Prattelns neue Mitte

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Themenheft von Hochparterre, November 2023

Prattelns neue Mitte

Rund um den Bahnhof entsteht ein neues Zentrum. Was macht das mit der Gemeinde, ihren Bewohnern und Freiräumen? Eine Spurensuche zwischen Rhein und Jura.

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Jörinpark und alter Dorfkern mit Schloss.

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Editorial

Inhalt

4 Vom Bauerndorf zum Industriestandort Mit der Entdeckung des Salzvorkommens 1836 beginnt die wirtschaftliche Entwicklung von Pratteln.

9 Stadtwerdung zwischen Rhein und Jura Mit dem Räumlichen Entwicklungskonzept ( REK ) plant die Gemeinde ihre Zukunft sowie Räume für zusätzliche Bewohnerinnen und Arbeitnehmende.

15 Die vier Bausteine von Pratteln Mitte

Rund um den Bahnhof befinden sich vier Industrieareale im Umbruch. Ein Spaziergang offenbart, wer hier was baut.

20 Ortsplan Pratteln Ein Übersichtsplan zeigt die Gemeinde Pratteln mit ihren Quartieren und der Entwicklung im neuen Zentrum.

29 Salina Raurica – quo vadis? Nachdem die Bevölkerung 2021 den Kredit für eine Tramverbindung nach Salina Raurica ablehnte, braucht es neue Perspektiven.

Themenfokus Die Inhalte dieses Hefts erscheinen auch als Themenfokus auf der Website von Hochparterre: hochparterre.ch / pratteln

Fotos Umschlag: Blick von Salina Raurica zum Bahnhof und Zehntenstrasse Pratteln.

Pratteln im Wandel

Dorf oder Stadt ? Wer heute durch Pratteln läuft, kann sich nur schwer entscheiden. Zum einen sind da der gut erhaltene Ortskern und die liebliche Landschaft zwischen Jura und Rhein. Gleichzeitig liegt Pratteln näher am Bahnhof Basel SBB als der Claraplatz. Mit der S-Bahn beträgt die Fahrzeit gerade mal neun Minuten. Die knapp zehn Kilometer westlich gelegene, drittgrösste Stadt der Schweiz prägt die Geschicke von Pratteln seit je. Das Wachstum von Basel schwappt auf die Gemeinde über, gleichzeitig profitiert diese von der guten Anbindung. In den kommenden Jahren werden die Prattlerinnen und Prattler ein neues Zentrum bekommen: Im Gebiet rund um den Bahnhof werden vier ehemalige Industrieareale entwickelt. Es entstehen gemischte Nutzungen, verbunden durch öffentliche Räume und neue Grün­flächen. Sind die Projekte realisiert, wird die Bevölkerung von Pratteln um fast zwanzig Prozent gewachsen sein. Deborah Fehlmann stellt in ihrem Artikel die unterschiedlichen Konzep­te der vier privaten Entwickler in diesen Kontext. Um diesen Prozess zu lenken, erarbeitet die Gemeinde aktuell ein Räumliches Entwicklungskonzept ( REK ). Es entwirft die planerischen Ziele und gibt dem Wachstum der Gemeinde einen Rahmen. Ein gross angelegtes Mitwirkungsverfahren holt gleichzeitig die Bevölkerung an Bord. Der Text von Frank Jäger legt die Ziele der Planenden dar und erzählt, was die Bewohnerinnen und Bewohner von der Entwicklung ihrer Gemeinde erwarten. Wie anspruchsvoll und umkämpft Prattelns Wachstum ist, zeigt die Planungsgeschichte von Salina Raurica, die Gabriela Neuhaus erzählt. Das sechzig Hektar grosse Gebiet am Rhein hat schon einen Planungswettbewerb, einen Spezialrichtplan, einen Teilzonenplan und einen Studienauftrag hinter sich. Seit 2021 an der Urne ein Kredit abgelehnt wurde, mit dem das Basler Tram bis dorthin hätte verlängert werden sollen, ist die Planung sistiert. In den Salinen nahm die neuere Geschichte Prattelns ihren Anfang. Seit dort vor 200 Jahren Salz entdeckt wurde, verwandelte sich das ehemalige Bauerndorf in einen Industriestandort – und wurde zur Heimat der Arbeiterfamilien. Heute wiederum verändern sich die Industrie- und Gewerbegebiete – gerade in Pratteln Mitte – zu Raum fürs Wohnen und Arbeiten. Wie die Ortschaft in dieser Phase des Übergangs aussieht, zeigt die Bilderstrecke des Fotografen Christian Aeberhard. Sie zieht sich als visueller ­roter Faden durch das Heft und offenbart, was das Themenheft überregional relevant macht: Pratteln findet in vielen Schweizer Gemeinden statt. Urs Honegger

Impressum Verlag Hochparterre AG Adressen Ausstellungsstrasse 25, CH-8005 Zürich, Telefon + 41 44 444 28 88, www.hochparterre.ch, verlag @ hochparterre.ch, redaktion @ hochparterre.ch Geschäftsleitung Andres Herzog, Werner Huber Verlagsleiterin Susanne von Arx Konzept und Redaktion Urs Honegger, Roderick Hönig Fotografie Christian Aeberhard, www.christian-aeberhard.ch Art Direction Antje Reineck Layout Juliane Wollensack Produktion Marion Elmer Korrektorat Rieke Krüger Lithografie Team media, Gurtnellen Druck Stämpfli AG, Bern Herausgeber Hochparterre in Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft und der Gemeinde Pratteln hochparterre.ch / pratteln Themenheft bestellen ( Fr. 15.—, € 12.— ) und als E-Paper lesen

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Vom Bauerndorf zum Industriestandort Mit der Entdeckung des Salzvorkommens von 1836 beginnt die Entwicklung von Pratteln. Prägend sind auch der Anschluss ans Verkehrsnetz sowie die wachsende Wirtschaft und Bevölkerung. Text: Matthias Manz

Pratteln, um 1920. Ansichtskarte: Sammlung Markus Dalcher, Pratteln / Fundus Fritz Sutter

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Pratteln, um 1970. Foto: ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Stiftung Luftbild Schweiz / Werner Friedli

Das Dorf Pratteln liegt am Fusse des Adlerbergs auf einer Terrasse, leicht erhöht über der Rheinebene. Die Gemein­ de wird durch zwei Flüsse begrenzt: im Osten durch die Ergolz, im Norden durch den Rhein. Sie liegt – rund zehn Kilometer südöstlich von Basels Innenstadt – von jeher an wichtigen Durchgangsstrassen, die von Basel in Ost-WestRichtung über den Bözberg nach Zürich und in Nord-SüdRichtung über die Jurahöhen ins Mittelland führen. Pratteln gehörte im Mittelalter zur Herrschaft der Her­­ren von Eptingen. Davon zeugt das ehemalige Wasser­ schloss inmitten des Dorfes. 1521 kaufte die Stadt Basel die Herrschaft. Seit der Trennung vom Kanton Basel im Jahr 1832 ist Pratteln eine Gemeinde des Bezirks Liestal im Kanton Baselland. Die Bevölkerung von Pratteln zähl­ te im Jahr 1870 1613 Personen, 2020 waren es 16 686. Sie wuchs innert 150 Jahren um den Faktor 10, die Bevölke­ rung des Kantons Baselland hingegen nur um den Faktor 5 und jene der Schweiz um den Faktor 3. Die Segmentierung dieser Entwicklung zeigt auf, dass Prattelns Wachstum in den beiden Phasen 1888 – 1930 und 1960 – 1970 überdurch­ schnittlich, dagegen 1970 – 2010 unterdurchschnittlich war. Dies lässt sich mit den Besonderheiten der Prattler Wirt­ schaftsentwicklung erklären. Salz für die Chemiefabriken Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Gemeinde land­ wirtschaftlich geprägt. Anders als in den oberen Teilen des Baselbiets, wo im 18. und 19. Jahrhundert etwa ein Drit­ tel der Haushalte von der Seidenbandproduktion in Heim­ arbeit – der sogenannten Posamenterei – lebte, blieb diese frühe Form der Industrialisierung in Pratteln marginal. Be­ sonders viel Rebbau wurde betrieben, um 1860 waren es rund fünfzig Hektar – heute sind es knapp sieben. Die erste Phase der Industrialisierung fand 2,5 Kilo­ me­ter nördlich des Dorfzentrums, in der ­Rheinebene, statt. Das Gebiet teilen sich die Gemeinden Muttenz und Pratteln. 1836 entdeckte der deutsche Unternehmer

Carl Christian Friedrich von Glenck ( 1779 – 1845 ) auf Mut­ tenzer Gebiet ein grosses Salzvorkommen. Wegen Diffe­ renzen mit dem Grundeigentümer richtete er im folgen­ den Jahr die Saline in der Gemeinde Pratteln ein. Das Gebiet erhielt den Namen ‹ Schweizerhalle › und versorgt bis heute zu einem grossen Teil die Schweiz mit Salz. In den folgenden Jahrzehnten entstanden in der unmittelba­ ren Nachbarschaft chemische Fabriken, die Farben für die Textilindustrie oder Salz- und Salpetersäure herstellten. In den Jahren 1854 – 1858 errichtete die Schweize­ rische Centralbahn die Eisenbahnlinie von Basel nach ­Olten. 1872 wurde die Saline Schweizerhalle ans Bahnnetz angeschlossen, und 1875 baute die Nordostbahn von Prat­ teln aus die Bahnlinie durch den Bözberg nach Brugg. Da­ mit war die logistische Voraussetzung für die zweite ­Phase der Industrialisierung Prattelns geschaffen, die 1888 in der Umgebung des vom Dorfkern etwas abgesetzten Bahn­ hofs mit der Ansiedlung einer Zichorienfabrik einsetzte. Fabriken im Bahnhofquartier Bis um 1900 wurden im Bahnhofquartier in kurzer Zeit eine Filiale der Liestaler Zementwarenfabrik Brodt­ beck, die Maschinen- und Metallbaufabrik Buss, eine Ver­ zinkerei, ein Kohlensäurewerk ( die spätere Rohner AG ) so­ wie eine Parkett- und Holzwollfabrik errichtet. Ab dem Jahr 1904 ergänzte die Elektrifizierung den Dampfantrieb und ermöglichte weitere Produktivitätssteigerungen. Der deutsche Waschmittelproduzent Henkel erstellte eine Produkti­ons­stätte, und die Coop-Vorgängerin VSK Basel baute ihr Zentrallager. Um die räumliche Entwicklung zu steuern, wies die Gemeinde den Industriebauten im ers­ ten Siedlungsplan von 1925 das Gebiet nördlich der Tram­ linie Pratteln–Basel zu. In der Zwischenkriegszeit errichteten die US-ameri­ ka­nische Pneufabrik Firestone, die Metallverarbeiter ­Me­tal­­lum und Rohrbogen sowie die Schweizerische Teer­ industrie AG ( STIA ) grosse Fabrikationsbetriebe. →

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Politik Traditionell wurde Pratteln von einer bürgerlichen Mehrheit und einem bürgerlichen Gemeindepräsidenten regiert. Es war lange Zeit ein klassisches Arbeiterdorf, ein grosser Teil der Männer ( und später Frauen ) war allerdings nicht stimmberechtigt. Während Jahrzehnten hatte die Gemeinde eine starke Linke, die phasenweise die Mehrheit errang. 1944 – 1950 hatte Pratteln als wohl einzige deutschschweizerische Gemeinde einen kommunistischen Gemeindepräsidenten. Der Bauarbeiter und Landrat Hans Jeger ( 1907 – 1989 ) führte die Gemeinde zur allgemeinen Zufriedenheit, wurde dann aber im Zuge des ausbrechenden Kalten Kriegs von einem Sozialdemokraten bekämpft und abgewählt.

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Wachstum von Bevölkerung und Beschäftigung in Pratteln

Bevölkerungsentwicklung 1870 – 1950 im Vergleich ( indexiert, 1870 = 100  )

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Pratteln Baselland Schweiz

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Bevölkerungsentwicklung seit 1770 erwartete Zunahme der Wohnbevölkerung aufgrund der Arealentwicklungen Beschäftigungsentwicklung seit 1950 Quellen: Bundesamt für Statistik

Matthias Manz ( 69 ) ist Historiker und lebt in Zürich. 1987 – 2000 war er Staatsarchivar des Kantons BaselLandschaft. 1982 – 1990 wohnte und politisierte er in Pratteln. 2020 publizierte er zusammen mit René Salathé das Buch ‹ Pratteln an der Schwelle zur Moderne ›, erschienen im Verlag des Kantons Basel-Landschaft.

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→ Nach 1945 folgten die Schindler Waggon AG und die Kranfabrik Rüeg­ger / Mars-Uto. Gleichzeitig entstanden kleine und mittlere Betriebe in grosser Zahl. Haupttrei­ ber dieser rasanten Entwicklung Prattelns zum grössten Indus­t rieort des Kantons war die hervorragende Erschlies­ sung Prattelns für den Güter- und Personentransport, die 1922 durch die Tramverbindung nach Basel und 1969 durch die Autobahn N2 / N3 ergänzt wurde. Bevölkerungs- und Raumentwicklung Die Zunahme und Vergrösserung der Industrieunter­ nehmen waren nur durch den Zuzug von Arbeitnehmen­ den und ihren Familien möglich, sowohl aus der übrigen Schweiz als auch aus dem Ausland. Der Ausländeranteil Prattelns erreichte 1910 15,5 Prozent und bis 1960 18,0 Pro­ zent. In den beiden Weltkriegen ging er jeweils stark zu­ rück. Der Zuzug von Familien aus der übrigen Schweiz nach Pratteln wird – neben der Einbürgerung von Auslän­ derinnen und Ausländern – durch die starke Zunahme der nicht-reformierten schweizerischen Bevölkerung bis 1960 auf 34 Prozent dokumentiert ( 1910: 15,3 Prozent ). Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Pratteln eine stürmische Wachstumsphase, die sogar noch jene des Kantons Basel­ land übertraf. Zwischen 1950 und 1970 stieg die kantona­ le Bevölkerung um 95 Prozent und jene Prattelns gar um 120 Prozent. Der Anteil der ausländischen Wohnbevölke­ rung wuchs 1980 – 2010 trotz stagnierender Bevölkerungs­ zahl von 24 auf 37 Prozent, 2020 waren es 42 Prozent. Das Siedlungsbild veränderte sich grundlegend. Ein für das Baselbiet pionierhafter kommunaler Zonenplan versuchte 1956 mit sieben verschiedenen Arten von Bau­ zonen das ungestüme Wachstum in geordnete Bahnen zu lenken. Nach 1960 legten sich innert weniger Jahre die Ge­ samtüberbauungen Gehrenacker Ost, Stockmatt, Rank­ acker / Neusatz und Buholz um den Dorfkern sowie in der Rheinebene in der Nachbarschaft von Augst die Längi. In diesem Aussenquartier fanden viele Zuwanderinnen und Zuwanderer aus der Schweiz und dem Ausland eine neue Heimat, die eine Anstellung in der stark expandieren­

den Chemieindustrie in Basel und in Schweizerhalle an­ nahmen. Pratteln bot preiswerten Wohnraum an, der für Familien mit einem schmalen Budget attraktiv war. Die wirtschaftliche Entwicklung 1973 erreichte die Bevölkerung von Pratteln einen vor­ läufigen Höchststand von 16 628 Personen, rund 3000 von ihnen lebten im Ortsteil Längi. Durch die folgende Wirt­ schaftsrezession verlor die Gemeinde mehr als tausend Einwohnerinnen und Einwohner. Firestone als grösster Arbeitgeber entliess 1978 auf einen Schlag 620 seiner 837 Arbeitnehmenden und stellte die Produktion ein. Im Vorjahr hatten die Kantons- und Bundesbehörden mit der Firmenleitung in Akron, Ohio, noch einen Sanierungsplan verhandelt, vergeblich. Diese Erfahrung, dem Wohl und Wehe der Unternehmen schutzlos ausgeliefert zu sein, war der Ausgangspunkt für die Verabschiedung eines kan­ tonalen Wirtschaftsförderungsgesetzes im Jahr 1980. Es folgte in Pratteln eine Zeit der wirtschaftlichen Stagnation. Ein tiefgreifender Strukturwandel setzte ein. Grosse Industrieunternehmen wurden stillgelegt, oder sie kol­labierten. Der Tiefpunkt war 2005 mit der Schlies­ sung des Bombardier-Werks erreicht, in dem seit sechzig Jahren unter den Besitzern Schindler Waggon, ADtranz und Bombardier Eisenbahnwagen produziert worden wa­ ren. 520 Arbeitsplätze gingen verloren. Die Bevölkerungs­ zahl sank auf 14 976 Personen. Bald jedoch drehte die wirtschaftliche Entwicklung wieder in die positive Rich­ tung. Ein neuer Besitzer entwickelte das Buss-­Areal, das nun von Dutzenden Kleinunternehmen besiedelt wurde. Im 2006 errichteten Triago-Bürokomplex liessen sich internationale Firmen wie Schindler Aufzüge und Hen­ kel nieder, ein Jahr später erstellte das Transportunter­ nehmen Planzer ein grosses Lagerhaus. Die STIA ( ­heute SI Group ) wandelte sich von der Teerproduzentin zur Chemieunternehmerin. Im Gewerbegebiet entstanden Einkaufszen­tren sowie Handels- und Logistikfirmen mit vielen neuen Arbeitsplätzen, und auch das Möbelhaus Ikea konzentrierte die europäische Logistik in Pratteln.

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Blick vom Hagenbächli auf Pratteln und Sportwiese Hexmatt.

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Bahnhof Pratteln mit Blick auf Bredella und Areal Zentrale am Gallenweg, Ceres Tower im Hintergrund.

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Themenheft von Hochparterre, November 2023 — Prattelns neue Mitte — Stadtwerdung zwischen Rhein und Jura

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Stadtwerdung zwischen Rhein und Jura Bis 2050 rechnet Pratteln mit zusätzlichen Einwohnern und Arbeitnehmerinnen. Das Dorf plant mit dem Räumlichen Entwicklungskonzept ( REK ) seine Zukunft. Text: Frank Peter Jäger

‹ ­Ziele des REK ›, Seite 12. In jeder Phase wurden die Ergebnisse

in verschiedenen Gremien, in öffentlichen Veranstaltungen und in einer vierwöchige Online-Mitwirkung intensiv diskutiert. Das Konzept soll im April 2024 fertiggestellt und vom 40-köpfigen Einwohnerrat verabschiedet werden. Nach Annahme soll seine Essenz in eine verbind­ liche Planung überführt werden, unter anderem in eine Revision des Zonenplans. Bisher stützte sich die Planung für Pratteln auf einen Zonenplan aus den späten 1980er-Jahren sowie verschiedene sektorale Teilplanungen. Dagegen bildet das REK ein umfassendes Gesamtkonzept – als strategische, sektoral integrierte Planung für das gesamte Gemeindegebiet. Zwar ist es als Planungsinstrument für die Behörden nicht verbindlich. Wegen der Dimension und der Komplexität der in Pratteln anstehenden Aufgaben wählte die Gemeinde jedoch bewusst diesen Weg, mit der Möglichkeit, das REK anschliessend behördenverbindlich zu verankern.

Pratteln liegt dazwischen. Zwischen Rheinufer und Nordrand des Jura und ungefähr gleich weit weg von Basel, Rheinfelden und Liestal. Der Regionalexpress Richtung Zürich rauscht ohne Halt durch den Ort. Lagerhäuser, Schornsteine, Wohnblocks fliegen vorbei. Verkehrswege beherrschen das Bild: Die Bahnstrecken von Basel nach Rheinfelden und Liestal und die Autobahn A2 zerschneiden Pratteln mehrfach und hinterlassen eine fragmentierte, von räumlichen Barrieren geprägte Gemeinde. Doch auch Prattelns Binnenstruktur ist ein heterogenes Mosaik. Aus der Luft wirkt es, als habe der liebe Gott der Raumplanung den Ehrgeiz gehabt, alle erdenklichen Kombinationen von Agglomerationsnutzungen auf engstem Raum zu versammeln: Produktionshallen, Gleise, Logistik-Hubs, die Autobahnraststätte an der A2, Grossmärkte, eine Kläranlage, versteckte Naturoasen, Parkanlagen Die verlorene Tramabstimmung Den Ausgangspunkt für die Erarbeitung des REK bilund Freiräume, archäologische Stätten der Römerzeit, Einfamilienhausquartiere und alte Wohnblocks, die mit dete ironischerweise eine politische Niederlage: Im Juni ihren eisernen Wäschestangen etwas verloren zwischen 2021 hatte die Baselbieter Bevölkerung eine kantonale den kahlen Wänden alter Produktionshallen stehen. Vor­lage verworfen, die eine Verlängerung der bislang bis Pratteln Mitte reichenden Basler Tramlinie 14 nach Salina Raurica und Augst im Nordosten der Gemeinde vorsah. Dorf oder Stadt Die Nachkriegs-Ära bescherte Pratteln ein stürmi- Damit versetzte sie der vom Kanton und von der Gemeinsches Wachstum. Es kam immer mehr hinzu, aber lange de geplanten Entwicklung des Gebiets einen empfinddachte niemand die Perspektive des Ortes als Ganzes. So lichen Dämpfer. Einerseits sistierte die Gemeinde dahat die Gemeinde heute viele Gesichter: Auf der einen Sei- raufhin die Planung für das Gebiet Salina Raurica Ost te das alte Dorf mit seinem charmanten Ortskern und dem siehe Seite 29 bis auf Weiteres. Andererseits nahm sie die Schloss. Auf der anderen Seite, nur 500 Meter entfernt, Schlappe sportlich und brachte das Räumliche EntwickPratteln Mitte beim Bahnhof mit zwei 25-geschossigen lungskonzept auf den Weg. Hochhäusern, die wie Landmarken aus der ansonsten vierDie Gemeinde und der Kanton arbeiten in diesem bis fünfgeschossigen Bebauung ragen. Schon auf der kur- Prozess zusammen. Als Kantonsplaner Basel-Landschaft zen Strecke vom Bahnhof ins historische Zentrum hadert beglei­tet Thomas Waltert die Erarbeitung des REK eng, der Besucher mit der Bezeichnung: Gemeinde Pratteln ? aufseiten der Gemeinde ist der leitende Raumplaner Dirk Wirklich ? Der Dichte nach ist das doch längst eine Stadt. Lohaus verantwortlich. Dieser beschreibt die grundsätzliDie Frage nach Dorf oder Stadt, nach der Identität chen Ziele der Planung folgendermassen: « Im Kern wollen dieses Ortes, schwingt im Prozess der Erarbeitung des wir eine identitätsstiftende Vorstellung für die Zukunft von Räumlichen Entwicklungskonzepts ( REK ) unausgespro- Pratteln erarbeiten. Mit lebendigen Siedlungsräumen, atchen mit. Die Gemeinde arbeitet seit Anfang 2022 dar- traktiven Freiräumen und einer nachhaltigen ­Mobilität. » an. Es steht derzeit in der vierten und abschliessenden Das Gebiet Pratteln Mitte um den Bahnhof solle gestärkt, Phase. Nach der Analyse, der Erarbeitung von Leitideen die Wohnquartiere hingegen behutsam weiterentwickelt und Zukunftsbild wurden die daraus folgenden themati- werden. « Wir wollen die räumlichen Knotenpunkte aufschen ­Teil­strategien und Massnahmen benannt siehe Kasten werten und punktuell verdichten, damit sich Quartiere →

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« Für Pratteln war es an der Zeit, unsere Entwicklungs­ ziele zu schärfen, die Bevölke­ rung einzubeziehen und uns eine Perspektive zu geben. Wir haben tolle Potenziale, einen schönen, gewachsenen Ortskern, eine her­vor­ ragende Lage in der Region und in der Landschaft. Da wollen wir mehr draus machen – für die Bevölkerung und für die Umwelt. »

« Die Entwicklungspotenziale von Pratteln stecken in ähnlicher Form in der ganzen Ag­ glomeration. Rund 500 Hektar Transformationsräume sind in 15-Minuten-Distanz zum Barfüsserplatz. Ich bin überzeugt, dass der ganze Kanton von einer planeri­ schen Weiterentwicklung Prattelns profitiert. » Thomas Waltert, Kantonsplaner Baselland

Stephan Burgunder, Gemeindepräsident Pratteln

→ und Orientierungspunkte klarer herausbilden », erklärt Lohaus weiter. Die Industrie- und Gewerbegebiete werden städtebaulich aufgewertet und so die Flächen effektiver genutzt. Öffentliche Freiräume, Strassen und Plätze werden weiterentwickelt und ihre Aufenthaltsqualität verbessert. « Und nicht zuletzt sollen bessere Velo- und Fussgängerverbindungen die räumlichen Barrieren von Bahnstrecke und Autobahn überwinden », so Lohaus. Pratteln verfüge in den bestehenden Bauzonen über beachtliche Potenziale für eine Siedlungsentwicklung in mit dem ÖV gut erschlossenen Lagen. Lohaus rechnet mit 7000 zusätzlichen Einwohnerinnen und Einwohnern bis 2050. Rund 10 000 Menschen mehr könnten dann in Pratteln arbeiten. Damit würde sich Pratteln zunehmend emanzipieren – vom Satelliten der Stadt Basel hin zu einem autonomen Zentrum im regionalen Städtenetz. Mit der nahen Rheinstadt ist Pratteln schon bald im 10-Minuten-Takt der S-Bahn verbunden. Dieser Schritt, für den sich auch der Kanton eingesetzt hat, ist für Thomas Waltert folgerichtig: « Pratteln ist längst Teil der funktionalen Stadt Basel. Mit neun Minuten Fahrtzeit sind die zentralen Lagen von Pratteln heute näher am Bahnhof ­Basel SBB als der Claraplatz », sagt er und fügt hinzu: « Die Zukunft von Basel entscheidet sich im Umgang mit den Potenzialräumen der Agglomerationsgemeinden. » Räume aufwerten und vernetzen Pratteln will als Arbeitsplatzstandort attraktiv bleiben. Das Konzept zielt darauf ab, die Industrie- und die Gewerbe­zonen in ihrer bisherigen Funktion zu bewahren und aufzuwerten. Gleichzeitig sollen gewerbliche Nutzungen so verlagert und verdichtet werden, dass in Pratteln Mitte für die Ortsentwicklung wichtige Bereiche freigespielt und neue, gemischte Nutzungen geschaffen werden können. Gemeindepräsident Stephan Burgunder betont: « Das Gewerbe darf in seinen Möglichkeiten nicht zu sehr eingeengt werden. » Gewerbe und Industrie seien für Pratteln existenziell. « Fast vierzig Prozent unserer Steuereinnahmen stammen von Unternehmen », erklärt Burgunder. Erarbeitet wird das Konzept durch das Atelier für Städte­ bau Van de Wetering, das Planungs- und Ingenieurbüro moveIng und Uniola Landschaftsarchitektur.

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Die Arbeitsgemein­s chaft visualisierte die Summe der Ideen im ‹ Zukunftsbild Pratteln ›, das ab der zweiten Mitwirkungsveranstaltung im Oktober 2022 diskutiert wurde. Auf dem Plan führt eine deutlich erkennbare Wegachse vom alten Dorf Pratteln über den Bahnhof und das Quartier Grüssen bis zum Rhein. Doch die Querung der Bahn ist eine Herausforderung: Bisher gibt es im Bereich des Bahnhofs nur zwei Strassenunterführungen und einen kleinen Fussgängertunnel. Zusätzliche Querungen der Bahntrasse sind eine wichtige Voraussetzung, damit die Gemeinde zusammenwachsen kann. « Mit dem REK und den Arealentwicklungen um den Bahnhof kann uns nun der seit Langem überfällige Sprung über die Gleise gelingen », sagt Dirk Lohaus. Die Gespräche mit der SBB seien konstruktiv. Bahnhofsumfeld und Salina Raurica Südlich der Trasse sind die städtebaulichen Aufgaben kleinteiliger, aber nicht weniger anspruchsvoll. Die Bebauung zwischen Bahnhof-, Burggarten- und Schlossstrasse bildet ein Nebeneinander unterschiedlicher Strukturen und Baualter: Vier- und fünfgeschossige Wohnbauten dominieren das Bild, dazwischen eine Reihe spitzgiebliger Einfamilienhäuser. Mit Ausnahme des alten Ortskerns und der neu gestalteten Bahnhofstrasse gibt es hier wenig Aufenthaltsqualität. Das REK will im Raum zwischen historischem Ortskern und Bahnhof klarere Strukturen und Aussenräume bilden sowie die Strassen als Bindeglieder aufwerten. Mit ‹ Quartierscharnieren › wollen die Planer die Quartiere an ihren Eingängen und Knotenpunkten betonen, die Raumkanten der Strassen akzentuieren und der siedlungshaften Ansammlung von Häusern das Gesicht von Quartieren geben. Eine Schlüsselrolle nimmt das Gebiet Pratteln Mitte ein. Mit den vier Arealentwicklungen auf den Industrieflächen unweit des Bahnhofs siehe Sei­te 15 kann sich Prattelns Zentrum künftig beidseits der Gleise entwickeln. Bisher agieren die vier Projekte eher unabhängig von­ einander, doch ihre Verbindungen und Zwischenräume verdienen besonderes Augenmerk. « Noch ist offen, welche Syner­gien sich nutzungsseitig entwickeln werden », sagt Dirk Lohaus. Die Gemeinde und die Entwickler →

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Rhein

Augst

Rheinpark Rheinkrone Salina Raurica Ost Steinhölzli Schweizerhalle

Grüssen

Pratteln Mitte

Dorfkern

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Räumliches Entwicklungskonzept der Gemeinde Pratteln Dorfkern ( Mischgebiet, bewahrt und erneuert ) städtisches Zentrumsgebiet ( Mischgebiet ) Grosssiedlung Wohngebiet mittlerer Dichte kleinteiliges und durchgrüntes Quartier in moderater Dichte kleinteiliges und durchgrüntes Quartier in niedriger Dichte

Einkaufs- und Freizeitgebiet Grüssen Arbeitsgebiet Rheinkrone A rbeitsgebiet in Wohnnähe ( Fokus auf Verträglichkeit ) Arbeitsgebiet Gewerbe, hohe Dichte Arbeitsgebiet Gewerbe, mittlere Dichte Arbeitsgebiet Logistik + Arbeitsgebiet Industrie strategische Entwicklungsreserve für Neuansiedlung Arbeiten

verkehrsintensive Nutzung G ebiet neu gebaut Gebiet transformiert prägende Baukanten b lau-grüner Landschaftsraum Rhein bis Ergolz Kulturland Jura-Ausläufer L andschaftsschutzzone G ewässer / Feuchtgebiet Wald Rebhang

P ark- oder Freizeithofanlage S chul-, Sport- und Friedhofanlage prägender Stadtraum prägender Strassenraum siedlungsorientierter Strassenraum H altestelle Bahn / Tram Ö V-Netz mit Haltestelle Nationalstrasse Hauptverkehrsstrasse / Temporeduktion wichtige Wegverbindung Quelle: Van de Wetering, Atelier für Städtebau GmbH, Zürich

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Die Ziele des REK Teilstrategie Siedlung – Das Gebiet um den Bahnhof ( Pratteln Mitte ) wird zum lebendigen Zentrum mit städtebaulichen Qualitäten und attraktiven Freiräumen entwickelt. Hier werden frühere Gewerbeareale in gemischte Wohn- und Arbeitsorte transformiert. – Die bisher eher additiv gewachsene Ortsstruktur soll durch Aufwertung und punktuelle Verdichtung klare Orientierungspunkte ausbilden. –D as Dorf und die Wohnquartiere sollen ihrer Dichte gemäss behutsam weiterentwickelt werden. –D ie Bauzonen in der Rheinebene sollen effizient genutzt und ökologische Freiräume sollen erhalten werden. –D ie Industrie- und Gewerbegebiete werden städtebaulich aufgewertet, Nutzungen verdichtet und Flächen effektiver genutzt.

Teilstrategie Freiraum – Pratteln soll eine attraktive Anbindung ans Rheinufer erhalten. Der geplante Rheinpark soll umgesetzt werden. – Eine durchgängige Wegeachse soll den Jurahang mit dem Rheinufer verbinden. – Ein Parkring rund um Pratteln Mitte bietet Freiräume und vernetzt die bestehenden Grünflächen. –G rüne Routen verbinden die Quartiere, Grünflächen und die umgebende Landschaft. – Die öffentlichen Freiräume, Strassen und Plätze werden weiterentwickelt, um höhere Aufenthaltsqualität zu schaffen. – Die öffentlichen Räume rund um die Bahnhof-, Burggarten- und Schlossstrasse werden als Bindeglied zwischen dem historischen Ortskern und dem Bahnhof aufgewertet und mit öffentlichen Plätzen in den Entwicklungsarealen nördlich des Bahnhofs fortgeführt.

Teilstrategie Klima und Energie – In der Gemeinde soll verstärkt erneuerbare Wärme genutzt werden, insbesondere Abwärme des ansässigen Gewerbes. – Entsiegelung und Begrünung in den Arbeitsplatzgebieten und den dichten Siedlungsbereichen bieten ein grosses Potenzial zur Hitzeminderung. – Zusätzliche Bäume entlang der Strassen verbessern das Stadtklima. – In den Entwicklungsarealen und im Bestand sollen Begrünung und Regenwassermanagement umgesetzt werden. – Die Bebauungsstruktur soll einen ungehinderten Kaltluftstrom sicherstellen.

→ tauschen sich regelmässig aus. Was die Projekte für den Raumplaner im Positiven eint: Sie setzen durchweg auf gemischte Nutzungen, nicht auf monofunktionale Wohn- oder Gewerbebauten. Zudem bieten sie neue Freiflächen, und ihr Städtebau wertet die übergeordneten Wegever­bindungen auf. Die Entwicklung in der Rheinebene – gestützt auf die gemeindliche Zonenplanung Salina Raurica, die der Regierungsrat 2017 genehmigt hat – ist ein zweiter städtebaulicher Schwerpunkt des REK. Auf einem von Rhein, Bahn und Autobahn gebildeten trapezförmigen Areal. An direkter Rheinlage befinden sich Gewerbezonen und öffentliche Nutzungen. Ganz im Osten soll nach geltendem Zonenplan ein neues durchmischtes Quartier mit gemeinsamem Park zum Längiquartier entstehen siehe Seite 29. « Salina Raurica Ost und das Bahnhofsumfeld sind absolute Top-Lagen innerhalb der Stadt-Landschaft Basel », erklärt Kantonsplaner Thomas Waltert. Lang seien sie aber nicht als solche erkannt worden. Diese Potenziale gelte es nun für die nächsten Generationen als attraktive Lebensund Arbeitsräume zu entwickeln. Partizipation und Kritik Hört man sich in Pratteln um, stösst man auf viel Zustimmung für das REK. « Eine koordinierte Entwicklungsplanung war längst überfällig », meint etwa Petra Ramseier, die für die ‹ Unabhängigen Pratteln › im Einwohnerrat sitzt. Allerdings seien die Erwartungen hoch. Sie hoffe, dass « ein handfestes Werkzeug » entstehe und am Ende nicht nur « viele schöne Worte » auf dem Papier stünden. Vor allem bei den Zielen hinsichtlich Grünflächen, Energie- und Klimastrategie dürfe es nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben. Das Mitwirkungsverfahren war in ihren Augen ein hoffnungsvoller Start. Rahel Graf sitzt für die SP im Einwohnerrat und hat ebenfalls an mehreren Veranstaltungen teilgenommen. « Die Meinungen und die Bedürfnisse der Einwohnerinnen und Einwohner wurden wirklich abgeholt », sagt sie. Der Parkring für Pratteln Mitte, die Förderung des Langsamverkehrs und die geschwindigkeitsreduzierten Begegnungszonen in den Wohnstrassen um den Bahnhof seien wichtige Impulse, um den öffentlichen Raum aufzuwerten.

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Teilstrategien motorisierter Verkehr, ÖV, Velo- und Fussverkehr – Der motorisierte Verkehr soll auf das übergeordnete Netz geleitet und innerorts verträglich geführt werden. – Das ÖV-Netz und die Umsteigepunkte sollen weiter verbessert werden, mit einem zentralen Knoten am Bahnhof Pratteln. – ÖV-Korridore erschliessen das Siedlungsgebiet, insbesondere von Pratteln Mitte, über das Quartier Grüssen in der Rheinebene bis zur Siedlung Längi und nach Augst. – Das Velo- und Fusswegnetz soll ausgebaut werden, insbesondere bei den wenig entwickelten Nord-Süd-Verbindungen. – Die Überwindung der räumlichen Barrieren von Bahntrasse und Autobahn innerhalb des Orts soll durch verbesserte velo- und fussgängergerechte Querungen deutlich erleichtert werden.

Das Schlussprotokoll der dritten Mitwirkungsveranstaltung Ende April 2023 spiegelt diese Einschätzung: Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden befand, es würden die richtigen Themen bearbeitet. Die im REK vorgesehene Siedlungsentwicklung fand eine hohe Zustimmung der Anwesenden, ähnlich positiv war die Resonanz auch bei Freiraum und Klimaanpassungen. Gleichzeitig gibt es aus der Bewohnerschaft konkrete Kritik: « Bevor wir uns damit beschäftigen, wie man Pratteln wieder mit dem Rhein verbinden kann, sollten wir die Quartiere innerhalb des Zentrums besser miteinander vernetzen », sagt etwa ­Anita Fiechter, Präsidentin des Vereins KMU Pratteln. Auch Rahel Graf spürte in ihren Gesprächen mit Mitbürgern ­Zweifel: « Viele fragen sich: Wie schnell wollen wir wachsen, und wie viel Wachstum vertragen wir ? » Manche befürchteten wohl, dass ein wachsendes Pratteln Verkehrschaos und ein Ende der überschaubaren Nachbarschaften bedeutet. Petra Ramseier teilt diesen Eindruck. Viele ihrer Mitbürger täten sich schwer damit, « Pratteln als junge, dynamische Vorstadt » aufzufassen, in den Köpfen sei bis heute das Bild des alten Dorfs vorherrschend. An den Mitwirkungsveranstaltungen seien vor allem alteingesessene Einwohnerinnen und Einwohner präsent gewesen. Dinge gemeinsam entwickeln Der aussenstehende Beobachter merkt dem REK und dem Zukunftsbild ihre Herkunft als Ergebnis eines breit abgestützten Beteiligungsprozesses an. Sie versammeln viele positiv formulierte Ziele, bleiben bei heiklen Fragen jedoch eher vage. Der ausgedehnte Partizipationsprozess unterstützt – quasi en passant – aber zugleich einen wichtigen sozialen Effekt des REK: dass sich die alten und neuen Prattlerinnen und Prattler stärker mit ihrem Wohnort identifizieren und gemeinsam die Frage nach seinen Perspektiven stellen. Gemeindepräsident Stephan Burgunder sagt: « Wir haben einen guten Zusammenhalt im Ort und können Dinge gemeinsam entwickeln. » Wenn das REK 2024 abgeschlossen sein wird, kann es als gemeinsamer Kompass für das Selbstverständnis und die Perspektive des Ortes dienen. Dazu gehört wohl auch der Mut, die faktische Stadtwerdung anzunehmen und es geradeheraus auszusprechen: Wir sind jetzt Stadt !

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Areal Gleis Süd und Haltestelle der Tramlinie 14.

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Areal Chuenimatt und Imbiss am Bahnhof Pratteln.

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Die vier Bausteine von Pratteln Mitte

Rund um den Bahnhof Pratteln entsteht ein neues Zentrum. Wer baut hier und mit welchen Ambitionen? Ein Spaziergang gibt Aufschluss. Text: Deborah Fehlmann

Der ‹ Sutter Begg › ist der Treffpunkt am Bahnhof Pratteln. In der Auslage locken Schoggiweggli und lachen Spitzbu­ ben, am Stehtresen lesen die Gäste Zeitung oder schauen dem Treiben auf dem Platz zu. So weit, so unverdächtig für eine Schweizer Kleinstadt. Nicht recht ins Bild passen will der futuristische Turm, der sich über dem Café im Sockel­ geschoss erhebt. Siebzig Meter ist er hoch und rautenför­ mig im Grundriss, die Fenster klaffen wie M ­ esserschnitte in der feuerverzinkten Stahlhaut. Der ‹ Aquila Tower › mar­ kiert seit 2016 den Bahnhofplatz. Er ist eine städtebau­ liche Absichtserklärung und ein Vorbote der urbanen, selbstbewussten Stadt, die Pratteln werden will. Nicht sehr urban, aber immerhin schon Stadt ist Prat­ teln südlich der Bahngleise, wo beschauliche Wohnquar­ tiere und Einkaufsmöglichkeiten liegen. Anders ist es im Norden, wo wenige Menschen wohnen und viele arbeiten. Hier besteht der öffentliche Raum vornehmlich aus von Mauern und Zäunen gesäumten Strassen und Schleich­ wegen, die über ihre Funktion als Verkehrsverbindungen hinaus kaum Qualitäten haben. Die Industrieareale hin­ ter den Einfriedungen sind für die meisten Einheimischen unbekanntes Terrain. Am Zugang zum Areal der Firma Rohrbogen direkt am Bahnhof verkünden ein violettes Herz und ein Herzlich-­ willkommen-Plakat am Zaun, dass sich dies bald än­ dern soll. Das Rohrbogen-Areal gehört, wie der östlich angrenzen­de Buss-Industriepark, seit 2022 dem Immobi­ lienunternehmen Ina Invest. Der Spin-off von Implenia übernahm das Grundstück vom Luzerner Investor Her­ mann Alexander Beyeler – mitsamt Gebäuden, Mieter­ schaft, städtebaulichem Entwicklungsprojekt und Namen: ‹ Bredella › heissen die 80 000 Quadratmeter, auf denen bald ein neues Stadtquartier wachsen soll. →

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Bredella

Visualisierung des Stadtquartiers Bredella.

Facts & Figures Arealgrösse: 80 000 m2 Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: 900 Wohnungen auf rund 100 000 m2 Geschossfläche gewerbliche Nutzungen: rund 50 000 m2 Bewohner: 1400 Beschäftigte: 1000 Ausnützungsziffer: 2,0 Entwicklungszeitraum: 2020 – 2043 Nachhaltigkeitsziele: SIA 2040 Effizienzpfad gemäss Quartierplan und SNBS Gold je Gebäude Investitionsvolumen: ca. Fr. 1,1 – 1,3 Mrd.

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→ « Bredella war eine Trauminvestition », sagt Marc Poin­ tet, CEO von Ina Invest. Gut hundert Firmen zahlen auf dem Areal Miete. Damit ist es heute schon profitabel und der Druck auf den Investor, rasch vorwärtszumachen, ge­ ringer als sonst. Zugleich sind die Zukunftsaussichten ro­ sig: Im Rahmen eines Quartierplans wird Ina Invest auf dem Areal das Dreifache der bestehenden Flächen reali­ sieren können – anders gesagt: Rechnerisch lassen sich zu den 50 000 Quadratmetern Gewerbefläche, die schon da sind, 100 000 Quadratmeter Wohnfläche hinzubauen. Bre­ della sei ein ideales Areal für die stark wachsende Schweiz, so Pointet. « Zentral gelegen, bestens erschlossen, bereits versiegelt und mit viel Ausnützungspotenzial. » Der Ge­ meinde versprach der Investor im Gegenzug einen neuen Stadtteil, der für alle zugänglich ist. Und er wird mit dem neuen Busbahnhof an den Gleisen das eigentliche Tor zum neuen Pratteln nördlich der Gleise bauen – mitsamt Hoch­ haus als städtebaulichem Gegenüber zum ‹ Aquila Tower ›. All das ist im Masterplan, den Burckhardt & Partner für den früheren Eigentümer entworfen haben, bereits an­ gelegt. Den Rest des Areals teilt der städtebauliche Ent­ wurf in rechtwinklige Baufelder und füllt sie mit fünf- bis sechsgeschossigen Blockrandbauten. Dazwischen zeigt der Plan baumbestandene Verkehrswege, grüne Innenhö­ fe und Versatzstücke alter Industriehallen. In Ost-WestRichtung verläuft die ‹ Neue Bahnhofstrasse ›. Von Norden nach Süden machen Promenaden das Areal durchlässig

für den Zubringer- und Langsamverkehr. Kleine Quartier­ plätze brechen das Raster auf. Ina Invest nutzt den Mas­ terplan als Grundlage für die Transformation weiter. Für den westlichen Arealteil, das heutige Rohrbogen-Areal, ist das Quartierplanverfahren bereits weit fortgeschrit­ ten und es haben Architekturwettbewerbe für die ersten Baufelder stattgefunden. Für den östlichen Arealteil, wo der Buss-Industrie­ park liegt, wollen sich die Investoren aber zehn bis zwan­ zig Jahre Zeit nehmen. Der Masterplan mache Tabula rasa mit dem Bestand, erklärt Pointet. « Das passt nicht unbe­ dingt zu uns. Wir werden dessen Erhalt neu evaluieren und den Masterplan wo nötig anpassen. » Die Sorge von Ina In­ vest um den Bestand hat einen naheliegenden Grund: Das börsenkotierte Unternehmen erklärt, « eines der nach­ haltigsten Immobilienportfolios der Schweiz halten und ­weiterentwickeln » zu wollen, und verfolgt deshalb eine ambitionierte Dekarbonisierungsstrategie. Klimaschonendes Bauen als lukratives Investment – beweist das Unternehmen, dass das gelingt, könnte dies dem ökologischen Wandel der Bau- und Immobilienwirt­ schaft Vorschub geben. Für das Bredella-Areal erweisen sich die Ambitionen der Investoren ohnehin als Glücksfall, denn die bestehenden Hallenstrukturen bergen nicht nur räumliches Potenzial, sondern schaffen auch Kontinuität in einem Stadtteil, dessen Gesicht sich in naher Zukunft grundlegend verändern wird. →

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Beteiligte Bauherrschaft: Ina Invest, Opfikon Projektentwicklung: Implenia Schweiz, Basel Masterplanung: Burckhardt + Partner, Basel Freiraumplanung: Fontana Landschaftsarchitektur, Basel Umweltverträglichkeitsbericht: EBP Schweiz, Zollikon Nachhaltigkeit: Durable Planung und Beratung, Zürich Lärmbeurteilung: Kopitsis Bauphysik, Wohlen Verkehrsgutachten: Glaser Saxer Keller, Bottmingen Mobilitätsgutachten: Kontextplan, Zürich Nutzungskonzept: Zeugin-Gölker Immobilienstrategien, Zürich Quartierplanung: Stierli + Ruggli Ingenieure + Raumplaner, Lausen

Zwischen fünf- bis sechsgeschossigen Blockrandbauten gibt es baumbestandene Verkehrswege …

… und grüne Innenhöfe.

Promenaden für Zubringer und den Langsamverkehr machen das Areal durchlässig. Themenheft von Hochparterre, November 2023 — Prattelns neue Mitte — Die vier Bausteine von Pratteln Mitte

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Gleis Süd

Inspiriert vom ehemaligen Industriecharakter, kombiniert der Entwurf verschiedene Typologien und Massstäbe.

Facts & Figures Arealgrösse: 28 000 m2 Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: rund 350 Wohnungen auf 38 000 m2 Geschossfläche gewerbliche Nutzungen: rund 16 000 m2 Bewohner: rund 800 Beschäftigte: rund 400 Ausnützungsziffer: 2,05 Entwicklungszeitraum: 2021 – 2032 ( inkl. Realisierung ) Nachhaltigkeitsziele: noch offen, verschiedene Standards in Prüfung Investitionsvolumen: rund Fr. 250 Mio.

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→ Auf dem ehemaligen Areal der Chemiefabrik Rohner, südlich der Bahngleise, stellt sich die Frage nach dem Er­ halt alter Strukturen nicht mehr. « Wegen der hohen Schad­ stoffbelastung blieb uns nichts anderes übrig, als sämtli­ che Gebäude rückzubauen », erklärt ­Annette Hansen von HIAG Immobilien. Derzeit ist das rund 28 000 Quadrat­ meter grosse Rechteck zwischen Bahngleisen und Tram­ trassee nichts als eine Asphaltfläche – die aufwendigen Untersuchungen des belasteten Untergrunds haben bis­ her auch Zwischennutzungen, welche die HIAG gerne an­ bieten würde, nicht zugelassen. Dass das Areal für einige Zeit brachliegen würde, hat­ te die Entwicklerin nicht geplant. Mit Rohner als Mie­ ter schien nach dem Grundstückserwerb 2018 genügend Zeit vorhanden, um die sorgfältige Transformation in ein durchmischtes Wohn- und Gewerbequartier in die Wege zu leiten. Doch schon im Folgejahr ging der Chemieher­ steller in Konkurs, und die HIAG musste handeln. Sie band Kanton und Gemeinde ein und führte 2020 einen städte­ baulichen Studienauftrag durch. Das siegreiche Team von Buchner Bründler Architekten und Berchtold Lenzin Landschaftsarchitekten hat seinen Entwurf inzwischen zu einem Richtprojekt als Grundlage für den Quartier­ plan weiterentwickelt. Dieser ist weit fortgeschritten und soll zeitnah in die öffentliche Mitwirkung. Danach wird der Quartierplan finalisiert und durch die Gemeinde zur Genehmigung eingereicht. Die HIAG beabsichtigt, sofort nach Rechtskraft des Quartierplans mit der ersten Etap­ pe zu starten. Für die zwei höchsten Gebäude auf dem Areal wird sie ein weiteres qualitätssicherndes Verfahren durchführen. Von den Eigenheiten des alten Industrie­

ensembles inspiriert, kombiniert das Bebauungskonzept unterschiedliche Gebäudetypologien und Mass­stäbe. Im Norden des Areals stehen zwei lange Hauszeilen parallel zu den Bahngleisen und fassen die enge ‹ Werkgasse ›. Da­ bei schützt die Gewerbezeile am Bahngleis ihr bewohn­ tes Gegenüber vor Bahnlärm und vor möglichen Störfäl­ len. Ein Wohnriegel mit einer Höhe von rund 43 Metern schliesst das Areal nach Westen ab. Dieser mächtigste der geplanten Neubauten orientiert sich in Lage und Grösse an seinem Vorgängerbau – dem ikonischen Produktions­ gebäude der Firma Rohner aus den 1970er-Jahren. Im Os­ ten schliesst ein rund 51 Meter hohes Wohngebäude an den Massstab der kürzlich erstellten Bauten an der Bas­ lerstrasse an. Im Süden vermitteln Kleinbauten und eine offene Halle zum angrenzenden Wohnquartier, und in der Arealmitte liegt ein öffentlich zugänglicher Park mit einer Fläche von rund 2300 Quadratmetern. Durch die Anlehnung an die industrielle Vergangen­ heit gelang den Architekten ein schlüssiges, spannendes Ensemble. Formal sind die Sheddächer und Stahlstruktu­ ren sowie die industriell anmutenden Fassaden aber eine Gratwanderung, zumal das Areal nicht im rauen Kontext nördlich der Gleise liegt, sondern zweiseitig an brave Wohnquartiere anschliesst. In der Nachbarschaft sind vie­ le erleichtert, dass die Chemiefabrik endlich weg ist. Wa­ rum also Industrieromantik rekonstruieren, statt Neues zu wagen ? Auch Annette Hansen erachtet es als Vorteil, dass ihr Areal südlich der Bahngleise liegt, wo Wohnen als Nutzung etabliert ist und sich Läden, Restaurants und der Ortskern befinden. Mit ‹ Gleis Süd › hat die HIAG ihr Areal inzwischen auch nach diesem Standortvorteil benannt. →

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Beteiligte Bauherrschaft: HIAG Immobilien Bauherrenvertretung: Brühlmann Loetscher Architektur + Stadtplanung, Zürich Städtebau / Architektur: Buchner Bründler Architekten, Basel Landschaftsarchitektur: Berchtold Lenzin Landschaftsarchitekten, Basel Verkehrsplanung: Rudolf Keller & Partner Verkehrsingenieure, Muttenz Störfall / Klima: EBP Schweiz, Zürich Lärm: Ehrsam Beurret Partner, Pratteln Nachhaltigkeit: Durable Planung und Beratung, Zürich Nutzungen: Intosens, Zürich Wirtschaftlichkeit: Wüest Partner, Zürich Kommunikation: Rihm Kommunikation, Basel

In der Arealmitte liegt ein öffentlich zugänglicher Park. Visualisierungen: Nightnurse Images, Zürich

Im Norden bilden zwei lange Gebäudezeilen die Werkgasse mit Wohn- und Gewerbenutzungen.

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Ortsplan Pratteln Areal Gleis Süd Areal Chuenimatt Areal Bredella Areal Zentrale E ntwicklungsgebiet Salina Raurica Ost R hein A utobahn Q uerungen für Fussund Veloverkehr ( bestehend und neu ) 1 Schweizerhalle 2 Schweizerische Salinen 3 Rheinlehne 4 Aqua Basilea 5 Planzer 6 Rheinstrasse 7 Ikea 8 Sportwiese Hexmatt 9 Bahnhof Pratteln 10 Aufwertung Personenunterführung 11 neue Velounterführung Bahnhof 12 Aquila Tower 13 Helvetia Tower 14 Ersatz CoopPasse­relle 15 Aufwertung FröschmattUnterführung 16 Jörinpark 17 Schloss 18 historischer Dorfkern 19 Produktionsstandort von Coop 20 Rheinkrone, Rheinpark ( geplant ) 21 C eres Tower 22 Abwasserreinigungsanlage 23 Raststätte Pratteln Nord 24 Rauricastrasse 25 Wohnsiedlung Längi 26 S -Bahn-Haltestelle Salina Raurica 27 Bushof Augst Stundeglas 28 Augusta Raurica

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Chuenimatt-Areal

Die zweite Etappe der Entwicklung ( linkes Gebäude ) umfasst rund 20 000 Quadratmeter Gewerbe-Geschossfläche. Sobald die Hälfte der Flächen vermietet ist, soll der Bau beginnen. Visualisierung: Züst Gübeli Gambetti

Facts & Figures Arealgrösse: 12 000 m2 Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: – Geschossfläche gewerbliche Nutzungen: 30 000 m2, davon sind 10 000 m2 bereits realisiert Bewohner: – Beschäftigte: 875 gemäss Baueingabe Ausnützungsziffer: 2,5 Entwicklungszeitraum: 2017 – ( 2027 ) Nachhaltigkeitsziele ( Zertifikat, Label ): Minergie Investitionsvolumen: keine Angabe

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→ Vom Gleis Süd führt eine unwirtliche Unterführung unter den Bahngleisen hindurch zurück in den rauen Nor­ den. Nach der Gleisquerung steigt die Strasse an, und über der Böschung tauchen die Sheddächer des Rohrbogen-­ Areals auf. Um Platz für die neuen Bredella-Bauten zu machen, wird die Firma bald ein paar Gemeinden weiter nach Aesch ziehen. Das Chuenimatt-Areal auf der ande­ ren Strassenseite hat der Kanton 2016 an den Immobilien­ entwickler Bricks verkauft. Dieser will mit repräsentativen Bürogebäuden inklusive Tagungsräumen, Co-Working und Gastroangebot innovative Unternehmen anlocken und das Areal beleben. Den Entwurf für die Bebauung liefer­ ten Züst Gübeli Gambetti Architekten und Fontana Land­ schaftsarchitektur. Die Innenarchitektur entwickelte die Firma SBS. Um ein langwieriges Quartierplanverfahren zu vermeiden, hielt sich das Projekt an die Regelbauweise. Anfang 2021 ging die erste Etappe in Betrieb. Selbstbewusst empfängt das Haus jene, die von der Autobahn herkommen: Das sechsgeschossige, im Grund­ riss polygonale Gebäude dominiert den Kreisel kurz nach der Ausfahrt. Die Fassadenbänder aus dunklem Metall und Glas glänzen in der Sonne, die schmalen Stützen sind mit Klinkersteinen verkleidet. Die städtebauliche Ges­ te und mehr als 200 Parkplätze im Untergrund machen klar, dass man hier auch mit autofahrenden Gästen rech­ net – obwohl der Bahnhof Pratteln fünf Gehminuten ent­ fernt ist. « HDW » steht in eleganten Buchstaben auf dem Dach: Haus der Wirtschaft. Der Name verweist auf die wichtigste Mieterin, die Wirtschaftskammer Baselland. Der 10 000 Mitglieder starke Verband füllt das Haus mit Menschen und Veranstaltungen. Davon profitieren auch

­ ndere hier angesiedelte Firmen, wie zum Beispiel das a international tätige Chemieunternehmen Archroma, das sein gesamtes Management nach Pratteln verlegt hat und die nachhaltige Farbstoffproduktion weiterentwickelt. Dass die erste Bauetappe bereits vor der Fertigstel­ lung komplett vermietet war, bestätigt für Philippe Druel, Direktor der Basler Niederlassung von Bricks, das Kon­ zept: « Unser Angebot an Tagungs- und Eventräumen ist in der Region einmalig. Dank der nahen Autobahn konkur­ renzieren wir auch Orte in der Stadt Basel. » Um innovati­ ve Firmen und Gäste nach Pratteln zu locken, müsse man erstklassige Bedingungen bereiten. Tatsächlich bietet das Haus einiges: Die Mieterinnen der Büroflächen profitieren von einem Concierge-Service, es gibt ein Restaurant mit Aussenbereich und eine Bar, viele informelle Treffpunkte und eine ganze Reihe an flexibel zumietbaren Räumen – vom kleinen Sitzungszimmer bis zum Auditorium. Auch Aussenstehende können hier Räume buchen. Die Innenraumgestaltung will mit begrünten Wän­ den und Loungemöbeln eine kreative Arbeitsatmosphäre schaffen und an der immer noch von Verkehr und Indus­ trie geprägten Lage für Entspannung sorgen. Die Sitzungs­ zimmer im ersten Obergeschoss sind nach Tourismusdes­ tinationen gestaltet. Entwickler Druel argumentiert: « Die meisten Gewerbehäuser sind banale Wellblechkisten. Wir bieten eine einzigartige Umgebung und stossen damit auf viel Interesse. » Deshalb will Bricks weiterhin vorwärts­ machen. Die zweite und dritte Etappe wurden inzwischen planerisch und baulich zusammengefasst, die Baubewil­ ligung ist erteilt. Sobald die Hälfte der Flächen vermietet ist, soll der Bau beginnen. →

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Beteiligte Bauherrschaft: Trinova Park, Pratteln Bauherrenvertretung, Baumanagement, Totalunternehmung: Complex Bau, Muri BE Auftraggeber: Bricks, Basel Architektur: Züst Gübeli Gambetti, Zürich Innenarchitektur: SBS, Pratteln Landschaftsarchitektur: Fontana Landschaftsarchitektur, Basel Statik: Jauslin Stebler, Muttenz Bauphysik: Zeugin Bauberatungen, Münsingen Elektroplanung: Eproplan, D-Stuttgart HLKS: Energieatelier, A-Rum Brandschutz: Febo Brandschutz, Münchenstein Auftragsart Neubau: Studienauftrag mit Landkaufofferte

10 000 Quadratmeter Gewerbefläche sind bereits im Haus der Wirtschaft ( oben ) realisiert. Die Baubewilligung für die nächste Etappe ( unten ) ist erteilt.

Auf der Rückseite gibt es Grün und ruhige Sitzplätze. Fotos: Roger Frei

Das Haus der Wirtschaft bietet seinen Mieterinnen und Mietern neben Büros auch flexibel zumietbare Räume. Themenheft von Hochparterre, November 2023 — Prattelns neue Mitte — Die vier Bausteine von Pratteln Mitte

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Zentrale

Wo Coop bis 2017 eine Verteilzentrale betrieb, planen heute sieben gemeinnützige Bauträger und Genossenschaften.

Facts & Figures Arealgrösse: 43 000 m2 Wohnungen und Geschossfläche Wohnen: 470 Wohnungen auf ca. 50 000 m2 Geschossfläche gewerbliche Nutzungen: 15 000 m2 Bewohner: 1200 – 1500 Beschäftigte: ca. 350 Ausnützungsziffer: keine definiert Entwicklung und Realisation: 2016 – 2026 Nachhaltigkeitsziele: SIA Effizienzpfad Energie 2040 Investitionsvolumen: rund Fr. 250 Mio. ( inkl. Land )

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→ Auf dem Areal ‹ Zentrale ›, wo der Grossverteiler Coop bis 2017 eine Verteilzentrale betrieb, lassen improvisierte Pflanzbeete auf dem Vorplatz erahnen: Hier sind gemein­ nützige Bauträger und Genossenschaften am Werk. wge­ nauso wie die dahinterliegende Shedhalle und ein freiste­ hendes Zuckersilo. Die Zwischennutzungen in den übrigen Gebäuden gingen 2022 zu Ende, im Gewerbehaus haben einige Nutzungen bereits dauerhaft eine Bleibe gefun­ den. Bis 2026 werden nun rund 470 preisgünstige Woh­ nungen in Kostenmiete erstellt und dauerhaft vermietet. « Finanziell haben sich die Zwischennutzungen zwar nicht gelohnt », sagt Marianne Dutli Derron von der ge­ meinnützigen Wohnbaugesellschaft Logis Suisse, die das Areal 2016 gekauft hat. « Doch sie füllten das Areal mit Le­ ben und machten es über Pratteln hinaus bekannt. Das hilft uns später bei der Vermietung und prägt den Charak­ ter des künftigen Quartiers. » Logis Suisse ging für die Ent­ wicklung der 43 000 Quadratmeter eine Partnerschaft mit fünf gemeinnützigen Bauträgern ein, vier davon sind aus der Region. Dutli Derron ist überzeugt, dass die lokale Ver­ ankerung und die im Verbund entstehende Vielfalt dem künftigen Stadtquartier guttut. « Die Zentrale soll diverse Wohnkonzepte für möglichst unterschiedliche Menschen und Lebensformen bieten. » Der städtebauliche Entwurf, auf welchem der Quar­ tierplan ba­siert, stammt von Bachelard Wagner Architek­ ten und Raderschall Partner Landschaftsarchitekten. Sie gewannen den Studienauftrag 2018 mit einer hinter dem Ge­werberiegel liegenden Hofrandbebauung aus sieben Wohnhäusern, die einen öffentlich zugänglichen Park um­ schliesst. Die Vielfalt ist tatsächlich gross: Die Genos­ senschaft Mietshäuser Syndikat nutzt die Tragstruktur eines Lagergebäudes weiter und bietet Wohnraum vom

Einzelapartment bis zur Halle. Homebase baut Module aus ökologischen Materialien für den Selbstausbau zum Wohnen und zum Arbeiten. Die Wohnbau-Genossenschaft Nordwest fokussiert auf die Bedürfnisse von Familien, die Gewona auf Wohnen in der zweiten Lebenshälfte, Logis Suisse und Terra ­­/ Habitare ermöglichen Mehrgeneratio­ nenwohnen. Im Atriumhaus von Logis Suisse sind zudem knapp geschnittene Stadtwohnungen zu finden. Alle Bauträger planen mit ihren Architektur­teams selbst, gleichen sich laufend ab und entscheiden überge­ ordnete Themen, wie Tiefgarage und Freiräume, gemein­ sam. Die von ihnen beanspruchten Landanteile kaufen die Partner Logis Suisse ab, Umgebung und Einstellhal­ le bleibt im Miteigentum aller Parteien. Ein Spezialfall ist der Gewerbe­riegel am Gleis. Ihn hat die Genossenschaft Gewona bereits Anfang 2023 übernommen und entwickelt ihn gemeinsam mit den künftigen Nutzern weiter. Zu den sozialen Ambitionen gesellen sich ökologische. Vier der sechs Partner werden ihre Gebäude mit Wärme aus einem gemeinsamen Eisspeicher beheizen. In Verbindung mit Photovoltaik und mit Solarkollektoren auf den Dächern werden sie im Betrieb klimaneutral sein. Der Südbaustein von Homebase soll fast ganz ohne Heizung auskommen. Zudem will die Entwicklergemeinschaft viel graue Ener­ gie einsparen, indem der Bestand um- und weiter­genutzt wird. Die 0,5 Parkplätze pro Wohnung, welche die Gemein­ de verlangte, liegen in den bestehenden Untergeschos­ sen des Verteilzentrums, Fenster und Fassadenbleche der rückgebauten Gewerbebauten finden am Wohnhof und im Gewerbe­riegel neue Verwendung, und die bestehenden Aussenbeläge werden, wo gebraucht, mitsamt den einge­ gossenen Gleisen weitergenutzt. Wo der Asphalt entbehr­ lich ist, sollen Bäume und anderes Grün wachsen. →

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Die Hofrandbebauung hinter dem Gewerberiegel besteht aus sieben Wohnhäusern und umschliesst einen öffentlich zugänglichen Park.

Schnitt Shedhalle.

Beteiligte Entwicklungspartnerin Gewerberiegel / Baustein West: Gewona Nord-West, Basel Entwicklungspartnerin Baustein West: Terra Schweiz, Winterthur; Habitare Schweiz, Winterthur Entwicklungspartnerin Baustein Ost: Wohnbau-Genossenschaft Nordwest ( wgn ), Basel Entwicklungspartnerin Baustein Süd: Homebase Genossenschaft für selbstgestaltetes Wohnen und Arbeiten, Basel Entwicklungspartnerin Baustein Ost: Genossenschaft Mietshäuser Syndikat, Basel Entwicklungspartnerin Baustein West und Nord: Logis Suisse, Baden Generalplanung / Baumanagement: S + B Baumanagement, Olten Gesamtprojektleitung Bauherrschaft: Hämmerle Partner, Zürich Städtebau Gesamtareal: Bachelard Wagner Architekten, Basel Landschaftsarchitektur: Raderschall Partner, Meilen Architektur Nordbaustein: Müller Sigrist Architekten, Zürich Architektur Ostbaustein: Flubacher Nyfeler Partner, Basel Architektur Westbaustein / Ostdeck: Bachelard Wagner Architekten, Basel Architektur Südbaustein: Degelo Architekten, Basel Holzbauingenieur: Pirmin Jung Schweiz, Sursee Bauingenieur: Dr. Lüchinger + Meyer Bauingenieure, Zürich Elektroplanung: HKG Engineering, Rotkreuz HLKS: RMB Engineering, Basel Brandschutz: Quantum Brandschutz, Basel Bauphysik: Gartenmann Engineering, Basel Verkehrsplanung: MoveIng, Basel Störfallversorgung: EBP Schweiz

Situationsplan des Areals ‹ Zentrale ›. Themenheft von Hochparterre, November 2023 — Prattelns neue Mitte — Die vier Bausteine von Pratteln Mitte

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Viel Potenzial und einige Fragezeichen Die Entwicklergemeinschaft der ‹ Zentrale › hat sich in allen Bereichen der Nachhaltigkeit hohe Ziele gesteckt. Ihr Vorgehen macht glaubhaft, dass all das gelingen kann. Und doch besteht die Gefahr, dass die ‹ Zen­trale › eine glückliche Insel bleibt – schliesslich richtet schon die Form des Wohnhofes den Blick eher auf die gemeinsame Mitte als auf die Stadt rundherum. Einen Anknüpfungs­ punkt bietet der baumbestandene, von Gewerbe­flächen gesäumte Stadtplatz, der an der Ecke zum Bahnhof ge­ plant ist. Er lädt die Öffentlichkeit ein, und er wird mit dem Gewerberiegel und der Werkgasse die neue Front von Pratteln nördlich der Gleise prägen. Am östlichen Rand des Zen­trale-Areals plant die Gemeinde zudem eine Primarschule als Ergänzung für die bestehende Schule auf der anderen Strassenseite, eine neue Passerelle über die Gleise ist geplant. Um die neuen Quartiere untereinander und mit der bestehenden Stadt zu verweben, werden weitere solcher Anknüpfungspunkte vonnöten sein. Das gilt auch für das Areal ‹ Gleis Süd ›, das zwar an Wohnquartiere grenzt und sich im Süden zu ihnen öffnen will, aber durch Tramgleise und die Baslerstrasse von ihnen getrennt ist. Das städte­ bauliche Konzept der HIAG deutet einen Übergang über die Tramgeleise an. Ob er bewilligt wird und die Bevölke­ rung ihn sich auch wünscht, muss sich noch herausstellen.

Die Schlüsselrolle für den Brückenschlag zwischen dem südlichen und dem nördlichen Pratteln spielt aber Bredella, das grösste Entwicklungsareal. Der neue Bahnhofplatz auf dem Areal wird als Auftakt und Visitenkarte des Stadtteils nördlich der Gleise dienen. Mit den Promenaden durch das Quartier entstehen für den Langsamverkehr erstmals at­ traktive Verbindungswege in den Norden von Pratteln. Ge­ lingt die Transformation in einen lebendigen Stadtteil, wird dies zweifellos auf die umliegenden Quartiere und bis über die Gleise ausstrahlen. Wie viele und welche Menschen nach Abschluss der Transformation auf dem Bredella-­Areal leben und arbeiten werden, ist allerdings noch ungewiss – Ina Invest wird ihr Angebot nach dem Markt ausrichten. Auch beim Chuenimatt-Areal ist es für ein Fazit noch zu früh. Erst mit der zweiten Etappe wird sich weisen, ob die Vision des Business-Parks aufgeht. Klar ist aber jetzt schon: In den vier Arealen ist viel Potenzial für eine dich­ te, klimaverträgliche Stadt mit kurzen Wegen, breitem Wohnraum-, Arbeitsplatz- und Freizeitangebot und gestal­ terischer Qualität angelegt. Die Bündelung privater, eidge­ nössischer, kantonaler und kommunaler Investitionen in Pratteln Mitte bietet zudem die Möglichkeit, die verschie­ denen Ortsteile zu einem neuen Zentrum zu verbinden. Die geplanten Bahnübergänge werden der Gemeinde zu­ gute kommen und den Bahnhof zur Drehscheibe für das Umsteigen zwischen Bahn, Bus, Velo und Auto machen.

Wohn- und Arbeitsstadt Text: Michaela Pöschik, Wüest Partner

Lange lag die kritische Grösse eines Dorfs bei 500 Perso­ nen. Ab dann würde die Einwohnerzahl sicherstellen, dass Schulen, Läden, Gasthäuser und andere Infrastrukturen wirtschaftlich betrieben werden können. Die 500er-Gren­ ze muss die Gemeinde Pratteln irgendwann im 17. Jahrhun­ dert erreicht haben: 1585 wurden noch 240 Personen re­ gistriert, 1770 699. Im Jahr 2022 zählte Pratteln stolze 16 700 Bewohner. Nun steht der nächste Meilenstein in der Entwicklung bevor. Allein durch die Areale ‹ Gleis Süd ›, ‹ Zentrale › und ‹ Bredella › rechnet die Statistik über die nächsten fünf Jahre mit 3000 zusätzlichen Bewohnerin­ nen und Bewohnern. Das sind 18 Prozent der bestehenden Bevölkerung oder sechs autarke Dörfer, die je wieder über die internen Bedürfnisse an Infrastruktur Arbeitsplätze schaffen. Diese kommen zu den 875 Arbeitsplätzen dazu, die gemäss Plänen der Baueingabe im neuen Haus der Wirtschaft auf dem ‹ Chuenimatt ›-Areal entstehen werden. Pratteln hat bereits heute eine sehr hohe Beschäfti­ gungsdichte. Auf vier Einwohnende kommen drei Beschäf­ tigte. Dieser Wert ist bedeutend höher als in benachbarten Gemeinden, in der Region und im Kanton. In Pratteln wird also gewohnt und gearbeitet – jedoch nicht unbedingt von denselben Personen. Von den insgesamt rund 14 800 Be­ schäftigten pendeln circa sechzig Prozent nach Pratteln, im Umkehrschluss sind rund vierzig Prozent der Beschäf­ tigten auch in Pratteln zu Hause. Mit dem neuen Wohnan­ gebot könnte sich dies verändern und mehr Pendler dazu verlocken, direkt vor Ort zu wohnen. Welches Verhältnis von Bewohnerinnen und Beschäf­ tigten planen die Entwickler mit ihren Projekten ? Auf dem Areal ‹ Gleis Süd › ist ein Gewerbeanteil von dreissig Pro­ zent vorgesehen. Bei einer angestrebten Bruttogeschoss­ fläche von 57 000 Quadratmetern entspricht dies einer

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Gewerbefläche von 17 000 Quadratmetern oder Platz für 400 Beschäftigte. Für die 350 Wohnungen rechnet man mit rund 800 Bewohnern. Im ‹ Gleis Süd › werden also auf vier Einwohner zwei Arbeitsplätze kommen. Ähnlich sieht es in der ‹ Zentrale › aus. Geplant sind Geschäftsflächen in einer Grössenordnung von 15 000 Quadratmetern Ge­ schossfläche und 470 Wohnungen auf 50 000 Quadrat­ metern Geschossfläche. Besonders spannend wird die Entwicklung des Gewerbes auf dem ‹ Bredella ›-Areal zu be­ obachten sein. Das Areal ist bereits heute ein funktionie­ render Gewerbepark mit rund tausend Arbeitsplätzen. Die Eigentümerin möchte diese Arbeitsplätze nicht verdrän­ gen, sondern mittels langfristiger Planung erhalten, gege­ benenfalls umplatzieren und erweitern. Heute bestehen hier bereits 50 000 Quadratmeter gewerbliche Flächen. Im Rahmen der zwanzigjährigen Entwicklung werden die­ se um 100 000 Quadratmeter Wohnfläche erweitert. Im ‹ Haus der Wirtschaft › ist mit der bereits realisierten ers­ ten Etappe von 10 000 Quadratmeter Geschossfläche ein Arbeits- und Veranstaltungsort entstanden. Mit der zwei­ ten Etappe und weiteren 20 000 Quadratmetern werden es schliesslich rund 850 Arbeitsplätze sein, die dazu bei­ tragen, das bestehende Verhältnis zwischen Bewohnerin­ nen und Beschäftigten im Lot zu halten. Die Gefahr von reinen Wohnstädten scheint somit gebannt. Zieht man das Bild des autarken Dorfs wieder heran, stellt sich die grosse Frage: Inwieweit werden es die Area­ le schaffen, gerade nicht für sich zu bleiben, sondern mit der bestehenden Gemeinde und unter sich zu einem funk­ tionierenden System zusammenzuwachsen ? Bei an sich bereits grossen und komplexen Projekten liegt es nicht auf der Hand, noch eine Dimension von Grösse, Komple­ xität und unterschiedlichen Entwicklungszeiträumen hin­ zuzufügen. Mit der zunehmenden Bevölkerung wächst zwangsläufig das Bedürfnis nach Infrastruktur. Die sich daraus ergebenden Synergien sind als Chance zu verste­ hen, hier ein grosses Ganzes entstehen zu lassen.

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Ehemalige Coop-Zentrale und Blick auf das künftige Areal Zentrale.

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Prattler Rheinufer und die schweizweit bekannte Autobahnraststätte Pratteln Nord.

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Salina Raurica – quo vadis? Um die Entwicklung der Rheinebene wird seit vielen Jahren gerungen. Nach dem Aus für die Tramlinie nach Basel werden neue Perspektiven erarbeitet. Text: Gabriela Neuhaus und Urs Honegger

Wer vom Dorfzentrum Pratteln her das Gebiet von Sali­ na Raurica erreichen will, hat zuerst die Bahnlinie und die Autobahn zu queren – sowie neuerdings auch die Rau­ ricastrasse, die Verbindungsstrasse zwischen Augst und Schweizerhalle. Der mächtige Verkehrsriegel trennt das traditionelle Siedlungsgebiet von der Ebene des Rheins. Doch jenseits der laut Statistik am stärksten frequentier­ ten Autobahnachse der Schweiz und den Bahngleisen wei­ tet sich der Blick. Er schweift über weite landwirtschaft­ lich genutzte Flächen, Industriebauten und Brachen bis zur bewaldeten Böschung, hinter der man den Fluss ahnt. Zwei Störche auf Futtersuche staksen über ein abge­ erntetes Feld. Auf einer Parzelle bewegen Bagger grosse Erdmassen. Die geschützten Kreuzkröten, die sich zwi­ schenzeitlich in der ehemaligen Grube ausgebreitet hat­ ten, wurden nach Muttenz umgesiedelt. Nun soll das Ge­ biet fit gemacht werden für künftige Firmenansiedlungen sowie Grün- und Freiraumstrukturen. Der Weg führt wei­ ter, an der Abwasserreinigungsanlage und verschiede­ nen Logistikzentren vorbei über die Rheinstrasse bis zum neu gestalteten Bushof zwischen Augst und dem Prattler Längi-­Quartier. Die Siedlung mit in die Jahre gekommenen Wohnblöcken und einer Schule, die soeben frisch saniert wurde, stammt aus den 1960er-Jahren, als Pratteln ein starkes Wachstum verzeichnete. Gefühlt gehört das Ge­ biet eher zur Gemeinde Augst, deren Dorfzentrum in Geh­ distanz liegt. Seit 2008 ist das Quartier durch die S-Bahn­ station Salina Raurica erschlossen. Hier, am genannten Bushof ‹ Augst Stundeglas ›, wäre auch die Endstation der über die Rheinebene verlängerten Tramlinie gebaut wor­ den, die Basel bereits heute mit Pratteln verbindet. Ein Millionenprojekt, das der baulichen Entwicklung des rund neunzig Hektar grossen Gebiets zwischen Schweizerhalle und Augst hätte Schub verleihen sollen. Doch dazu kommt es nicht, zumindest vorläufig nicht: Im Sommer 2021 lehnte die Stimmbevölkerung des Kan­ tons Basel-Landschaft den Planungskredit für die Tram­ verlänge­rung mit grosser Mehrheit ab. Mobilisiert hatte vor allem die Aktionsgruppe ‹ Aapacke ›, die sich für den Erhalt des noch bestehenden Grünraums in der Gemein­ de Pratteln engagiert und das Referendum ergriffen h ­ atte. « Die einst für die Industrie reservierten Flächen von Sali­ na Raurica sind zum Glück bis heute unbebaut – das soll auch in Zukunft so bleiben », wünscht sich die ehemali­ ge Prattler Gemeinderätin Denise Stöckli, Mitgründerin der Aktionsgruppe. Mit der Absage an das Tram habe die

­ evölkerung deutlich auch die Überbauung des Gebiets B negiert. Zudem habe sich die Situation in Pratteln seit der ersten Planung verändert: « Um den Bahnhof ist viel am Entstehen. » Die Gemeinde werde in den nächsten Jahren auch ohne neue Überbauungen in Salina Raurica enorm wachsen. « Umso wichtiger wäre es, die noch unbebauten Grünflächen für künftige Generationen zu erhalten. » Für Thomas Waltert, den Kantonsplaner von BaselLand­schaft, greift diese Argumentation zu kurz. Das bes­ tens erschlossene Bauland liege mitten in der trinationa­ len Metro­p olregion Basel mit einem Einzugsgebiet von rund 800 000 Menschen. « Salina Raurica ist so sehr Teil eines grösseren Ganzen, dass man sagen muss: Solche La­ gen dürfen auch überproportional wachsen, weil sie wich­ tige Aufgaben für eine ganze Region übernehmen. » Planungswettbewerb und Spezialrichtplan In der Rheinebene hat man bereits im 18. Jahrhundert Kies, Grien und Gips abgebaut. Mit der Entdeckung der Salzvorkommen und der Gründung der Saline Schweizer­ halle wurde 1837 der Grundstein für die Basler Chemie ge­ legt, die sich in der Folge rasant entwickelte. Damit die boomende Industrie entlang des Rheins über genügend Reserveflächen verfügen konnte, wurde die Schwemm­ ebene von Schweizerhalle bis zum heutigen Längi-Quar­ tier in den 1960er-Jahren zur Industrie- und Gewerbezo­ ne deklariert. Als sich dreissig Jahre später abzeichnete, dass die Chemie diese Parzellen nicht im erwarteten Um­ fang beanspruchen würde, prüfte man alternative Nutzun­ gen. Zur Debatte stand unter anderem der Bau einer gros­ sen kantonalen Kehrichtverwertungsanlage. Schon damals gab es aber auch Stimmen, die für den Erhalt der Grünflächen plädierten: Im Jahr 1987 verlang­ te die Volksinitiative ‹ Denkpause › ein zehnjähriges Bau-­ Moratorium für noch nicht beplante Flächen in Pratteln, das allerdings 1996 an der Urne abgelehnt wurde. In der Folge erklärte der Regierungsrat die Rheinebene zwischen Pratteln und Augst zum Entwicklungsgebiet mit den « bes­ ten Standortqualitäten des Kantons für Arbeiten, Wohnen, Wissen, Erleben am Rhein » und taufte sie auf den illus­ tren Namen ‹ Salina Raurica › ; ein historisch geprägtes Ver­ marktungslabel aus Salzabbau und Römerzeit. Um eine Leitidee für das gesamte Gebiet zu entwi­ ckeln, wurde ein Planungswettbewerb ausgeschrieben, den a. e. v. i mit dem Entwurf ‹ Meile am Rhein › für sich entschied. Die Vorschläge aus dem Siegerprojekt wurden darauf­hin weiterentwickelt. Sie dienten als Basis für den Spezial­richtplan Salina Raurica, der 2009 verabschiedet wurde und seither behördenverbindlich in Kraft ist. Ein gu­ ter und wichtiger Schritt, wie Thomas Waltert b ­ etont: →

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Meilensteine der Entwicklung von Salina Raurica 1836 Entdeckung des Salzvorkommens im Gebiet von Salina Raurica. Beginn der industriellen Entwicklung in Schweizerhalle. 1854 Eröffnung Bahnhof Pratteln und Beginn der industriellen Entwicklung um den Bahnhof. 1956 Die Rheinebene zwischen Schweizerhalle und Augusta Raurica wird als Industrie- und Gewerbezone zum Bauland deklariert. 1960er-Jahre Bau der Wohnsiedlung Längi. 1993 Das Projekt der geplanten ‹ Abfallanlagen Basel-Landschaft › im Gebiet Zurlinden scheitert am Referendum.

1996 Ablehnung der Volksinitiative ‹ Denkpause ›, die ein zehnjähriges Moratorium für Neubauprojekte in Pratteln verlangte. 2001 Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft präsentiert unter dem Titel ‹ Salina Raurica › eine städtebauliche Vision für die Rheinebene zwischen Augst und Schweizerhalle. 2002 / 03 Planungswettbewerb für Salina Raurica. Das Team a. e. v. i gewinnt mit seinem Entwurf ‹ Meile am Rhein ›, auf dem der Spezialrichtplan basiert. 2008 Inbetriebnahme der S-Bahnstation Salina Raurica. 2010 Inkraftsetzung des Spezialrichtplans Salina Raurica. Der Landrat spricht 21 Millionen Franken zur Entwicklung

des Gebietes bei der S-Bahn-Haltestelle Salina Raurica, die Verlegung der Kantonsstrasse und die Aufwertung der Grün- und Parkanlagen. 2012 Coop wird mit einem neuen Produktionsstandort erster Investor im Planungsgebiet Salina Raurica. 2015 / 16 Die Gemeinden Augst und Pratteln erarbeiten kommunale Nutzungspläne für ihre Gebiete in Salina Raurica – u. a. mit Salina Raurica Ost als Zone mit Quartierplanungspflicht. 2017 Im Auftrag des Kantons schreiben Losinger Marazzi eine Testplanung für Salina Raurica Ost aus. 2017 Eröffnung Coop-Produktionszentrum mit über 600 Arbeitsplätzen.

→ « Auch wenn heute vieles noch nicht umgesetzt ist, zeigt die Vision Wirkung. Ohne den Spezialrichtplan wäre Sali­ na Raurica heute wohl mit banalen Gewerbebauten aufge­ füllt – dank ihm bleibt das Areal weitgehend ein Möglich­ keitsraum für kommende Generationen. » Nutzungsplanung und Quartierplanpflicht Basierend auf dem Spezialrichtplan sollte Salina Rau­ rica innerhalb von zwanzig Jahren zu einem attraktiven, konkur­renzfähigen Wirtschaftsstandort entwickelt wer­ den. Um die erhoffte Entwicklung zu befördern, bewillig­ te das Kantonsparlament bereits 2009 einen Kredit von 21 Millionen Franken. Damit sollen Schlüssel­projekte vorangetrieben und mit Infrastrukturmassnahmen die Rahmenbedingungen für künftige Investoren verbessert werden – etwa die Verlegung der Kantonsstrasse vom Rhein an die Autobahn, die Umsiedlung der Kreuz­kröten oder die Sicherung der Trasse für einen Tramkorridor. Im Spezialrichtplan wurden den verschiedenen Teilen auch unterschiedliche Nutzungskategorien zugeschrie­ ben: Während die Parzellen westlich der Abwasserreini­ gungsanlage weiterhin für das Gewerbe und die Industrie zur Verfügung stehen, sollen im Osten des Areals auch ge­ mischte Zonen mit Gewerbe, Wohnungen und einem Quar­ tierpark entstehen. Auf einer Fläche von rund 31 Hektar wurden zu die­ sem Zweck frühere Industrie- und Gewerbezonen in eine sogenannte Zone mit Quartierplanpflicht umgewandelt. Im Auftrag des Kantons erarbeitete der Immobilien­ent­ wickler Losinger Marazzi zusammen mit Hosoya Schä­fer Architekten einen Rahmenplan. Das Siedlungsgebiet Sa­ lina Raurica Ost sollte Unterkünfte bieten für 2000 neue Bewohner und ebenso viele Arbeitsplätze. Die revidierte Nutzungsplanung wurde 2016 vom Einwohnerrat beschlos­ sen und 2017 vom Regierungsrat genehmigt. Salina Raurica neu denken Als Folge der verlorenen Tram-Abstimmung wurde die Planung für das Gebiet Salina Raurica Ost bis auf Weite­ res sistiert. Gleichzeitig brachte die Gemeinde das Räum­ liche Entwicklungskonzept ( REK ) auf den Weg, mit dem Ziel, die Bevölkerung in die planerische Entwicklung ein­ zubeziehen siehe Seite 9. « In den Mitwirkungsveranstaltun­ gen wurden die Rheinebene und Salina Raurica nicht ausgespart », sagt Gemeindepräsident Stephan Burgun­ der. « Die Gemeinde hat bewusst alle Gruppierungen ein­ geladen, und viele waren auch anwesend. » Die aufgezeig­ ten Perspektiven seien auf Zustimmung gestossen, man habe die Aussagen zu Salina Raurica schrittweise vertieft und erneut zur Diskussion gestellt – « mit deutlich positi­

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2019 Spatenstich für die neue Rauricastrasse. 2021 Ablehnung des beantragten Kredits von 8 Millionen Franken für die Planung der Tramverlängerung durch das Gebiet von Salina Raurica. 2021 Sistierung der Planung von Salina Raurica Ost bis Frühjahr 2024. 2022 Inbetriebnahme der Rauricastrasse. Ein neues Buskonzept und eine neue Verkehrsführung werden umgesetzt. 2022 – 2024 Erarbeitung Räumliches Entwicklungskonzept ( REK ).

ver Resonanz ». Stephan Burgunder und Thomas Waltert betonen, dass mit der Entwicklung von Salina Raurica die Freiraumqualitäten des Gebiets verbessert würden: Dank der Verlegung der Kantonsstrasse vom Rhein auf die neue Rauricastrasse, die parallel zur Autobahn verläuft, kön­ ne die Rheinstrasse zu einer attraktiven Verbindung für den Velo- und Fussverkehr umgestaltet werden. Mit dem Rheinpark, der Verbindungen zum Wasser schaffen soll, sowie dem geplanten Längipark in Salina Raurica Ost will man die verbleibenden Grünflächen aufwerten. « Damit Wohnen und Arbeiten in Salina Raurica künftig attrak­ tiv wird, braucht es eine entsprechende Freiraumgestal­ tung », sagt Kantons­p laner Waltert. Diesbezüglich sieht er auch für die Planung von Salina Raurica Ost noch Ver­ besserungspotenzial: « Mit dem REK haben wir eine zweite Chance erhalten. Statt des bisher vorgeschlagenen gelo­ ckerten Blockrands wäre der Einbezug neuer Siedlungs­ ideen sinnvoll – etwa, dass künftige Wohn- und Gewerbe­ liegenschaften höher gebaut werden, um mehr Grün- und Freiraum zu ermöglichen. » Korrekturen und Perspektiven Ob und wann Salina Raurica damit die Investoren und die Firmen mit dem gewünschten hohen Wertschöpfungs­ profil anzuziehen vermag, steht noch in den Sternen. Seit der Grossverteiler Coop 2016 seine neue Produktionszen­ trale LOBOS mit 600 Arbeitsplätzen im Westen von Sali­ na Raurica eröffnete, hat sich nämlich nicht mehr viel be­ wegt. Der 2018 von Elektra Baselland ( EBL ) angekündigte Bau des « grössten E-Mobility-Hubs Europas » ist nach wie vor Zukunftsmusik, und die Hoffnung, dass sich der Bio­ chemiekonzern Bachem in Salina Raurica niederlässt, zer­ schlug sich im Herbst 2022. Trotzdem bleibt Thomas Wal­ tert optimistisch: « Im westlichen Teil von Salina Raurica sind aktuell drei grosse Ansiedlungen im Gespräch. Mit der Fertigstellung der Erschliessung, die voraussichtlich Ende 2023 erfolgt, ist ein grosser Teil von Salina ­Raurica West parat. » Wichtig sei ihm aber nicht in erster Linie eine schnelle Entwicklung, sondern die Qualität der Bau­ ten, die Schaffung von attraktiven Arbeitsumgebungen, der Zugang zum Rhein für die Bevölkerung sowie, aus fis­ kalischer Sicht, die Ansiedlung von Firmen im Baselbiet. Trotz der Sistierung von Salina Raurica Ost dürfte sich auch im Osten des Gebiets in den kommenden Jahren ei­ niges bewegen, vorerst wohl auf Augster Boden: Dort soll mit der Siedlung ‹ Gallisacher Ost › ein attraktives Wohn­ quartier in unmittelbarer Nähe zum Rhein gebaut werden. Um die Mobilität für die Arbeitsplätze und die neuen Be­ wohnerinnen und Bewohner zu gewährleisten, muss der öffentliche Verkehr ausgebaut werden.

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Blick von der Autobahnraststätte nach Salina Raurica.

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Prattelns neue Mitte

Rund um den Bahnhof Pratteln entsteht ein neues Zentrum. Die Bevölkerung wird in den kommenden Jahren um fast zwanzig Prozent wachsen. Was macht das mit der Gemeinde, ihren Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Freiräumen? Wie dieses Wachstum lenken? Das Themenheft stellt das Räumliche Entwick­ lungskonzept ( REK ) vor, dokumentiert die Pläne für die Umnutzung der vier ehemaligen Indus­ trieareale rund um den Bahnhof. Und es fragt nach der kontrovers diskutierten Zukunft des sechzig Hektar grossen Gebiets Salina Raurica. Auf Spurensuche zwischen Rhein und Jura. www.hochparterre.ch / pratteln

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Hochparterre X / 18 — Titel Artikel


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