Inride winter 2013

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AUF DEN ZAHN GE REITLUST

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Was der Sitz des Reiters mit dem Zahnarzt zu tun hat, erfuhren die Teilnehmer eines Seminars beim Berufsreitertag Rheinland in Langenfeld.

und 40 Profis waren der Einladung der Bundesvereinigung der Berufsreiter zu einer Fortbildung zum Thema Sitz in der Landesreitschule Rheinland in Langenfeld gefolgt. Dort ging es um die Vorstellung einer „völlig neuen ganzheitlichen Betrachtung körperlicher Zusammenhänge“. Genau: wie durch Korrektur der Kieferstellung über eine Beißschiene der Sitz beeinflusst und korrigiert werden kann. Drei erfolgreiche Sport-Reiterinnen stellten sich mutig dieser neuen Erfahrung durch die Analyse und Behandlung des Zahnarztes

Christian Berka (selbst Dressurreiter bis S) aus Waldbröl und seines Bruders, dem Facharzt für Ortopädie Alexander Berka aus Geilenkirchen vor Publikum. Als erstes ritt Juliette Piotrowski, frisch gebackene Rheinische Meisterin vor. Die 19-jährige, die gerade ihre Lehre bei Talenteschmied Ton de Ridder in Aachen macht, wurde von den Experten im Sattel analysiert, zu ihren Problemen befragt, vermessen, physiotherapeutisch auf einer Liege behandelt. Mit einer provisorischen, live vor Ort angepassten und gefertigten Beißschiene im Mund, stieg sie

Dressur-Crack Anabel Balkenhol und PferdewirtAzubi Pia Kocker machten aktiv mit.

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dann wieder auf’s Pferd. Jeder konnte sehen: Ihr Kopf war ruhiger. Sie selbst strahlte und verkündete per Mikrofon: „Ich glaube da eigentlich nicht dran. Aber ich fühle mich definitiv besser.“ Auch Pia Kocker (19), Azubi der Landesreitschule, war nach der gut halbstündigen Prozedur in der Reithalle begeistert: „Ich war Anfang des Jahres beim Anreiten auf die Schulter gefallen, fühlte mich seither in der Bewegung zu einer Seite eingeschränkt. Jetzt ist es wieder gut, der Rücken freier.“

Theorie und Praxis

Die prominenteste Testkandidatin, Olympiareiterin Anabel Balkenhol, äußerte vor der Behandlung sehr offen, was sie selbst an ihrem Sitz bemängelt – der von allen Anwesenden eigentlich als nahezu perfekt beurteilt wurde. Das Reiten mit der Schiene aber war nicht ihr Ding: „Ich finde es anstrengend, habe das Gefühl, ich kriege Kopfschmerzen. Normal reite ich immer mit leicht geöffnetem Mund.“ „So etwas kann eine Reaktion von Erstverschlimmerung sein, wie in der Homöopathie“, erklärte Zahnarzt Berka, der mit Fotos der Reiter nach dem Praxisteil demonstrierte, wie deren Körperhaltung schon nur durch das Beißen auf einen Wattebausch aufrechter wurde. Seine Begründung für dieses „Phänomen“: „Die Stellung des Unterkiefers erzwingt unmittelbar die individuelle Kopfhaltung und die bestimmt über die Wirbelsäule auch die Stellung des Bekkens. Also kann der Biss eines Reiters seine Körper-

Fotos Irina Ludewig • Privat

statik negativ beeinflussen, so dass Balance, Effektivität der Gewichtshilfen und Losgelassenheit verloren gehen.“ Karla Spiritus, Ausbilderin und Dressurreiterin bis Grand Prix aus Düsseldorf, ist so begeistert von diesem „neurologischen Reset“, dass sie diese Lehrgänge organisiert: „Ich lasse mich alle Vierteljahr selbst behandeln und werde oft angesprochen, dass ich anders gehe und stehe und einen anderen Gesichtsausdruck bekommen habe. Bis 80 Prozent der Reiter fühlen sich durch diese Therapie und das Tragen der Easy Ride Protection Zahnschiene besser.“ Noch erwähnt werden soll, dass allein die Anfertigung der Schiene, auf der die Therapie basiert, gut 300 Euro kostet. IRINA LUDEWIG

Juliette Piotrowski und ihre Mutter Claudia Haller.


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