Anwendungsorientierte Forschung an der HSR - eine Berichtsserie der Südostschweiz

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SONDERDRUCK

ANWENDUNGSORIENTIERTE FORSCHUNG DER HSR Eine Berichtsserie der S端dostschweiz

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Inhaltsverzeichnis 4 ......................Autor 5 ......................Keine gute Lehre ohne gute Forschung 8 ......................Die HSR bringt Trompeten aus Kohlefasern zum Klingen 10......................Mit Aktivkohle gegen kleinste Verunreinigungen im Abwasser 12......................Schnelle Knieheilung mit Druckluft, Stahl und Silikon 14......................HSR macht Knochenheilung per Implantat kontrollierbar 16......................HSR-Ingenieure lernen, ihr Wissen weltweit einzusetzen 18......................HSR-Mathematiker rechnen komplexe Probleme rund 20......................HSR lehrt Roboter ihre Aufgabe, bevor sie gebaut sind 22......................Unternehmen sind auf der Pirsch nach HSR-Studenten 24......................HSR entwickelt Rollstuhlski für den Einsatz im Winter 26......................HSR macht die Lunge bei künstlicher Beatmung sichtbar 28......................HSR-Institut wacht über die Tektonikarena Sardona 30......................HSR-Institut will historische Gärten in der Schweiz erhalten 32......................HSR-Institut forscht an einem neuen Stromnetz für China 34......................Die Zeit des Bauens auf der grünen Wiese ist vorbei 36......................HSR-Institut bewahrt Firmen vor groben Software-Pannen 37......................HSR-Kompetenzzentrum stärkt Zusammenarbeit der Institute 38......................HSR schafft sichere Tunnels durchs Netz 40......................HSR lässt Roboter zugreifen wie eine menschliche Hand 42......................HSR-Institut hält Schweizer Wasserkraftwerke am Laufen 44......................HSR-Institut will alles aus der Sonne herausholen 46......................HSR beherbergt europaweit einzigartiges Garten-Archiv 48......................HSR bringt Industriebetrieben in Zug Energieeffizienz bei 50......................HSR-Institut flutet Siebner Kraftwerkskanal mehrfach Die HSR Hochschule für Technik bildet Bachelor- und Masterstudierende aus, sie bietet Weiterbildung an und sie forscht. Worin hinter den Türen der vielen Institute und Kompetenzzentren auf dem Campus am Zürichsee geforscht wird, dokumentiert eine umfassende Artikelreihe der Zeitung «Südostschweiz». Jedes Institut und jedes Kompetenzzentrum wird ausgeleuchtet, damit Sie, liebe Leserin und Leser, die faszinierende und manchmal unbekannte Forschungswelt der HSR näher kennenlernen können. Tauchen Sie ein in die vielfältige und einzigartige Welt der Ingenieurinnen und Ingenieure und der Planerinnen und Planer. Die Artikelreihe erschien zwischen Januar und Juli 2013. 3


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Willi Meissner ist seit 2010 Redaktor bei der Südostschweiz, Ausgabe Gaster und See. Er ist für die Berichterstattung aus Rapperswil-Jona zuständig und hat die Serie über die Forschungsinstitute an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) verfasst, um der Bevölkerung nach der positiven Abstimmung über das neue HSR-Forschungszentrum einen Blick hinter die Kulissen der lokalen Hochschule zu ermöglichen.

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Überzeugt: Rektor Hermann Mettler (links) und Prorektor Alex Simeon glauben fest daran, dass die Forschung an der HSR ein grosser Gewinn für die Ausbildung der Studenten ist. Bilder Maya Rhyner

Keine gute Lehre ohne gute Forschung Die HSR ist vielen Leuten als Hochschule bekannt. Weniger bekannt sind die hiesigen Forschungsinstitute. Warum wird an einer Schule geforscht? Rektor Hermann Mettler: Wir haben einen dreifachen Leistungsauftrag. Ausbildung, Berufliche Weiterbildung und Forschung. Durch Forschungsarbeit für Unternehmen wird die Ausbildung der Studenten praxisorientiert, weil wir auf reale Fragen aus der Wirtschaft Antworten finden müssen. Diese Antworten gehen wie in einem Kreislauf wieder direkt zurück in die Lehre. Denn wir müssen unsere Studenten darauf vorbereiten, dass sie später in der freien Wirtschaft schnell an realen Projekten mitarbeiten können. Prorektor Forschung Alex Simeon: Ausserdem ist die Forschung wie ein Trainingslager für unsere Professoren. Die müssen fit bleiben, damit sie konkurrenzfähig zur Industrie bleiben. Durch die Zusammenarbeit mit Unternehmen bleiben sie am Puls der Zeit. Dieses Wissen geben sie als Dozenten an die Studenten weiter. Und damit steht am Ende das Know-how der Wirtschaft zur Verfügung. Ein Student an einer Hochschule mit geringem Forschungsanteil hätte also Nachteile? Hermann Mettler: Das Problem ist, dass ohne aktuelle Forschung das Wissen aus Lehrbüchern stammt. Wenn Sie Pech haben, ist dasWissen also schon meh-

rere Jahre alt. Auch die Professoren entwickeln sich so nicht weiter. Unsere Professoren haben aber gar keine andere Wahl. Wenn sie für Firmen forschen wollen, müssen sie an vorderster Front mit der Wissenschaft mitarbeiten. Das führt automatisch dazu, dass sich die Ausbildungsqualität der Studenten verbessert. Wie stark muss sich ein Professor an der HSR in der Forschung engagieren? Hermann Mettler: Im Schnitt arbeitet ein Professor 30 Prozent seiner Arbeitszeit an Forschungsprojekten. Zusätzlich beschäftigen wir derzeit etwa 220 Mitarbeiter an unseren Instituten.

Zu wenige Absolventen Wieso wird an den Instituten nicht mit Studenten geforscht? Hermann Mettler: Studenten müssen sich in einem fehlertoleranten System bewegen können. Aber wenn Sie als Forschungspartner Geld an die HSR zahlen, wollen Sie kein Ergebnis, für das ein Student vielleicht eine 3,5 bekommt, weil es nahezu ungenügend ist. Deshalb arbeiten nur ausgebildete Mitarbeiter an unseren Instituten.Viele davon sind ehe5


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malige Studenten, die noch einige Jahre forschen wollen, bevor sie sich in der Industrie einbringen. Dann können die Studenten also nur indirekt über die Professoren von den Forschungsinstituten profitieren? Hermann Mettler: Nein. Ein Beispiel: Oft dürfen Studenten parallel zu bezahlten Forschungsprojekten alternative Lösungen suchen. Das muss dann ja nicht fehlerlos sein. Aber die Studenten eignen sich beim Arbeiten sehr viel praxisnahes Wissen an. Zudem können sie während solchen Projekten Kontakte zu den Leuten und Firmen knüpfen. Und diese Sprungbrettfunktion darf man nicht unterschätzen. Alex Simeon: Zudem wäre eine Masterausbildung ohne starke Forschung kaum möglich. Um Masterausbildung anzubieten, müssen wir gegenüber dem Bund nachweisen, dass wir eine sogenannte «Forschungskompetenz mit nationaler Ausstrahlung» haben. Oder je eine Million Franken Forschungsumsatz in den fünf Vertiefungsbereichen des Master of Science in Engineering (MSE). Aber diese Voraussetzungen haben wir leicht erfüllt. Die Firmen zahlen für die Forschung. Wie wichtig sind diese Einnahmen für die HSR? Hermann Mettler: Nicht so wichtig für uns, sondern eher für unsere Trägerkantone St. Gallen, Schwyz

und Glarus. Wir sind stolz, dass die Grundfinanzierung für die Forschung bei uns minimal ist.Wir brauchen für die Forschung rund fünfmal weniger öffentliche Gelder als andere Fachhochschulen. Alex Simeon: Dabei ist wichtig zu betonen, dass wir nicht mit Dumpingpreisen arbeiten. Die Preise für unsere Forschung werden nicht durch Steuergelder subventioniert. Mit dem deshalb sehr unternehmensorientierten Modell können wir auch Mittel für eigene Forschungsprojekte, die sogenannte Programmforschung, erwirtschaften.Technologien also, die nicht im Auftrag von Firmen erforscht werden.

Trainingslager für die Professoren Was bringt es der HSR, mit eigenem Geld auf eigenes Risiko zu forschen? Hermann Mettler: Wenn daraus etwa ein patentierbares Produkt entsteht, können wir es an die Wirtschaft verkaufen. Aber es hat auch Vorteile für die Lehre. Ein gutes Beispiel dafür ist Cloud Computing, also die vernetzte Nutzung von IT-Infrastrukturen. Das ist jetzt ein Riesenthema. Zwei unserer

Stolz: Rektor Hermann Mettler (links) und Prorektor Alex Simeon sind froh, dass die HSR-Forschung durch die Aufträge aus der Industrie zum grössten Teil selbstfinanziert ist und ohne Steuergelder auskommt. 6


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Professoren haben aber schon vor Jahren so ein Projekt erforscht, bevor es überhaupt einen Namen dafür gab.Als Cloud Computing dann zum Thema wurde, kamen wir schnell an Aufträge aus der Wirtschaft und konnten entsprechende Kurse anbieten, weil wir das Know-how bereits hatten. Alex Simeon: Programmforschung kann auch wichtig sein, um sich überhaupt erst für Projektausschreibungen zu qualifizieren. In einem neuen Umfeld, aktuell etwa der Energiebereich, können wir keine Forschung anbieten, solange wir kein Know-how in diesem Bereich haben. Und ohne Forschung in aktuellen Gebieten würde wiederum die Ausbildung der Studenten dem Zeitgeist hinterherhinken. Aktuelle Lehre ohne aktuelle Forschung geht also nicht? Hermann Mettler: Zumindest wird eine zeitgemässe Ausbildung dann sehr schwierig. Das Niveau der Forschungsinstitute hat einen direkten Einfluss auf die Qualität der Ausbildung unserer Studenten. Finden die Studenten der HSR schnell eine Stelle? Hermann Mettler: Dazu ein Beispiel. Ich hatte kürzlich eine Diskussion mit einem Top-Manager eines global tätigen Schweizer Unternehmens. Die haben eher das Problem, dass sie zu wenige Absolventen von uns bekommen. Wir haben einen Ingenieurmangel in diesem Land, den man eigentlich gar nicht abdecken kann. Unsere Absolventen werden entsprechend alle gleich von der Industrie abgesogen. Und wo liegen die Schwerpunkte in der Forschung? Hermann Mettler: Einen Schwerpunkt zu nennen, ist schwierig. Aber das Thema Energie wird in den nächsten Jahren an Bedeutung zunehmen.

Alex Simeon: Wir erleben ja gerade, was beim Bund läuft. Etwa mit dem Energieprogramm 2050, die Koordinierung der Forschung in der Schweiz oder auch der Ausstieg aus der Kernernergie. Momentan läuft der Aufbau von Kompetenznetzwerken zwischen Fachhochschulen, Universitäten und ETHs. Da sind wir gerade mittendrin. Die HSR bildet bereits mit dem neuen Studiengang «Erneuerbare Energien und Umwelttechnik» in diesem Bereich aus. War das der Zeit voraus? Hermann Mettler: Es zeigt, dass wir mit dem Entscheid für den Studiengang richtig lagen. Er fiel zwei Jahre vor Fukushima und der Atomdiskussion. Alex Simeon: Das zeigt auch, dass die HSR sehr flexibel und proaktiv sein kann. Die Studenten in diesem Studiengang sind jetzt im dritten Studienjahr. Parallel zur Ausbildung hat man die ganze Forschung in diesem Bereich aufgebaut. Das sind mittlerweile 40 Leute. Wir können also sehr gut mit der Entwicklung Schritt halten.Was jedoch in zwei, drei Jahren aktuell ist, lässt sich schwer voraussehen. Wo steht die HSR in Forschung und Ausbildung demnach momentan? Hermann Mettler:Wir sind derVision, die wir immer hatten, sehr nahe gekommen: Eine starke Kopplung der Ausbildung an Forschung und Wirtschaft. Und Forschungskompetenz mit nationaler und internationaler Ausstrahlung. Die Ingenieurausbildung ist dabei klar unser Schwerpunkt. Das weiss man offenbar auch in der ganzen Schweiz. Nur rund ein Drittel der Studenten stammen aus unseren Trägerkantonen. Ein weiteres Drittel kommt aus dem Grossraum Zürich, der Rest aus der übrigen Schweiz. Bei der Forschung haben einige unserer Institute europaweit und teils bis nach Asien einen sehr guten Ruf.

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Die HSR bringt Trompeten aus Kohlefasern zum Klingen DerAnblick irritiert. Der amerikanische Jazzmusiker Trombone Shorty spielt auf einer schwarzen Trompete – aus Kunststoff statt aus Blech. Genauer: aus kohlefaserverstärktem Kunststoff. Nur die Anbauteile wie das Mundrohr sind wie üblich aus Metall. Entwickelt wurde die besondere Trompete an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) am Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung (IWK). Laut Institutsleiter Frank Ehrig ist die Kohlefaser-Trompete ein typisches Beispiel für die Arbeit am IWK. «Wir begleiten unsere Auftraggeber von der Idee bis zum fertigen Produkt», sagt Ehrig. Musiker erkennen keinen Unterschied Die Firma daCarbo aus Lachen wollte die CarbonTrompete. Das IWK hat sie entwickelt. Mittlerweile wird die schwarze Trompete auch von Musikern des Tonhalle Orchesters Zürich und der Wiener Symphoniker verwendet. Dort wurde sie auch getestet. Das Ergebnis: Die erfahrenen Wiener Musiker konnten im Doppel-

blindtest keinen Unterschied im Klang zwischen einer herkömmlichen und der Carbon-Trompete feststellen. Zudem ist das Instrument laut IWK-Oberingenieur Gion Barandun auch noch unempfindlich gegen Rost durch den feuchten Atem in der Trompete. «Und Beulen kann man in Carbon auch nicht schlagen.» Kurz: Ein rundum erfolgreiches Forschungsprojekt. Am IWK beschäftigen sich die 22 Mitarbeiter aber nicht nur mit Trompeten. Das Institut ist in drei Fachbereiche aufgeteilt. Die Carbon-Trompete wurde im Bereich Faserverbundwerkstoffe und Leichtbau entwickelt. Im Fokus stehen hier Produkte, die hohe Belastungen aushalten, dabei aber leicht bleiben sollen. Etwa Karosserie- und Motorteile für die Formel 1 oder Flugzeugkomponenten. Aber auch einen Heckspoiler für Porsche hat das IWK schon entwickelt. Einen weiteren Fachbereich, Spritzgiessen/PUR, leitet Ehrig selbst. Der Spritzguss beschäftigt sich

Vorreiter: Jazzmusiker Trombone Shorty ist einer der Ersten, der mit einer an der HSR entwickelten Carbon-Trompete auf der Bühne steht. 8


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Praxisorientiert: Das IWK kann bei seiner Forschunng und Entwicklung auf Maschinen zurückgreifen, die auch in der Industrie verwendet werden – das ermöglicht Lösungen, die in der Praxis leicht umsetzbar sind. Bild HSR

mit Kunststoffprodukten, die in grossen Stückzahlen produziert werden müssen. Also etwa Autoinnenverkleidungen oder medizinische Produkte wie Spritzen. Momentan werden Magnete aus Kunststoff entwickelt, die künftig unter anderem in Elektromotoren von Autos eingesetzt werden sollen. Der Teilbereich PUR steht für Polyurethane, also Kunststoffe, die oft als Schaum in Produkten verwendet werden. Zum Beispiel in Schuhsohlen, Matratzen oder Putzschwämmen. Der dritte Fachbereich heisst Compoundierung/Extrusion. Hier werden unter anderem neue Kunststoffe entwickelt. Derzeit etwa für die EMS-Chemie AG aus Domat/ Ems. Zu den Projektdetails darf IWK-Leiter Ehrig wegen einer Geheimhaltungserklärung zwar nichts sagen. Aber so viel kann er verraten: «Langfristig sollen möglichst viele Metallteile, etwa in Autos, durch Kunststoffteile ersetzt werden.» Diese seien sowohl leichter im Gewicht als auch günstiger in der Herstellung, so Ehrig. Momentan würden die Bauteile den hohen Belastungen zwar noch nicht immer standhalten. «Aber ich bin zuversichtlich, dass wir das Problem mit weiteren Kunststoffverstärkungen lösen können.» Gute Ideen und moderne Labore Darauf vertraut offenbar auch die EMS-Chemie. «Wir schätzen die engagierten Mitarbeiter mit lang-

jähriger Industrieerfahrung und die motivierten Studenten am IWK», sagt Christian Kruse, Leiter Anwendungstechnik bei EMS-Chemie. Das IWK verfüge über moderne Labore, bringe viele gute Ideen und sei zuverlässig in der Zusammenarbeit. Kruse sieht noch einen weiteren Vorteil: «Über die Projektzusammenarbeit mit der HSR bietet sich für EMS die Gelegenheit, Studenten früh in Industrieprojekte einzubeziehen. So können zukünftige Mitarbeiter gewonnen werden.» Weitere Informationen über das IWK im Internet auf www.iwk.hsr.ch.

Wir begleiten unsere Auftraggeber von der Idee bis zum fertigen Produkt Frank Ehrig ist Leiter des IWK an der HSR.

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Saubere Sache: Die AktivkohleTestanlage der HSR in der Kläranlage Flos in Wetzikon.

Mit Aktivkohle gegen kleinste Verunreinigungen im Abwasser Bevor gebrauchtes Wasser wieder sauber in die Natur entlassen wird, haben Abwasserreinigungsanlagen (ARA) einiges zu tun. Denn das Abwasser kommt als braune Brühe voll mit schädlichen Stoffen aus der Kanalisation in der ARA an. Deshalb erscheint es auf den ersten Blick seltsam, absichtlich auch noch eine schwarze Brühe in die braune zu kippen. Genau das macht aber die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) derzeit in der Kläranlage Flos in Wetzikon ZH in einer Testanlage. Kleinste Mengen, grosse Wirkung Die schwarze Brühe im Zürcher Abwasser ist ein Forschungsprojekt der Fachgruppe Wasser und Abwassertechnik am HSR-Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik (UMTEC). Es sind kleine Partikel aus Aktivkohle, die in einer Wasserlösung dem Abwasser zugegeben werden. Sie eliminieren spezielle Schadstoffe im Abwasser, die sogenannten Mikroverunreinigungen. Das sind Stoffe, die zum Beispiel durch Medikamente, Pflanzenschutzmittel oder Hormonpräparate wie die Anti-Baby-Pille ins Abwasser gelangen. Sie können bereits in kleinsten Mengen Schäden an Lebewesen in Gewässern anrichten. 10

Übriggeblieben: Im Kehricht verstecken sich unzählige Metallteile – diese können recycelt und anschliessend wieder für die Produktion neuer Produkte verwendet werden. Bild HSR


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Bisher fliessen Mikroverunreinigungen beinahe ungehindert wieder zurück in den Wasserkreislauf. Deshalb plant das Bundesamt für Umwelt, die Anforderungen an Kläranlagen zu erhöhen und beteiligt sich – zusammen mit der Stadt Wetzikon und dem zürcherischen kantonalen Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft – an diesem Projekt. Die problematischen Stoffe sollen aus dem Abwasser verschwinden. Und das möglichst günstig. «Günstig und schnell umrüsten» Mikroverunreinigungen können mit den bisher erprobten Methoden nämlich nur in einem separaten Becken entfernt werden. Mit Aktivkohle oder Ozongas. So ein Becken kostet je nach Grösse schnell Millionen Franken pro ARA. Das UMTEC will das zusammen mit den Projektpartnern Holinger AG, Ensola und aQa.engineering ändern. «Wenn das Projekt ein Erfolg wird, lassen sich Kläranlagen günstig und schnell gegen Mikroverunreinigungen aufrüsten», erklärt UMTEC-Institutsleiter Jean-Marc Stoll. Denn die Aktivkohlelösung soll direkt in das sogenannte Biologiebecken fliessen, das bereits in jeder ARA vorhanden ist. Nur die Betriebskosten würden etwas steigen. «Die ersten Versuche sind sehr vielversprechend», sagt Stoll. Ebenso vielversprechend ist ein weiteres Projekt am UMTEC. Im Auftrag des Verteidigungsdepar-

tements wird derzeit ein Verfahren entwickelt, wie das Blei im Sickerwasser von Schiessplätzen an Ort und Stelle unschädlich gemacht werden kann. Edelmetalle aus Abfall gewinnen Die 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am UMTEC forschen aber auch in anderen Bereichen als Wasser und Abwasser. Zum Beispiel an der Rückgewinnung von Rohstoffen aus Abfall. Jetzt schon werden Eisen, Aluminium und Kupfer aus der Asche von Kehrichtverbrennungsanlagen zurückgewonnen. Insgesamt rund 80 000 Tonnen pro Jahr allein in der Schweiz. In der Asche warten aber auch noch wertvollere Rohstoffe. In der Fachgruppe Rohstoffe und Verfahrenstechnik forscht Gruppenleiter Rainer Bunge derzeit zusammen mit der KVA Linth in Niederurnen und anderen Industriepartnern an Verfahren, die Edelmetalle wie Gold oder seltene Erden wieder aus dem Abfall zurückholen sollen. Seltene Erden sind für moderne Elektrogeräte unabdingbare Rohstoffe. «Bei den steigenden Rohstoffpreisen wird die Rückgewinnung langfristig immer lukrativer», sagt Bunge. Die zwei übrigen Fachgruppen des UMTEC forschen in den Bereichen Abfall/Ressourceneffizienz und Geruch.

Wertvoll: Neben dem unübersehbaren Aluminiumklumpen könnten sich in diesem Stück Asche auch noch Gold und andere Edelmetalle verstecken. 11


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Automatisch: Das Knie-Rehabilitationsgerät behandelt eigenständig das Knie eines Patienten.

Schnelle Knieheilung mit Druckluft, Stahl und Silikon Jedes Jahr verletzen sich Tausende Menschen in der Schweiz am Knie. Oft ist eine Operation nötig. Häufig folgt danach eine langwierige Rehabilitation mit regelmässigen Besuchen bei Physiotherapeuten und zahllosen Übungen, um die Beweglichkeit der Kniescheibe wieder herzustellen. Das könnte bald ein Gerät erledigen, das am Institut für Labortechnologie (ILT) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) entwickelt wurde. Es sieht aus wie eine komplizierte Knieschiene – und arbeitet automatisch. «Ein Greifer bewegt die Kniescheibe so, wie es die medizinische Diagnose vorschreibt», erklärt ILT-Leiterin Agathe Koller-Hodac. Dafür mussten die acht Mitarbeiter am ILT dem komplizierten Gebilde aus Stahl, Silikon, Schaumstoff und Druckluftpumpe beibringen, wie ein Physiotherapeut zu arbeiten. Sowohl mechanisch als auch über die Programmierung des Geräts. Sensible Behandlungen müssten aber weiterhin von 12

Therapeuten durchgeführt werden, betont KollerHodac. Künftig soll das Gerät in Spitälern, Physiotherapiezentren und bei Patienten zu Hause eingesetzt werden. Schnellere Heilung, weniger Kosten Die Vorteile, die sich Auftraggeber Srm-Projects, eine Tochter der Swissrehamed aus Chur, davon erhofft: geringere Kosten für die Heilung, weniger Fliessbandarbeit für Therapeuten und eine schnellere Rehabilitationszeit der Patienten. Momentan wird in einer Pilotstudie ermittelt, ob das Gerät im Vergleich zur Behandlung durch einen Physiotherapeuten bestehen kann. Dafür arbeiten ILT und Swissrehamed mit der Klinik Gut in St. Moritz und dem Swiss Olympic Medical Centre Bad Ragaz zusammen. «Sobald der wissenschaftliche Beweis per Doppelblindstudie erbracht ist, können wir das Gerät zur


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Vielfältig: Das ILT entwickelt unter anderem das Knie-Rehabilitationsgerät (oben) und ein automatisches Laborinstrument zur Blutprobenanalyse.

Serienreife weiterentwickeln», sagt SwissrehamedProjektmanager Joeri Gredig. Mit der Arbeit des ILT zeigt er sich sehr zufrieden. «Man spürt den Enthusiasmus der Mitarbeiter», sagt Gredig.Ausserdem seien die Institute sehr wach und technisch auf dem neuesten Stand. Deshalb habe Swissrehamed bereits weitere Projekte an der HSR laufen. Blutprobenanalyse automatisieren Die Automation spielt auch bei einem weiteren Projekt am ILT eine grosse Rolle. Gemeinsam mit der Firma Camag aus Muttenz entwickelte das Institut ein Laborinstrument, das Blutproben ohne menschliches Zutun analysieren kann. «Bisher müssen Blutproben per Hand mehrfach weiterverarbeitet werden, bis sie analysiert werden können», erklärt Koller-Hodac. Mit dem neuen Gerät könnten biologische Labore und Spitäler künftig bis zu 500 Blutproben auf sogenannten DBS-Karten pro Durchlauf automatisch analysieren lassen. Eine ebenfalls automatisierte, intelligente Videoüberwachung stellt dabei sicher, dass keine Fehler passieren. Der sogenannte DBS-MS 500 steht kurz vor der Serienreife. Bei Camag bereut man die Zusammenarbeit mit dem ILT nicht. «Wir haben enorm vom Know-how des ILT und der Vernetzung innerhalb der HSR pro-

Bilder HSR

fitiert», sagt Matthias Loppacher, Leiter Forschung und Entwicklung. «Besonders bei kritischen Fragestellungen hat uns das ILT immer schnell unterstützt und bei Bedarf zur Ergänzung des eigenen Knowhows weitere Spezialisten von anderen HSR-Instituten zu Rate gezogen.» Bildüberwachung sehr gefragt An spannenden Projekten wird es dem ILT laut Koller-Hodac auch künftig nicht mangeln. Die Kombination aus Laborautomation, Robotik, Sensorik, Medizinaltechnik und den «Life Science» genannten Biowissenschaften sei schweizweit einzigartig. Ausserdem gebe es eine grosse Nachfrage nach dem Wissen des ILT in der Umgebung. «In der Region sind im Liquid-Handling-Bereich tätige Unternehmen, die einen weltweiten Marktanteil von über 40 Prozent angesiedelt haben», sagt Koller-Hodac. Darunter Zulieferer für bekannte Firmen wie Novartis oder Roche. Einen wichtigen Trend der Zukunft sieht Koller-Hodac in der Bildüberwachung. «Die Branche zeigt ein wachsendes Interesse, mit Kameras die Prozesssicherheit zu erhöhen», sagt sie. Prävention sei günstiger als Fehlerbeseitigung. Weitere Informationen auf www.ilt.hsr.ch

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HSR macht Knochenheilung per Implantat kontrollierbar

Nützlich: Das kleine Implantat kann das Knochenwachstum überwachen – im Laborversuch (rechts) wird getestet, ob das Implantat die Erwartungen erfüllt.

Wenn Knochen gebrochen sind, wachsen sie wieder zusammen. Mal schneller, mal langsamer. Manchmal gibt es bei der Heilung aber Probleme. Ärzte müssen sich dann auf ihre Erfahrung und Röntgenbilder verlassen, um die Knochenheilung zu beurteilen und wenn nötig rechtzeitig einzugreifen. Ändern könnte das ein neues Implantat, welches derzeit beim AO Forschungsinstitut Davos in enger Zusammenarbeit mit der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) entwickelt wird. Das HSR-Institut für Kommunikationssysteme (ICOM) kreierte dafür ein sogenanntes Datenlogger-Implantat. Das speichert per Bewegungssensor, wie viel sich ein Patient bewegt und ob der Knochenspalt an der Bruchstelle korrekt zuwächst. Eine beeinträchtigte Heilung soll der behandelnde Arzt anhand der Daten erkennen können. Die Daten des Implantats können einfach mit einem schnurlosen Lesegerät ausgelesen werden. «Ganz ähnlich wie der Tierarzt bei der Ohrmarke eines Hundes», erklärt ICOM-Leiter Heinz Mathis. Momentan ist die Entwicklung des Implantats noch ein sogenannter «präklinischer» Versuch. An Menschen wurde das Implantat also noch nicht erprobt. Laut Projektleiter Markus Windolf vom AO Forschungsinstitut Davos wird momentan die nächste Entwicklungsphase eingeleitet. Wieder in Zusam14

menarbeit mit dem ICOM in Rapperswil. «Bisher war die Arbeit mit dem ICOM sehr fruchtbar», sagt Windolf. 3D-Erkennung aus Eschenbach Ein weiteres Projekt des ICOM mit der Eschenbacher Firma Adec Technologies ist fast fertig. Zusammen wollen sie 3D-Sensoren die Erkennung von bewegten Menschen und Objekten beibringen. Die Sensoren sollen anhand der Form erkennen, ob sie gerade einen Menschen sehen und was dieser macht. Zum Beispiel, ob in einem Restaurant jeder Sitzplatz von einem Menschen besetzt ist. Die elektronischen Augen erkennen aber nicht, wer dort sitzt. «Um die Gesichtserkennung geht es dabei nicht», sagt Adec-Projektleiter Andreas Hartmann. Einmal entwickelt, kann die Technologie laut Hartmann für verschiedenste Anwendungen verwendet werden. Ein erster Kunde wolle sie zum Zählen von Menschen in Restaurants und Bars nutzen. «Über eine Smartphone-App sollen Kunden sehen können, ob sie im Restaurant oder der Bar noch einen Platz bekommen», erklärt Hartmann. Derzeit würden Adec und ICOM in einem zweiten Projekt noch an einer kosteneffizienteren Installation des Sensorsystems arbeiten.


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Regionale Busse beobachten ICOM-Leiter Heinz Mathis sieht noch weitere Anwendungsmöglichkeiten. «Das könnte als Ergänzung zur konventionellen Videoüberwachung, etwa an Flughäfen, interessant sein», sagt er. Voraussetzung für diese Anwendung sei jedoch ein lückenlos mit 3D-Sensoren abgedeckter Bereich. Beide Projekte zeigen, womit sich das ICOM hauptsächlich beschäftigt: verschiedenste Daten erfassen und sie sichtbar und nutzbar machen – sowie die Technologie dafür entwickeln. Kurz zusammengefasst arbeitet das Institut fachübergreifend in den Kompetenzbereichen Mobilkommunikation, Digitale Signalverarbeitung, Drahtlose Sensornetzwerke, Navigationssysteme, Bildverarbeitung und Regelung von Mehrgrössensystemen. So hat das ICOM auch ein Hangrutschsensorsystem entwickelt. Es registriert feinste Bewegungen im Boden und kann so etwa in Schienennähe rechtzeitig Alarm schlagen, bevor ein Zug über verschüttete Gleise donnert. GPS-Tracker ging auf Reise per Post Für einen TV-Bericht im «Kassensturz» hat das ICOM kleine GPS-Tracker per Brief versandt. Die TV-Sendung wollte herausfinden, ob die A-Post während der Weihnachtszeit wirklich pünktlich ankommt und welchen Weg die Briefe nehmen. Ein anschauliches Beispiel findet sich auch auf der Website www.icom4u.ch. Besucher können auf einer Karte in Echtzeit sehen, wo und wie schnell die Busse der Ermenswiler Schneiderbus Linienbus AG im Moment zwischen Rapperswil, Rüti, Uznach und Wattwil fahren. Weitere Informationen auf www.icom.hsr.ch.

Abstrakt: Im Laborversuch wird der Aufbau für einen Test zum Knochenwachstum untersucht, bevor es zu realitätsnahen Tests kommt. Bild AO

Kompliziert: Das DatenloggerImplantat sieht unscheinbar aus, muss aber viele verschiedene Funktionen beherrschen. Bild AO 15


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HSR-Ingenieure lernen, ihr Wissen weltweit einzusetzen Kommunikation gehört nicht zum ersten Begriff, mit dem man die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) verbindet. Ebenso wenig wie ein Institut für Kommunikation und interkulturelle Kompetenz (IKIK). Institutsleiter Stefan Kammhuber zerstreut solche Skepsis schnell. «Technik wird von Menschen erdacht, gemacht und benutzt», sagt er. Deshalb sei es gerade bei der Ausbildung von Ingenieuren und Planern essenziell, «den menschlichen Faktor genauso professionell zu behandeln wie den technischen.» Die HSR wolle Ingenieure ausbilden, die nicht nur ihr Fachgebiet kennen, sondern ihr Wissen effizient in Projektteams einbringen können. Den Klischee-Techniker, der allein im stillen Kämmerchen vor sich hinarbeiten kann, erklärt Kammhuber für tot. «Kommunikation ist heute ein Erfolgsfaktor für Unternehmen geworden, die international arbeiten», sagt er. In der Wirtschaft sei es Alltag, dass Unternehmen ihre Projektteams über Sprach-, Kultur- und Fachgrenzen hinweg bilden würden. «Jeder, der in internationalen Projektteams arbeitet, weiss, wie schwer Zusammenarbeit sein kann», sagt Kammhuber. Umso mehr, wenn sie unter Zeitdruck mit anfänglich fremden Kollegen funktionieren muss.

Am IKIK werden Kommunikations-Methoden für eine erfolgreiche Zusammenarbeit erforscht und entwickelt. Mündliche, schriftliche und interkulturelle. «Kommunikationsfähigkeit ist kein angeborenes Naturtalent», sagt Kammhuber – «das kann man lernen.»

Internationale Chefsuche Das IKIK forscht aber nicht nur. Es verkauft sein Wissen wie alle HSR-Institute auch an Unternehmen. Die Firma Weidmann aus Rapperswil-Jona fördert derzeit weltweit Führungskräfte – die bereits für Weidmann arbeiten. In den weltweiten Niederlassungen werden Mitarbeiter identifiziert und in Rapperswil-Jona ausgebildet, die sich für eine Führungstätigkeit eignen. Das IKIK soll mit wissenschaftlichen Methoden herausfinden, welche Wirkungen dieses internationale Ausbildungsprogramm auf die potenziellen Führungskräfte am Arbeitsplatz hat. Dazu werden die Mitarbeiter mit Fragebögen und Interviews befragt. Dies beinhaltet auch aus wissenschaftlicher Perspektive interessante Fragestellungen: «Fragen wer-

Komplex: In kulturell gemischten Teams ist eine professionelle Kommunikation essenziell. 16


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Effizient: Mit dem richtigen Wissen über andere Kulturen gestaltet sich die Zusammenarbeit reibungsloser.

den je nach Sprache und Kultur unterschiedlich verstanden, ebenso fallen die Antworten unterschiedlich aus», sagt Kammhuber. Bei Befragungsprojekten müsse das Unternehmen wissen, wer gerade antwortet und wie das zu interpretieren sei. Solche Unterschiede seien bereits zwischen Deutschen und Schweizern teils markant. Im Vergleich zu den nördlichen Nachbarn sei die übliche Kommunikationsform hier bereits deutlich indirekter, höflicher. China gehe noch einen Schritt weiter. «Wenn Sie in allen drei Ländern die gleichen Fragen stellen, kann sich eine Antwort mit gleicher Aussage völlig unterschiedlich lesen.» Kammhuber wählt ein Alltagsbeispiel: Er habe einmal einen chinesischen Kollegen gefragt, wie er sein Hotelzimmer finde. DieAntwort lautete: «Die Aussicht ist sehr schön.» «Da müssen Sie schon sehr genau hinhören, um zu wissen, dass wohl etwas nicht in Ordnung ist», sagt Kammhuber. Weidmann schätzt die kommunikative Schützenhilfe bei dem internationalen Führungskräfteprogramm. «Ich erlebe die Zusammenarbeit mit dem IKIK als sehr spannend und bereichernd. Es ist immer ein Kontakt auf Augenhöhe, sodass die Kooperation sehr produktiv ist», sagt der stellvertretende Personalchef bei der Weidmann Plastics Technology AG, Roger Weber. In einem anderen Projekt arbeitete das IKIK für die Geberit in Rapperswil-Jona. Dabei wurden Schreibregeln für technisches Schreiben entwickelt. «Es ging darum, sicherzustellen, dass die schriftliche Kommunikation in den Unternehmen einheitlich, übersichtlich und verständlich ist», sagt Anette Verhein. Ihr Fachgebiet am IKIK ist die schriftliche Kommunikation.

Bild HSR

Techniklastige Texte seien häufig eine Herausforderung. Wenn dann auch noch mehrere Projektteams oder Mitarbeiter unabhängig voneinander auf Basis der gleichen Texte arbeiten sollen, «müssen alle wissen, was sie zu tun haben», so Verhein. Zur Vermeidung von Missverständnissen müssten deshalb klare Schreibregeln gelten. In einem Projekt erforscht das IKIK derzeit auch die HSR selbst. Zusammen mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie und dem Kanton St. Gallen will das IKIK herausfinden, wie gut sich HSR-Studenten mit Migrationshintergrund in den Studienfächern der Hochschule schlagen.

Integration an der HSR Studien in anderen Ländern hätten gezeigt, dass solche Studenten vergleichsweise häufiger das Studium abbrechen würden. «Das wäre fatal», sagt Kammhuber. Die Schweiz brauche dringend Fachkräfte. Egal, ob Männer, Frauen, Einheimische oder Migranten. Die Studien laufen noch. Ein erstes Fazit kann Kammhuber aber bereits ziehen: «Die HSR hat eine starke Integrationskraft.» Migranten würden überwiegend ihre Integration an der HSR vergleichsweise besser einschätzen als in Schulen oder Ausbildungsbetrieben. Das wirke sich auch auf den Erfolg im Studium aus, so Kammhuber. Weitere Informationen auf www.ikik.hsr.ch.

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Verzerrt: Ein eckiges Bild in ein rundes Puzzle zu verwandeln, erfordert ein berechnetes Zerrbild.

HSR-Mathematiker rechnen komplexe Probleme rund Mathematik ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. Und im Alltag meist gut versteckt. Das ändert aber nichts daran, dass hinter vielen Dingen komplexe mathematische Formeln stecken. Etwa, wenn ein Smartphone nach einem Update weniger Strom verbraucht. Oder wenn der Wetterdienst Sonne, Wind und Regen für die nächsten drei Tage vorhersagt. Oft spielen im Hintergrund Berechnungen eine wichtige Rolle. An der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) erforschen und entwickeln fünf Mathematik-Professoren neben der Ausbildung der Studenten neue, mathematische Methoden. Und lösen so viele Probleme für Unternehmen bei der Entwicklung neuer Produkte und bei technischen Fragen. Ein prominentes Beispiel sind die 3D-Puzzles der Firma Ravensburger. Nach dem ersten Blick stellt 18

sich die Frage: Wie bekommt man eigentlich ein eckiges Bild auf eine runde Kugel? «Ohne die richtige Methode gibt es an mindestens einer Stelle starke Verzerrungen», beschreibt Bernhard Zgraggen das Problem. Im schlimmsten Fall fülle dann zum Beispiel ein Auge die halbe Kugel aus. Das liesse sich schlecht verkaufen. Eckige Bilder rund rechnen Die Lösung dafür beschreibt Zgraggen als «Mischung aus berechneten Verzerrungen und optischen Überlagerungen» (siehe Bild). Daraus sei eine Methode entstanden, mit der Designer auch ohne mathematische Kenntnisse die Kugelpuzzles gestalten könnten, so Zgraggen. Das Ergebnis liegt nun in verschiedensten Varianten in den Spielwarenabteilungen.


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So anschaulich ist Mathematik jedoch selten. Weniger wichtig wird sie dadurch nicht. Die Industrie ist häufig auf komplexe Berechnungen angewiesen, um im weltweiten Wettbewerb mithalten zu können. «Die Industrie wird durch Mathematik weniger subjektiv», sagt Andreas Müller. Ein altgedienter Ingenieur könne gar nicht fortwährend die modernsten mathematischen Methoden kennen. Das sei bei der rapiden Entwicklung neuer Algorithmen, mathematischer Theorien und Computer-Werkzeuge kaum möglich, so Müller. Schützenhilfe im Wettbewerb Unternehmen sind jedoch auf konkurrenzfähige Produkte angewiesen. Die HSR-Forschungsinstitute können bei solchen Lücken fachspezifische Unterstützung mit neuen Technologien anbieten. Die HSR-Mathematiker hingegen suchen fachübergreifend nach neuen mathematischen Methoden. «Häufig entsteht dabei eine Software, welche die Ingenieure der Firma bei ihren Abklärungen verwenden können», sagt Müller. Auch im Maschinenbau können mathematische Formeln helfen. Etwa wenn technisch unveränderte Maschinen leistungsfähiger werden, weil sie aufgrund von neuen Berechnungen effizienter gesteuert werden. Für Bauunternehmen wiederum kann berechnet werden, ob der Boden unter einem Haus nicht eine böse Überraschung birgt – und das Haus wegen unerwarteter Verschiebungen am Ende Risse bekommt. Sogar bei der Buchung eines Urlaubs kommen die HSR-Mathematiker zum Zug. «Wer online sein Ho-

tel bucht, will sich auf die Bewertungen der User verlassen können», sagt Lin Himmelmann. Mit dem Hotelbewertungs-Portal Holidaycheck.ch habe er deshalb mathematische Methoden entwickelt, die gefälschte Bewertungen von echten unterscheiden kann. Jeder Professor wie ein Institut Im Gegensatz zu den Forschungsinstituten an der HSR sind die Mathematiker auf sich allein gestellt. «Jeder von uns ist so etwas wie ein eigenes Institut», sagt Olaf Tietje. Die Professoren haben sich jeweils auf ein Fachgebiet in der Mathematik spezialisiert und suchen nach neuen Ansätzen. Denn häufig würden sich in der Wirtschaft Probleme bieten, für die es noch gar keine Lösung gebe, so Tietje. Damit die Unternehmer auch den Weg zum richtigen Ansprechpartner finden, koordiniert Hannes Böhi die Gruppe Mathematik. Als deren Vorsteher bringt er die Unternehmen mit dem richtigen Professor zusammen. Denn Bedarf gibt es für die Arbeit der Mathematiker genug. «Wenn die Ingenieure einer Firma an Grenzen stossen, helfen wir, Speziallösungen zu entwickeln», sagt Oliver Augenstein. Denn die meisten Ingenieure haben sich auf die Mathematik für ihren Fachbereich spezialisiert. Zwar könnten sich Ingenieure häufig auch selbst Lösungen ausdenken. «Oft ist es aber günstiger und schneller, das fehlende Wissen temporär einzukaufen», sagt er. Weitere Informationen auf www.math.hsr.ch.

Ergebnis: Dank der richtigen Methode stimmt das Bild. 19


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HSR lehrt Roboter ihre Aufgabe, bevor sie gebaut sind «Wir bieten angewandte Forschung und Entwicklung im Gebiet Software- und Netzwerklösungen für Unternehmen an», sagt Institutsleiter Hansjörg Huser. Das 25 Mitarbeiter starke Institut für vernetzte Systeme (INS) finanziert sich praktisch ausschliesslich aus Projekten und Weiterbildungen mit externen Firmen. Virtuelle Roboter mit Selbstdiagnose Für die Firma Sias aus Hombrechtikon entwickelt das Institut zum Beispiel eine Softwarelösung zur programmierbaren Steuerung und Überwachung von Robotern, die von der KTI mitfinanziert wird. Damit kann die Firma ihre Roboter bereits programmieren, bevor sie gebaut wurden. «Diese Roboter werden sehr individuell eingesetzt», erklärt Projektleiter Patrik Dietschweiler. Sie müssen deshalb

vor der Auslieferung nach Kundenwunsch programmiert und zusammengestellt werden. Es würde jedoch viel Zeit kosten, wenn die Programmierung erst nach dem Bau möglich ist. Dietschweiler hat deshalb mit seinem Team eine Software entwickelt, in der sich der bestellte Roboter virtuell nachbauen lässt (siehe Bild). «So können wir dem Roboter seine Aufgaben beibringen, bevor er gebaut ist», sagt Dietschweiler. Doch auch, wenn der Roboter bereits seine Aufgabe beim Sias-Kunden erfüllt, bleibt die INS-Software nützlich. Sie kann als cloudbasierte Lösung über das Internet kommunizieren – und so etwa einen Servicetechniker über eine technische Fehlfunktion informieren. Oder per Smartphone oder Tablet melden, wenn ein Roboter seine Aufgabe erfüllt hat oder ein Projekt fehlgeschlagen ist.

Virtuell: Ein Roboter, der nur im Computer existiert, aber sich bereits programmieren lässt. 20


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Bereit: Wenn der Roboter dann fertig gebaut ist, funktioniert er bereits so, wie er soll. Bilder HSR/Sias

Zudem bestellt ein Robtoer mit der Software gleich selbst seine nächste Wartung. «Aus Erfahrung lässt sich sagen, welche Verschleissteile wie lange halten», erklärt Dietschweiler.Wenn Teile des Roboters ihre kritische Arbeitszeit erreichen, informiert die Software das Unternehmen automatisch über die nötige Wartung. Intelligente Klingel im Altersheim Ein weiteres INS-Steckenpferd sind drahtlose Netzwerke (WLAN). Für ein St. Galler Altersheim hat das INS ein System entwickelt, das den Bewohnern erlaubt, überall im Altersheim Hilfe zu bekommen. «Im Prinzip haben die Bewohner ihre Klingel neu als Uhr an der Hand», sagt Institutspartner Beat Stettler. Die Uhr hat nur einen Knopf, um es den Bewohnern möglichst leicht zu machen. «Für die Benutzer ist die Uhr die neue Klingel, die überall funktioniert», sagt Stettler. Im Hintergrund jedoch kommt das INS-System zum Einsatz. Über WLAN wird die Klingel-Uhr ständig auf dem Gelände des Altersheims lokalisiert. Je nachdem, wo der Knopf gedrückt wird, wird das Personal des Altersheims unterschiedlich informiert. Im Zimmer gedrückt, wird das Personal lediglich im Zimmer anrufen, um zu fragen, was der Bewohner wünscht. Wird die Uhr im Treppenhaus gedrückt, wird hingegen Alarm ausgelöst. «Es könnte jemandem unwohl sein», sagt Stettler. Ebenso kann die Uhr zum Beispiel bei Demenzkranken erkennen,

wenn sie auf dem Weg sind, das Altersheimgelände zu verlassen. Dann wird das Personal alarmiert und kann die Person noch rechtzeitig ins Heim zurückbegleiten. Weiterbildung für Unternehmen Ein dritter Bereich des INS ist die Weiterbildung.An bis zu 150 Kurstagen pro Jahr lernen hier Mitarbeiter von externen Unternehmen alles über Netzwerke, Microsoft Technologien oder Unified Communications (Internettelefonie). Kunden der Weiterbildungen sind unter anderem Mitarbeiter von Telecom-Firmen, der SBB, aber auch Banken und Versicherungen. Die Firmen schätzen, dass sie ihre Kurse am INS selbst mitgestalten können. «Jede Firma arbeitet anders», sagt Stettler. Deshalb könnten Firmen für die Ausbildung etwa die Konfiguration im Unternehmen nachstellen lassen. Damit ihre Mitarbeiter mit Beispielen arbeiten, die auch im Alltag verwendet werden. Auch kleinere Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter vor allem an den berufsbegleitenden Lehrgängen des INS weiterbilden. Mehr als 100 Mitarbeiter von kleineren SW-Unternehmen werden jährlich im MS Innovations Center mit den neuesten SW-Technologien geschult. Die Kurse stehen auch den Studierenden der HSR zum Selbstkostenbeitrag offen, damit der Wissenstransfer auch nach innen erfolgen kann. Weitere Informationen auf www.ins.hsr.ch.

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Unternehmen sind auf der Pirsch nach HSR-Studenten

Interessiert: Studenten im Gespräch mit einem Aussteller an der HSR-Stellenbörse in Rapperswil.

An der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) ist es selten still. Aber einmal im Jahr, zur Stellenbörse, gleicht der Campus einem Bienenstock. Unternehmen aus der ganzen Schweiz tummeln sich in den HSR-Gebäuden, um ins Gespräch mit Studenten zu kommen. Studenten pilgern von Stand zu Stand. Die angehenden Absolventen sind auf der Suche nach einem potenziellen Arbeitgeber. Die Firmen hingegen sind auf Mitarbeitersuche direkt an der Quelle. Diesmal kamen 90 Unternehmen. Bis zu 110 Aussteller hätten es werden können. «Wir haben aber leider nicht unbegrenzt Platz», sagt Ingrid Vettiger. Sie organisiert die Stellenbörse seit zwölf Jahren. Wenn das neue Forschungszentrum voraussichtlich bis 2016 gebaut ist, könnte auch die Stellenbörse wachsen. Gezielt Studenten ansprechen In den HSR-Gebäuden präsentieren sich KMU genauso wie grosse, international tätige Firmen. Von der Aula des Verwaltungsgebäudes bis zum Foyer des Hauptgebäudes reiht sich Stand an Stand. 22

Bilder Willi Meissner

Erstmals dabei war letzte Woche auch Swiss International Air Lines (Swiss). Standleiterin Julia von Specht verspricht sich von der HSR-Stellenbörse mehr als von normalen Messen. «Hier können wir gezielt mit Studenten sprechen, die studieren, was wir suchen», sagt sie. Erleichtert wird das durch Badges, durch die sich bei jedem Studenten der Studiengang an der Brust ablesen lässt. Das hilft auch von Specht bei der Personalrekrutierung: Denn der Personalbedarf bei einer Airline höre nach Cockpit- und Kabinencrew noch lange nicht auf. «Wir suchen vor allem Informatiker und Maschinenbauer», sagt von Specht. Der Eindruck von ihrer ersten HSR-Stellenbörse scheint positiv: «Es ist durchaus möglich, dass wir nächstes Jahr wieder kommen.» Firmen schätzen direkten Kontakt Ein weiterer grosser Aussteller ist das global tätige Energie- und Automationsunternehmen ABB. Das Unternehmen ist seit der ersten HSR-Stellenbörse ein Stammgast in Rapperswil. «Das Interesse von beiden Seiten ist sehr gross», sagt Corina Kündig vom ABB-Hochschulmarketing.


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Im Gespräch mit den Studenten will sie vor allem für das Trainee-Programm werben. Neben Ingenieuren aus anderen Fachbereichen hat Kündig vor allem Elektrotechnik-Studenten und Maschinenbauer im Visier. «Ich schätze den direkten Kontakt im Gespräch mit den Studenten», sagt sie. Ähnlich sieht das auch Marco Mengelt. Er leitet den Bereich .NET System Services beim Luzerner Softwareunternehmen BBV. «Hier kann man sich direkt auf die Suche nach jungen Talenten machen», sagt er. Ausserdem sei es wichtig, junge Softwareentwickler zu fördern. Viele Unternehmen würden nur SeniorStellen besetzen wollen. «Aber ausbilden will den Nachwuchs keiner», sagt Mengelt. Er sucht sechs bis zehn angehende Absolventen. Nächstes Jahr auch Nichttechniker Bisher können sich bei der HSR-Stellenbörse nur Unternehmen präsentieren, die nach Studenten im technischen Bereich suchen. Das soll sich im nächsten Jahr ändern. «Wir wollen auch unsere Raumplaner, Bauingenieure und Landschaftsarchitekten bei der Stellensuche unterstützen», sagt HSR-Verwaltungsdirektor Hans-Peter Egli. Deshalb plane man, künftig auch Unternehmen aus diesen Bereichen für die nächste Stellenbörse zu suchen. Sie wird am 26. März 2014 stattfinden. Weitere Informationen auf www.hsr.ch.

Begeisterungsfähig: Die HSR-Studenten informieren sich an den Ständen der Unternehmen genau über allfällige Anstellungsbedingungen und Arbeitsmöglichkeiten.

Offen: Ein Rekrutierer wirbt bei HSR-Stundenten für die Vorzüge seines Unternehmens. 23


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HSR entwickelt Rollstuhlski für den Einsatz im Winter Für Autofahrer und Fussgänger ist es auf Eis und Schnee bereits ungemütlich. Ungleich hinderlicher ist die weisse Pracht für Rollstuhlfahrer. Die kleinen Vorderräder bleiben schon bei einer dünnen Schneeschicht schnell stecken. Jeder Meter ist ein Kampf. Eine einfache Lösung für dieses Problem von Rollstuhlfahrern hat das Institut für Produktdesign, Entwicklung und Konstruktion (IPEK) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) entwickelt. Auftraggeber war der ehemalige Snowboard-Profi Patrick Mayer aus Arosa. Er kennt das Winterproblem aus eigener Erfahrung. Seit einem schweren Snowboardunfall vor 13 Jahren ist er auf den Rollstuhl angewiesen. «Ich wollte mich nicht damit ab-

finden, dass Rollstuhlfahrer im Winter so stark eingeschränkt sind», sagt Mayer. Aus der Zusammenarbeit mit dem IPEK sind die Wheelblades entstanden. Kleine Ski, die per Klemmverschluss an den Vorderrädern von Rollstühlen befestigt werden. Der Verschluss funktioniert ähnlich einfach wie bei manchen Snowboardbindungen. «Ich wollte eine Lösung, die alltagstauglich ist und keine fremde Hilfe erfordert», sagt Mayer. Ansteckski für alle Rollstühle Für das IPEK war die Entwicklung der Wheelblades spannend. «Die Ski mussten schnell und leicht zu montieren sowie stabil sein und gute Fahreigenschaften für Rollstuhlfahrer ermöglichen», sagt Institutsleiter Theodor Wüst. Zusätzlich seien die Wheelblades nun auch auf jede Radgrösse einstellbar, so Wüst. Mittlerweile gibt es ein Folgeprojekt. Mayer will zusammen mit dem IPEK die Wheelblades für die Verwendung an Kinderwagen optimieren. «Das Produkt soll gegen Ende Jahr serienreif sein», sagt Mayer. Zudem habe er noch mehrere Ideen, um die Mobilität für Rollstuhlfahrer zu verbessern. Mayer will weiterhin mit dem IPEK zusammenarbeiten, um weitere Möglichkeiten zu finden, wie Rollstuhlfahrer sich individuell dem Untergrund anpassen können. Diese Zusammenarbeit sei typisch für das IPEK, so Institutsleiter Wüst. Der Auftraggeber habe eine Vorstellung davon, was das Produkt können soll. Für die Entwicklung würden aber Ideen und Knowhow sowie Ingenieure mit der richtigen Fachrichtung oder Kapazitäten fehlen. Die 20 Mitarbeiter am IPEK würden diese Lücken schliessen und das Produkt von der Idee bis zur Serienreife entwickeln. Wheelblades erhalten Preis Die Arbeit des IPEK hat Mayer überzeugt, der die Wheelblades mittlerweile in der Schweiz in Serie produzieren lässt und international Kunden gefunden hat. Er habe zwar das Risiko für einen grossen Teil der Entwicklungskosten von rund 250 000 Franken übernommen, dabei aber immer daran geglaubt, dass es einen Bedarf bei Rollstuhlfahrern dafür gebe. Weitere Beiträge für die Entwicklung kamen nach einem Internetaufruf von Dritten. Die Rollstuhl-Ski wurden mit dem internationalen red dot Design Award in der Kategorie Produktdesign ausgezeichnet.

Praktisch: Patrick Mayer montiert seine SchneeWheelblades am Rollstuhl. 24

Eine Zange gegen wunde Finger Ebenfalls ausgezeichnet wurde ein weiteres Produkt, das am IPEK entwickelt wurde. Für die Firma Reichle & De-Massari (R&M) in Wetzikon haben die


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Einfach: Die vorderen Reifen werden einfach in das Wheelblade gestellt und der Metallhebel hochgeklappt.

HSR-Ingenieure eine Zange entwickelt, die IT-Spezialisten wunde Finger erspart. Bei derVerkabelung etwa von neuen Rechenzentren müssen oft Tausende von Kabeln mit Steckmodulen bestückt werden, bevor sie angeschlossen werden können. Diese Steckmodule mussten per Hand mit den Fingern zusammengedrückt werden. «Wer das den ganzen Tag macht, sieht am Abend die Folgen an den Fingerkuppen», sagt Wüst. Deshalb musste eine Zange entwickelt werden, mit der die Steckmodule einfacher an den Kabelenden angebracht werden können. Laut Wüst ist das Produkt so erfolgreich, dass viele IT-Firmen ihre Steckmodule extra wegen dieser Zange bei R&M bestellen würden, um die Finger ihrer Mitarbeiter zu schonen.

gen für neue Generationen des gleichen Produkts mit punktuellen Verbesserungen inklusive. Darüber hinaus bietet das IPEK auch Beratungen und Schulungen für Unternehmen an. Etwa um die Effizienz der Mitarbeiter bei Innovations- oder Entwicklungsprozessen mit neuen Methoden zu verbessern. Weitere Informationen auf www.ipek.hsr.ch.

Von der Idee bis zur Entsorgung Das IPEK beschäftigt sich aber nicht nur mit der Entwicklung von neuen Produkten. «Wir unterstützen Unternehmen auch beim Innovationsmanagement», sagt Wüst. Also während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts von der Idee über die Herstellung bis zur Entsorgung. Weiterentwicklun-

Schlicht: Der Aufbau des Wheelblade sieht sehr simpel aus, erfüllt jedoch aufgrund der eigenen Erfahrung des Erfinders alle Voraussetzungen, um Rollstuhlfahrer besser durch den Winter zu bringen. 25


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Live: Die Lunge von Josef Brunner wird in Echtzeit überwacht und sichtbar gemacht.

HSR macht die Lunge bei künstlicher Beatmung sichtbar Auf den ersten Blick sieht das Gebilde auf dem Bildschirm aus wie ein Eierkopf mit leuchtenden Augen. Tatsächlich ist es ein Bild der Lunge von Josef Brunner – bewegt und in Echtzeit. Erzeugt durch ein Verfahren namens Elektro Impendaztomographie (EIT). Brunner ist CEO der Firma Swisstom aus Landquart. Diese hat zusammen mit dem Institut für Mikroelektronik und eingebettete Systeme (IMES) an der Hochschule für Technik Rapperswil ein Verfahren entwickelt, um eine Lunge sichtbar und damit deren künstliche Beatmung sicherer zu machen. Denn weltweit werden pro Jahr rund 49 Millionen Menschen künstlich beatmet. Auf Intensivstationen oder während einer Operation. Bei rund 15 Prozent wird es gefährlich, die Lunge kollabiert. 39 Prozent der Patienten, die bei der Beatmung kollabieren, sterben. Blick in die Lunge soll Leben retten Bisher müssen sich Ärzte auf ihre Erfahrung verlassen, um einen Lungenkollaps rechtzeitig zu erkennen und Gegenmassnahmen einzuleiten. 26

Swisstom will das zusammen mit dem IMES ändern und eine Echtzeitüberwachung der Lungenfunktion ermöglichen. Die Hälfte der Kosten finanziert die Kommission für Technologie und Innovation des Bundes. Das IMES hat Swisstom bei zwei Projektteilen unterstützt. Es hat einen Sensorinterfacechip entwickelt. Mehrere davon werden in einen Gürtel eingebracht, der dem Patienten umgelegt wird. Die Chips senden sehr schwache, nicht spürbare und ungefährliche Stromstösse ab und messen, wie der Strom durch den Körper fliesst. «Optimal funktionierende Teile der Lunge leiten Strom anders als kollabierte Bereiche», erklärt IMESInstitutsleiter Paul Zbinden. Die Daten, welche die Sensorchips aufnehmen, werden in einer Recheneinheit verarbeitet. Diese Daten werden dann mit einem am IMES entwickeltenVerfahren auf dem Bildschirm sichtbar gemacht. So genügt dem Arzt ein Blick auf den Bildschirm, um zu sehen, ob die Lunge während der künstlichen Beatmung richtig funktioniert.


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Noch ist das Produkt nicht auf dem Markt. Ein Folgeprojekt soll auch das Herz mit dem gleichen Verfahren sichtbar machen. Swisstom CEO Brunner zieht bereits ein positives Fazit: «Wir brauchten überdurchschnittliche Forschung mit Praxisbezug. Die Professoren des IMES kommen aus der Praxis und zeichnen sich durch Exzellenz und Praxisbezug aus.» Das bisherige Resultat spreche für sich. Innert kürzester Zeit sei es dem IMES zusammen mit dem Lieferanten Microdul aus Zürich gelungen, einen Mikrochip für Swisstom zu entwickeln, der den Anforderungen gerecht werde. Mikroelektronik als bessere Lösung Laut IMES-Leiter Zbinden ist das Projekt ein typisches Beispiel für die Arbeit am Institut. Die 20 Mitarbeiter seien in den Bereichen Mikroelektronik, Embedded System Design, Embedded Software Engineering, Sensorik und Systemdesign kompetent. «Wir verstehen das ganze Produkt sowie die nötigen Prozesse und können Unternehmen bei fehlendem Know-how oder zu geringer Kapazität auch punktuell unterstützen», sagt Zbinden. Die Hilfe höre aber nicht bei Forschung und Entwicklung auf. «Wichtig ist auch die wirtschaftliche Beratung.» Häufig seien elektronische Lösungen teuer, vergleichsweise gross und würden zudem mehr Strom als Mikrochips verbrauchen. «Wir können rasch ermitteln, ob eine mikroelektronische Lösung wirtschaftlicher und allenfalls technisch sinnvoller sein kann», sagt Zbinden. Dabei müsse nicht immer die technologisch aktuellste Stufe der Mikroelektronik zum Zuge kommen. «Häufig reicht eine pragmatische Lösung.» Denn Mikrochips rechnen sich wegen den hohen Initialkosten bei der Produktion häufig erst in der

Masse jenseits der 250 000. Mit bewährten Herstellungsprozessen seien aber teils bereits Stückzahlen ab 10 000 wirtschaftlich sinnvoll realisierbar, so Zbinden. Ein weiterer Vorteil der Mikroelektronik sei der Kopierschutz. «Fachleute können entschlüsseln, wie elektronische Platinen funktionieren», sagt der Institutsleiter. Bei einem Mikrochip sei das nahezu unmöglich. Weitere Informationen auf www.imes.hsr.ch

Praktisch: Das Gerät für die Lungenüberwachung lässt sich einfach in den bereits vorhandenen Aufbau um den Patienten integrieren.

Winzig: Mikrochips sind sehr leistungsfähig, obwohl selbst ein Fingernagel neben ihnen riesig wirkt. 27


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HSR-Institut wacht über die Tektonikarena Sardona Die Tektonikarena Sardona ist ein riesiges UnescoWelterbe. Sie erstreckt sich über das Gebiet von drei Kantonen: St. Gallen, Glarus, Graubünden.Von Ziegelbrücke beim Walensee über Glarus, Elm, Flims, Chur, den Pizol, Sargans und die Flumserberge – insgesamt 13 Gemeinden. Damit das gleichermassen bei Touristen beliebte, wie von Älplern genutzte Gebiet welterbewürdig bleibt, wacht das Institut für Landschaft und Freiraum (ILF) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) darüber. «Die Unesco will wissen, was in der Tektonikarena passiert», sagt ILF-Leiter Dominik Siegrist. Tourismus versus Naturerbe Im Auftrag des Bundes, der drei Kantone und der Welterbegemeinden hat das ILF ein sogenanntes Monitoringkonzept entworfen. Also eine langfristige Beobachtung, wie sich Tourismus, Alpwirtschaft

und weitere Nutzungen auf die Tektonikarena Sardona auswirken. Denn wir verändern die Landschaft oft stärker, als wir es selbst merken. Durch den Einzelnen kaum, doch die Masse machts. «Die Glarner Hauptüberschiebung samt Martinsloch wird zwar auch in tausend Jahren noch da sein», sagt Siegrist. Trittschäden auf und neben Wegen, Fahrfurchen durch Mountainbiker und die Verschmutzung durch Müll könnten sich jedoch negativ auf die Landschaftsqualität auswirken. Hinzu komme die stellenweise intensive Nutzung durch die Alpwirtschaft. Strassen würden die Landschaft zerschneiden. Der Verkehr wiederum störe das Wild wie Steinbock und Auerhuhn. Auch Natursportler im Winter würden mit Schneeschuhwanderungen und Höhentouren die Natur beeinflussen, so Siegrist. Beide Sportarten werden immer beliebter.

Mehr als grün: Für die Mitarbeiter des ILF sind Landschaften mehr als schöne Aussieht – jede Veränderung wird genau registriert und ausgewertet. 28


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Tourismus finanziert Naturschutz Ohne Tourismus ginge es jedoch auch nicht. Denn viele Berggemeinden seien auf den Tourismus angewiesen, und häufig seien Landschaftsschutz- und pflege erst durch Gelder aus dem Tourismus möglich. «Es muss also ein ausgewogenes Verhältnis gefunden werden», sagt der ILF-Leiter. Ob das Verhältnis ausgewogen ist, ermittelt das ILF über längere Zeiträume. Harry Keel, Geschäftsführer der Tektonikarena Sardona, ist mit der Arbeit des ILF zufrieden. «Das ILF arbeitet sehr kompetent und lösungsorientiert», sagt er. Deshalb gebe es auch noch weitere Projekte mit dem ILF. So habe das Institut etwa auch ein Besuchermanagementkonzept entworfen. Derzeit sei ausserdem noch eine Studie der HSR zur räumlichen Sicherung des Welterbes im Gange, so Keel. Öffentliche Hand als Auftraggeber Die Sardona-Projekte sind ein Beispiel aus dem Bereich naturnaher Tourismus und Pärke des ILF. Daneben beschäftigen sich die rund zwei Dutzend Institutspartner und Mitarbeitenden noch mit drei weiteren Bereichen der Landschaftsarchitektur: Freiraum, Garten- und Landschaftsbau sowie Landschaftsentwicklung. Allen Fachbereichen ist gemein, dass die Aufträge meistens von der öffentlichen Hand kommen. «Private oder Firmen haben naturgemäss weniger Bedarf für unsere Leistungen», sagt Siegrist. Weitere aktuelle Projekte sind momentan ein Leitfaden für die Renaturierung von Fliessgewässern, eine Sichtbarkeitsanalyse für die Projektierung von neuen Windenergieanlagen in der Landschaft und der regionale Naturpark Neckertal. Weitere Informationen auf www.ilf.hsr.ch

Schutzbefohlen: Das ILF soll beobachten, wie sich Tourismus und Alpwirtschaft auf die Tektonikarena Sardona, hier ob Flims, auswirken. Bild Ruedi Blumer

Hand in Hand: Besucher in landschaftlich herausragenden Gebieten finanzieren gleichzeitig den Naturschutz, um diese Landschaften zu erhalten. 29


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HSR-Institut will historische Gärten in der Schweiz erhalten Für die vier Mitarbeiterinnen am Institut für Geschichte und Landschaftsarchitektur (GTLA) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) ist unbefangenes Spazieren unmöglich. Denn die Schweiz verfügt nicht nur über viele Baudenkmäler. Das Land ist auch geprägt von Gärten, Bäumen und Zäunen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. «Als Gartenhistorikerin sieht man sehr häufig Relikte aus dieser Zeit», sagt Institutsleiterin Susanne Karn. Deren Erhalt und Schutz hat sich das GTLA als Aufgabe auf die Fahne geschrieben. Betrachten, bewerten, dokumentieren Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitet das GTLA in den Bereichen Gartendenkmalpflege, Gartenkunst und Gartenkultur. Zusätzlich befasst sich das Institut mit der Theorie in der Landschaftsarchitektur und arbeitet Archivbestände über Gartenanlagen aus der Neuzeit auf.Aktuell zum Beispiel für die historischen Gärten in Bundesbesitz. Die GTLA-Mitarbeiter sondieren dafür Luftbilder und wühlen sich durchArchiveinträge. Laut Karn sind darunter auch Flächen, auf denen Sendemasten, Zäune oder Zeughäuser stehen. Sind diese aussortiert, bleiben öffentliche Bauten,Villen, Gehöfte aber auch Burgen und Schlösser. «Auf solchen Grundstücken gibt es häufig Gartenstrukturen, die man nicht auf den ersten Blick erkennt.» Das GTLA hat die Aufgabe, alles zu betrachten, zu bewerten, vorhandene Studien zusammenzufassen und anschliessend zu dokumentieren, um die zuständige Bundesgärtnerei und die Denkmalpflege zu unterstützen. Die prominentesten Anlagen zieren dabei die Umgebung des Bundeshauses in Bern. «Die meisten Leute halten vor allem das Bundeshaus und die umliegenden Gebäude für wichtig», sagt Karn. Die Gärten, Terrassen und der Hang in der Umgebung seien aber genauso wichtig, so Karn. Viele dieser Anlagen wurden aber im Laufe der Jahre praktischen Überlegungen geopfert. Parkplätze, Bänke und Wendeplätze stehen dort, wo vorher historischer Garten war. «Es gilt immer abzuwägen, was erhalten werden oder sogar in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt werden kann und soll», sagt Karn. Auch die Denkmalpflege des Kantons Zug verlässt sich auf die Arbeit des GLTA: «Bei der dynamischen Siedlungsentwicklung steht immer wieder die Frage im Raum, welche Bedeutung gewisse Anlagen haben», sagt Karn. Erhalt versus Siedlungsentwicklung In einer kantonalen Datenbank und Dokumentation werden deshalb alle schutzwürdigen Gärten und

Umgestaltet: Die Gartenanlagen um das Bundeshaus in Bild GTLA Bern sind weit von ihrem Urzustand entfernt. 30


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Anlagen eingetragen. So kann das Amt für Raumplanung und die Denkmalpflege dies in Planungsentscheidungen über Bauvorhaben miteinbeziehen. «Zum Glück ist das demokratische Planungssystem so angelegt, dass verschiedenste Bedürfnisse und Werte abgewägt werden», sagt Karn. Ein weiteres Projekt des GTLA ist eine Plattform für historische Gartenanlagen der Schweiz. Gemeinsam mit verschiedenen Archiven und Kantonen hat das GLTA eine Datenbank erstellt. Diese Daten sind auch öffentlich auf der Website www.gardenmemory.ch verfügbar. Es ist laut Karn aber nicht unbedingt ein Portal für Laien, «um schnell mal eine Gartenreise zu planen». Vielmehr diene es als wissenschaftliche Datenbank für Fachleute. Das GTLA führt zudem Bewertungen für private Besitzer historisch bedeutsamer Gärten durch. Aktuell wird etwa der Schlosspark Meienberg in Rapperswil-Jona kunstgeschichtlich bewertet. «Die Anlage drückt eine Wohn- und Gartenkultur aus, die neben schweizerischen auch französische Einflüsse aufweist», sagt Karn. Durch die Nähe der Schweiz zum umliegenden Ausland gebe es viele ähnlich vielseitige Anlagen im ganzen Land. Theorie zu den Fachleuten bringen Künftig will sich das GTLA als Austauschplattform für Landschaftsarchitektur etablieren. «Ideal wäre, sich über die Aussenraumgestaltung in der Schweiz genauso auszutauschen, wie es in der Architektur bereits der Fall ist», sagt Karn. Das GTLA wolle alle Konzepte und Überlegungen zu Themen wie Nachhaltigkeit, Klima, Biodiversität, Geschichte und Kultur in der Aussenraumgestaltung unter Landschaftsarchitekten ins Gespräch bringen. «Man muss sich mit Natur und Stadt neu auseinandersetzen», sagt Karn. Die Erkenntnisse aus Forschung und Diskussionen sollen auch in aktuelle Projekte einfliessen. So etwa bei der Planung der Parkanlagen, die künftig in neuen Siedlungsgebieten entstehen werden.

Verändert: Statt der ursprünglichen Gartenanlage um das Bundeshaus in Bern dominiert gepflasterte Fläche, um das Areal gut befahren zu können.

Detailreich: Trotz der Veränderungen um das Bundeshaus in Bern stechen einige Details ins Auge. 31


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HSR-Institut forscht an einem neuen Stromnetz für China Das Institut für Energietechnik (IET) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) arbeitet derzeit an einem Projekt, dass künftig Einfluss auf die Stromversorgung von rund 1,3 Milliarden Menschen haben soll. Das IET ist für das Schweizer Energie- und Automationsunternehmen ABB an der Entwicklung einer Testanlage in China beteiligt. Die chinesische Regierung plant, ein Stromnetz zu installieren, das Strom mit Spannungen von bis zu 1,1 Millionen Volt transportiert. Ein Teil dieses neuen Systems ist schon seit 2009 mit neuentwickelten ABB-Hochspannungskomponenten störungsfrei in Betrieb. «Zum Vergleich: In der Schweiz sind Spannungen von 200 000 und 380 000 Volt üblich», sagt Jasmin Smajic, Leiter Elektrotechnik am IET. China sei für den Stromtransport über die weiten Distanzen in dem grossen Land jedoch auf höhere Spannungen angewiesen. Die Aufgabe des IET sei es, Optimierungspotenzial in der Anlage zu erkennen. Bessere Wärmepumpen für Häuser Optimieren ist das Ziel der meisten Projekte am IET. «Die Grundtechnologien sind vorhanden», sagt Institutsleiter Thomas Kopp. Deshalb beschäftige

sich das IET zumeist mit der Steigerung der Energie-Effizienz. So etwa auch bei Leuchtdioden (LED). Die Forschergruppe von Benno Bucher hat einen LED-Aufbau entwickelt, der eine zu starke Erwärmung der Dioden verhindert. Denn je wärmer eine LED werde, desto geringer werde die Effizienz. Die Folge ist ein höherer Stromverbrauch. Ebenfalls um Effizienz geht es bei einem Projekt für das Bundesamt für Energie. Ziel ist es, Wärmepumpen, wie sie etwa in Minergiehäusern eingesetzt werden, zu verbessern. «Wärmepumpen könnten theoretisch doppelt so effektiv sein wie heute», sagt Kopp. Im Kompressor solcher Wärmepumpen entstünden jedoch hohe Verluste. Das IET hat nun einen sogenannten Zwei-Phasen-Kompressor entwickelt, der gegenüber heutigen Wärmepumpen eine rund 20 Prozent höhere Effizienz erzielen soll. Ob die Maschine das Versprechen auch in der Praxis halten kann, soll in einer zweiten Phase auf dem Prüfstand getestet werden. Verbesserte Wärmepumpensysteme für sogenannte Netto-Nullenergiehäuser nach dem neuen Label MINERGIE-A sind auch Thema eines von Carsten

Verbessern: Das IET begleitet die Entwicklung einer Bilder HSR Testanlage für den Stromtransport in China. 32


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Unsichtbar: Bei einem Sessellift sind die verschiedenen Kräfte, die auf die Kabine wirken, nicht mit blossem Auge erkennbar.

Wemhöner geleiteten Forschungsprojekts der internationalen Energieagentur IEA. Know-how der HSR wird geschätzt In einem anderen Projekt für ABB forscht das IET an der Verbesserung von luftgekühlten Antriebstransformatoren. Diese kommen etwa in den Pumpsystemen von Kernkraftwerken zum Einsatz. Bei ABB zeigt sich Martin Carlen, Produktmanager Transformatoren, zuversichtlich: «Das Projekt läuft sehr gut.» Für ABB sei es sehr interessant, das Know-how an der Hochschule zu nutzen, so Carlen. Zudem HSR-Professor Smajic bereits bei ABB angestellt war und deshalb über die nötigen Vorkenntnisse verfüge. Für die Forschung und Entwicklung greift das IET sehr häufig auf Computer-Simulationen zurück. «So lassen sich geplante Systeme optimieren, noch bevor ein Prototyp gebaut wurde, was Entwicklungskosten spart», erklärt Henrik Nordborg. Er leitet das Microsoft Innovation Center for Technical Computing an der HSR.

Die Simulation am Computer spare aber nicht nur Geld, sondern vermeide auch Forschungsunfälle. Nordborg erinnert sich an ein früheres Experiment in der Industrie, in dem ein Lichtbogen erzeugt wurde. «Die Druckwelle der Entladung hat uns eine ganze Wand aus dem Labor gejagt», sagt er. Solche Blitze können zum Beispiel entstehen, wenn Schalter in Kraftwerken umgelegt werden. Belastungsgrenzen eines Sessellifts Die virtuellen Experimente des IET werden auch genutzt, um andere Energien als Strom zu simulieren. Für die Firma Bartholet in Flums teste das IET etwa, welche Belastungen bei einem Sturm auf einen neu entwickelten Sessellift wirken (siehe Bild). «Daraus lässt sich ableiten, ob der Lift den Anforderungen standhalten kann», sagt Projektleiter Markus Friedl. Denn häufig wüssten Unternehmen gar nicht exakt, wie die Kräfte in ihren Produkten wirken, so Friedl. Oft liessen sich nach Simulationen deshalb sogar bereits bestehende Produkte verbessern.

Komplex: Das IET prüft, welche Kräfte bei einem Sturm auf einen Sessellift wirken. 33


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Die Zeit des Bauens auf der grünen Wiese ist vorbei «Bauen alleine ist nicht mehr die Lösung für eine gesunde Entwicklung in der Schweiz», sagt Andreas Schneider. Er leitet das Institut für Raumentwicklung (IRAP) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Das Institut beschäftigt 15 Partner und Mitarbeitende und berät Gemeinden, Kantone, den Bund sowie Private bei der Stadt-, Raum- und Verkehrsplanung. Zusätzlich forscht das IRAP nach neuen Wegen, wie sich der begrenzte Platz im Land am besten für die Bevölkerung nutzen lässt – und gibt das Wissen an Kollegen in der Praxis weiter. 34

Das ist offenbar auch nötig. «Die Zeit des Bauens auf der grünen Wiese ist ein Auslaufmodell», sagt Schneider. Es gehe immer häufiger darum, bestehende Siedlungen umzubauen, statt neue zu erstellen. Auch das Stimmvolk hat am 3. März für einen Stopp der Zersiedlung votiert. Behörden sprechen deshalb häufig von Verdichtung. In die kantonalen Vorgaben hat der Trend zu höheren Gebäuden in den Zentren längst Einzug gefunden. «Ein Investor verstehtVerdichtung aber anders, als die Bevölkerung», sagt Schneider.


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Stellen gleichzeitig ähnliche Probleme wälzen und zu ähnlichen Lösungen kommen. Ein Beispiel sind die kantonalen Planungs- und Baugesetze. «Bis vor Kurzem gab es allein 17 verschiedene Definitionen der Gebäudehöhe», sagt Schneider. Ähnlich sehe es bei anderen Begriffen und Messweisen wie Grenzabstand, Gebäudevorsprung oder Gebäudelänge aus. Hier hat das IRAP in den letzten zehn Jahren die Grundlagenarbeit für eine Vereinheitlichung geleistet. Inzwischen haben sich mehr als die Hälfte aller Schweizer Kantone verpflichtet, ihre Gesetzgebungen diesbezüglich zu harmonisieren. Die übrigen Kantone würden den Beitritt noch prüfen, so Schneider, «nur St. Gallen und Basel-Stadt haben sich dagegen entschieden».

Verdichtung kein Allheilmittel

Grosse Flughöhe: Das IRAP an der HSR beschäftigt sich nicht mit einzelnen Gebäuden, sondern mit ganzen Stadtteilen – im Bild Rapperswil-Jona von oben.

Für die Zukunft wünscht sich Schneider, dass die Kantone auch bei der Forschung nach neuen Methoden in der Raumentwicklung besser zusammenarbeiten. Schneider möchte darauf hinarbeiten, dass die Kantone und Gemeinden ihre Ressourcen in einer Art Forschungspool bündeln. «Wenn beispielsweise elf Kantone das gleiche Problem haben, ist es sinnvoll, wenn das in einem gemeinsamen Projekt gelöst wird.» Derzeit erfinde fast jeder alles für sich selbst neu. Das IRAP beschäftigt sich aber nicht nur mit Plänen und Instrumenten.Auch soziale Faktoren werden erforscht. Das Institut bearbeitet etwa in Spreitenbach (AG) seit vier Jahren ein grösseresWohngebiet. «Es geht um die gesellschaftliche Integration von eher wenig privilegierten Bevölkerungsgruppen», sagt Schneider. In der Schweiz kenne man zwar keine Slums, es gebe aber benachteiligte Quartiere. Dabei sucht das IRAP nach Methoden, durch die sich die Bewohner eines Quartiers besser mit ihrer Umgebung identifizieren und das soziale Zusammenleben gestärkt wird.

Bild VSHSR

Rund um den Zürichsee könne man derzeit das Ergebnis sehen, wenn dabei nur quantitative Bauvorschriften umgesetzt würden, so Schneider. «Die Verdichtungsprojekte werden momentan häufig mit Einsprachen blockiert, weil die Nachbarn Angst haben, dass ihre Wohnqualität verschlechtert wird», sagt der Institutsleiter. Die Zukunft sieht Schneider deshalb in einer neuen Art von «Nutzungsplanung 2.0», die für Innen- statt Aussenentwicklung konzipiert ist. Zum Beispiel indem sie Anreize für Bauherren setze.Wenn etwa ein Investor sich für gute Architektur entscheide oder in der Umgebung einen kleinen Park erstelle, könne die Gemeinde im Gegenzug ein grösseres Gebäude erlauben, so Schneider. Das Planungs- und Bauwesen ist in der Schweiz Sache der Kantone. Dies führt dazu, dass verschiedene

Soziale Faktoren werden erforscht In der untersuchten Wohnanlage etwa gebe es viele Stockwerkeigentümer. Um den Aussenraum zwischen den Gebäuden kümmere sich aber niemand. Das Quartier sei als Gesamtanlage konzipiert gewesen, heute würden Zäune und Abgrenzungen das Bild vor den Gebäuden dominieren. «Der Spielplatz ist wegen Unfallgefahr gesperrt», sagt Schneider. Die Spielgeräte sind verfallen. Das IRAP unterstützt die Gemeinde in Verhandlungen mit den Stockwerkeigentümern. Die Aufwertung des Freiraums im Quartier stehe dabei im Zentrum. Weitere Informationen auf www.hsr.irap.ch

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HSR-Institut bewahrt Firmen vor groben Software-Pannen Die Aufgabe des IFS bestand darin, herauszufinden, ob die Software noch funktionsfähig umgestaltet werden kann. Nach einer Analyse des Codes war klar: «Der Lieferant hatte gar keinen adäquat ausgebildeten Mitarbeiter für das Projekt», sagt Sommerlad. Der Entwickler habe sich zwar sehr bemüht, aufgrund von Defiziten in der Ausbildung und mangels Talent aber keine brauchbare Lösung konstruiert. «Das sind dann Situationen, wo man stopp, abbrechen, neu anfangen, sagen muss», sagt der Institutsleiter. Ein Coaching durch das IFS während der Entwicklung komplexer Software kann laut Sommerlad Entwickler-Teams dabei helfen, solche schweren Fehler zu vermeiden. Mit einer entsprechenden Lieferanten-Evaluation, wie sie das IFS anbietet, liessen sich solche Risiken zudem im Vorfeld reduzieren. Derzeit fehle aber noch das Bewusstsein bei vielen Unternehmen, potenzielle Lieferanten vorher unter die Lupe zu nehmen, so Sommerlad. Hilfreich: Das IFS an der HSR unterstützt Unternehmen bei Softwarefragen – im Bild Stefan Keller, einer der Bild Willi Meissner sechs IFS-Professoren.

Ohne Software würde heutzutage nichts laufen. Kein Handy, kein Auto, kein Computer. Strom- und Wasserversorgung – undenkbar. Selbst Supermarktkassen und Kaffeemaschinen blieben ohne die Codes von Softwareingenieuren still. Was genau Software aber macht, wissen nur die wenigsten. «Deshalb bemerken wir Software im Alltag nur noch, wenn sie nicht funktioniert», sagt Peter Sommerlad. Er leitet das Institut für Software (IFS) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Den Anspruch des IFS sieht Sommerlad jedoch nicht nur in Software, die einfach funktioniert. «Gute Software muss sauber strukturiert sein und die Hardware, die sie betreibt, so effizient wie möglich nutzen.» Kampf gegen schlechte Software So saubere Software gibt es seltener, als dem Institut lieb wäre. Deshalb beschäftigen sich die sechs Professoren und zwölf Mitarbeiter nicht nur mit der Forschung nach neuen Software-Innovationen. Etwa Werkzeuge, die es Softwareingenieuren erleichtern, ihre Arbeit zu machen. «Relativ häufig ergeben sich Projekte mit Firmen, bei denen ein Softwareprojekt mit Problemen zu kämpfen hat», so Sommerlad. So habe etwa ein Unternehmen ein Software-Teilprojekt von einem externen Lieferanten aus der Hardwarebranche entwickeln lassen. Das hat aber innert der vereinbarten Frist nicht funktioniert. 36

Gute Softwareingenieure sind rar Die Softwarebranche hat laut dem IFS-Leiter mit einem ausgetrockneten Mitarbeitermarkt zu kämpfen: «Der Bedarf an Softwareingenieuren ist höher, als es fertig ausgebildete Leute gibt.» Deshalb unterscheide sich die Suche nach Softwareingenieuren von der Rekrutierung in anderen Branchen. «Die Schwierigkeit ist nicht, den richtigen Mitarbeiter unter vielen Bewerber zu finden. Sondern überhaupt jemanden zu finden, der adäquat qualifiziert ist oder mit Weiterbildungen auf den nötigen Stand gebracht werden kann», sagt Sommerlad. Hier könne das IFS Unternehmen beim fachlichen Personalassessment und der Weiterbildung von Softwareingenieuren unterstützen. So lehrt das IFS etwa neue Methoden bei der Softwareentwicklung oder zeigt, wie neue Software-Werkzeuge spezifisch für Projekte im jeweiligen Unternehmen benutzt werden können. Aber auch die reine Dienstleistung, also die Entwicklung von Software für einen bestimmten Zweck, gehört zum Repertoire des IFS. Eines der jüngsten Projekte ist eine Software, unter anderem für Smartphones, die Angehörige von Demenzkranken bei der Pflege unterstützt. «Pflegende Angehörige haben oft nur den Erfahrungshorizont von einem Patienten», sagt Sommerlad. Mit der Software lässt sich die Pflege protokollieren und es lassen sich Probleme festhalten. Lösungen dafür können dann in einer sich ständig erweiternden Datenbank mit Expertenwissen gesucht werden, um die Pflege der Angehörigen zu verbessern. Weitere Informationen auf www.ifs.hsr.ch


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HSR-Kompetenzzentrum stärkt Zusammenarbeit der Institute Die Forschungsinstitute an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) werden in ihrem jeweiligen Fachgebiet oft schweizweit geschätzt. Bei der interdisziplinären Zusammenarbeit sieht die Hochschule aber noch Potenzial. Deshalb gibt es das Kompetenzzentrum für Infrastruktur und Lebensraum (KIL). «Unsere Aufgabe ist es, einen Kulturwandel an der HSR anzustossen», sagt KIL-Leiterin Susanne Kytzia. Das KIL soll die Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Bau und Umwelt (IBU), dem Institut für Landschaft und Freiraum (ILF) und dem Institut für Raumentwicklung (IRAP) stärken. Oft seien die Institute so ausgelastet, dass der interdisziplinäre Austausch zu kurz komme, so Kytzia. Ziel: Sich selbst abschaffen Das soll sich ändern. «Jedes Institut läuft im eigenen Hamsterrad», sagt Kytzia. Ihre Aufgabe sei es, fachübergreifende Projekte anzustossen. Denn in der Praxis müssen Raumplaner, Landschaftsarchitekten und Bauingenieure ständig zusammenarbeiten. Kytzia konstruiert ein Beispiel: Beim Nationalstrassenbau ist es heute üblich, Bauprojekte gut in die Landschaft zu integrieren – inklusive ökologischer Ausgleichsmassnahmen. So kommen alle Disziplinen zum Zug. Es gibt aber auch Konfliktsituationen. Landschaftsund Raumplaner ziehen es häufig vor, Verkehrsprobleme ohne strassenbauliche Massnahmen zu lösen. Bauingenieure möchten aber Bauwerke realisieren. Insgesamt überwiegen die Vorteile der Zusammenarbeit. «Es ist die ständige Suche nach der objektiv besten Lösung», sagt Kytzia. Ziel des KIL ist es, dass die Kooperation der Institute zum Selbstläufer wird. «Mein Ziel ist es eigentlich, meine Funktion selbst abzuschaffen», sagt Kytzia. Herausfordernd sei dabei dasWachstum der Studentenzahlen und damit auch die wachsende Anzahl Professoren. Deshalb treffen sich die Institutsleiter regelmässig, um sich über Projekte und Kooperationen auszutauschen.

konzept vor allem Gebäudedächer als Solarflächen interessant. Die Gemeinden bringen auch eigene Ideen ein. «In der Gemeinde Weesen wird beispielsweise ein Wasserkraftwerk am Flibach geplant, mit dem man den gesamten Strombedarf der Gemeinde decken könnte», sagt sie. In Weesen steht zudem die Nutzung von Umweltwärme aus dem Walensee oder vom Grundwasser zur Diskussion. Dabei profitiert die HSR von ihrem Studiengang Erneuerbare Energien und Umwelttechnik. Denn Bau- und Planungswissen sei in der Energiewende eine Voraussetzung für neue technische Lösungen, so Kytzia. In der Energiewende sieht Kytzia einen neuen Schwerpunkt des KIL. Deshalb bewirbt sich das Kompetenzzentrum zusammen mit anderen Schweizer Forschungsinstituten derzeit für den Aufbau eines nationalen Energie-Kompetenzzentrums. «Wir wollen einen substanziellen Beitrag zur raumbezogenen Energieforschung leisten», sagt sie. Sprich: Energiegewinnung und -nutzung besser auf spezifische räumliche Gegebenheiten abstimmen. «Das gibt den drei Instituten zudem auch ein gemeinsames Thema, um die Zusammenarbeit noch weiter zu intensivieren», sagt Kytzia. Neben der Energieforschung leitet das KIL weitere interdisziplinäre Projekte. Als Beispiele nennt Kytzia kommunale Planung und Infrastrukturentwicklung, Gestaltung von Freiräumen, Quartierentwicklung, Renaturierung von Fliessgewässern und die Nutzung von natürlichen Ressourcen wie Kies. «Mit jedem Projekt können wir unsere Zusammenarbeit weiter verbessern», sagt Kytzia, «und irgendwann wird es dann ein Selbstläufer.»

Energiewende ist das Hauptthema Beim Reden bleibt es aber nicht. Derzeit erstellen die HSR-Institute mit der Energieagentur St. Gallen ein Energiekonzept für die Region Zürichsee-Linth. Der Ist-Zustand sowie das Potenzial für erneuerbare Energien werden dabei erfasst. «Es ist beeindruckend, wie viele Solaranlagen hier momentan gebaut werden», sagt Kytzia. Wegen des grossen Raumbedarfs der Anlagen sind im Energie-

Fachübergreifend: Dichte Siedlungen, hier in Uster, sind eine fachübergreifende Aufgabe für Raumplaner, Landschaftsarchitekten und Bauingenieure. Bild HSR 37


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HSR schafft sichere Tunnels durchs Netz Daten, die vertraulich sind, sollen auch vertraulich bleiben. Das gilt vor allem, wenn diese über das Internet übertragen werden. Firmen, Regierungen, Militär und auch Private sind deshalb auf eine sichere Datenübertragung und den geschützten Zugriff darauf angewiesen. Genau dafür hat der Bereich Netzwerke und Computersicherheit des Instituts für Internet-Technologien und -Anwendungen (ITA) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) eine Lösung namens «strong-Swan» (www.strongswan.org) entwickelt. Das Programm ist weltweit im Einsatz und als OpenSource Software grundsätzlich gratis verfügbar.

Hochsicherheit weltweit Das Prinzip hinter strongSwan: Es verbindet über ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) zwei örtlich voneinander getrennte Netzwerke durch ein unsicheres öffentliches Netz wie das Internet. «Die Verbindung ist eine Art sicherer Tunnel durch das Inter-

net, in dem Daten verschlüsselt übertragen werden», sagt ITA-Leiter Andreas Steffen. Das VPN-Prinzip an sich ist nicht neu. Jedoch ändern sich die Verschlüsselungsstandards mit der Zeit, um eine sichere Datenübertragung zu gewährleisten. Laut Steffen verarbeitet strongSwan den aktuellen Standard robuster, einfacher und unkomplizierter, als andere Lösungen. Und es sei gratis, was es finanziell enorm interessant mache. Mit modularen Erweiterungen des Gratisprogramms nach Kundenwunsch erwirtschaftet das ITA unter anderem seine Umsätze. Die Liste der strongSwan-Nutzer ist lang und zeigt, dass die Lösung weltweit Sicherheitsansprüchen genügt. So sei laut Steffen etwa die englische Regierung dabei, die ITA-Lösung für die Regierungskommunikation zertifizieren zu lassen. Zudem sei die VPN-Lösung von Windows mit strongSwan getestet worden. Ein deutsches Unternehmen, das weltweit Hochsicherheitsnetzwerke für Banken und global tätige Firmen anbietet, greift laut Steffen ebenfalls auf strongSwan zurück. Zudem nutzt Post-Auto die

Geschützt: Das ITA schafft mit der Lösung «strongSwan» Grafik ITA eine sichere Verbindung durch das Internet. 38


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ITA-Lösung für die Verschlüsselung ihres GratisWLANs. Auch für die Datenübertragung von Mobilfunkfirmen wie Alcatel-Lucent, Nokia Siemens Networks oder Ericsson werde strongSwan verwendet.Ausserdem gab es militärische Projekte, unter anderem mit Armasuisse und Ruag.

Sicherer Zugriff auf Firmennetz Private nutzen strongSwan vor allem, um mit ihren privaten Geräten auf das Netzwerk ihres Arbeitgebers zuzugreifen. «Das Thema wird immer wichtiger, weil es einen Trend hin zur Arbeit von zu Hause aus gibt», sagt Steffen. So gibt es das Programm etwa auch als App für Android-Smartphones und Tablets und ist derzeit auf über 4000 Geräten installiert. Bei der Arbeit von zu Hause aus mit ihren eigenen Geräten müssen Mitarbeiter ihrem Unternehmen jedoch erlauben, dass das eigene Gerät gescannt wird. «Das ist nötig, um zu verhindern, dass Schadsoftware wie etwa Trojaner sich im Betriebssystem einnisten», erklärt Steffen. Ein weiterer Bereich des ITA beschäftigt sich mit elektronischen Wahlen. Drei Master-Studenten der

HSR haben daraus mit der Firma Smartprimes ein Geschäft gemacht. Sie bieten ein Online-Wahlsystem an. Dieses ermöglicht mittels moderner kryptografischer Methoden, dass Wähler überprüfen können, ob ihre verschlüsselte Stimme richtig in das Gesamtresultat eingeflossen ist. Laut Steffen plant unter anderem die UBS, das System künftig bei Aktionärsversammlungen einzusetzen. Neben diesen beiden Bereichen beschäftigen sich die rund zehn ITA-Mitarbeiter auch mit der Modellierung und Simulation von Mobilfunknetzwerken sowie mit rechenintensiven Anwendungen von Grafikprozessoren.

Elektronische Wahlen für GVs In allen Bereichen sieht Steffen einen Trend dahingehend, dass die Forschungsinstitute der Hochschulen immer häufiger Grundlagenforschung betreibt. Das liege daran, dass Unternehmen in diesem Bereich nur noch wenig investieren, weil damit finanzielle Durststrecken verbunden seien. «An der HSR entwickeln wir immer häufiger Knowhow, das vielleicht erst nach fünf Jahren marktreif an die Wirtschaft weitergegeben wird», sagt Steffen. 39


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HSR lässt Roboter zugreifen wie eine menschliche Hand Roboter können vieles schneller und ausdauernder als Menschen. Beim Greifen von Teilen jedoch fehlte den stählernen Arbeitern bisher die Präzision und Vielseitigkeit einer menschlichen Hand. Bisher, weil das Institut für Mechatronik und Automatisierungstechnik (IMA) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) einen weltweit einzigartigen Roboter-Greifer entwickelt hat. Dessen sensible Sensoren können einzelne Teile in einer prall gefüllten Kiste erkennen. Der Greifer sucht sich dann ein Teil heraus, greift es – egal wie es liegt – und befördert es weiter in die Produktion. Damit spart sich die Firma Feller in Horgen, für die der Greifer entwickelt wurde, eine Menge Zeit. Denn früher mussten Rohteile für die Produktion mühsam einzeln und dann geordnet auf einem Fliessband angeliefert werden. Für verschiedene Teile mussten teils sogar die Greifer der Roboter gewechselt werden. Mit dem neuen HSR-Greifer können verschiedenste Teile ohne Zwischenschritte direkt verarbeitet werden. «Die angelieferten Teile können dabei kreuz und quer durcheinander liegen», sagt IMA-Leiter Heinz Domeisen. Wollte man dies einem Kind beibringen, würde das keine zwei Minuten dauern, so

Vielseitig: Dieser Roboter greift «menschlich». 40

Bilder HSR

der Institutsleiter. «Bei einem Roboter kann das aber schnell zwei Jahre Entwicklungsaufwand bedeuten», sagt er. Mit dem vorhandenen Know-how wurden in der Zwischenzeit weitere Greifer entwickelt, die unter anderem den Greifvorgang verkürzen und damit die Effizienz steigern oder Energie sparen. Drei Disziplinen in einem Institut Der intelligente Greifer ist ein Paradebeispiel für die drei Disziplinen, die am IMA vereint sind: Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik. «Wir sind ein interdisziplinäres Institut, weil moderne Produkte viele Disziplinen erfordern», sagt Domeisen. In einem Auto etwa seien Mechanik, Steuerungs- und Regeltechnik sowie Elektrotechnik vereint. Alles müsse verzahnt miteinander funktionieren. Die Stärke des IMA sieht Domeisen darin, ein optimales Zusammenspiel zwischen den einzelnen Systemen zu ermöglichen. Dabei sei es nicht genug, dass das Endprodukt einfach nur funktioniere. «Es muss das ideale Gleichgewicht zwischen Energieverbrauch, Präzision und Zuverlässigkeit gefunden werden», sagt Domeisen.

Hilfreich: Dieser «Rover» erklärt Besuchern die Stadt.


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Das Wissen aus den Forschungs- und Entwicklungsprojekten können die Professoren direkt an die Studierenden der HSR weitergeben. «So wird garantiert, dass die Studierenden bereits in der Ausbildung mit Problemstellungen aus der Praxis arbeiten können», sagt Domeisen. Unsichtbarer Denkmalschutz Wegen seinem interdisziplinären Ansatz wird das IMA vor allem für Spezialanwendungen beigezogen. Eine dieser Spezialanwendungen kommt in der Graubündner Kirche St. Martin in Zillis zum Einsatz. Die Decke der Kirche verfügt über eine europaweit einzigartige Holzkonstruktion. Sie besteht aus mehr als 150 handbemalten Holzplatten – seit rund 900 Jahren. Das Problem: Die zahlreichen Touristen sorgen für starke Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen in der Kirche. Dadurch werden die unersetzbaren Holzbilder in Mitleidenschaft gezogen. Deshalb hat die Kirche das IMA beauftragt, ein unsichtbares, automatisches Lüftungssystem zu entwickeln. Es soll die Schwankungen des Klimas mini-

mieren. «Zusätzlich werden die Messdaten gespeichert und zur Kontrolle automatisch weitergeleitet», sagt Domeisen. Bisher erfüllt das Lüftungssystem seinen Zweck und schützt die Bildertafeln vor dem Verfall. Bereits ist ein ähnliches System auch im Rhätischen Museum in Chur im Einsatz, das die Ausstellungsstücke vor Klimaschwankungen schützt. Auch in Rapperswil-Jona findet sich ein Stück Technik aus dem IMA. Im Stadtmuseum können Besucher einen «Rover» genannten Roboter über eine auf dem Boden aufgedruckte, historische Karte von Rapperswil-Jona schieben. Der Rover erkennt, wo auf der Karte er sich befindet und blendet für die Besucher ein aktuelles Luftbild des jeweiligen Ortes und zusätzliche Informationen ein. So können die Besucher etwa mehr über das Schloss, den Kinderzoo oder die Plätze in der Altstadt erfahren. Weitere Informationen über das IMA gibt es im Internet auf www.ima.hsr.ch

Unsichtbar: Eine Lüftung schützt diese Holzdecke. 41


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HSR-Institut hält Schweizer Wasserkraftwerke am Laufen Wenn Maschinen ausfallen, oder die Sicherheit akut gefährdet ist, rufen Schweizer Wasserkraftwerksbetreiber häufig das Institut für Anlagen- und Sicherheitstechnik (SITEC) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Denn das Institut füllt in der Schweiz eine seltene Nische aus. «Wir sind weder Unternehmen, Behörde oder Hersteller, das macht uns als unabhängigen Sachverständigen interessant», sagt SITEC-Leiter Jürg Meier. Dadurch könne das Institut als technische Feuerwehr und technischer Anwalt zugleich auftreten. Extrem straffer Zeitplan Was das in der Praxis bedeutet, erklärt Meier am Beispiel des Wasserkraftwerks Verbois nahe Genf. Bei diesem wurden im letzten Sommer die sogenannten Einlaufrechen ausgetauscht. Das sind haushohe Stahlgitter, welche die Kraftwerks-Turbinen vor groben Fremdkörpern schützen. Das Problem: Für den Austausch musste das Wasser vor den Turbinen abgesenkt werden. Weil dadurch aber Grundwasserfassungen im nahen Frankreich gefährdet wurden, setzte die französische Seite einen engen Zeitplan: Nach zehn Tagen musste der Wasserstand wieder normal sein. Weil das Ablassen vor und das Fluten nach dem Austausch Zeit braucht, blieben den Stadtwerken Genf jedoch effektiv nur fünf Tage für den Austausch der Rechen. «Das setzte einen enormen Zeitdruck», sagt Meier. Es wurde ein extrem straffer Zeitplan entwickelt. «Auf die Minute, nicht auf Stunden, wie üblich.» Zudem musste die Baustelle im 24-Stunden-Betrieb laufen.

Keine Zeit: SITEC-Ingenieure unterstützen unter Zeitdruck dringende Austauscharbeiten im Wasserkraftwerk Verbois. Bild SITEC 42

Lösungssuche unter Hochdruck Das SITEC hatte dabei zwei Aufgaben. Zum einen musste das Institut die Arbeiten wie etwa Verschraubungen als unabhängiger Sachverständiger während des laufenden Baustellenbetriebs kontrollieren und abnehmen – der technische Anwalt. Zum anderen waren ständig zwei SITEC-Ingenieure vor Ort, um bei unerwarteten Problemen Sofortlösungen aufzuzeigen – die technische Feuerwehr. An solchen unerwarteten Problemen mangelte es laut Meier nicht. «Das waren komplexe Arbeiten unter widrigsten Umständen», erinnert er sich. Um Zeit zu sparen, wurden etwa die alten Einlaufrechen zeitgleich mit dem Abfliessen des Wassers abgebrochen. Dabei wurden Schlick und Dreck in die Turbinen gezogen. Zwei der fünf Bautage wurden von ungeplanten Baggerarbeiten aufgefressen. Das SITEC erarbeitete für dieses und weitere Probleme vor Ort die «technisch optimalste Lösung», so Meier. Die kommerziellen Konditionen für deren Umsetzung mussten dann Bauherr und Bauunternehmen aushandeln. «Meist wurde einfach


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das gemacht, was wir vorgeschlagen haben», sagt Meier. Denn bei solchen akuten Problemen unter Zeitdruck werde nicht mehr nach Kosten gefragt, sondern nur noch: Wird es rechtzeitig fertig? In solchen Situationen übernimmt das SITEC als Sachverständiger die Verantwortung, dass die kurzfristig vorgeschlagene Lösung auch funktioniert. Zugleich wird so auch das Bauunternehmen rechtlich entlastet. Die Arbeiten konnten trotz vieler Verzögerungen rechtzeitig abgeschlossen werden. Derzeit entwickelt das SITEC eine Maschine, welche die Rechen von oben von groben Brocken befreit, um die Stahlstäbe vor erneuten Beschädigungen zu schützen. Wissen geht direkt an die Studenten Das Know-how aus den Projekten gibt das SITEC direkt an die Studierenden der HSR weiter. Wie alle Instituts-Professoren arbeitet auch Meier etwa die Hälfte seiner Zeit für die Ausbildung der HSR-Studenten. «Die vermittelten Inhalte sind entsprechend nah am künftigen Alltag unserer Studierenden nach der Ausbildung», sagt Meier.

Speziallösungen für Unternehmen Die Schweizer Wasserkraftwerke bilden den Schwerpunkt der SITEC-Kunden. Darüber hinaus entwickelt das Institut aber auch Speziallösungen für andere Bereiche. Etwa im Tunnelbau oder für Gasturbinenkraftwerke. Dabei besitzt das Institut mehr Flexibilität als viele Hersteller. «Ein Unternehmen muss für eine hohe Auslastung sorgen, was die Flexibilität bei Notfällen einschränkt», sagt Meier. Weil ein Tag Produktionsausfall aber schnell mehrere Hundertausend Franken kosten könne, seien Unternehmen auf schnelle Lösungen angewiesen. Ebenso biete das SITEC bei grossen Revisionen temporär Ingenieure für die Revisionsarbeiten sowie zusätzliche IT-Infrastruktur für Berechnungen an. «Gerade KMU müssen in solchen Fällen auf Kapazitäten von Dritten zurückgreifen», sagt Meier. Das letzte Standbein des SITEC betrifft die Instandhaltung. Aufgrund von gesetzlichen Änderungen sei der Aufwand dafür seit 2010 enorm gestiegen. So stark, dass sich mittlerweile eine eigene Subbranche für Outsourcing-Instandhaltung entwickelt habe. «Da können wir sehr gut mitmischen und gleichzeitig die Verschleiss-Entwicklung von Maschinenzuständen erforschen», sagt Meier.

Entsandersystem HSR im Kraftwerk GKW III im Wallis. Die smarte Konstruktion spart rund 90 Prozent des bisherigen Spülwassers. 43


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HSR-Institut will alles aus der Sonne herausholen Auf einem Dach der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) recken zahlreiche Solarkollektoren ihre schwarze Fläche gen Sonne. Viele davon sind auf speziellen Anlagen montiert, die automatisch der Sonne folgen. So testet das Institut für Solartechnik (SPF) die Kollektoren auf ihre Effizienz. In weiteren Labors testet das SPF zudem etwa die Lichtdurchlässigkeit von Glas sowie die Widerstandsfähigkeit von Solarkollektoren oder entwickelt Technologien, welche die Effizienz der Kollektoren steigern. Das Ziel, welches das älteste HSR-Institut damit verfolgt: So viel aus der Energie der Sonne herausholen wie möglich. Strom und Wärme aus einem Modul Um diesem Ziel näherzukommen, forscht das 40 Mitarbeiter starke SPF momentan an sogenannten PVT-Modulen. Das sind Solarkollektoren, die sowohl Strom erzeugen, als auch Wasser erhitzen. Bisher dominieren entweder Fotovoltaik- (Strom) oder thermische Solarmodule (Warmwasser). Dabei geht jedoch viel Energiepotenzial verloren. «Bei PVT-Modulen geht es darum, beide Prinzipien zu kombinieren», sagt Rommel. Das habe den Vorteil, den grossen Flächenbedarf von Solaranlagen optimal zu nutzen. Denn ein Fotovoltaikmodul wandelt nur rund 15 bis 20 Prozent der Sonnenenergie in Strom um. Heiss werden die Kollektoren dabei trotzdem, genau wie thermische Solarmodule. «Diese Wärmeenergie wird aber nicht genutzt. Sie ist sogar unerwünscht, weil dadurch der Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung sinkt», sagt Rommel. Zusammen mit dem Solarhersteller 3S entwickelt das SPF Möglichkeiten, wie die PVT-Module am effizientesten konstruiert werden können. Die Knacknuss für das SPF dabei: Wie kann die Wärme am besten ins Wasser geleitet werden, ohne die Stromproduktion negativ zu beeinflussen? Fliessender Energiewandel Neben solchen neuen Technologien beschäftigt sich das SPF hauptsächlich mit der Verbesserung bestehender Systeme. «Für Laien sindVerbesserungen im Solarbereich kaum ersichtlich», sagt Rommel. Denn optisch ähneln heutige Kollektoren solchen vor 20 Jahren. Die Verbesserungen würden meist im Detail entstehen. Der Trend gehe derzeit in Richtung kombinierter Systeme, die eine möglichst hohe Effizienz erzielen. Deshalb behält das SPF trotz seinem Fokus auf So-

Automatisch: Die Solar-Testanlage auf dem HSR-Dach richtet die Kollektoren automatisch zur Sonne hin aus. Bild Willi Meissner

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larenergie die gesamte Energieforschung im Blick. «Mit einer Technologie allein, lassen sich die energetischen Probleme unserer Gesellschaft nicht lösen», sagt Rommel. Es störe ihn, dass in der Energiediskussion oft so getan werde, als ob eines Tages einfach «der Schalter umgelegt wird und ab dem Zeitpunkt X alles mit erneuerbarer Energie läuft», so Rommel. Vielmehr gelte es, einen fliessenden Übergang zu finden. Denn bei der schrittweisen Umstellung auf erneuerbare Energie müssten etwa Bahnen weiter fahren und Häuser beheizt werden. Das sei nur mit einer Kombination verschiedener Energieformen möglich, auch mit konventionellen Energien wie Öl oder Gas.


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Zudem die Forschungsergebnisse aus den erneuerbaren Energien häufig auch die Effizienz konventioneller Systeme steigern würden. Rommel nenntWarmwasserspeicher als Beispiel. «Jede Heizung braucht so einen Speicher», sagt er. Durch die Forschung in der Solarenergie sind auch die Speicher für Öl- und Gasheizungen verbessert worden. Leitung in EU-Forschungsprojekt Im Bereich Heizungsforschung hat das SPF derzeit die Leitung in einem EU-finanzierten Projekt. Dabei geht es um die Kombination von thermischen Solaranlagen mit Wärmepumpen. Das SPF hat eine weltweit bisher einzigartige Gesamtsystemtestanlage für Heizungen entwickelt. «Bei neuen Entwicklungen werden oft nur Einzelkomponenten verbessert und dann errechnet, wie gut diese mit anderen Komponenten zusammenarbeiten», sagt Rommel. Das sei aber ein Trugschluss. «Man kann sehr einfach mit guten Einzelkomponenten sehr schlechte Gesamtsysteme bauen», sagt er. «Deshalb muss bei einer Systementwicklung auch das Gesamtsystem als Ganzes getestet werden.»

Mit der Testanlage des SPF lässt sich unter anderem ermitteln, wo in einer Heizanlage Verluste entstehen. Etwa, wenn die Energie der Solarkollektoren nicht wie gewünscht im Warmwasserspeicher ankommt. Anhand der Testergebnisse könne man dann Verbesserungen vornehmen, um die Effizienz der Heizung zu steigern. Am Ende des EU-Forschungsprojektes sollen die Heizungen rund ein Viertel effizienter sein. Darüber hinaus werden das SPF und weitere Forschungsinstitute der HSR im Rahmen der Energiepolitik des Bundes Teil von sogenannten Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER). «In diesen Zentren werden die Hochschulen besser in die Energieforschung involviert», sagt Rommel. Derzeit würde vor allem die Forschung im ETHBereich vom Bund profitieren. Der Einbezug der Hochschulen ist laut dem Institutsleiter vor allem deshalb in der Energieforschung sinnvoll, weil pragmatische Lösungen und eine schnelle Umsetzung von Entwicklungsergebnissen eine Stärke der Hochschulen seien, so Rommel.


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HSR beherbergt europaweit einzigartiges Garten-Archiv Ohne historische Quellen können Fachleute ihrer Arbeit oft nur schwer nachgehen. Das gilt nicht nur etwa für Archäologen, sondern ebenso auch für Landschaftsarchitekten, Denkmalschützer oder Wissenschaftler. Für ebendiese beherbergt die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) mit dem Archiv für Schweizer Landschaftsarchitektur (ASLA) einen wahren Hort desWissens. Zigtausende Pläne,Akten, Dias und Fotos von Schweizer Gartenanlagen sind hier archiviert. Der Schwerpunkt liegt auf dem 19. und 20. Jahrhundert. Ebenso wie beim Institut für Geschichte und Theorie der Landschaftsarchitektur (GTLA), dem das ASLA angeschlossen ist. Bisher umfangreichster Nachlass Die Herrin über die Archivräume im Keller der HSR ist Beatrice Nater. Seit 16 Jahren wacht sie über das ASLA, verwaltet seinen Fundus in langen Schrankreihen und einer Datenbank. Das Archiv ist europaweit einzigartig, nirgendwo sonst wird so viel Gartenkulturgut an einem Ort archiviert. Immer wieder kommen neue Pläne hinzu, meist Nachlässe von verstorbenen Landschaftsarchitek-

ten. Der derzeit grösste Brocken neuen Archivmaterials stammt von den Zürcher Landschaftsarchitekten Walter und Niklaus Leder. «Ein bekannter Name, sie haben Gartenanlagen in der ganzen Schweiz gestaltet», sagt Nater. In drei Etappen hat das ASLA rund 1000 Pläne aus der Zeit zwischen 1892 und 1999 erhalten. Doch das ist nicht alles. «Der Nachlass ist nicht nur wegen seinem Umfang bedeutend, sondern auch, weil er weit mehr als nur Pläne enthält», sagt die Archivarin. Neben den Plänen finden sich auch Abrechnungen, Korrespondenz mit den Kunden, Pflanzenlisten und weitere Informationen im Nachlass. Mit diesen Akten könnte man weit detailliertere Forschungsarbeit betreiben, als nur mit Plänen, so Nater. Etwa, welche Pflanzen genau in den Gärten verwendet wurden. «Pflanzen sind ein entscheidendes Stilmittel in der Gartengestaltung», sagt GTLA- und ASLA-Leiterin Susanne Karn. Die Pflanzensorten seien allein aus Plänen oft jedoch nicht ersichtlich. Für Grundbesitzer die einen historischen Garten zum Beispiel in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen wollen, seien solche detaillierten Nachlässe von unschätzbarem Wert.

Plan und Wirklichkeit: Das ASLA verfügt über unzählige historische Pläne – hier der Garten hinter dem Haus zum Komitee in Weinfelden auf einem Plan von 1889 und heute. Bilder ASLA 46


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Verändert: Witterungseinflüsse, Alterung und Jahreszeit verändern einen Garten ständig – was fast unverändert bleibt, sind die Gebäude.

Ebenso würden häufig Anfragen zu bestimmten Gartenanlagen von Architekturbüros ans ASLA gerichtet. «Wir stellen unser Material zum Beispiel für Gutachten zur Verfügung», sagt Nater. Wertvoll für Studenten Aber auch die Ausbildung von Studenten profitiert vom Archiv. «Die HSR-Studenten können hier teils mit 100-jährigen Plänen arbeiten», sagt Nater. Das Studium mit solchen historischen Quellen sei sehr wertvoll für die Studenten. Das beweist auch das Interesse, das andere Hochschulen am ASLA zeigen. Laut Nater seien regelmässig Studenten der ETH Zürich und der Fachhochschule Wädenswil sowie Zürcher Berufsschüler in Rapperswil, um mit dem Archivmaterial zu arbeiten. Darüber hinaus sollen künftig Doktorarbeiten mit dem ASLA-Archiv noch mehr gefördert werden. «Wir haben grosses Interesse daran, zusammen mit der HSR die Verbindungen zu anderen Hochschulen zu verbessern», sagt Ingo Golz. Er ist Präsident der Schweizerischen Stiftung für Landschaftsarchitektur (SLA). Die Stiftung ist Eigentümerin der Archivbestände und neben der HSR die wichtigste Trägerschaft hinter dem ASLA.

Digitalisieren, Schwerpunkte setzen Dem ASLA stehen künftig einige Herausforderungen bevor. Laut Golz ist vor allem die Digitalisierung wichtig für die Zukunft. Denn irgendwann werden auch aktuelle Pläne eine historische Bedeutung bekommen. «Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir mit digitalen Unterlagen verfahren», sagt er. Eine zweite Herausforderung ist die schiere Masse an Material. «Seit den 1980er-Jahren hat sich der Berufsstand der Landschaftsarchitekten enorm entwickelt und an Bedeutung gewonnen», sagt Golz. Mit den begrenzten Mitteln könne das ASLA aber künftig nicht alles archivieren. Deshalb gelte es, die Sammlungsstrategie zu überprüfen und dazu Kriterien für die Archivierung festzulegen. Darüber hinaus verfolgt die Stiftung das Ziel, mit ihrem Archiv Gartenkulturgut zu schützen. Denn in der Schweiz werden laut Golz immer häufiger «bedeutende Anlagen» überbaut. Stichwort: Verdichtung. Der Stiftung sei es deshalb ein Anliegen, dass die kantonalen Denkmalschützer über das ASLA leicht Zugang zu Informationen über bedeutende Anlagen erhalten. «Ob Gartenanlagen dann unter Schutz gestellt werden, steht auf einem anderen Blatt – aber eine Diskussion darüber ist ein guter Anfang», sagt Golz. 47


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Interkantonal tätig: Die HSR hat mit dem WERZ einen Aussenposten im Kanton Zug.

Bild WERZ

HSR bringt Industriebetrieben in Zug Energieeffizienz bei Beim Institut für Wissen, Energie und Rohstoffe Zug (WERZ) steckt die Überraschung im Namen. Denn das Institut gehört zur Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Trotzdem sind die Büroräume und die sechs Mitarbeiter in Zug angesiedelt. Der Hintergrund: Der Kanton Zug verfügt weder über eine Hochschule, noch über eine Universität. «Unsere Hauptaufgabe ist es, den Zuger Wirtschaftsstandort durch Weiterbildungen und Kurse zu fördern – mit dem Know-how aus der HSR», sagt Institutsleiter Christian Wirz. Auslöser für die Gründung des WERZ war eine Befragung der Zuger Firmen. Dabei wurden vor allem Weiterbildungen in den Bereichen Energie und Rohstoffrückgewinnung gewünscht. Deshalb hat der Kanton Zug einen Anbieter dafür gesucht. Zuschlag wegen Recyclingkompetenz Gewonnen hat den Zuschlag die HSR und konnte sich damit gegen zwei Mitbewerber durchsetzen. 48

«Insbesondere wegen der Kompetenz im Bereich Recycling», sagt Wirz. Er spricht damit das Wissen aus dem Institut für Umwelt und Verfahrenstechnik (UMTEC) an. Daneben arbeitet das WERZ eng mit weiteren Instituten aus dem Bereich Erneuerbare Energien und Umwelttechnik zusammen. «Bei der Gestaltung der CAS-Weiterbildungen hilft es enorm, dass wir dieses breite Wissen an der HSR haben», sagt Wirz. So könne der Wissenstransfer auf sehr direktem Weg von der HSR zu den Unternehmen stattfinden. Bisher werden zwei Weiterbildungslehrgänge für die Zuger Industrieunternehmen angeboten. Einer für effiziente Energienutzung und einer für Recycling und umweltgerechte Entsorgung. Ab 2014 werden sie durch zwei weitere ergänzt: Erneuerbare Energien sowie Nachhaltige Produkte und Prozesse. Nachhaltig bedeutet hierbei laut Wirz, dass Teilnehmer lernen, wie sie bereits beim Produktdesign die


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Aspekte Energieeffizienz, ressourcenschonende Produktion und Recyclingfähigkeit mit einbeziehen. Praxistauglich muss es sein Bei den Weiterbildungen wird Wert auf anwendbares Wissen gelegt. «Für uns ist die Nähe zur Praxis in der Industrie wichtig», sagt der WERZ-Leiter. Ein Grossteil der Institutsmitarbeiter seien Ingenieure, welche ihre Kompetenz in das Weiterbildungskonzept einbringen. Das vermittelte Wissen ist somit optimal auf Unternehmen ausgerichtet. Zusätzlich bringen bereits die Weiterbildungslehrgänge selbst oft einen konkreten Nutzen. Denn jeder Teilnehmer schliesst seinen Lehrgang mit einer Abschlussarbeit ab. «Idealerweise im eigenen Unternehmen», sagt Wirz. Die Ergebnisse der Studienarbeit seien für die Firmen häufig direkt nützlich. Forschung, Beratung und Marketing Das WERZ schult jedoch nicht nur Teilnehmer in den Lehrgängen. «Das würde finanziell nicht ausreichen», sagtWirz. Denn der Kanton Zug finanziert das WERZ in den ersten sechs Jahren mit 1,5 Millionen Franken. Danach muss das Institut selbsttragend laufen. Um das rechtzeitig bis 2016 zu schaffen, baut sich das WERZ weitere Standbeine auf. So etwa Forschungs-

projekte und Dienstleistungen. Wenn eine Firma etwa ihre Rohstoffeffizienz steigern wolle, könne das WERZ unabhängig alle Möglichkeiten analysieren. «Das kann nützlich sein, bevor man sich mit einem spezialisierten Ingenieurbüro liiert, das bereits eine bestimmte Richtung favorisiert», sagt Wirz. Ausserdem ist das WERZ im Technologieforum Zug engagiert. Ziel ist es, die Vernetzung und den Austausch zwischen den Zuger Firmen zu verbessern. Wirz nennt ein Beispiel: Mit einer Gruppe Unternehmen werde dann etwa ein Standort von V-Zug besichtigt. «Das Unternehmen ist nicht nur bei seinen Produkten, sondern auch im Bereich Energieeffizienz sehr innovativ», sagt Wirz. Durch den Austausch könnten so auch andere Industriebetriebe profitieren. Sogar den Förderbereich streift das WERZ. Um den Nachwuchs im Bereich Energie- und Rohstoffeffizienz zu fördern, wurde im Auftrag der Zuger Stiftung für Wirtschaft und Wissenschaft der Zuger Wissenschaftspreis entwickelt. Der mit 25 000 Franken dotierte Preis richtet wird jährlich an Hochschulstudierende vergeben. «Insgesamt sind wir also sehr breit aufgestellt», sagt Wirz. Alle Aktivitäten müssten aber ein Ziel verfolgen: Die Industrie am Standort Zug stärken – mit Wissen aus Rapperswil-Jona.

Eng vernetzt: Das WERZ gehört zur Hochschule für Technik Rapperswil, die wiederum Teil des Fachhochschulverbandes Ostschweiz ist. 49


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HSR-Institut flutet Siebner Kraftwerkskanal mehrfach Unterhalb des Eugenisees im Kanton Obwalden plätschert das Wasser gerade ruhig vor sich hin. Nur wenige Meter entfernt donnern 200 000 Liter Wasser und rund 1400 Kilogramm Geschiebe durch die Wägitaler Aa Richtung Siebnen – pro Sekunde. Wasser und Schlamm ufern über die Brandung der Wägitaler Aa und rasen weiter. Etwa unter der Brücke hindurch, die bald ein Teil des Siebner Grosskreisels werden soll. Zwei Ingenieure stehen seelenruhig neben der laufenden Naturkatastrophe und starren auf ihre Monitore. Sie verfolgen, was die hochgerechneten Wassermassen mit ihrer Testumgebung anstellen. Nach ein paar Minuten ist das Schauspiel vorbei. Dies war einer von vielen Tests am Institut für Bau und Umwelt (IBU) an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Die IBU-Ingenieure haben im Labor die Fassung Eugenisee und einen Teil der Wägitaler Aa mitten in Siebnen mit Beton, Gestein und einzelnen Metalleinbauten nachgebaut. Kameras zeichnen jeden Versuch auf, Messungen werden vorgenommen. Wenig später wird Siebnen wieder dem Hochwasser überlassen, diesmal einem stärkeren. Gesteuert wird alles von Computern.

Kleines Wunder: Paul Hardegger zeigt ein Holzmodell eines Oloids, das mit wenig Energie viel bewirken kann. 50

Mit der Auswertung solcher Daten sind die IBU-Ingenieure häufig beschäftigt. Unter anderem haben sie auch schon den Flibach in Weesen nachgebaut. «Im massstabsgetreuen, hydraulischen Modellversuch zeigt sich unter anderem, ob Schutzbauwerke, Kraftwerke oder Siedlungen im Extremfall standhalten können», sagt IBU-Leiter Paul Hardegger. Dieses Wissen ist für Gemeinden, Kantone, Bund und Kraftwerksbetreiber sehr wertvoll. Denn gegenüber millionenschweren Sachschäden und gefährdeten Menschenleben sind die Tests am IBU vergleichsweise günstig, so der Institutsleiter.

Realitätsnahe Testumgebung Durch die realitätsnahe Testumgebung kann das IBU geplante Wasserbauwerke auf Herz und Nieren prüfen. Die Erkenntnisse führen laut Hardegger nicht selten zu Optimierungen an Bauprojekten oder helfen durch Sanierungen und Renaturierungen, wie in

Belastet: Eine spezielle Stahlbetonstütze wird in einer Presse einem Belastungstest unterzogen.


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Weesen, Gemeinden vor Murgängen und Hochwassern besser zu schützen. Das IBU beschäftigt sich mit seinen rund 25 Mitarbeitern aber nicht nur mit Katastrophenszenarios. Zwar wird auch zusammen mit der NTU Singapur (Technische Universität) untersucht, wie sich das Klima und insbesondere die Bodenfeuchte auf die Stabilität von Hängen auswirkt. Aber das Institut forscht auch im Bereich Konstruktion und Bauwerkserhaltung. In den entsprechenden Labors werden zum Beispiel Materialprüfungen oder Belastungstests durchgeführt. In einem anderen Labor untersuchen die Ingenieure gerade das sogenannte Oloid. Dieses seltsam anmutende – jedoch einer strengen mathematischen Formel folgende – Formteil wurde vom Schweizer Bildhauer und Maschinenbauer Paul Schatz entwickelt und soll laut Hardegger vielfältige Anwendungsmöglichkeiten bieten. Etwa in der Wasseraufbereitung, als Schiffsantrieb oder als Rührsystem in der Biotechnologie. Dafür soll das Oloid im Vergleich zu anderen Verfahren weniger Energie benötigen und sehr gleichmässige Strömungen erzeugen. Um dies zu überprüfen, versenkt das IBU das Oloid in einem Wassertank und misst bei verschiedenen Drehgeschwindigkeiten in unterschiedlichen Ebenen mittels gepulster Laserstrahlen, welche Strömungen das Oloid erzeugen kann.

50 Kraftwerke auf Schweizer Boden Um Energie geht es auch bei einem anderen Projekt. Zusammen mit privaten Investoren forscht das IBU an neuen Bohrtechniken mit dem Schwerpunkt Materialeigenschaften im tiefen Untergrund. Damit wollen die Unternehmen sogenannte SuperTEWS (Tiefe Erdwärmesonden) bis zu zehn Kilometer weit in die Erdkruste treiben. Dort herrschen Temperaturen gegen 300 Grad Celsius.Wie bei Wärmesonden üblich, soll diese Wärme mittels einem geschlossenen Flüssigkeits-Kreislauf nach oben transportiert und in einem Kraftwerk vor allem in Strom umgewandelt werden. 50 Geoenergie-Kraftwerke mit je 50 Megawatt Leistung können laut Hardegger so viel Strom erzeugen, wie die drei grössten Schweizer Atomkraftwerke zusammen. «Ein einziges dieser Kraftwerke könnte ausreichen, um eine ganze Region – beispielsweise das Linthgebiet – mit Strom zu versorgen», sagt Hardegger. Allerdings wird es seiner Meinung nach noch einige Forschungsanstrengungen brauchen, um solche Tiefengeothermiekraftwerke mit minimalen Risiken während der Realisierungsphase zu erstellen und dann auch kosteneffizient zu betreiben.

Originalgetreu: Die beiden IBU-Ingenieure Thomas Hauser und Manfred Lanz verfolgen einen Versuch am Modell der Fassung Eugenisee. Bild Maya Rhyner 51


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HSR Hochschule für Technik Rapperswil Oberseestrasse 10 CH-8640 Rapperswil +41 (0)55 222 41 11, www.hsr.ch Technik und Informationstechnologie aF&E-Koordinationsstelle Technik/IT +41 (0)55 222 48 50 info-ktit@hsr.ch Bau- und Planungswesen Kompetenzzentrum Infrastruktur und Lebensraum +41 (0)55 222 49 27 info-blr@hsr.ch

DIE INSTITUTE DER HSR

Technik und Informationstechnologie ICOM Institut für Kommunikationssysteme

www.icom.hsr.ch

IMES Institut für Mikroelektronik und Embedded Systems

www.imes.hsr.ch

IET Institut für Energietechnik ILT Institut für Labortechnologie

www.iet.hsr.ch www.ilt.hsr.ch

IMA Institut für Mechatronik und Automatisierungstechnik

www.ima.hsr.ch

IPEK Institut für Produktdesign, Entwicklung und Konstruktion

www.ipek.hsr.ch

IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung

www.iwk.hsr.ch

SITEC Institut für Anlagen- und Sicherheitstechnik SPF Institut für Solartechnik UMTEC Institut für Umwelt- und Verfahrenstechnik

www.sitec.hsr.ch www.spf.hsr.ch www.umtec.hsr.ch

IFS Institut für Software

www.ifs.hsr.ch

INS Institut für vernetzte Systeme

www.ins.hsr.ch

ITA Institut für Internet-Technologien und -Anwendungen

www.ita.hsr.ch

Architektur, Bau- und Planungswesen IBU Institut für Bau und Umwelt ILF Institut für Landschaft und Freiraum

www.ibu.hsr.ch www.ilf.hsr.ch

GTLA Institut für Geschichte und Theorie der Landschaftsarchitektur

www.gtla.hsr.ch

IRAP Institut für Raumentwicklung

www.irap.hsr.ch

Fachbereichsübergreifend IKIK Institut für Kommunikation und Interkulturelle Kompetenz Mathematik und Naturwissenschaften 52

www.ikik.hsr.ch www.math.hsr.ch


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