businessplan zum Förderkredit und Was erwarten Investoren von Startups.

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Speziell für Gründerinnen gibt es ca. halbjährlich den Treffpunkt Ladies only – ein Abend nur für Gründerinnen, an dem Frauen über ihre (zukünftige) Selbstständigkeit und deren Auswirkung auf andere Lebensbereiche ganz unter sich diskutieren können. Als wesentlicher Teil der Arbeit des Start up-Kompetenzzentrums ist die persönliche Beratung zu sehen.

Denn meistens können nur individuelle, auf die konkrete Idee bezogene Hinweise, Fragen und Tipps den Gründern/innen helfen, den richtigen Kurs auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit einzuschlagen. Während der gesamten Phase der Planung und Umsetzung ihres Vorhabens werden die Gründer/-innen betreut. Meist beginnt der Betreuungsprozess mit einer ersten Prüfung der Geschäftsidee durch das Team des Start upKompetenzzentrums. Mit dem Feedback und neuen Impulsen zur strukturierten Weiterentwicklung der Idee erarbeiten die Gründer/-innen dann Schritt für Schritt ihren Businessplan oder ihr Business-Modell. Sie werden bei der Recherche unterstützt, können Chancen und Risiken ihres Geschäftsmodells diskutieren und sich Tipps für wirtschaftlich sinnvolle Problemlösungen holen. Selbstverständlich wird ihnen auch bei der Suche nach Gründungspartnern, Fördermöglichkeiten und den passenden Kapitalgebern mit Rat und Tat zur Seite gestanden.


Manchmal sind es auch nur Formalitäten, der Gang zu den Behörden oder rechtliche Aspekte, die einer Klärung bedürfen. Auch hier helfen die Mitarbeiter/innen im Start up-Kompetenzzentrum gern weiter oder vermitteln die Gründer/-innen an interne und externe Netzwerkpartner.

„Raum für Ideen“ im Technologie- und Gründerzentrum Spreeknie

17 Fotografien: Angela Höhle


Impressionen zur Sommeruni Die Sommeruniversität ist eine vierwöchige Veranstaltungsreihe, in der Gründungsinteressierte, Gründer/-innen und Unternehmer/-innen betriebswirtschaftliches Grundlagenwissen sowie wichtige Softskills erlernen und trainieren können. Die Workshops und Seminare dauern jeweils einen bis drei Tage und können nach persönlichem Bedarf und Vorwissen gebucht werden. In ca. 14 Einzelveranstaltungen durchlaufen die Teilnehmer/-innen beispielsweise ein Gründer-Assessmentcenter, entwickeln Gründungsideen und erforschen Märkte. Sie widmen sich Rechts- und Steuergrundlagen, erstellen Business- und Finanzpläne und üben kundenorientiertes Verhandeln. Das Angebot ist in diesem zeitlichen Umfang in Deutschland einmalig. Trotz der großen Menge an Wissen, die hier vermittelt wird, finden die individuellen Fragen jedes Einzelnen genügend Beachtung, da pro Kurs i.d.R. nur zwischen 12 und 20 Personen zugelassen werden. 18

Ein wichtiger Nebeneffekt: Meist bleiben die Teilnehmer/-innen auch nach der gemeinsamen Kurszeit in Kontakt. Sie tauschen untereinander Informationen aus, helfen sich bei der Bewältigung kleiner und größerer Hürden im Gründeralltag oder vermitteln einander wichtige Geschäftskontakte. So entsteht jedes Jahr auch ein neues „Sommeruni-Netzwerk“.

Alle Informationen unter: http://gruenden.htw-berlin.de/start-up-kompetenzzentrum/veranstaltungen/sommeruni/


Zitate von Studierenden

Fotografie: Sabine Lipski

»Ich habe ein Jahr vor der Gründung an der Sommeruni teilgenommen und kann sie jedem empfehlen. Die Kurse haben mir für die Vorbereitung und während des ersten Gründungsjahres sehr geholfen. Natürlich sind in der Praxis noch viele Fragen entstanden. Deswegen habe ich ein Jahr später noch einmal einige Kurse besucht.« Cathleen R.

»Die Kurse haben viel gebracht, auch falls ich mich nicht selbständig machen sollte.« Theresa B.

»Die Kurse waren sehr gut organisiert, die Dozenten sympathisch und bestens ausgewählt. Ich war sehr zufrieden und freue mich auf weitere Veranstaltungen.« Lisa Maria H.

19 Fotografie: Angela Höhle



Aus der Praxis: 13 Gründerportraits

Für die Gründerporträts führte Jessica Schlottke als studentische Mitarbeiterin im Start up - Kompetenzzentrum alle Interviews, fotografierte und erstellte die Beiträge.

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Issever Bahri Mit den Entwürfen werden alte türkische Handwerkstechniken neu und modern interpretiert. Daraus entsteht eine tragbare und sehr feminine Mode, die trotzdem ­Experimentierfreude zeigt.

»Wenn man einen starken Willen Issever Bahri hat, geht alles!«

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Über viel Erfolg mit wenig Geld Ich hatte ein großes gestyltes Atelier erwartet – in weiß gehalten mit sehr viel Platz zum Arbeiten. Stattdessen klingle ich an der Tür einer Berliner Altbauwohnung auf einem Hinterhof in Kreuzberg. Ein Stück Gründerrealität: Das Atelier ist eigentlich die Wohnung einer Freundin und daher sehr günstig im Unterhalt. Alles Geld fließt in neue Kollektionen, die pünktlich zu den wichtigsten Terminen der Modewelt, wie z. B. der Fashion Week in Berlin, fertig werden müssen. Das bedeutet eigentlich viel Arbeit, die sich für Frau Issever aber nicht so anfühlt: »Ich mache das, was ich machen will – das ist das Tolle!«

Was ist die zentrale Idee hinter »Issever Bahri«? Derya Issever: Wir arbeiten viel mit alten Handwerkstechniken, die wir durch unseren türkischen Hintergrund schon früh kennengelernt haben. Handarbeit ist in unseren Familien immer da gewesen: Es liegen z. B. überall Häkeldeckchen! Mit Issever Bahri interpretieren wir diese Techniken modern, sodass die folkloristischen Assoziationen, die viele mit Hand­arbeit verbinden, niemandem in den Sinn kommen. Issever Bahri steht für einen coolen Style, in dem nicht nur die Berliner Lebensweise, sondern auch die Inspiration aus unserer türkischen Kultur steckt!

Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Cimen und ich haben schon während des Studiums viel zusammengearbeitet und festgestellt, dass jede eigene Stärken einbringt, die sich gut ergänzen. Die Selbstständigkeit war dann eigentlich keine Entscheidung, sondern hat sich eher entwickelt. Es war nach dem Studium sehr schwer Arbeit zu finden. Da haben wir gesagt: »Lass uns zusammen eine Kollektion für unser Portfolio machen!« Damit haben wir dann den »Premium Young Designers Award« gewonnen. Und so kam der Stein ins Rollen.

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Die Auszeichnung hat also Mut gemacht den Weg zu gehen. Welche Hindernisse gab es? Als wir angefangen haben, wollten wir keine Kredite auf­nehmen, sondern es aus eigener Kraft schaffen! Aber dadurch gab und gibt es immer das finanzielle Problem. Uns war von Anfang an klar: Wir wollen keinen kleinen Laden, aus dem wir herausverkaufen, sondern ein international ausgerichtetes Label! Ohne Geld schafft man das nur durch ein gutes Netzwerk. Das hatten wir durch viele Praktika und Nebenjobs in der Modebranche zum Glück schon im Studium aufgebaut. So konnten wir am Anfang z. B. auf befreundete Fotografen, Stylisten oder Schneider zurück­ greifen, die unentgeltlich für uns gearbeitet haben.

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Welche Rahmenbedingungen ermöglichen Ihren Erfolg? Wenn man einen starken Willen hat, geht alles (lacht)! Es ist nicht einfach den Rhythmus zu finden, wenn man aus dem Studium kommt. So schnell hast du nie eine komplette Kollektion gemacht! Aber es hat sich gelohnt. Besonders durch die Wettbewerbe, bei denen wir mit­ gemacht und die wir zum Teil dann auch gewonnen haben, wie den »Start your Fashion Business« Wettbewerb, konnten wir viel Aufmerksamkeit generieren. Und seit wir bei einer professionellen PR-Agentur sind, ist auch sehr viel passiert. Gute Presse ist sehr wichtig! Was planen Sie für die Zukunft? Im Moment überarbeiten wir gerade die Webseite: Es soll ein neuer Online-Store eingeführt werden.

Außerdem wird die Fashion Week in Berlin jetzt ein fester Termin in unserem Kalender, und wir wollen die Marke Issever Bahri ausbauen, z. B. mit einer Linie für Accessoires.


Tipps

Steckbrief

_ Das Netzwerk ist das aller-allerwichtigste! Also in der Studienzeit so viele Praktika wie möglich machen und Nebentätigkeiten in seinem Beruf aufbauen – nicht nur kellnern. _ Den Businessplan braucht man, um eine Orientierung für die Selbstständigkeit zu haben. _ Man muss sich bewusst sein, dass es schwierig ist, und man muss es wirklich wollen und darf den Glauben daran nicht verlieren!

Issever Bahri www.isseverbahri.com Standort Cuvrystr. 21 | 10997 Berlin gegründet März 2010 Mitarbeiter: 2 und meist 2 Praktikanten Gründer Derya Issever, Cimen Bachri Interviewpartner Derya Issever (1983) Studium Bekleidungsgestaltung (Diplom) an der HTW Berlin Die Gründerinnen: Derya Issever (l.) und Cimen Bachri

»Man kann sich selbst verwirklichen und seine eigenen Ideen an den Mann bzw. die Frau bringen.« 25


gruppenbing! gruppenbing! ist ein innovatives Verfahren, das die Fähigkeiten und das Wissen aller Teilnehmer einer großen Gruppe verknüpft und zielgerichtet für die Lösung neuer Aufgaben nutzbar macht. Die Idee hinter gruppenbing! ist inspiriert durch die Kybernetik, auch die »Kunst des Steuerns« genannt.

Die Gründer gehen davon aus, dass Lösungsansätze für alle komplexen Fragen eines Unternehmens oder einer Organisation innerhalb der Gruppe bereits vorhanden sind. Alles, was benötigt wird, um sie zu Tage zu fördern und weiterzuentwickeln, ist eine Vernetzung und Kommunikation zwischen

» Das Wissen zur Lösung der Herausforderungen unserer Zeit ist längst verteilt auf viele Köpfe vorhanden – es muss nur sinnvoll verknüpft werden.« Steffen Bahnsen

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allen Gruppenmitgliedern unabhängig von Hierarchien und Verantwortungsbereichen.


Ideen machen bing! »Immer der pinkfarbenen Linie hinterher!« So lautet der Tipp, als ich bei der Suche nach dem Weg hilflos bei den Berliner Gründern von gruppenbing!, mit denen ich zum Interview verabredet bin, anrufe. Das riesige Hofgelände in Berlin-Kreuzberg beherbergt so viele unterschiedliche Firmen, dass die Suche nach dem richtigen Büro zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen wird. Aber der Tipp ist gut. Aufgang zwei, erste Etage, und dann kann ich das Büro mithilfe der pinkfarbenen Linie nicht mehr verfehlen. Wie sich im Interview herausstellt, haben Alexander Tornow und Steffen Bahnsen ein gewisses Faible für geometrische Formen…

Wie haben Sie sich kennengelernt? Steffen Bahnsen für gruppenbing!: Ich habe mich in meiner Abschlussarbeit mit dem Design Thinking beschäftigt. Dieses Thema hat meinen gesamten Jahrgang so begeistert, dass einige von uns sich nach dem Studium damit selbstständig gemacht haben. Unsere erste Idee war eigentlich eine Unternehmensberatung, die in Unternehmen z. B. effiziente Raumgestaltung erarbeitet. Eine Kollegin von mir hat dann auf einer Netzwerkveranstaltung Alexander getroffen. Nachdem ich mir seine Internetseite angeschaut hatte, war ich neugierig: Es gab implizit unglaublich viele Parallelen zum Design Thinking und Alexander hatte eine spannende Idee. Nach dem Kennenlernen haben wir

zunächst zwei Workshops zusammen durchgeführt. Danach war völlig klar: Wir wollen zusammen weiter machen! Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Alexander Tornow für gruppenbing!: Sie ist im Rahmen meiner Abschluss­ arbeit an der HTW Berlin entstanden. Ich habe mich damals mit Führungs­theorien beschäftigt und gleichzeitig für Kybernetik interessiert. Mithilfe einer Kombination beider Ansätze habe ich eine neue Perspektive auf Führungstheorien erhalten und gemerkt, dass man mit geometrischen Formen Kommunikation besser strukturieren und sinnvoller gestalten kann. Das hat mich dann noch ein Jahr nach meiner Masterarbeit beschäftigt. Ich habe 27


viel herumprobiert und habe einen Algorithmus entwickelt, der jetzt, als Würfel dargestellt, die Basis für unser Verfahren bildet. An wen richtet sich die Idee? B: Gruppenbing eignet sich für eine Vielzahl von Fragestellungen. Es ist immer dann geeignet, wenn eine Herausforderung das Wissen oder die Kreativität Vieler erfordert, wenn die Einflussfaktoren schwer zu ermitteln sind und hohe Anforderungen an die Entscheidungsfindung gestellt werden. Es kann dabei um viel Geld oder gar ums Überleben gehen. Als Hauptzielgruppe sprechen wir mittelständische Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern an. Die Methode ist jedoch auch für große Netzwerke, Konzerne, aber auch Startups und sogar für die Forschung interessant. 28

Wer hat Sie unterstützt? B: Wir haben uns bewusst gegen Business Angels oder sonstige Kapitalgeber entschieden, weil wir die Macht der Entscheidung zu hundert Prozent bei uns behalten wollten. Natürlich haben unsere Freunde uns unterstützt, aber finanziell bleibt es eine Herausforderung. Aus welchen Gründen haben Sie sich selbstständig gemacht? B: Bei mir ist es ein tiefer innerer Antrieb: Ich hatte viele Chefs und daher auch einen breit gefächerten Eindruck, wie man sich als Chef positionieren kann. Das fand ich schon immer spannend und wollte meine eigenen Ansätze nutzen! Außerdem möchte ich für die Sache einstehen, für die ich arbeite. Da war es nur ein konsequenter Weg. T: Was soll man mit so einer Ent­deckung anderes machen als zu

gründen?! Es wäre schade, wenn das Verfahren einfach im Sande verlaufen wäre. Welche Probleme sind auf­ getreten? B: Wir haben immer wieder damit zu kämpfen, uns in den Chefetagen zu behaupten. Einerseits werden wir von den meist älteren Entscheidern häufig als »Junge Wilde« wahrgenommen. Andererseits bieten wir ein sehr komplexes Produkt an, das sich nicht so einfach erklären lässt. Gerade die Unternehmensmitglieder in Schlüsselpositionen denken leider häufig noch sehr in Hierarchien. Begriffe wie »hierarchiefreier Prozess« oder »kollaborative Entscheidungen« machen ihnen schlicht Angst.


Was planen Sie für die Zukunft? T: Unsere Software, die es Unternehmen ermöglichen soll, die Methode ohne unsere Moderation selbstständig durchzuführen, ist gerade frisch fertig geworden. Hier müssen wir jetzt den Vertrieb organisieren. Aber am allerwichtigsten ist natürlich der große Plan: Wir wollen die Gesellschaft verändern!

Tipps

Steckbrief

_ Nicht aufgeben, ständig aus Erfahrungen lernen. _ Netzwerken und kreativ bleiben. _ Lieber früh scheitern, als ewig in eine falsche Richtung rennen.

gruppenbing! www.gruppenbing.de Standort Zossener Str. 55-58 | 10961 Berlin gegründet März 2011 Mitarbeiter: 25 Freie Gründer Alexander Tornow (1979), Steffen Bahnsen (nicht mehr aktiv) Studium Wirtschaftskommunikation (Master) an der HTW Berlin, Intercultural Communication Studies (Master, Europa-Universität Viadrina) Die Gründer: Alexander Tornow (l.) und Steffen Bahnsen

»Wir können unsere Ideale leben und mit unserer Arbeit einen Mehrwert für die Gesellschaft produzieren.« 29


absichtbar Annika Brinkmann konzipiert und gestaltet mit ihrem Unternehmen »absichtbar« Inhalte für mobile Geräte. Von mobilen und responsiven Websites bis zu Apps wird unter den Aspekten Usability und Zielgruppenkonformität ein stimmiges Gesamtkonzept für den mobilen Auftritt ihrer Kunden

entwickelt. Als eigenes Produkt kam im Frühjahr 2011 noch der Schulungsbereich hinzu. Unter dem Namen Mobile-Knowledge.de führt Annika Brinkmann Seminare und Workshops durch, hält Vorträge und schreibt Artikel zu verschiedenen mobilen Themen.

»Manchmal ist die Flexibilität eines Selbstständigen nicht nur Segen, Annika Brinkmann sondern auch Fluch.«

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Zwischen Flexibilität und Unplanbarkeit Vielleicht ist das Konzept »Work-atHome« ein echter Geheimtipp: Selten habe ich eine so entspannte Gründerin erlebt! Dass sie eigentlich sehr viel arbeitet, merkt man ihr nicht an. Ich darf in Annika Brinkmanns großzügiger Spandauer Altbauwohnung in einem schwarzen Schwingsessel Platz nehmen. Es wird ein intensives, persönliches und interessantes Gespräch, in dem ich erfahre, dass Vielfalt und Unberechenbarkeit zwei Seiten derselben Medaille sind.

Warum haben Sie sich selbstständig gemacht? Annika Brinkmann für absichtbar: Ich muss gestehen, dass es am Anfang eine Flucht in die Selbstständigkeit war! Die Entwicklungen in meinem ersten Job liefen in die falsche Richtung: Es gab Umstrukturierungen, die meine Freiheiten eingeschränkt haben und auch der Umgang mit Kollegen gefiel mir nicht immer. Ich brauche meinen eigenen Rhythmus. Dadurch bin ich auch produktiver. Als mir ein Bekannter angeboten hat, mit ihm selbstständig zu arbeiten, war das meine Chance. Die Zusammenarbeit hat aber leider nicht funktioniert. Wir hatten andere Herangehensweisen und Vorstellungen von der Selbstständigkeit, sodass wir dann getrennt weitergemacht haben. Erst danach habe ich »absichtbar«

wirklich gegründet. Die URL mit dem Namen hatte ich mir schon 2001 im Studium gesichert. Wer hat Sie unterstützt? Den Grundstein habe ich mit einem Wettbewerb gelegt. An der HTW Berlin war 2004 der »KTW Software Award für Frauen« plakatiert und ich habe einen Sonderpreis in Höhe von 3000 Euro gewonnen. Damit konnte ich meinen ersten Laptop kaufen und war so flexibel genug, um zu Auftraggebern zu fahren. Erste kleine Aufträge kamen dann z. B. über eine Kommilitonin, die sich auch selbstständig gemacht hatte und mir meinen späteren Arbeitgeber als Kunden vermittelt hat. Welche Probleme gab es? In der ersten Phase habe ich zu wenig Geld genommen! Es blieb

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nichts übrig für Rücklagen. Mittlerweile fange ich Stundensatzverhandlungen nicht mehr von unten an (lacht). Außerdem musste ich mich daran gewöhnen, dass Projekte in der Wirtschaft schneller erledigt werden müssen als im Studium. Ich habe in den ersten Jahren sehr viel gearbeitet und wäre fast ausgebrannt. Besonders nachdem ich mich von meinem Bekannten getrennt hatte und allein dastand, fehlte es auch an KnowHow: Wie akquiriere ich eigentlich? Was muss ich beim Marketing beachten? Da habe ich inzwischen einiges durch Learning by Doing und mein Coaching von der IBB dazugelernt! Wo haben Sie sich Hilfe geholt? Im Studium hatte ich das Start up-Kompetenzzentrum gar nicht wahrgenommen und als ich es dann entdeckt habe, war ich erleichtert! Die Sommeruni war ein tolles Angebot. Hier konnte ich durch die

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unterschiedlichsten Seminare meine Wissenslücken schließen und mich durch den Kontakt mit Gründern inspirieren lassen. Besonders in meiner Branche begegne ich zu etwa 95 Prozent Männern! Insofern finde ich auch Ladies only eine tolle Initiative! Dort habe ich Frauen getroffen, mit denen sich sowohl beruflich als auch privat Schnittstellen ergeben haben. Neulingen gebe ich deshalb gern den Rat, sich bezüglich einer Gründungsunterstützung an ihre Hochschule zu wenden. Was reizt Sie am Thema Mobile? Ich mag es nicht, wenn ich von einem weißen Blatt aus anfangen und alles festlegen muss. Deshalb ist meine Spezialisierung auf Mobile ideal: Hier gibt es den technischen Rahmen, wie z. B. Bedingungen für optimale Usability, der mit grafischen Elementen kombiniert wird. Besonders in den letzten Jahren ist

das Thema durch Smartphones auch immer relevanter geworden. Eine Wachstumsbranche ist natürlich für das Geschäft immer von Vorteil. Welcher Kunde ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben? Es gab mal einen Kunden, der sich von mir ein Angebot hat schreiben lassen, mit dem er sich dann bei einem großen Geldinstitut vorgestellt hat. Natürlich habe ich das unter der Prämisse geschrieben, dass wir den Auftrag dann gemeinsam bearbeiten. Er hat den Auftrag auch tatsächlich bekommen – und dann mit einem anderen Designer umgesetzt! Seitdem vereinbare ich Schutzgebühren für umfangreiche Angebote, weil einfach schon sehr viele Vorüber­legungen und Ideen in ein Angebot einfließen.


Was planen Sie für die Zukunft? Seit 2011 habe ich mir mit Schulungen und Workshops ein zweites Standbein aufgebaut (www.mobile-knowledge.de). Darum möchte ich mich in den nächsten Monaten verstärkt kümmern. Außerdem habe ich angefangen ein Buch zu schreiben, das ich bald veröffentlichen möchte, um mein Fachwissen noch besser teilen zu können. Als Nächstes überprüfe ich die Theorien zur Vereinbarkeit von Selbständigkeit und Mutterschaft.

Tipps

Steckbrief

_ Wissen, das über das eigene Fachgebiet hinausgeht (z. B. BWL, Englisch), schon im Studium aufbauen. _ Geld für Investitionen (und das Alter) zurücklegen. _ Wenn es ein künstlerischer Beruf ist, unbedingt bei der Künstlersozialkasse anmelden. _ Die Kurse im Start up-Kompetenzzentrum nutzen. _ Die Töpfe für Coachingprogramme recherchieren und in Anspruch nehmen.

absichtbar www.absichtbar.de www.mobile-knowledge.de

»Als Gründer arbeitet man selbstverantwortlich und kann die Zeit (theoretisch) flexibel einteilen, muss aber auch mit Unvorhergesehenem umgehen können.«

Standort Teltower Str. 8 | 13597 Berlin gegründet August 2007 Gründer Annika Brinkmann (1978) Studium Kommunikationsdesign (Diplom) an der HTW Berlin

Gründerin Annika Brinkmann

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© Markus Kempken


Kfz-Reparaturen Hinse Im Meisterbetrieb von Bernd Hinse gibt es einen umfangreichen Service rund ums Auto, der weit über Reparaturen hinaus geht. Der Kunde steht im Mittelpunkt und wird stets kompetent beraten. Neben dem Service für herkömmliche Fahrzeuge liegt ein Schwerpunkt des Betriebes auf Oldtimer­ restaurierung und –instandsetzung.

»In der ersten Woche habe ich erst mal geschlossen und ganz Bernd Hinse neu angefangen.«

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Vom Führen und Folgen Bernd Hinse führt eine Werkstatt, die er nicht neu gegründet, sondern als Nachfolger übernommen hat. Sie liegt etwas versteckt auf einem großen Hof hinter zwei Wohnhäusern in Tempelhof-Schöneberg. Große Schilder kennzeichnen die Einfahrt, sodass ich den Betrieb trotzdem schnell finde. Ein Hund bellt, sodass ich erst etwas skeptisch vor dem Grundstück stehenbleibe. Schließlich nehme ich all meinen Mut zusammen und gehe vorsichtig die Einfahrt entlang. Auf dem Hof kommt mir der Wachhund schon entgegen, aber er will sich von mir nur ein paar Streicheleinheiten abholen. Bernd Hinse klettert gerade auf dem Dach eines Fahrzeugs herum und freut sich, dass ich mit seinem Hund sofort Freundschaft geschlossen habe. Für unser Gespräch bittet

er mich schließlich in sein kleines Büro. Erst dort stellt sich heraus, dass das Dach, auf dem ich ihn angetroffen habe zu seinem persönlichen Schatz gehört: Ein OldtimerCaravan mit original 70er-JahreEinrichtung. Die meisten Selbständigen wollen ein Unternehmen neu gründen, warum haben Sie sich für eine Unternehmensnachfolge entschieden? Bernd Hinse für Kfz-Reparaturen Hinse: Neu gründen ist viel schwerer (lacht)! Durch die Unternehmensnachfolge gab es schon einen bestehenden Kundenstamm und die Werkstatt war eingerichtet. So hatte ich nicht nur weniger Werbeaufwand, sondern konnte auch gleich mit dem Arbeiten anfangen. Gerade in unserer Branche muss man bei einer Neugrün-

dung außerdem mit Investitionskosten zwischen fünfzig- und achtzigtausend Euro rechnen: Man benötigt Werkzeuge, Hebebühnen, Motortester und noch viel mehr! Allein durch Umweltauflagen, die erfüllt werden müssen, sind diverse kostenintensive Anschaffungen notwendig. In einem bestehenden Unternehmen gibt es das alles schon. Wie haben Sie das Unternehmen gefunden, welches Sie übernommen haben? Mir war schon während des Studiums klar, dass ich danach selbstständig arbeiten will. Aber wo soll man nach einer Werkstatt suchen, die frei wird?! Da läuft viel über Mundpropaganda! Ich habe schließlich über einen Arbeitskollegen von meinem Vater einen Hinweis bekommen. Dieser Kollege ging regelmäßig hier

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bei meinem Vor­gänger in die Werkstatt und wusste, dass der Inhaber einen Nachfolger suchte – so kam eins zum anderen. Was haben Sie anders gemacht, als der Vorgänger? In der ersten Woche habe ich erst mal geschlossen und ganz neu angefangen. Werkzeuge und Unterlagen mussten sortiert werden, Arbeitsabläufe waren optimierungsbedürftig und ich habe einen Computer eingeführt! Der Vorgänger hat alles per Hand gemacht. Außerdem habe ich ein Faible für Oldtimer – da lag eine Spezialisierung natürlich nahe. Mittlerweile machen wir rund vierzig Prozent unserer Umsätze mit historischen Fahrzeugen. Aber wir entwickeln uns auch heute noch immer weiter. In Gesprächen mit Kunden gibt es ständig neue Anregungen, wie wir unseren Service verbessern können.

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Sehen Sie das auch als Fundament Ihres Erfolges? Ja, ich glaube schon. Kunden­ orientierung ist das A und O. Wenn ein Kunde uns weiterempfohlen hat, bedanken wir uns auch dafür und er bekommt ein kleines Geschenk. Über die Jahre hat sich so eine sehr persönliche Beziehung zu unseren Kunden und großes Vertrauen entwickelt. Teilweise kommen sogar mehrere Generationen einer Familie zu uns, weil der Vater die Werkstatt seinem Sohn weiterempfiehlt. Ich lege aber auch sehr viel Wert auf Qualität. Natürlich kostet das dann etwas mehr als woanders, dafür weiß der Kunde genau, was er bekommt und wo es herkommt. Denn wir versuchen die regionale Wirtschaft zu unterstützen. Damals, als im Umfeld eine bekannte Werkstattkette eröffnet hat, sind einige Kunden zunächst dorthin

gegangen, weil es günstiger war. Aber im Endeffekt sind sie alle wieder zurückgekommen (lacht)! Was planen Sie für die Zukunft? Vielleicht eröffne ich noch einen zweiten Standort. Aber nur unter der Prämisse, dass es ein reiner Arbeitsort ohne Kundenverkehr ist. Meine Kunden sollen zu hundert Prozent betreut werden und ich bin überzeugt, dass ich das nur an einem Standort leisten kann.


Tipps

Steckbrief

_ Lieber klein anfangen und langsam wachsen, nicht gleich nach den Sternen greifen. _ Aktiven Dialog mit Kunden suchen: Das fördert die Beziehung und bringt gute Mundpropaganda.

Kfz-Reparaturen Hinse www.kfz-reparaturen-hinse.de Standort Alt-Lichtenrade 80 | 12309 Berlin gegründet April 1998 Mitarbeiter 5 Gründer Bernd Hinse (1971) Studium Fahrzeugtechnik (Diplom) an der HTW Berlin

Gründer Bernd Hinse

»Ich arbeite lieber ein bisschen mehr, kann aber steuern, was ich tue.« 37


LIMO Hinter dem Unternehmen LIMO steckt eine besondere Idee: Hier wird nicht nur für die Kunden genäht, sondern auch mit ihnen! Monique Scheibel schneidert in ihrer Werkstatt z. B. Brautkleider, Filmkostüme, Maßanfertigungen für die Nachbarn aus dem Kiez

(und auch alle anderen) oder auch Kleinserien für kleine Modelabels. Am Abend verwandelt sich die Werkstatt in ein gemütliches Nähstübchen, in dem für jede Kenntnisstufe Nähkurse angeboten werden.

»Aus Erfahrung kann ich sagen, dass es einmal im Jahr eine große Krise gibt, wo man denkt: Wie soll es jetzt nur weitergehen?!« Monique Scheibel

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Vom Arbeitsraum zum Nähstübchen Vor der Werkstatt sticht sofort eine frühlingsgrüne Bank ins Auge und lädt zum Verweilen ein. Wobei das Wort »Werkstatt« vielleicht falsche Assoziationen weckt: Die Einrichtung ist alles andere als nur zweckmäßig! Sie ist bunt, kreativ und gemütlich: Für das Interview nehme ich z. B. auf zwei zu einem Sofa umfunktionierten Kinosesseln Platz. Hinter mir hängen schon bunte Bilderrahmen an der Wand, die später noch mit Knöpfen dekoriert werden sollen. Die Wohlfühl-Werkstatt ist ein Ort, der nur so vor Inspiration strotzt! Ich überlege mir, dass ich vielleicht selbst bald mal einen Nähkurs besuchen werde. Vorher erzählt mir die Unternehmerin aber, wie und warum sie für sich den perfekten Job gefunden hat.

Wie ist Ihre Ausbildung verlaufen? Monique Scheibel für LIMO: Nach meinem Schulabschluss habe ich mich erst mal für eine schulische Ausbildung zur Assistentin für Mode und Design entschieden. Da habe ich schon die technischen Grundlagen der Bekleidungsgestaltung gelernt, so dass mein Studium an der HTW Berlin später viel entspannter verlief. Das Lernpensum ist sehr hoch und man kann sich nicht intensiv mit etwas beschäftigen, was ich sehr schade finde. Vorkenntnisse entlasten den Stundenplan und schaffen so Zeit für eigene Interessen. Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Ich habe mit einer Kommilitonin zusammen mein Diplom gemacht. Für den praktischen Teil haben wir damals dringend nach einem

Arbeitsraum gesucht und den Laden dabei zufällig entdeckt. Das war schon früher eine Schneiderei, die hier im Kiez etabliert war. Die Besitzerin wollte aufhören und ich wollte den Laden unbedingt haben (lacht)! Ich stand hier drin und wusste: Das ist es! Für mich war schon während des Studiums klar, dass ich nicht in eine große Firma gehen will. Mir ist Kundenkontakt enorm wichtig: Ich möchte den Entstehungsprozess eines Kleidungsstücks mit dem Kunden gemeinsam erleben. Also habe ich den Laden gemietet und konnte sogar Teile des Inventars übernehmen. Aber erst mal hatte ja noch die Diplomarbeit erste Priorität und wir haben die Räume noch gar nicht als »Laden« gesehen. Weil die Schneiderei im Kiez aber so bekannt gewesen ist, kamen plötzlich

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Kunden, die z. B. ihre Hose kürzen lassen wollten. Die haben wir natürlich nicht weggeschickt! Wir brauchten dann schon eine Gewerbeanmeldung, weil es so gut lief!

Ich arbeite deshalb nicht weniger, aber flexibler! Seit etwa 1½ Jahren biete ich die Nähkurse an. Diese Idee ist, wie die meisten, im Dialog mit den Kunden entstanden.

Das Konzept hat sich aber scheinbar noch mal geändert. Wie kam es dazu? Nach dem Diplom wollte meine Freundin und Kollegin Erfahrungen in einer größeren Firma sammeln, wo sie jetzt sehr glücklich ist. Ich habe den Laden dann allein weitergeführt und schnell gemerkt, dass man bei einem Laden-Konzept Öffnungszeiten anbieten und immer vor Ort sein muss. Ich habe mir mehr Flexibilität gewünscht und hatte Lust auf ganz neue Projekte. Irgendwann kamen immer mehr Film- und Kostümangebote und das war dann der schleichende Übergang in ein Werkstatt-Konzept.

Vor kurzem haben Sie zum wiederholten Mal die Sommeruni besucht. Warum? Nach ein paar Jahren Selbstständigkeit hat man ganz neue Fragen. Ich habe die Chance genutzt, meine Ideen und das Konzept wieder einmal zu reflektieren und von Außenstehenden, die einen objektiveren Blick haben, zu lernen. Wenn man sich mit anderen austauscht, ist das einerseits sehr inspirierend. Andererseits ist es auch schön, wenn man merkt, dass man von außen als sehr organisiert wahrgenommen wird. Das hat mir gezeigt, dass ich vieles schon ziemlich gut mache.

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Worauf sind Sie stolz? Auf meine Freunde und Familie! Wenn es um den Laden geht, spreche ich meistens von »wir« und nicht von »ich«. Es kam von Anfang an konstante Unterstützung. Nicht nur mental, sondern auch ganz praktisch: Malerarbeiten, Lieferfahrten, Ideenfindung – da packen alle mit an! Ich glaube, das ist auch sehr wichtig! Denn aus Erfahrung kann ich sagen, dass es einmal im Jahr eine große Krise gibt, wo man denkt: Wie soll es jetzt nur weitergehen?! Mit der Hilfe meiner Freunde und der Familie habe ich es bisher immer geschafft – zum Glück! Denn ich bin sehr stolz sagen zu können, dass ich für mich den perfekten Job gefunden habe! Wo manch anderer nach dem Urlaub in Depressionen verfällt, weil er wieder zur Arbeit gehen muss, kann ich sagen: Ich freue mich darauf und ich habe es vermisst!


Tipps

Steckbrief

_ Sich Feedback holen und offen für Kritik und Veränderungen sein – man selbst verliert irgendwann den Blick dafür. _ Wenn man nach drei Jahren noch kein Wochenende hat, muss man wahrscheinlich etwas ändern: Ideen also auch mal verwerfen. _ Sich mit den Kunden weiterentwickeln. _ Werbung geht auch kostenlos: Mundpropaganda, Soziale Netzwerke, Gelbe Seiten, etc.

LIMO www.limomade.de Standort Bänschstraße 59 | 10247 Berlin gegründet Juni 2009 Mitarbeiter 1 und meistens Praktikanten Gründer Monique Scheibel, Linda Kleisz Interviewpartner Monique Scheibel (1985) Studium Bekleidungsgestaltung (Diplom) an der HTW Berlin Gründerin Monique Scheibel

»Für mich: der perfekte Job!« 41

© Sebastian Bär


etectum GmbH Die etectum GmbH treibt die Energiewende voran: In dem unabhängigen Ingenieurbüro werden kleine und große Solaranlagen bis hin zur Megawatt-Klasse geplant, sowie während und nach der Bauphase begleitet. Darüber

hinaus berät und betreut das Team seine Kunden auch während und nach der Umsetzung eines Projektes und ist dabei, sich weitere Geschäftsfelder im Bereich der erneuerbaren Energietechnik zu erschließen.

»Wir hatten damals noch nicht einmal ein Büro, aber es gab schon so viele Anfragen, dass wir von zu HauTimo Krause se aus loslegen mussten.«

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Nachhaltig erfolgreich! Das Büro liegt mitten zwischen gemütlichen Altbauten in Lichtenberg. Eine schöne Wohngegend. Das ist natürlich kein Zufall, sondern bewusst gewählt. Beide Gründer wohnen nur fünf Gehminuten vom Arbeitsplatz entfernt. Timo Krause erzählt: »Wir haben damals einen Zirkel genommen, vom Wohnort aus einen Kreis mit zwei Kilometern Radius gezogen und in diesem Umkreis nach einem Büro gesucht. Das erhöht die Flexibilität. So kann man auch abends jederzeit noch mal hierherkommen, wenn etwas Dringendes erledigt werden muss.« Weitere Tipps für erfolgreiches Gründen geben die beiden Unternehmer im Interview.

Aus welchen Gründen haben Sie sich selbstständig gemacht? Timo Krause für etectum GmbH: Als Studenten haben wir am eigenen Leib erfahren, wie in einigen Ingenieur­ büros mit jungen Absolventen umgegangen wird. Die Erfahrungen und Aussichten aus den Jahren der freiberuflichen Tätigkeit ließen uns zu dem Schluss kommen, dass Christian und ich lieber etwas Eigenes unternehmen und dabei vieles ganz anders machen wollten. Christian Röhr für etectum GmbH: Dazu kommt aber auch eine tiefe Überzeugung, dass Erneuerbare Energien die Zukunft der Energie­ versorgung sind. Das bedeutet nicht nur wirtschaftliches Potential. Für uns gibt es da auch einen ideellen Wert: Wir können durch unsere Arbeit einen Beitrag zum gesellschaftlichen Wandel leisten!

Wie verlief ihr Weg in die Selbstständigkeit? K: Eigentlich hatten wir schon 2008, direkt nach unserem Studienabschluss, die Idee für unsere Firma. Aber damals fehlte nicht nur das Geld, sondern auch das berufliche Netzwerk. Also haben wir zunächst weiter freiberuflich gearbeitet. Im Jahr 2011 ergab sich dann die Chance für uns: Durch Fukushima war die Energiewende in aller Munde und die Nachfrage nach Erneuerbaren Energien groß. Die Ersparnisse aus unserer Arbeit als Freiberufler ermöglichten es uns nun die Einlage für die GmbH-Gründung selbst zu erbringen, sodass wir auf Kredite verzichten konnten. Gleichzeitig hatten wir durch unsere Freiberuflichkeit ein umfassendes Netzwerk aufgebaut. Da war es klar: Jetzt oder nie!

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R: Wir sind heute sehr froh, dass wir erst später richtig gegründet haben. Die guten Kontakte zu Geschäftspartnern erleichterten uns den Start und wir konnten gleich mit dem Arbeiten anfangen. Wir hatten damals noch nicht mal ein Büro, aber es gab schon so viele Anfragen, dass wir von zu Hause aus loslegen mussten. Welche Probleme sind auf­getreten und welche Lösungen haben Sie gefunden? R: Als Wirtschaftsminister Rösler die Kürzung bei der Solarförderung angekündigt hat, war das ein ziemlicher Schlag für die gesamte Branche! Plötzlich brach die Nachfrage ein und laufende Projekte wurden unterbrochen. Das haben wir nur überstanden, weil wir so gut gestartet waren und dadurch Rücklagen bilden konnten. Wir haben diese Zeit genutzt und uns

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um andere wichtige Dinge gekümmert, die während der Start-Phase mangels Zeit unbearbeitet geblieben sind. K: … und natürlich die Weiterbildung. Der technische Fortschritt schreitet ja stetig voran und Neuerungen entwickeln sich sehr schnell. Ebenso sind wirtschaftliche und rechtliche Themen nicht zu vernachlässigen. Da reicht das reine Studium nicht aus. Worüber freuen Sie sich in Ihrem Arbeitsalltag? K: Die täglichen Herausforderungen, die solch eine Gründung mit sich bringt – nichts ist spannender! Und wenn bei der monatlichen wirtschaftlichen Auswertung alles nach Plan und besser läuft. Für den Businessplan muss man ja erst mal vorsichtig prognostizieren. Im ersten Jahr hatten wir daher zunächst nur eine Freiberuflerin als Halbtagsstelle eingeplant. Jetzt

sitzen hier sogar zwei Mitarbeiterinnen – nahezu Vollzeit – und noch zwei Praktikanten! Darauf sind wir sehr stolz! Und hätte Herr Rösler nicht die Förderung für Solarenergie gekürzt, dann wären hier noch zwei Leute mehr! R: Natürlich freuen wir uns auch immer besonders darüber, wenn wir weiterempfohlen werden. Dann wissen wir, dass unsere Kunden mit der Arbeit zufrieden sind. Das ist für uns der größte Erfolg!


Tipps

Steckbrief

_ Vor dem Start gut planen und möglichst viele Kontakte knüpfen. _ Sparsam sein und Investi­ tionen genau überlegen.

etectum GmbH www.etectum.de Standort Emanuelstraße 8 | 10317 Berlin gegründet August 2011 Mitarbeiter 2 und 2-3 freie Mitarbeiter, 1 Praktikant Gründer Timo Krause, Christian Röhr Interviewpartner Timo Krause (1974), Christian Röhr (1982) Studium Umwelttechnik Erneuerbare Energien (Diplom) an der HTW Berlin, Regenerative Energie Systeme (Master)

»Wir können die Dinge vorantreiben, die uns wichtig sind und uns so selbst verwirklichen.« 45


vime-IT Ein IT-Dienstleister, der individuelle Lösungen auf den Gebieten Bildanalyse, Bildverarbeitung und Datenvisualisierung anbietet.

»Mit einer Selbstständigkeit tauscht man die Sicherheit des Angestelltendaseins gegen die Freiheit selbstbeDavid Backstein stimmt zu arbeiten.«

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»Selbstständigkeit ist eine Charakterfrage« David Backstein begrüßt mich herzlich in dem kleinen, gemütlichen Neuköllner Büro. Sofort werde ich auf einen Kaffee einge­ laden und herumgeführt. Er wirkt sehr aufgeschlossen und ist voller Tatendrang. Begeistert erzählt er von seiner Geschäftsidee und schwärmt von den Vorteilen der Bürogemeinschaft, die er und sein Gründerteam als Ort für die Gründungsphase ihres Startups ausgesucht haben: »Man hilft sich gegenseitig! Gerade, wenn es darum geht Aufträge zu bekommen und eine Firma dann den ,Nachbarn‘ beauftragt, statt eines externen Dienstleisters.« Um die fleißig arbeitenden Teammitglieder nicht zu stören, setzen wir uns für das Interview in den großen Konferenzraum.

Starten wir mit der zentralen Idee: Können Sie die in drei Sätzen beschreiben? David Backstein für vime-IT: Ich probier‘s mal (lacht). Wir programmieren ein System, mit dem es möglich ist in großen Bildbeständen Fotos schnell zu finden. Unsere Technologie basiert darauf, dass wir ähnliche Bilder finden können. Wir versuchen damit die Millionenbestände von Fotoagenturen weltweit besser verkaufbar darzubieten, indem die Bildsuche für Fotografen oder Reporter, die z. B. für Magazine Bildlizenzen erwerben wollen, erleichtert wird. Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Ich habe mich schon im Studium viel mit Bildanalyse beschäftigt und gemerkt, dass das ein sehr komplexes, aber äußerst interessantes

Feld ist. Als das Studium dann »plötzlich« vorbei war, wurde die Selbstständigkeit zur echten Perspektive. Wir haben uns schon im Studium Gedanken gemacht, geplant, und viel damit beschäftigt, wie man mit einem eigenen Unternehmen an den Markt gehen könnte. Dabei ist dann langsam unsere Idee entstanden und wir hatten viel Glück, dass wir auch sehr schnell unseren Kooperationspartner »pixolution« gefunden haben, mit dem wir jetzt die Bildsuche realisieren können. Für uns war es wichtig kein zu großes Risiko einzugehen. Denn mit einer Selbstständigkeit tauscht man die Sicherheit des Angestelltendaseins gegen die Freiheit selbstbestimmt zu arbeiten. Das war es uns aber wert zu probieren, gerade weil wir noch recht jung sind. 47


Welche Probleme sind dabei bisher aufgetreten und welche Lösungen haben Sie gefunden? Finanzielle und rechtliche Fragen waren die größten Knackpunkte. Das Start up-Kompetenzzentrum hat uns aber beim Businessplan mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Mit dem Businessplan, der von der IHK abgenommen wurde, konnte dann ein Teammitglied einen Gründerzuschuss bei der Arbeitsagentur beantragen. Natürlich haben wir auch die Sommeruni an der HTW Berlin besucht. Dadurch sind wir mit anderen Gründern in Kontakt gekommen und hatten die Chance uns etwas abzuschauen und von deren Erfahrungen zu profitieren. So haben wir auch unseren Rechtsanwalt kennengelernt, der uns noch heute unterstützt.

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Sind Ihre Erwartungen an die Selbstständigkeit erfüllt worden? Definitiv! Ich arbeite zwar lange, aber flexibel. In einem Angestelltenverhältnis würde ich natürlich wesentlich mehr verdienen als jetzt, aber der Spaß an der Arbeit ist mir wichtiger als das Geld – schließlich verbringe ich einen Großteil des Tages im Büro! Gerade durch die Vielfältigkeit der Aufgaben bei einer Selbstständigkeit wird es nie langweilig. Es bleibt allerdings auch nicht viel Zeit für Freunde und Familie. Deshalb habe ich mir eine Prämisse gesetzt: Ich arbeite nicht am Wochenende und ich arbeite nicht zuhause!

Was planen Sie für die Zukunft? Ende 2013 hat vime-it die Fusion mit pixolution vollzogen. Wir Gründer sind nun Mitgesellschafter des Unternehmens und arbeiten vereint an der Zukunft der Bildsuche. Wir eruieren gerade mögliche Geschäftserweiterungen in Richtung visuelle Produktsuche im E-Commerce.


Steckbrief

Tipps _ Selbstständigkeit ist eine Charakterfrage: Nicht jeder ist als Unternehmer geeignet. Man braucht emotionale Stärke und eine gewisse Risikobereitschaft. _ Man muss mit den richtigen Leuten gründen: Man verbringt mit ihnen viel Zeit und muss Schwierigkeiten bewältigen.

_ Man darf nicht zu viel grübeln: Beratung und Unterstützung einholen und dann entscheiden.

»Als Gründer blickt man über den Tellerrand hinaus: Man hat nicht nur einen, sondern viele Berufe! Manchmal mache ich z. B. die Arbeit von einem Anwalt.«

vime-IT www.vime-it.com Standort Weigandufer 45 | 12059 Berlin gegründet Oktober 2011 Mitarbeiter 3 Gründer David Backstein, Sebastian Müller, Michael Rost Interviewpartner David Backstein (1985) Studium Internationale Medieninformatik (Master) an der HTW Berlin

Gründer David Backstein

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ORBICON ORBICON ist eine Managementberatung, die Innovation in jeglicher Hinsicht fördert und begleitet. Zu den Kunden gehören sowohl Startups als auch bereits etablierte Firmen.

»Früher hat der Kopf immer weitergearbeitet nach dem Feierabend.« Sascha Bock

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»Geplant war alles ganz anders« Sascha Bock ist mittlerweile ein »alter Hase«. Schon während des Studiums hat er seine erste Firma gegründet. ORBICON ist bereits das dritte Unternehmen. Die Erfahrungen und Kontakte aus den ersten Jahren als Unternehmer sind in die Entwicklung von ORBICON eingeflossen, sodass die Firma heute sehr gut läuft. Mittlerweile bringt er Selbstständigkeit auch mit Familie unter einen Hut: Er ist stolzer Papa.

Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Sascha Bock für ORBICON: Es gab viele glückliche Zufälle. Geplant war alles ganz anders: Wenn man das erste Unternehmen gründet, da sagt man: »Das ist es! Und das ziehen wir jetzt durch, wir wollen wachsen und irgendwann wollen wir 50 Leute sein.« Dass aber auf dem Weg ganz viele Unwägbarkeiten und Probleme kommen und sich die Branchen heute ganz schnell ändern – siehe Internet – bedenken die Wenigsten. In der Regel ist der Businessplan nach seiner Fertigstellung schon wieder überholt. Dann muss man eben sehr flexibel sein und sich diesen neuen Wettbewerbsrealitäten stellen.

Welche Probleme sind Ihnen begegnet? Es gibt am Anfang oft ein finanzielles Problem. Die fehlende Zahlungsmoral bei manchen Kunden oder unerwartete Kosten können die Finanzen schon sehr belasten. Die ersten drei Jahre – das sind die härtesten! Ich hatte das große Glück, dass meine Eltern mich unterstützt haben, sodass ich keine Miete zahlen musste. Oft kann auch die Zusammenarbeit mit anderen Gesellschaftern ein Problem werden. Wenn man sich streitet, leidet die gesamte Firma. Es ist deshalb wichtig zu überlegen, mit wem man zusammenarbeiten will.

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Wie sieht ihr Arbeitsalltag heute aus? Jetzt, nach mehreren Jahren, recht komfortabel. Früher hat der Kopf immer weitergearbeitet nach dem Feierabend. Ich habe nie richtig abgeschaltet, hatte immer das nächste Projekt oder den nächsten Auftrag im Kopf. Hier ein Problem, das gelöst werden muss und da ne´ Idee, die ich vielleicht umsetzen will. Mittlerweile fange ich nicht vor halb neun oder neun an zu arbeiten. Und nach sieben bis acht Stunden Arbeit ist dann auch Feierabend.

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Wie ist Selbstständigkeit mit Familie vereinbar? Man muss konsequent sein und seine Balance finden zwischen Arbeit, Freizeit und Familie. Sport ist z. B. ein fester Bestandteil meines Terminplans. Ich reserviere die Zeit also bewusst und warte nicht darauf, dass ich mal welche habe. Welche Rahmenbedingungen ermöglichen Ihren Erfolg? Ich habe ein Unternehmen, das ich mit relativ wenig Fixkosten betreiben kann. Ich vermarkte ja meine geistige Leistung und brauche dafür nur ein kleines Büro bzw. kann im Notfall überall meinen Laptop aufklappen. Aus meinem guten Kontaktpool kommen auch immer wieder neue Aufträge.


Tipps

Steckbrief

_ Charakterstärke haben, die lange Durststrecke am Anfang durchzustehen. _ Entscheidungen auch mal revidieren und flexibel sein. _ Hartnäckig bleiben. _ Hinter der Idee stehen und andere dafür begeistern können. _ Sich Freiräume für Spaß, Familie und Freunde schaffen.

ORBICON www.orbicon.de Standort Hönower Straße 35 | 10318 Berlin gegründet 2002 Mitarbeiter 3 – 4, meist Freie Gründer Sascha Bock Interviewpartner Sascha Bock (1976) Studium Betriebswirtschaftslehre (Diplom) an der HTW Berlin

Herr Garski, Herr Yu und Gründer Sascha Bock

»Als Gründer muss man Entscheidungen auch mal revidieren können und flexibel sein.« 53


Brinkmann.Wagler.Bareuther Die Firma der drei Gründer bietet umfassenden Service in allen Bereichen des Bauwesens, in denen Ingenieurleistungen gefragt sind: von Berechnungen im Vorfeld eines Bauvorhabens, über die

Betreuung vor Ort bis hin zur Gutachtenerstellung für bestehende Gebäude. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf energie­ effizientem Bauen.

»Nicht dem Geld hinterher rennen, sondern lieber der Arbeit!« Robert Brinkmann

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Wie frei ist Selbstständigkeit? Für das Interview setzen wir uns an einen runden Tisch in einem Büro der obersten Etage des Existenzgründerzentrums. Die Stimmung ist entspannt: Vor mir steht Kuchen und Kekse, der Kaffee wird auch sofort serviert. Keine Spur von den Strapazen der letzten zwei Jahre, die »extrem arbeitsintensiv« waren, wie die Gründer berichten. Was sie trotzdem zum Weitermachen motiviert, erzählen sie im Interview.

Holger Bareuther für Brinkmann. Wagler.Bareuther: Aber wir wollten richtig Lust auf den Job haben und vernünftig dafür bezahlt werden. Da haben wir unser Glück selbst in die Hand genommen. Wir kannten uns alle aus dem Studium und wussten, dass wir gut zusammenarbeiten können. Also haben wir uns hingesetzt, geplant und schließlich Nägel mit Köpfen gemacht.

Aus welchen Gründen haben Sie sich selbstständig gemacht? Robert Brinkmann für Brinkmann. Wagler.Bareuther: Nach Studienende war die Arbeitsmarktsituation sehr schlecht: Es gab Kommilitonen, die für 1.200 Euro brutto mit dem Arbeiten angefangen haben – als Bauingenieure!

Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Ich hatte meine Diplomarbeit zu einem Thema aus dem Denkmalschutz geschrieben. Wir hielten das für ein gutes Alleinstellungsmerkmal und sind mit dieser Spezialisierung gestartet. Zunächst nur sehr spartanisch: Jeder hat sein Konto geplündert und statt ein Büro zu

mieten, haben wir im alten Kinderzimmer gesessen und gearbeitet. Mit den ersten Gewinnen haben wir dann die Firma aufgebaut. Ba: Neben Aufträgen in unserem Spezialgebiet haben wir auch kleinere Projekte in anderen Bereichen angenommen, um unser Portfolio zu erweitern. Aber der Anfang war sehr schwer! Im Vergleich zu unseren angestellten Kommilitonen haben wir weniger verdient und konnten zunächst auch nicht so viele Erfahrungen sammeln. Wir haben immer wieder vorgehalten bekommen: Warum macht ihr es nicht richtig, wie die anderen?

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Wie sind Sie mit dem Widerstand aus dem Umfeld umgegangen? Br: Ich habe mich schwergetan, eine Zeit lang an meiner Entscheidung gezweifelt und bin irgendwann an dem Punkt angelangt, wo ich mich erneut entscheiden musste: Will ich das noch oder nicht? Ich wollte! Aber ich habe gedacht, dann muss ich es jetzt auch richtig angehen und mich an die großen Projekte heranwagen. Ba: Wenn man das erste richtig große Projekt gestemmt hat, wird das Selbstbewusstsein enorm gestärkt! Man sieht, was man mit einem kleinen Team auf die Beine stellen kann und der Widerstand prallt plötzlich ab. Br: Und das Geld kommt dann auch ganz automatisch. Deshalb sage ich immer: Nicht dem Geld hinterher rennen, sondern lieber der Arbeit! 56

Welche anderen Probleme sind aufgetreten und welche Lösungen haben Sie gefunden? Br: Am Anfang ist die Freiheit sehr beschränkt. Da muss jeder Auftrag angenommen werden, um ein Kontaktnetzwerk aufzubauen. Irgendwann explodiert dieses Netzwerk und man muss aufpassen, dass man die Aufträge noch schaffen kann. Ba: Das Zwischenmenschliche ist nicht immer einfach. Jeder Bauherr ist anders und man muss lernen mit unterschiedlichen Charakteren umzugehen. Br: Das Zeitproblem sollte man auch nicht unterschätzen! Wir hatten schon fünfzehn bis zwanzig Projekte parallel. Die normalen acht Stunden reichen da einfach nicht aus. Aber das geht ja auch den meisten Angestellten in Berlin so. Bei uns zahlen sich die Überstunden direkt auf dem Gehaltsschein aus.

Ba: Wenn man Selbstständigkeit und Familie unter einen Hut bringen will, müssen aber alle an einem Strang ziehen! Gerade am Anfang muss die Familie oft hinter der Firma anstehen. Eigentlich wird es erst besser, wenn man Angestellte hat. Diesen Schritt sind wir aktuell gegangen und haben eine Master-Absolventin der HTW eingestellt. Was motiviert Sie? Br: Freiheit! Ich kann mich beim Arbeiten nach meinem eigenen Rhythmus richten. Es gibt keinen Chef, der mich dann fassungslos anschaut! Als Selbstständiger kann ich meine eigenen Vorstellungen umsetzen. S: Worauf sind Sie besonders stolz? Ba: Ich bin besonders stolz auf die Wahrnehmung des Büros nach außen. Wir haben uns mittlerweile eine Reputation aufgebaut, sodass


wir sogar Aufträge von größeren Unternehmen bekommen, die sich sonst nur mit großen Planungsbüros abgeben. Br: Ja, wir haben uns eine gewisse Professionalität erarbeitet. Sei es durch langfristige Maßnahmen wie Weiterbildung oder auch nur durch minimale Veränderungen in unseren Prozessabläufen. Wie groß die Veränderung ist, spielt keine Rolle, nur, dass sie uns weiterbringt und wir nicht auf der Stelle stehenbleiben.

Tipps

Steckbrief

_ Nie auf der Stelle treten: Veränderung ist gut! _ Klein anfangen und ein Unternehmen langsam aufbauen _ Erfolge zur Motivation nutzen _ Selbstständigkeit gelingt am besten, wenn sie eine Passion ist!

Brinkmann.Wagler.Bareuther www.bwb-ing.de Standort Hönower Straße 35 | 10318 Berlin gegründet März 2006 Mitarbeiter 1 Gründer Robert Brinkmann, Peer Wagler, Holger Bareuther Interviewpartner Robert Brinkmann (1977), Holger Bareuther (1980) Studium Bauingenieurwesen (Diplom) an der HTW Berlin

Brinkmann, Wagler und Bareuther

»Man lebt in einem Zwiespalt zwischen Entscheidungsfreiheit und dem Zwang zur Wirtschaftlichkeit.« 57


mobile melting GmbH Die mobile melting GmbH ent­ wickelt Anwendungen für Smartphones oder Tablet PCs, die sogenannten Apps. Mit »Storytude«, einer App für Sightseeingtouren, ist das Startup bekannt geworden.

»Wenn man am Markt erfolgreich sein will, dann kann man nicht immer glauben, dass man alles Lydia Horn besser weiß!«

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»Wege entstehen, wenn man sie geht« Dieses Motto motiviert Lydia Horn jeden Tag auf‘s Neue. Es steckt Optimismus und eine Macher-Mentalität darin. Erst auf den zweiten Blick erkennt man die Ungewissheit und den experimentellen Charaker, den das Unternehmertum mit sich bringt. Selbstständigkeit ist für die Unternehmerin geprägt durch das Ausprobieren – die Gefahr des Scheiterns inklusive. Warum sie sich trotzdem für die Gründung ihrer Firma entschieden hat, erzählt sie im Interview.

Was verbirgt sich hinter »Storytude«? Lydia Horn für mobile melting GmbH: Mit »Storytude« kann man sich über sein Smartphone durch die Stadt führen lassen. Wir fanden damals, dass es an dem Produkt »Stadtführung« noch einiges zu verbessern gibt. Es sollte unabhängig vom Guide werden, sodass die Qualität immer gleich bleibt. Und wir wollten die Zugänglichkeit verbessern. Stadtführungen sind ja meist sehr teuer. Dadurch, dass meine Kollegin ein großer Fan von Hör­ büchern ist, kam diese Komponente noch dazu. Sie fand es interessant die Geschichten in der Stadt zu verorten. Jetzt bieten wir beides an: Stadtführungen mit Geschichten oder eine Geschichte, mit der man die Stadt erleben kann.

Und wie ist die Idee ent­standen? Die ursprüngliche Idee hatte meine Mitgründerin. Es sollte eigentlich zuerst ein Stadterkundungs-Spiel werden. Meine Kollegen und ich fanden das aber nicht so interessant und haben es deshalb umgewandelt: Es sollte um ein ortsbasiertes Stadtentdecken mit medialer Unterstützung gehen. Im Laufe des ersten halben Gründungsjahres haben wir die Idee dann konkretisiert und sind bei Stadtführungen gelandet. Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Ich habe Anfang 2009 davon gehört, dass meine beiden Kollegen gründen wollen und überlegt, ob ich da einsteigen will. Das lag vor allem daran, dass ich mit dem Angestellten59


dasein immer nur mittelzufrieden war. Wir haben uns dann für ein EXIST-Gründerstipendium beworben und die Bewilligung sehr schnell bekommen. Dadurch hatten wir für ein Jahr ein gewisses Maß an finanzieller Sicherheit. Das hat mir die Entscheidung, meinen festen Job zu kündigen, dann auch etwas leichter gemacht. Ich war überzeugt von der Idee! Aber ohne EXIST wären wir das bestimmt anders angegangen. Durch das Stipendium war der Anfang einfach: Du hast ein Jahr lang ein Gehalt, ein Büro für drei Leute und Coaching.

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Und nach dem Stipendium? War der Übergang schwierig? Eigentlich nicht. Wir haben nach diesem einen Jahr eine Finanzierungsrunde gemacht und private Investoren ins Boot geholt. Schwierig wird es erst jetzt, wenn es darum geht, die Firma ohne weitere

Investionen, also nur aus dem Umsatz, weiterzuentwickeln. Das ist im App-Geschäft eigentlich gar nicht machbar! Dadurch, dass jede App nur einen sehr kleinen Betrag kostet, gleichzeitig aber Endkundenmarketing im großen Stil notwendig ist, funktioniert die Kalkulation einfach nicht. Wie gehen Sie mit diesem Problem um? Wir sind ins Projektgeschäft eingestiegen. Wir entwickeln Apps für Firmenkunden und machen AppProduktentwicklungen für Konzerne und KMU. Das ist nicht nur ein gutes Geschäft, sondern man lernt dabei auch eine Menge.

Was planen Sie für die Zukunft? Wir haben einige Ideen aber im Moment noch keine konkreten Pläne. Ich glaube, das muss man auch mal auf sich zukommen lassen. Wenn man am Markt erfolgreich sein will, dann kann man nicht immer glauben, dass man alles besser weiß (lacht)! Die Hauptaufgabe ist im Moment erst mal Reichweite herzustellen, sodass wir mehr Nutzer erreichen können. Und da suchen wir gerade Partner.


Steckbrief

Tipps _ Die Erfahrungen von anderen Gründern nutzen: Gerade in Berlin gibt es ein großes Netzwerk! Kontakt findet man z. B. bei Netzwerkveranstaltungen oder über das Mentorenprogramm »catapult« (http://www.medianet-bb.de/DE/medianetcatapult) _ Einfach mal ausprobieren, die Risiken sind beherrschbar: Als Angestellter hast du nur einen Kunden, nämlich deinen Arbeitgeber. Als Unternehmer hast du mehrere. Wo ist das Risiko für einen Totalausfall größer?!

_ Die Unterstützung vom Start up-Kompetenzzentrum nutzen! _ Unbedingt über Förderinstrumente informieren! Es gibt gerade in Berlin und Brandenburg unglaublich viele Möglichkeiten!

»Es gibt immer viele Dinge, die man noch nie gemacht hat – das ist das Wesen des Unternehmerseins«

mobile melting GmbH www.mobile-melting.de Standort Stephanstr. 18 | 10559 Berlin gegründet November 2009 Mitarbeiter 5 und mehrere Freie Gründer Lydia Horn, Karolina Schilling, Jörg Polakowski (nicht mehr aktiv) Interviewpartner Lydia Horn (1981) Studium Wirtschaftskommunikation (Diplom) an der HTW Berlin

Jeanette Kelling, Lydia Horn, Tilman Süss, Karolina Schilling, Marion Janning

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e-pixler NEW MEDIA GmbH Die e-pixler NEW MEDIA GmbH ist eine Full-Service-Internet­agentur, spezialisiert auf TYPO3. Das rund 30 Mitarbeiter starke Team aus Informatiker, App-Konzepter/-Entwickler, Grafiker/Designer, Systemadministratoren, Usability-Consultants, Redakteure, Texter und Marketing-Spezialisten, arbeitet

interdisziplinär zusammen. Individuelle Hosting-Lösungen werden über die Partnerfirma, die e-pixler HOSTING GmbH, angeboten. Im Bereich der App-Entwicklung kümmert sich die e-pixler APPS GmbH um mobile Lösungen.

»Ab und zu muss man etwas riskieren.« Stefan Otto

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Man nehme: einen starken Willen und den richtigen Partner Für Stefan Otto sind diese Zutaten notwendig, um erfolgreich selbstständig zu sein. Und sein Rezept scheint gut zu funktionieren. Ich bin erstaunt, wie viele Leute bereits zum Erfolg des Unternehmens beitragen. e-pixler ist in den ersten sechs Jahren rasant gewachsen. Im Interview erzählt der Geschäftsführer, warum Wachstum nicht nur Vorteile, sondern auch Herausforderungen mit sich bringt.

Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Stefan Otto für e-pixler: Über ein paar Umwege. Nach dem Studium hatte ich die Chance, im Verlag meiner Schwiegereltern zu arbeiten. In dieser Zeit habe ich meinen heutigen Geschäftspartner Roman Rammelt kennengelernt und mit ihm mein erstes Projekt erfolgreich umgesetzt. Nach etwa zwei Jahren habe ich mich beruflich umorientiert und bei PricewaterhouseCoopers angefangen, einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Dort musste ich aber feststellen, dass Beruf und Familienleben nicht so funktioniert haben, wie ich es mir wünschte. Das, gepaart mit dem schon immer vorhandenen Willen etwas Eigenes aufzubauen, führte letztlich zur Gründung der Firma.

Sie sind 2-facher Vater. Wie schaffen Sie es, Familie und Firma unter einen Hut zu bringen? Es ist schon eine Herausforderung und man braucht gute Rahmenbedingungen. Aber als Unternehmer hat man ja leichter mal die Freiheit, seinen Arbeitstag zeitlich und räumlich zu verlagern, wenn es aus familiären Gründen notwendig ist. Außerdem versuchen wir die Präsenzzeiten soweit es geht einzuhalten. Man muss Prioritäten setzen und sich selbst in der Gründungsphase etwas zurücknehmen: Das Hobby geht dann eben mal eine Weile nicht. Aber das ist ja absehbar. Wenn die Firma gut läuft, kann man sich auch wieder mehr Freizeit gönnen. Die Work-Life-Balance ist mir sehr wichtig! 63


Warum ist eine große Firma besser? Wenn man klein ist, muss man in Personalunion mehrere Bereiche abdecken und hat allein sehr viel Arbeit. Mittlerweile bin ich schon in der Position, dass ich Aufgaben abgeben und mich mehr auf meine Kernaufgaben, wie das Delegieren und Führen konzentrieren kann. Das große Ziel ist es, eine Firma aufzubauen, in der jeder verantwortungsvoll seinen speziellen Part kennt und ganz selbstverständlich übernimmt. Machen Sie sich damit nicht überflüssig? Die Firma ist für mich zwar sehr wichtig, aber es ist nicht mein Ein und Alles. Das Leben besteht schließlich nicht nur aus Arbeit! Und ich verstehe mich als ein Teil eines Ganzen. 64

Welche Probleme sind bisher aufgetreten? Wir haben gerade in den ersten sechs Jahren immer mehr Produkte ­ in unser Portfolio aufgenommen. Aus Sicht der Kunden wird man dadurch leicht zum Gemischtwarenladen. Die Herausforderungen liegen darin, als Full-Service-Internetagentur mit echtem Mehrwert wahrgenommen zu werden. So haben wir z. B. 2012 eine eigene HOSTINGfirma gegründet und in diesem Jahr die APPS, die sich auf die Entwicklung von mobilen Anwendungen konzentriert. Außerdem ist das Team sehr schnell gewachsen und wir mussten mehrfach neue Arbeitsräume suchen. Ein größeres Team braucht auch mehr Arbeit und man muss mehr Gehälter zahlen. Für einen Unternehmer ist Wachstum in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung.

Was ermöglicht Ihren Erfolg? Ein Partner, auf den ich mich auch in schwierigen Zeiten verlassen kann. Wir wären nicht so erfolgreich, wenn ich nur auf die Zahlen geschaut hätte! Ab und zu muss man etwas riskieren. Von Beginn an lief es sehr gut, weil alle an einem Strang gezogen haben. Künftig wollen wir uns noch stärker von anderen Agenturen abheben, indem wir den kompletten Prozess der Web-Entwicklung aus einer Hand anbieten: also nicht nur die Gestaltung oder Umsetzung einer Seite, sondern auch Redaktion, UsablitityTests mit eigener Eyetracking-Technologie, Suchmaschinenoptimierung, das Hosting einer Seite und vieles mehr. Hinzu kommt die App-Entwicklung. Wir wollen unseren Kunden ein kompetenter Partner sein, der Lösungen entwickelt.


Tipps

Steckbrief

_ Keine Angst vor dem Kunden haben: Akquise ist alles! _ Auf Finanzkennzahlen achten: Du kannst nur das ausgeben, was du einnimmst. _ Auf angemessene Bezahlung bestehen und sich nicht unter Wert verkaufen. _ Nach Fehlern nicht den Kopf in den Sand stecken: Daraus lernt man das Meiste! _ Ein gutes Team aufbauen.

e-pixler NEW MEDIA GmbH e-pixler HOSING GmbH e-pixler APPS GmbH www.e-pixler.de

»Sich selbst und seinen Ideen vertrauen, Mut zeigen und Durchhaltevermögen, aber auch Spaß an der Verwirklichung seiner Träume.«

Standort Bänschstraße 90 | 10247 Berlin gegründet Oktober 2008 Mitarbeiter 30 Gründer Stefan Otto, Roman Rammelt Interviewpartner Stefan Otto (1980) Studium Wirtschaftsingenieurwesen (Diplom) an der HTW Berlin

Gründer Roman Rammelt und Stefan Otto

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Baukleid Schnittkonstruktion Baukleid übersetzt Designs in Schnitte. Aus der dreidimensionalen Zeichnung des Designers werden zweidimensionale Schnittmuster konstruiert, damit der Stoff für ein Kleidungsstück exakt zugeschnitten werden kann.

Denn letztlich besteht ein Kleidungsstück aus Flächen, die um den Körper gelegt werden. Baukleid sorgt dabei für die optimale Passform und unterstützt Designer mit solidem Handwerk.

»Es ist schwierig das richtige Maß für die Bezahlung zu finden.« Saskia Röwert

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3... 2... 1... selbstständig! Saskia Röwert begrüßt mich herzlich in der Goldleistenfabrik. In dem selbsternannten »Zentrum für Kreativschaffende« in Pankow teilt sie sich ein Büro mit einer Modedesignerin. Aufträge kommen also oft vom Bürostuhl gegenüber. Auch Frau Röwert ist staatlich geprüfte Modedesignerin und hat dadurch den Schnitt lieben gelernt, wie sie selbst sagt. Ein glücklicher Zufall führte sie in die Selbstständigkeit. Im Interview erzählt sie, wie sie Hals über Kopf selbstständig wurde und warum sie die Vielfältigkeit heute nicht mehr missen will.

Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Saskia Röwert für Baukleid Schnittkonstruktion: Das kam holterdiepolter! (lacht) Ich hatte während des Studiums schon mal darüber nachgedacht, es aber eigentlich verworfen, weil mir das Risiko zu groß war. Über einen Nebenjob habe ich dann aber eine Designerin kennengelernt, die sich gerade selbstständig gemacht hat. Weil sie die ganzen Aufgaben allein nicht bewältigen konnte, habe ich ihr angeboten, dass ich den Schnittpart übernehme. Und so hat sich die Selbstständigkeit quasi ergeben.

Wer hat Sie auf dem Weg unterstützt? Von der Familie gab es mentale Unterstützung. Ansonsten hatte ich einfach viel Glück und viele Kontakte. Um Kundenakquise musste ich mich im Grunde nie kümmern, weil es sich immer ergeben hat. Auch finanziell habe ich es ohne Kredite geschafft, weil meine Selbstständigkeit nicht so kostenintensiv ist. Meine Computersoftware und der Plotter waren dabei noch das teuerste. Und da ich auch von Anfang an Aufträge hatte, ging das ohne Finanzspritze. Das Start up-Kompetenzzentrum hat mir bei der Orientierung geholfen und ich habe Sie haben im Team gegründet? damals die Winteruni des Career Nein, jede ist ihre eigene Chefin. Services besucht. Denn ich wollte Aber sie war meine erste Kundin ausprobieren, wo meine Kompeund ich übernehme auch heute noch tenzen als Gründerin liegen und was ihre gesamte Kollektion. ich noch ausbauen müsste.

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Welche Probleme sind auf­ getreten? Es ist schwierig das richtige Maß für die Bezahlung zu finden. Besonders bei der Arbeit mit Designern, die auch gerade anfangen. Designer müssen viel investieren, zum Beispiel in gute Stoffe, sodass meist das Geld nicht locker sitzt. Der Schnitt ist dann vor allem eine Kostenfrage und ich war wohl immer etwas zu großzügig (lacht). Aber ich habe noch andere Standbeine, die zusätzliche Einnahmen bringen. Noch viel wichtiger ist mir dabei aber, dass ich so weitere Erfahrungen als Bekleidungstechnikerin und Freiberuflerin sammeln kann. Was machen Sie außerhalb von Baukleid? Ich arbeite freiberuflich auch als Bekleidungstechnikerin u.a. war ich bei Z-Labels. Das ist deshalb toll, 68 weil ich dadurch wertvolle Einblicke

in die industrielle Produktion und Abläufe erhalte. Im Studium lernt man ein sehr hohes Niveau kennen, dass dann aber auch entsprechend aufwendig und teuer ist. Durch die Erfahrung als freiberufliche Bekleidungstechnikerin kann ich meine Zielgruppe erweitern. Außerdem arbeite ich noch in einem kleinen Laden als Verkäuferin und Näherin. So komme ich beim Nähen nicht aus der Übung und gewinne Routine im Umgang mit Kunden. Was motiviert Sie trotzdem bei der Selbstständigkeit zu bleiben? In einem Angestelltenverhältnis ist man auf eine bestimmte Produktgruppe festgelegt, zum Beispiel Hosen. Oft sind die Schnitte dann auch sehr klassisch. Die selbstständige Arbeit mit den Designern ist dagegen immer wieder spannend: Man muss sich reinknien und Lösungen finden für extravagante Linien. Das macht richtig Spaß!

Nebenbei stelle ich auch ein paar eigene Sachen her. Es ist einfach schön, nach einem Arbeitstag etwas in der Hand zu halten. Und es wird zum Erfolg, wenn das Kleidungsstück auch andere begeistert. Was planen Sie für die Zukunft? Ich würde gern mit jemandem zusammenarbeiten. Ich finde Austausch sehr wichtig, damit sich Ideen weiterentwickeln können! Ich kann mir auch andere Sachen vorstellen: Taschen oder Raumgestaltung – ich bin nicht auf Kleidung festgelegt. Es gibt auch ein paar vage Ideen das Portfolio von Baukleid auszubauen. Da möchte ich aber noch nicht zu viel verraten. Meist kommt es ja sowieso anders als geplant!


Tipps

Steckbrief

_ Durch Austausch inspirieren lassen und weiterlernen. _ Immer für Entwicklungen und Neues offen sein. _ Beratung und Coaching nutzen.

Baukleid Schnittkonstruktion www.baukleid.de Standort Lehderstraße 16 – 19 | 13086 Berlin gegründet Februar 2010 Mitarbeiter 1 Gründer Saskia Röwert Interviewpartner Saskia Röwert (1980) Studium Bekleidungstechnik mit Spezialisierung Schnittgestaltung (Diplom) an der HTW Berlin Gründerin Saskia Röwert

»Für den ersten Schritt muss man Mut haben – und Geduld für alle weiteren!« 69


Ingenieur- und Kfz-Sachverständigenbüro Sécrit Benjamin Sécrit ist Kfz-Gutachter im Raum Berlin und Brandenburg und bietet schnell, zuverlässig und kompetent rund um die Uhr Schadensgutachten bei Unfällen im Straßenverkehr. Schadensgutachten sind notwendig, um Schadensersatzansprüche bei der Versicherung des Unfallverursachers geltend machen zu können.

»Ich hatte schon immer den Wunsch mein eigener Chef zu sein.« Benjamin Sécrit

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Problemloser Start Das Büro spiegelt kühlen Sachverstand wieder: Die Einrichtung ist in Blau, Weiß und Grau gehalten und demonstriert, dass Gutachten hier neutral und seriös erstellt werden. Ich staune daher nicht schlecht, als ich die kleine Modellauto-Sammlung in einem Regal entdecke. Benjamin Sécrit scheint schon immer von Autos begeistert gewesen zu sein. Über die Jahre haben sich die kleinen Schätze angesammelt und jetzt werden sie stolz im eigenen Büro präsentiert. Im Interview erzählt Herr Sécrit, wie er Unternehmer wurde.

Wie verlief Ihr Weg in die Selbstständigkeit? Benjamin Sécrit für Ingenieur- und Kfz-Sach­verständigenbüro Sécrit: Das hat ziemlich nahtlos geklappt. Ich habe damals meine Diplomarbeit in einem Berliner Sachverständigenbüro geschrieben und dadurch Einblick ins Geschäft bekommen. Da hab ich mir gesagt: »Das will ich auch probieren!« Und das hab ich dann auch. Von wem gab es Unterstützung und wie sah die aus? Zum einen habe ich durch ein befreundetes Sachverständigenbüro Starthilfe bekommen. Weil ich die nötige Software mit nutzen konnte, hatte ich erst mal kaum Investitionskosten. So konnte ich zunächst ohne Risiko testen, ob ich das hinkriege. Das Start up-Kompetenz-

zentrum hat mich bei der Erstellung eines Businessplans unterstützt. Dadurch konnte ich beim Jobcenter Einstiegsgeld beantragen, was ich dann auch bekommen habe. Zum Glück nicht lange, weil mein Geschäft so gut lief. Aus welchen Gründen haben Sie sich selbstständig gemacht? Ich hatte schon immer den Wunsch mein eigener Chef zu sein. Und als ich die Chance hatte das relativ risikolos zu probieren, habe ich es einfach gemacht. Was ist das Fundament Ihres Erfolges? Es steckt natürlich viel Engagement dahinter. Man muss sich als Dienstleister verstehen: Der Kunde ist König. Deshalb sind wir zum Beispiel auch am Sonntag 24 Stunden

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lang erreichbar. Es gibt Kunden, die dieses Angebot nutzen. Wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben als Unternehmer schauen, worauf sind Sie besonders stolz? Meine Familie war sehr skeptisch, als ich mich für die Selbstständigkeit entschieden habe. Ich glaube, sie hatten Angst vor dem Risiko, dass ich damit eingehe. Ich sollte mir lieber einen sicheren Job als Angestellter suchen. Aber ich habe mich nicht beirren lassen, sondern es durchgezogen. Und das bereue ich keinen Tag!

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Was planen Sie für die Zukunft? Ich würde mich gern vergrößern und noch mehr Mitarbeiter einstellen. Aber das setzt natürlich einen gewissen Kundenstamm voraus, sodass ich mir sicher sein kann, dass regelmäßig Aufträge kommen. Aber ich würde das Geschäft schon gerne ausbauen.


Tipps

Steckbrief

_ Sein Vorhaben genau analysieren: Konkurrenz, Standort, Zielgruppe etc. _ Nicht zu viel auf einmal wollen, sondern das Geschäft Schritt für Schritt aufbauen.

Ingenieur- und Kfz-Sach­ verständigenbüro Sécrit www.berlin-unfallgutachter.de Standort Lückstraße 23 | 10317 Berlin gegründet Januar 2008 Mitarbeiter 2 Gründer Benjamin Sécrit Interviewpartner Benjamin Sécrit (1981) Studium Fahrzeugtechnik (Diplom) an der HTW Berlin Gründer Benjamin Sécrit

»Der Kunde ist König.« 73


Ein bleibender Eindruck Die Selbstständigen, die ich bisher kannte, schienen mit ihrem Los nicht besonders glücklich zu sein: Viel Arbeit, wenig Geld, wenig Sicherheit. Mein Bild von Gründern war dementsprechend vorbelastet. Was ich in den Interviews mit den HTW-Absolventen erlebt habe, hat dieses Bild grundlegend gewandelt! Ich habe Menschen getroffen, die voll und ganz hinter dem stehen, was sie tun. Die allen Widrigkeiten trotzen und optimistisch in die Zukunft blicken. Die ihre Arbeit mit so viel Begeisterung erledigen, dass man glatt neidisch werden könnte!

auf ihren Mut, den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt zu haben und auf das, was sie allein oder im Team auf die Beine gestellt haben. Zu Recht!

Allen gemeinsam war ein innerer Drang, der eigene Chef zu sein. Bestimmen zu können, wie der Arbeitstag aussieht und dabei die größtmögliche Flexibilität zu haben. Diese Selbstbestimmtheit ist das, was die Gründer /-innen antreibt.

Wenn ich also irgendwann morgens aufstehe und merke, dass ich keine Lust auf den vor mir liegenden Arbeitstag habe… ich glaube dann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich überlegen sollte, ob die Selbstständigkeit mich glücklicher machen könnte.

Mich haben alle Begegnungen zum Nachdenken ­angeregt und ich schließe Selbstständigkeit für mich persönlich nun nicht mehr aus. Ich konnte viele ­unterschiedliche Ansätze, Ideen und Werdegänge kennenlernen, die zeigen, wie vielfältig eine ­Unternehmensgründung ablaufen kann. Möglich ist es immer – man muss es nur wollen!

Jessica Schlottke Sie sind glücklich, weil sie sich vollkommen entfalten, ihre Werte und Ideale ausleben können. Sie sind stolz 74


Schlusswort Wir haben mit dieser Broschüre einen Überblick über mehr als 13 Jahre Gründungsförderung an der HTW Berlin gegeben. Auch in Zukunft werden wir weiter daran arbeiten, das Thema Existenzgründung und Unternehmertum in unsere Hochschule und darüber hinaus zu tragen. Es ist wichtig, akademische Gründungen zu fördern, die neuartige Geschäftsideen sowie innovative Produkte, Dienstleistungen und Technologien hervorbringen - damit Probleme der Menschen gelöst werden, die Lebensqualität zunimmt und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Wir danken den Unternehmerinnen und Unternehmern, die an dieser Broschüre mitgewirkt und sich die Zeit für die Interviews genommen haben. Unser Dank richtet sich darüber hinaus an alle Beteiligten und Unterstützer. Dr. Angela Höhle

Wir hoffen, dass die Broschüre wertvolle Impulse gibt, die Gründung eines Unternehmens als Chance für einen Einzelnen, für ein Team und für die Gesellschaft wahrzunehmen.

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Impressum Herausgeber

Prof. Dr. Klaus Semlinger, HTW Berlin

Konzept und Text

Dr. Angela Höhle, Jessica Schlottke,

Patricia Schrams

Redaktion

Gisela Hüttinger, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Titelentwurf

Jessica Schlottke und Dennis Meier

September 2014

Das Projekt "Gründungsförderung" für Studierende und Absolventen wird gefördert durch die Europäische Union (Europäischer Sozialfonds).


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