Lambda
Kultur
Ende der 2000er Jahre sah es ziemlich schlimm aus für den
den 2000er Jahren, in denen es einige wichtige Veränderun-
Gay Porn – die Produktion wurde heruntergefahren, weniger
gen gab (wie z.B. in Folge der AIDS-Krise der fast durchgän-
Filme, weniger Qualität; Labels stellten ihren Betrieb ein
gige Gebrauch von Kondomen, das Aufkommen von
oder fusionierten mit größeren, um im größeren Verbund
Pornostars, die sich über den schwulen Horizont hinaus ei-
eine immer kleiner werdende Kundengruppe zu erreichen;
nen Namen machen konnten wie Aidan Shaw, Brent
Szenen aus längst veröffentlichten Videos wurden neu zu-
Corrigan, Michael Lucas; die Herausbildung großer neuer
sammengestellt und als „Neuheiten“ vermarktet (Titel mit
Labels von internationalem Rang wie Raging Stallion, Bel
„Best of …“ oder die Bezeichnung „Compilation“ nahmen
Ami, Titan, Channel 1). In diese Blütezeit prosperierten auch
schon das Wesen einer Drohung an). Insgesamt bot sich das
ältere Labels wie Falcon oder Cadinot noch immer.
Bild einer um sich greifenden Ideenlosigkeit, wie die lange
Doch Ende der 2000er Jahre zeichnete sich eine heranna-
profitträchtige Branche dem scheinbaren Dahinsiechen
hende Krise der Pornoindustrie ab: Zunehmend konnte man
durch wachsendes Desinteresse bzw. Verschwinden der
Pornos aus dem Internet – oft dazu gratis – herunterladen.
Kundschaft begegnen sollte. Was war passiert?
Pornokonsum auf der Basis käuflicher bzw. gekaufter DVDs
Schwuler Porno
wurde zusehends zu einem Phänomen, das sich auf ältere Leute beschränkte, denn junge Schwule schienen als Neukunden überhaupt nicht nachzuwachsen und komplett auszufallen. Es ist sicherlich ein Irrglaube anzunehmen, dass junge Schwule keine Pornos konsumieren würden. Nur ist der Zugang für sie durch das Internet unkomplizierter und niederschwellig geworden. Sie müssen nicht erst in einen Sexshop, um an Videos zu gelangen, und sind es vor allem gewohnt, kein Geld für solche Sexvideos auszugeben. Das
Angefangen mit den 1980er Jahren, in denen Schwulenpor-
brachte auf Dauer das Geschäftsmodell der Pornoindustrie
nos dem Underground entsprungen waren, noch als Teil der
ins Wanken. Denn auch die Modelle für Bezahlvideos im In-
prickelnden subkulturellen Revolte gegen das Establishment
ternet erwiesen sich als nicht wirklich einträglich.
gegolten haben und sogar in Kinos liefen, die noch keine ei-
Die Folgen der wegbrechenden Umsätze waren drastisch
gentlichen Sexkinos waren (man denke an Peter Berlins Fil-
und man hätte damals kaum darauf gewettet, dass sich das
me und auch einige der Andy Warhol-Filme), entwickelte
Blatt noch einmal zum Besseren wenden würde. Was hat sich
sich innerhalb der Schwulenkultur dieser durchaus kommer-
seither getan?
ziell erfolgreiche Zweig, in dem schwuler Sex explizit darge-
Was offensichtlich ist, ist, dass für Pornoproduktionen wie-
stellt wurde und zunehmend auf künstlerischen Ansprüche
der mehr Geld in die Hand genommen wird. Viele der großen
verzichtete (sprich: schlicht zum Wichsen da war). Damals
Pornoproduktionen haben so etwas wie eine Handlung und
gab es einen pornografischen Mainstream, von dem filmisch
präsentieren mehr als 08/15-Sex. Der Übergang zum Spiel-
nur wenig Abweichungen stattfanden und der am besten im
film ist immer wieder fließend geworden – wie an Filmen wie
Porno-Idealtyp des Clones (Beispiel: Al Parker) verkörpert
„Shortbus“, „King Cobra“, „Mann im Bad“ oder „Theo &
war.
Hugo“, die Hardcore-Elemente enthalten, sichtbar wurde. Obwohl es wieder lukrativ geworden ist, solche Videos zu
Pornos in Hochblüte
produzieren, sind die Auflagen der Pressungen sicherlich niedriger als in der Hoch-
Die Hochblüte des schwu-
zeit des Porn – aber der
len
Markt ist wieder lebendig,
Pornovideos
folgte
dann in den 1990ern und
Fotos: Falcon Studios Bel Ami