HKB-Zeitung 3/2015

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Simon Küffer hat an der HKB Communication Design studiert, arbeitet heute als Grafikdesigner mit einer eigenen Agentur und ist national als Rapper Tommy Vercetti bekannt. Ein Gespräch über Grafikdesign, Gratiskultur, Rap und Kapitalismus. Interview: Christian Pauli

«Als Grafikdesigner bin ich ein kapitalistischer Dienstleister – kein Künstler» Simon Küffer, du bist Doktorand an der HKB und Rapper. Wie kommt es zu dieser interessanten Kombination? SK Simon Küffer: Das ist eine natürliche und auch glückliche Entwicklung. Mit dem Rap startete ich während meiner Lehre als Polygraf – als spätpubertäre Beschäftigung. Später, während dem Studium der visuellen Kommunikation, begann ich mich stärker mit Philosophie und Literatur zu beschäftigen. Nach dem Studium gründete ich 2005 zusammen mit Kollegen die Agentur Pixelfarm. Das Interesse an der Theorie aber blieb. HKB-Professor Arne Scheuermann hat mich motiviert, in der HKB-Forschung mitzuarbeiten. Parallel ging das RapDing weiter und wurde schrittweise grösser. Jetzt willst du an der HKB doktorieren? SK Ja, ich will mich theoretisch noch mehr vertiefen und thematisch weiter entwickeln. Ich habe mich nie als VollblutGrafiker gefühlt. Ich möchte auch nicht wirklich von der Musik leben, selbst wenn ich könnte – ich muss verschiedene Dinge tun.

«Nähe zur Bildung ist auch in der Strassenkultur Hiphop von Vorteil» Gibt es viele Studierte bzw. Doktorinnen und Doktoren, die Hiphop machen? SK Auf jeden Fall! Und das ist auch nicht weiter erstaunlich: der Zugang zur Sprache, zur Musik, zur Kultur ganz allgemein ist in einer gewissen sozio-ökonomischen Schicht viel einfacher. Eine gewisse Nähe zur Bildung scheint auch in der Strassenkultur Hiphop von Vorteil – zumindest in der Schweiz.

Wie hast du dein Studium finanziert? SK Vor allem durch meine Eltern. Mein Vater ist Drucker, mit einem stabilen Einkommen. Unglücklicherweise war er während meinem Studium zwei Jahre arbeitslos, was einen gewissen Stress in die Familie brachte. Aber meine Eltern haben mich immer unterstützt. Während der Lehre und während dem Studium konnte ich noch bei ihnen wohnen. Gewisse Ausgaben habe ich meinen Eltern nach dem Studium zurückgezahlt.

Wie ist dir der Schritt ins Berufsleben gelungen? SK Auch hier war es eine organische Entwicklung: Aus einer hobbymässigen Beschäftigung ist eine professionelle geworden. Nach dem Studium wussten wir eines klar: Wir wollten selbstständig sein und eine eigene Agentur haben. Aber der Start wäre ohne die Hilfe der Eltern nicht möglich gewesen. Heute kann Pixelfarm 350 Stellenprozente erwirtschaften, allerdings zu einem recht tiefen Ansatz. Was bringt dir heute mehr ein, Grafikdesign oder Rap? SK Mit der Musik gibt es wenig bis nichts zu verdienen. Es ist ein Hobby, für das du ab und zu Sackgeld kriegst. Du musst viel Zeit und Geld investieren, aber es kommt sehr wenig zurück. Die Wirtschaftslogik von Angebot und Nachfrage spielt in der Musik, wie ich sie mache, keine Rolle mehr: Das Interesse, die Nachfrage ist ja da, aber die digitale Vervielfältigung erlaubt ein unendliches Angebot, für das eigentlich niemand mehr zahlen muss. Es gibt diese Momente, wo mich das frustriert. Mit dem letzten Gratismixtape deiner Band Eldorado FM habt ihr eine Umfrage publiziert, die nach der Bereitschaft eurer Hörer/innen und Fans fragt, für diese Musik zu bezahlen. Was bezweckt ihr damit? Aufklärung? SK Wir haben in der Vergangenheit fünf Mixtapes herausgegeben, gratis und franko. Das ist ein gängiges Hiphop-Format und hat in unserem Falle sehr gut funktioniert: wir verzeichneten bis zu 18.000 Downloads. Für das erste Album wollten wir ein autonomes Zahlsystem einführen. An dieser Idee arbeiten wir immer noch. Wir suchen nach einem möglichst einfachen, günstigen und direkten Bezahlmodell. Geld und Gold sind im Hiphop zentrale Themen. Wie stellst du dich als kapitalismus-kritischer Rapper zu den Referenzen und Klischees des grassierenden Bling-Blings? SK Das Prahlen mit Geld im Hiphop ist ein Phänomen, das nur in den USA entstehen konnte und das in Europa unterschiedlich übernommen wurde. Im deutschen Rap wurde das Prahlen kopiert, ein bisschen weniger im frankophonen Raum. In der Schweiz war es höchst begrenzt ein Thema. Für mich ist das Prahlen eine kulturelle Strategie, die ich sehr gut verstehen kann.

Inwiefern? SK Es ist eine einfache Logik, die jeder und jede sofort versteht. Schau, ich habe es geschafft! Wichtiger ist der BMW vor der Türe, nicht die kleine, schäbige Wohnung, die zu viert bewohnt wird und die keiner sieht. Diesen Zwang zum Sozialprestige kannst du ja gut auch in Bümpliz oder Ostermundigen beobachten. In den Milieus, in denen der Hiphop entstand, war diese Zurschaustellung sehr wichtig.

«Mit der Musik gibt es wenig bis nichts zu verdienen» Einverstanden. Aber welche Bedeutung hat dieser inszenierte, zuweilen perverse Klamauk für dich? Du bezeichnest dich als Marxist... SK Der Klamauk gehört zum Showbusiness. Die Videoclips der Rapstars mit den schönen Frauen, teuren Autos und Yachten sind grossspurige Inszenierungen. Das wissen alle, die in der Szene sind. The Notorious B.I.G. zeigt das sehr schön: vor allem sein zweites Album ist voll von Räuber-, Mafia- und Sexgeschichten – Rap ist immer auch ein fiktionales Genre, das ist allen bewusst. Er hält der kapitalistischen Welt einen Spiegel vor, allerdings nicht gerade auf eine subtile Art und Weise. Es gibt diese Zeile von dir: «16 Releases, immer no kei Cash gmacht». Wie kannst du dich als Teil der Hiphop-Kultur empfinden, die von Multimillionären wie Jay-Z dominiert wird? SK Es wäre naiv zu glauben, dass sich Jay-Z irgendwie anders verhält als x ein Grosskonzern. Aber der Fakt, dass wir mit unseren Releases so gut wie kein Geld verdienen, hat keinen direkten Zusammenhang mit Jay-Z – ausser dass hier das gleiche Umverteilungssystem spielt wie überall im Kapitalismus. Trotzdem kaufen die Leute Jay-Z, aber offenbar nicht Tommy Vercetti. SK Das ganze Musikbusiness hat einen dramatischen Einbruch erlebt. Die Leute kaufen auch Jay-Z unglaublich viel weniger als früher. The Notorious B.I.G. verkaufte von seinem Album «Life after Death» über 10 Millionen Exemplare. Heute verkauft auch ein Star wie Jay-Z nicht mal eine Million. —→ Fortsetzung siehe Seite 5 3


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