Deutsch-Marokkanische Lebenswege - Geschichten über das Suchen, Ankommen und Engagieren

Page 28

DEUTSCH-MAROKKANISCHE LEBENSWEGE

haben. Die haben mit den Bewerbern Gespräche geführt, um zu schauen, ob sie geeignet sind. Wie viele Bewerber waren das in etwa wöchentlich? Peter Hauswald: So um die fünfzig in der Woche, die mit dem Schiff Casablanca verlassen haben. Hinzu kamen die, die direkt von deutschen Firmen abgeholt wurden. Das waren bestimmt noch mal so viele. Waren Sie mal bei einer Situation dabei, wo die Unternehmen selbst die Leute ausgesucht haben? Peter Hauswald: Ja, in einem Bergwerk an der algerischen Grenze. Unser Auftraggeber war ein Bergbauunternehmen aus Wanne-Eikel. Der wollte keine Leute mit Glatze haben, aus welchem Grund auch immer, Unfallgefahr etc. Und dann hatte ich den Auftrag, also wenn einer mit Turban reinkam, musste er den Turban abnehmen, damit der sieht, was darunter ist. Das war schon sehr komisch für uns damals. Foto: Peter Hauswald – Am Strand von Casblanca

Wenn Sie jetzt auf Ihre Zeit in Marokko zurückblicken: Erinnern Sie sich an besondere Ereignisse, die im Zusammenhang mit der Anwerbung stehen? Peter Hauswald: Ich sagte Ihnen ja, dass die Bewerber vorher einen Pass bei der Stadtverwaltung besorgen mussten. Und das war ziemlich t­ eu­er, auch weil der Antragsteller neben den offiziellen Gebühren noch etwas unter der Hand bezahlen musste. Und wer halt viel bezahlte, der hatte dann offensichtlich die Möglichkeit, schneller einen Pass zu bekommen. Der Pass lag dann bei uns. Und jetzt musste ich möglicherweise dem Mann sagen, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht ausreisen darf im Moment, dass er irgendwelche Krankheiten hat, die ansteckend sind etc. Und dann saß dieser Mensch bei mir und hat bitterlich geweint. Der hatte das ganze Geld bei der Familie zusammengekratzt, damit er die Ausreisegenehmigung bekommt. Und jetzt muss ich ihm sagen, dass er nicht ausreisen darf. Das kam leider sehr oft vor. Szenen, die mich da schon verfolgt haben, bis in die Nacht hinein. Da sind mir die Leute, wenn ich abends aus der Dienststelle ging, nachgelaufen und haben mich angefleht: „Oh, ­Arbeit in Deutschland.“ Also ich sage mal, der Wunsch und der Druck in Deutschland zu arbeiten, um auch die Familie zuhause zu unterstützen, war unheimlich groß. Können Sie sich noch daran erinnern, welche ansteckenden Krankheiten es häufig gab?

26

Peter Hauswald: Ja, es gab auch ein paar wenige Frauen. Die hatten wir im Wesentlichen für das Hotel- und Gaststättengewerbe vermittelt, Zimmermädchen, Küchenhilfen und so weiter. Können Sie vielleicht von einer Frau erzählen, die Sie vermittelt haben? Kam sie alleine oder mit den Eltern, wie lief das? Peter Hauswald: Alles Mögliche. Alleine, mit Clan, alles. Das war alles da. Wie wirkten die Frauen auf Sie? Also waren die eher selbstständig? Peter Hauswald: Schon sehr eingeschüchtert. Also sehr zurückhaltend. Welche großen Akteure auf Unternehmensseite gab es aus Ihrer Sicht, die in Marokko aktiv waren? Peter Hauswald: Ich würde mal sagen, es war der Bau, Kohlebergbau und das Hotel- und Gaststättengewerbe. Und als Einzelunternehmen vielleicht Hagenbecks Tierpark. Wollten die Bewerber, die zu Ihnen kamen, unbedingt nach Deutschland? Oder war das denen egal und die wollten einfach raus und sich überall bewerben?

Peter Hauswald: Geschlechtskrankheiten bei Männern, die zu meiner Überraschung ziemlich ausgeprägt waren.

Peter Hauswald: Ich glaube eher, dass es egal war, wohin, Hauptsache ein Arbeitsplatz, wo ich Geld verdienen und meine Familie in Marokko unterstützen kann. Das würde ich eindeutig so sehen.

Und Sie hatten ja erwähnt, dass es auch Frauen gab, die ausgereist sind.

Rückblickend betrachtet: Was hätte man damals besser machen können bei der Anwerbung?


Articles inside

Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.