LAMBDA-Nachrichten 1.2016

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Rechtsakt vorzulegen, denn in Sachen Familienrecht verfüge Brüssel ja über keinerlei Zuständigkeit, diese liege bei den Mitgliedsstaaten. Eine Beschwerde gegen die Zulassung dieser EBI ist daher in Vorbereitung.

Zweierlei Maß Hier hat die LSBT-Bewegung allerdings ein Argumentationsbzw. Glaubwürdigheitsproblem, weil sie selbst von der EU-Kommission Verordnungen bzw. Rechtsakte einfordert, die das Ehe- bzw. Familienrecht betreffen und daher nicht in die Kompetenz Brüssels fallen (vgl. Ulrike Lunaceks Kolumne auf S. 31), nämlich in Hinblick auf die Anerkennung von in einem EU-Mitgliedsstaat geschlossenen gleichgeschlechtlichen Ehen und eingetragenen Partnerschaften (EP) in allen anderen EU-Mitgliedsstaaten – ungeachtet, ob diese dieselben oder ähnliche Rechtsinsitute in ihrem nationalen Recht haben oder nicht. Begründet wird das mit dem nicht wirklich stichhaltigen Argument, diese Nichtanerken-

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nung schränke das Recht der EU-BürgerInnen auf Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit innerhalb der EU ein. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sich jene Länder, die diese Rechtsinstitute nicht haben und nicht daran denken, sie einzuführen, allen voran Polen, sich gegen eine solche EU-weite Anerkennung wehren und sie sicherlich zu verhindern wissen. Denn in der Praxis müsste diese Regelung dann auch für die eigenen StaatsbürgerInnen gelten. Wenn diese jedoch einfach nur ins benachbarte Ausland zu fahren brauchen, um dort gleichgeschlechtlich zu heiraten, und dann in ihrem Heimatland als Ehepaar anerkannt werden müssten, ja dann bräuchten die nationalen Parlamente erst gar nicht mehr über die Einführung der Homo-Ehe oder EP befinden. Dann hätte sich das durch diese Hintertür erledigt. Jedes nationale Parlament, das noch einen Funken Selbstachtung hat, wird sich gegen eine derartige Entmachtung durch Brüssel zur Wehr setzen. Und dafür hat sogar der Autor die-

ser Zeilen vollstes Verständnis (vgl. LN 2/14, S. 10). Das Argument, dass durch diese Nichtanerkennung das Recht auf Freizügigkeit unrechtmäßig eingeschränkt werde, trifft – wie gesagt – nicht zu, denn es handelt sich ja dabei um kein absolutes Recht, sondern es unterliegt nicht nur faktischen und praktischen, sondern auch zahlreichen rechtlichen Einschränkungen, wovon ja nicht zuletzt die aktuellen Debatten über den Ausschluss ausländischer EU-BürgerInnen von der Gewährung von Sozialleistungen in Großbritannien oder eine neuerliche Abschottung des österreichischen Arbeitsmarkts wegen der hohen Arbeitslosigkeit unter im Land lebenden EU-BürgerInnen zeugen. Niemand kann nationale Privilegien und Rechte unter Berufung auf die Freizügigkeit in ein anderes EU-Land mitnehmen. Das gilt etwa auch fürs Steuer- oder Strafrecht. So kann beispielsweise ein Österreicher, der seine sexuellen Bedürfnisse nur mit Prostituierten befriedigt, bei ei-

ner Übersiedlung nach Schweden auch nicht unter Berufung auf sein Recht auf Freizügigkeit auf eine Ausnahme von der Kriminalisierung der Freier durch das schwedische Prostitutionsverbot pochen. Und umgekehrt wird etwa ein dänischer Neo-Nazi sich nicht erfolgreich darauf berufen können, dass daheim NS-Propaganda unter die Meinungsfreiheit fällt und nicht strafbar ist und er folglich in seinem Recht auf Freizügigkeit eingeschränkt werde, weil er sich in Österreich nicht niederlassen kann, ohne für nationalsozialistische Betätigung strafrechtlich verfolgt zu werden. In der Frage der EU-Kompetenz in Sachen Familienrecht sollten die LSBT-Bewegung und ihre politischen Verbündeten daher nicht mit zweierlei Maß messen und redlicher argumentieren. So sehr es manche auch bedauern mögen: Ehe- und Familienrecht fällt nicht unter die Zuständigkeit der EU, die EP bzw. Homo-Ehe muss auf nationaler Ebene erkämpft werden. KURT KRICKLER


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