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Wenn Mitarbeiter „krankfeiern“ – Chancen und Risiken des Absentismus für das mittlere Management Elise Rahn

Wenn Mitarbeiter „krankfeiern“

Chancen und Risiken des Absentismus für das mittlere Management

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Elise Rahn

Im internationalen Vergleich sind die Krankentage in Deutschland sehr hoch. Dies verursacht steigende Kosten in immenser Höhe. Damit einher geht der Wunsch bzw. die Notwendigkeit, den Krankenstand zu verringern, um somit den Produktivitätsverlust der Unternehmen zu mindern.

Sei t 2007 steigt die Krankheitsquote in Deutschland kontinuierlich an, von 3,44 % auf aktuell 4,73 % (Statista, 2019). Auch im internationalen Vergleich sind die Krankheitstage sehr hoch. Dies verursacht gerade für die Wirtschaft und bei den deutschen Unternehmen steigende Kosten in immenser Höhe. Damit einher geht der Wunsch bzw. die Notwendigkeit, den Krankenstand zu verringern, um somit den Produktivitätsverlust der Unternehmen zu mindern (Pietzner, 2007). Hier stellt sich die Frage, welche Faktoren die Führungskräfte ändern können, um die innerbetrieblichen Krankenstandstage zu reduzieren, da sie gerade aus unternehmensinterner Sicht einen starken Einfl uss auf die Arbeitsmotivation und das Betriebsklima sowie dem daraus resultierenden Absentismus haben.

Gerade einen Dienstleistungsbetrieb wie das Krankenhaus stellen die Krankenstände in der Pfl ege vor hohe Herausforderungen. Hier geht es darum, bestehende Personalausfälle zu ersetzen, um den laufenden Betrieb und die Versorgung von kranken Menschen 24 Stunden täglich und sieben Tage in der Woche aufrechtzuerhalten (Rahn, 2018). Erschwerend kommt für die Krankenhauslandschaft die Umstellung auf das G-DRG-System im Jahr 2004 hinzu. Dadurch hat der ökonomische Druck auf die deutschen Krankenhäuser in den letzten Jahren zugenommen. In Aussicht auf die nächsten Jahre – unter den vorgegebenen demografi schen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen – wird sich die Lage womöglich nicht verbessern, sondern sich eher noch weiter verschärfen (Marckmann & Maschmann, 2014).

Besonders die Krankenhausmitarbeitenden spüren die Auswirkungen dieser Ökonomisierung heute deutlich. Aufgrund von Leistungsverdichtungen und Einsparungen im Personalbereich sind die Krankenhausmitarbeitenden einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt. Demotivation, Burn-out und erhöhte Krankenstände sind die Folgen. Dies schwächt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Krankenhäuser.

Es stellt sich die Frage, welche Faktoren optimiert werden müssen, um die innerbetrieblichen Krankheitstage zu minimieren und Kosten einzusparen. Hier bieten viele Unternehmen ihren Mitarbeitern zur Gesunderhaltung verschiedene gesundheitsfördernde Programme an.

Aber was ist mit den Beschäftigten, die nicht aufgrund einer wirklich vorliegenden Erkrankung arbeitsunfähig zu sein scheinen? Dieses Phänomen nennt man Absentismus. Dabei geht es um die Arbeitnehmer, die eigentlich in der Lage sind zu arbeiten, aber aus verschiedenen Gründen nicht wollen. Somit ist der Absentismus, das motivations bedingte Fernbleiben vom Arbeitsplatz, ein besonders wichtiges Thema für die Unternehmen.

Eine Umfrage aus 2012 hat gezeigt, dass 36 % der Befragten (17 562 Personen; 54 % Männer, 46 % Frauen) in den letzten zwölf Monaten aus motivationsbedingten Gründen zu Hause geblieben sind. Damit entstehen den Unternehmen Kosten in Höhe von 1999 Euro pro Mitarbeiter (Statista, 2018). Da Absentismus jedoch ein komplexes Phänomen darstellt, das durch individuelle, betriebliche und gesellschaftspolitische Einfl üsse bestimmt wird, gibt es keine einheitliche Formel oder spezielle Strategie, um

das Phänomen Absentismus zu senken. Gerade aus unternehmensinterner Sicht sind es vor allem die Führungskräfte und die Kollegen, die einen starken Einfl uss auf die Arbeitsmotivation und das „Stresserleben“ sowie dem daraus bedingten Absentismus ausüben (Pietzner, 2007).

Absentismus, Ursachen, Modelle und Faktoren

Seit den 1960er-Jahren und insbesondere mit der Einführung des Lohnfortzahlungsgesetzes (§ 3 EntgFG) im Jahre 1964 gewann das Thema Absentismus in den deutschen Unternehmen noch einmal an Bedeutung. Zu dieser Zeit wurde er als eine nicht geplante sowie nicht planbare Abwesenheit von Mitarbeitern angesehen (Marr, 1996). In der Literatur fi ndet man unterschiedliche Defi nitionen des Begriff s Absentismus. Die unterschiedlichen Defi nitionen rühren daher, dass mit demselben Fachbegriff drei unterschiedliche Ursachen bezeichnet werden: zum einen das Fernbleiben vom Arbeitsplatz aus krankheitsbedingten Gründen und zum anderen die Abwesenheit aus nichtkrankheitsbedingtem, motivationalem Antrieb sowie aufgrund einer Kombination beider Faktoren (Albach, 2001).

Der Fokus wird an dieser Stelle auf die motivationsbedingten Beweggründe des Absentismus gelegt, denn dem Absentismus liegt allein die bewusste Entschei dung des Arbeitnehmers zugrunde, der Arbeit fernzubleiben, und er kann nicht durch objektiv medizinische Tatbestände, vertragliche oder gesetzliche Regelungen erklärt werden (Schmohl, 2014).

Man unterscheidet zwei Indikatoren für Fehlzeiten: die Summen der Fehltage und die Häufi gkeit der Fehltage. Letzteres gibt Auskunft über die Anzahl der Abwesenheitsperioden, unabhängig von der Länge der einzelnen Perioden. Die Häufi gkeit von kürzeren Fehlzeiten (bis zu drei Tagen) gilt als Indikator für mangelnde Arbeitsmotivation und somit für Absentismus (Albach, 2001).

„Als ,verdächtig‘ in diesem Sinne gelten insbesondere ärztlich nicht attestierte Kurzerkrankungen […]“ (Marr, 1996, S. 16)

Absentismus-Modelle

Genauso vielfältig wie die Defi nitionen für den Begriff Absentismus sind auch die Motive für dessen Entstehung. Als Rückzug-Modell wird das zeitweilige Zurückziehen von den unzufrieden machenden und negativen Seiten der Arbeitstätigkeit bezeichnet. Zu den Motiven und Ursachen, die einen Rückzug eines Mitarbeitenden bedingen, sind ein schlechtes Betriebs- bzw. Arbeitsklima, die fehlende Integration ins Team und die zwischenmenschliche Beziehung zum Vorgesetzten zu nennen. Dazu kommen die mangelnde Wertschätzung und Befriedigung der psychophysiologischen Grundbedürfnisse. Auch gelten geringe Bezahlung, ungünstige Arbeitszeiten und schlechte Arbeitsbedingungen als Motive für Absentismus bei Mitarbeitenden (Ziegler et al., 1996).

Der Absentismus im medizinischen Modell bezieht sich auf das Gesundheitsverh alten der Mitarbeitenden. Ist die physische und psychische Gesundheit durch Umgebungseinfl üsse beeinträchtigt, gilt der Absentismus als Ausdruck einer Stressbewältigungsstrategie. Gründe, die im medizinischen Modell zu Absentismus führen, liegen im Gesundheitszustand und mangelnden Gesundheitsbewusstsein eines Mitarbeitenden. Dazu können weitere individuelle Belastungen wie Suchtverhalten, krankmachende familiäre Verpfl ichtungen sowie private Probleme und Schlafstörungen kommen (Ziegler et al., 1996).

Der Absentismus äußert sich beim abweichenden Modell durch das nicht legitime Verhalten der Mitarbeitenden. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist eine Form, das Unternehmen auszunutzen. Weiter äußert sich das abweichende Absentismus-Modell in den devianten Aspekten der Persönlichkeit wie mangelndes Verantwortungsgefühl gegenüber dem Unternehmen bzw. gegenüber dem Arbeitgeber und den Kollegen (Ziegler et al., 1996).

Beim ökonomischen Nutzen-Modell wiegt der Betroffene seine Entscheidung für oder gegen die Abwesenheit zweckrational ab, wobei die Kosten und Nutzen des eigenen Verhaltens zu einer Optimierung der Entscheidung und Eigeninteressen führt (Ziegler et al., 1996). Der kulturelle Ansatz dieses Absentismus-Modell unterliegt dem sozialen Einfl uss. Das Handeln des Fehlzeitenverhalten richtet sich nach der Bewertung der Kollegen und Vorgesetzten. Die verschiedenen Arbeitsstrukturen haben ihre spezifi schen Absentismus-Kulturen, welche zu einem unterschiedlichen (Un-)Verständnis, einer Wahrnehmung sowie Bewertung führt und den Umgang mit diesem Fehlen bestimmt (Udris, 2018).

Der Konfl ikt-Ansatz fungiert als Reaktion auf einen Konfl ikt und dient dem Zweck, sich aus dem Handlungsfeld der Führungskraft zu entziehen (Udris, 2004). Der Work-Home-Konfl ikt ist ein weiterer Grund für den Absentismus. Hier besteht der Konfl ikt der Krankenhausmitarbeitende im Arbeitszeitenmodell. Familiäre und private Belange sowie die Anforderungen an den Beruf zeitlich zu integrieren, führen immer wieder zu intrinsischen Konfl ikten bei den Mitarbeitenden (Nitzsche et al., 2017).

Ein weiterer Faktor, der oft vernachlässigt wird, ist der organisatorische Wandel. In Zeiten von Re- und Umstrukturierungsprozessen in einem Krankenhaus ist der richtige Führungsstil ein wichtiger Faktor und benötigt eine besondere Art der Führung und Motivation der Mitarbeiter, damit diese sich den Prozess fügen (Elshout et al., 2013)

Absentismus am Arbeitsplatz

Anhand von Zahlen lässt sich Absentismus nur schwer belegen. Dies liegt auf der einen Seite daran, dass Fehlzeiten bis zu drei Tagen statistisch nicht erfasst werden, da ge-

setzlich keine Krankmeldung beim Arbeitgeber vorgelegt werden muss und somit keine Meldung an die gesetzlichen Krankenkassen geht. Auf der anderen Seite werden vielfach keine wahrheitsgemäßen Angaben über Gründe für Krankheitsstände gemacht.

Geht man von den gesamten Krankheitstagen in den letzten zehn Jahren in Deutschland aus, so lässt sich ein kontinuierlicher Anstieg feststellen (BMG, 2017). Waren es im Jahr 2006 noch 3,31 % der gesetzlich krankenversicherten Arbeitnehmer, die sich krankgemeldet haben, so stieg der Wert 2016 schon auf 4,20 % (BMG, 2018). Die durchschnittlichen Arbeitsunfähigkeitstage beliefen sich im Jahr 2016 auf 19,4 Tage laut des Fehlzeiten-Report von 2018. Die Gesundheitsausgaben betrugen 278 Mrd. Euro für den Bund und 129 Mrd. Euro für die Unternehmen (Statista, 2018). Der Krankenstand in der Pfl ege ist in den vergangenen vier Jahren um 0,7 % gestiegen. Damit liegt er 1,4 % über dem bundesweiten Durchschnitt und ist 0,2 Prozentpunkte schneller gestiegen als dieser (Badura et al., 2018).

Berufsspezifi sche Fehlzeitenursachen

Die Ursachen für Fehlzeiten lassen sich anhand des Berufszweiges und Berufsstandes unterscheiden. Somit hängt sowohl das Ausmaß und die Häufi gkeit der Fehlzeiten als auch die Art der Erkrankungen deutlich mit der Art der ausgeübten Tätigkeit zusammen und liegen vor allem in den berufsspezifi schen Anforderungsprofi len. Der Fehlzeitenreport 2017 zeigte auf, dass Pfl egende weitaus öfter an psychischen Erkrankungen leiden als andere Berufsgruppen. In der Pfl ege könnten die deutlich höheren Werte der psychischen Erkrankungen unter anderem auf den wachsenden Pfl egenotstand (beispielsweise durch Personalmangel, Stress, Schichtarbeit, mangelnde Erholungsphasen) und die damit verbundene steigende Arbeitslast und höhere Verantwortung zurückzuführen sein (Badura et al., 2017).

Ökonomische Folgen für Unternehmen

Der Produktivitätsverlust ist die erste und messbare Auswirkung des Absentismus für ein Unternehmen. Dazu kommen die anfallenden direkten Kosten, die aus ökonomischer Sicht nicht unerheblich eine hohe Belastung für die Unternehmen verursachen und zu einer Umsatzminderung führen. Die dadurch entstehenden Kosten setzten sich aus den Entgeltfortzahlungsaufwendungen für mindestens sechs Wochen, den Personalzusatzkosten, die aufgrund gesetzlicher und tarifl icher Bestimmungen im Krankheitsfall weiterhin zu der Vergütung arbeitsfreier Tage zählen, und den anfallenden Überstunden der anwesenden Mitarbeitenden, die in der Regel zuschlagspfl ichtige Arbeitsstunden darstellen, zusammen (Pietzner, 2007).

Darüber hinaus kann die notwendige Mehrarbeit der anwesenden Mitarbeitenden zu eklatanten Motivationsproblemen führen und wiederum zusätzliche Kosten verursachen. Ist das Unternehmen nicht in der Lage, die Aufgaben von abwesenden an anwesende Mitarbeitende zu delegieren, kann dies zu weiteren Schwierigkeiten sowie zu Produktivitätsverlust und Umsatzminderung führen.

Gerade in der Pfl ege kann dies schwerwiegende Konsequenzen für den kompletten Arbeitsablauf in einem Krankenhausbetrieb nach sich ziehen. Denn hier ist das Stationsteam auf den Beitrag der einzelnen Pfl egekraft besonders angewiesen, um die Rund-um-Betreuung der Patienten zu gewährleisten (Pietzner, 2007).

Zusammenhänge zwischen dem Führungsverhalten und Absentismus

Das Führungsverhalten beeinfl usst – neben anderen Determinanten – den Absentismus de r Mitarbeitenden nicht unwesentlich. Aspekte wie der Hierachiegradient und das

Abhängigkeitsverhältnis spielen eine wichtige Rolle. Sie haben eine besonders hohe Wirkung auf die Mitarbeitendenmotivation und somit auf den Absentismus. Auch der Führungsstil kann den Absentismus positiv beeinfl ussen bzw. verstärken beeinfl ussen. So erweist sich in einer stabilen Umwelt der situative Führungsstil als ideales Führungsmodell. In Zeiten der Restrukturierung des Unternehmens oder in „turbulenten Zeiten“ ist der transformationelle Führungsstil, zumindest als kurzfristiger Lösungsansatz, ideal. Dabei gibt es keinen einheitlichen Führungsstil, der allen Situationen angemessen erscheint. Dies zeigt, dass eine wirkungsvolle Führungsperson jemand ist, der seinen Führungsstil an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden und die jeweiligen Situationen anpasst (Rahn, 2018).

Von den Führungskräften wird eine hohe soziale Kompetenz gefordert. Sie müssen nicht nur sich und ihren Führungsstil – möglichst objektiv – selbst refl ektieren können, sondern auch über eine gute Auff assungs- und Beobachtungsgabe hinsichtlich der Mitarbeitenden und des Unternehmens verfügen. Denn nur so ist es möglich, auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden einzugehen und diese in Einklang mit den wirtschaftlichen Zielen und der Unternehmenskultur zu bringen. Zusammenfassend sind es folgende Charakteristika, die eine qualifi zierte Führungspersönlichkeit zur aktiven Berücksichtigung der emotionalen Bedürfnisse seiner Mitarbeitenden benötigt: Anerkennung, Zugehörigkeit, Wertschätzung ebenso wie Respekt und Vertrauen gegenüber den Beschäftigten. Weiterhin gehören zu den Ressourcen, die eine Führungsperson nutzen sollte, ein partizipativer Führungsstil mit einem fl achen Hierarchiegradienten, eine Vertrauenskultur, Transparenz in den Entscheidungen und ganz wesentlich das Vermögen, die Qualifi kationen und Potenziale der Beschäftigten zu nutzen und auszubauen. Diese Faktoren sollen ins gesamt als Grundlage einer gesundheitsfördernden Führung betrachtet werden.

Gleichzeitig muss den Vorgesetzten bewusst werden, wo die Grenzen der „gesunden“ Führung liegen und wie man diese durch andere Mittel bewältigt oder kompensiert. Somit kann eine sogenannte „gesunde“ Führung nur bis zu einem gewissen Grad das Wohlbefi nden der Mitarbeitenden beeinfl ussen und einen möglichen Absentismus mindern. Die Grenzen der gesunden Führung liegen damit unter anderem außerhalb des Wirkungsbereiches oder enden dort, wo andere Einfl ussfaktoren beginnen.

Führungsunabhängige Faktoren

Führungspersonen haben in vielen Fällen off ensichtlich einen Einfl uss auf den Absentismus ihrer Mitarbeitenden. Jedoch dürfen die zahlreichen weiteren personen- und arbeitsbezogenen Einfl ussfaktoren, die auf den Absentismus einwirken, nicht außer Acht gelassen werden. Wichtige Aufgabe einer Führungskraft ist es, diejenigen Ursachen und Einfl ussfaktoren, die zum motivationsbedingten Fernbleiben vom Arbeitsplatz führen, im Vorfeld zu erkennen und möglichst frühzeitig zu intervenieren.

Arbeitsbezogene Determinanten

Das Betriebsklima zählt zu den arbeitsbezogenen Determinanten und stellt wie oben schon genannt, neben dem Führungsverhalten, einen weiteren Faktor dar, der zum Absentismus eines Mitarbeitenden führt. Somit kommt d em Thema Betriebsklima eine besondere Bedeutung zu. Von seiner Qualität hängen sehr wesentlich die Arbeitsmotivation und das Erleben der Arbeit, das individuelle Wohlbefi nden und die Arbeitsqualität sowie – quantität ab. Die betriebsklimatischen Erfahrungen wirken dabei sogar auch in den Freizeitbereich hinein (Rosenstiel et al., 2001).

Im Zusammenhang mit dem Betriebsklima wird oftmals die Arbeitszufriedenheit genannt, da sich beide Faktoren kaum voneinander trennen lassen. Auf die Aspekte des Betriebsklimas kann die Führungskraft des mittleren Managements nur bedingt Einfl uss nehmen, da sie im Unternehmen an Grenzen der Unternehmensform, ihrer Mitarbeitenden, anderer Vorgesetzter oder Organe stößt. So ist beispielsweise eine Aufstiegsmöglichkeit nicht nur abhängig vom Vorgesetzten, sondern wird auch durch die Pfl egedienstleitung und den Betriebs- bzw. Personalrat bestimmt. Hier liegt die Möglichkeit der Führungsperson darin, seine Mitarbeitenden für die Position möglichst gut aus- und weiterbilden zu lassen, womit sich die Kompetenzen des Mitarbeitenden steigern lässt und sich so die Chance erhöht, für die vorgesehene Position die bessere Wahl zu sein. Wenig Spiel lässt die Arbeitsplatzsicherung, da diese meist abhängig von der Konjunktur und vom Sozialplan des Unternehmens ist. Gehälter und Sozialleistungen sind vielfach an Tarifverträge gebunden und können in bestimmten Betriebsformen und Positionen wegen des Gleichstellungs- bzw. Gleichberechtigungsgesetzes (Art. 3, Abs. 2 AGG ) nicht verändert werden.

Die Kollegenbeziehung ist ein wesentlicher Bestandteil des Betriebsklimas. Hier kann die Führungsperson „nur“ die Rahmenbedingungen schaff en, um diese positiv zu fördern. In erster Linie ist es die Aufgabe der Mitarbeitenden selbst, das Verhältnis zu den Kollegen zu gestalten und menschlich freundlicher zu machen. Hier zählt im Wesentlichen die Gesprächsbereitschaft der Mitarbeitenden und ihr Grad an mensc hlicher Reife, auch im Hinblick auf die Gesprächsfähigkeit (Rosenstiel et al., 2001).

Auch wenn eine angenehme Arbeitsatmosphäre der Einfl ussnahme der Führungsperson Grenzen setzt, trägt das Verhalten des Vorgesetzten zu einem guten Betriebsklima maßgeblich bei und kann dieses fördern. Dadurch besteht nicht nur die Möglichkeit den Absentismus zu verringern, sondern auch die Fluktuationsrate zu mindern, die Motivation zu steigern und eine potenzielle „innere Kündigung“ der Mitarbeiter zu verhindern. Nicht nur das Betriebsklima, sondern auch arbeitsbezogener Stress hat einen direkten Einfl uss auf Absentismus (Rosenstiel et al., 2001).

An dieser Stelle muss jedoch eingeschränkt hinzugefügt werden, dass das Stresserleben und die Gesundheit eines

Menschen in einem hohen Maß vom subjektiven Erleben und von der Bewertung der Situation abhängt. Dieser Prozess hat einen entscheidenden Einfl uss darauf, wie der Stress empfunden wird und entscheidet darüber, welche weiteren Prozesse in Gang gesetzt und welche Entscheidungen getroff en werden. Essentielle Regulationsmöglichkeiten, die positiv auf das Stresserleben einwirken, die allgemeine Gesundheit fördern und sich entsprechend negativ auf die Anzahl der Fehlzeiten auswirken, sind ein gutes Management und soziale Beziehungen. Eine gute Mitarbeitendenführung, die einen großen Handlungs- und Entscheidungsspielraum einräumt, kann zur Stressreduzierung beitragen und die Ressourcen der Mitarbeitenden aktivieren. Somit trägt auch ein ausgewogenes Betriebsklima zwischen den Beschäftigten und im Verhältnis zu dem Vorgesetzten maßgeblich zur Stressreduzierung bei (Badura et al., 2015).

Personenbezogene Determinanten

Die Grenzen liegen im Wirkungsbereich der gesunden Führung, wo andere Einfl ussfaktoren ihre Wirkung entfalten. Aspekte wie der „Work-Home-Konfl ikt“, die Individualität des Mitarbeitenden, schlechte Gesundheit, chronische Erkrankungen sowie eine ungesunde Lebensweise gehören zu den personenbezogenen Determinanten des Absentismus. Sehr schwierig oder teilweise unmöglich ist die Einfl ussnahme der Führungsperson auf den privaten und personellen Bereich des Beschäftigten. Der Vorgesetzte kann allenfalls mittels Gespräche diesen Bereich eruieren und innerhalb der Unternehmensstrukturen Lösungsangebote anbieten, den Mitarbeitenden damit unterstützen oder seine aktuelle Haltung verstehen (Ziegler et al., 1996).

In diesem Fall kann Absentismus als passive Bewältigungsstrategie bzw. funktionale Coping-Strategie der Mitarbeitenden angesehen werden. Er dient den anwendenden Mitarbeitenden als Rückzug aus der Arbeitslast und den damit verbundenen personen- und arbeitsbedingten Stressoren sowie einer Überforderung. Der Betroff ene stellt durch einen kurzfristigen Absentismus seine Gesundheit und Arbeitskraft wieder her. Somit kann man Absentismus auch positiv als eine Art von Burn-out-Prophylaxe ansehen, da durch eine kurzfristige Abwesenheit eventuell mögliche längere Krankheitszeiten verhindert werden können (Ziegler et al., 1996).

Fazit

Die Chance für das mittlere Management, Absentismus zu minimieren und im besten Fall zu verhindern, liegt darin, den persönlichen Führungsstil zu refl ektieren – vor allem die Selbstwahrnehmung (eigene Einschätzung) mit der Fremdwahrnehmung (Einschätzung der Beschäftigten) abzugleichen und sich zu fragen, ob dieser einen Beitrag zum Absentismus der Mitarbeiter leistet. Dies setzt voraus, dass die Führungsperson schon über soziale (Management-)Kompetenzen verfügt, die vorher langfristig erworben werden müssen. Weiter sollte sie wichtige Führungsmodelle kennen und diese auch beherrschen. Wichtig ist die persönliche (psychische) Gesundheit der Führungskraft, um in der Lage zu sein, die Mitarbeitenden adäquat zu führen und eine Stütze in der Bewältigung der Arbeitsbedingungen bzw. bei neu wieder auftretenden Herausforderungen zu sein. Ein weiterer wesentlicher Schritt ist es, seine Mitarbeitenden in ganzheitlicher Betrachtung zu führen. Dies bedeutet, sich aktiv mit den Mitarbeitenden auseinanderzusetzen und sich Zeit zu nehmen, um sie mit ihren Erwartungen, Ressourcen, Bedürfnissen und Sorgen kennenzulernen.

Somit besteht die Möglichkeit zu erfahren, welche Probleme bzw. Stressoren die Mitarbeitenden belasten. Hier bietet sich an, in verschiedenen Gesprächskonstellationen mit ihnen über ihre aktuelle Situation zu reden und gemeinschaftlich eine Lösungsstrategie zu entwickeln. Gelingt es nicht, den Absentismus zu verringern bzw. zu verhindern, kommt es zur „Abwärtsspirale“. Die fehlzeitenbedingte Abwesenheit von Mitarbeitenden führt dazu, dass die anwesenden Kollegen durch die zu kompensierende Arbeit überfordert werden. Dies kann zur Folge haben, dass sich letztere ebenfalls abmelden und weitere Personallöcher in den Dienstplan gerissen werden. Weitaus gravierendere Auswirkungen hätte es, wenn die Mitarbeitenden durch die langanhaltende Kompensation der überfordernden Arbeitslast an psychischen Erkrankungen wie Burn-out und Depression erkranken und dies zu Langzeitkrankheitsausfällen führen würde.

Ein weiterer mit dem Absentismus verbundener Risikofaktor ist nicht nur der Produktivitätsverlust, sondern vor allem der Qualitätsverlust. Gerade in einem Krankenhaus führt die Überforderung und Demotivation bei den Pfl egenden zu einem Verlust der Patientenorientierung und Patientensicherheit oder zu einer mangelnden Versorgungsqualität. Dies gilt es unbedingt zu verhindern, da besonders hinsichtlich der Patientensicherheit kritische Ereignisse zu einer gravierenden Schädigung der menschlichen Gesundheit führen können. Daher sollte es allen Führungskräften ein großes Anliegen sein, einen motivationsbedingten Absentismus innerhalb ihres Handlungskorridors aktiv zu verringern bzw. möglichst zu verhindern. Nicht nur, dass dadurch die Zufriedenheit und Lebensqualität der Mitarbeitenden gesteigert, sondern auch die Versorgungsqualität und die Sicherheit der Patienten gewährleistet würde. Hierdurch wiederum erfährt auch der Patient ein hohes Maß an Zufriedenheit und Lebensqualität.

Literatur

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Ursachen des Absentism us: Alltagsvorstellungen von Arbeitern und Meistern und psychologische Erklärungsmodelle. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 40, 204–208.

Elise Rahn

B. Sc. Pfl egewissenschaften, Assistentin der Pfl egedirektion der LVR-Klinik Düsseldorf

elise.rahn@lvr.de

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