Pubertät

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Mit Mukoviszidose leben Eine Orientierungshilfe (nicht nur f체r Eltern)

Heft 3: Pubert채t


Impressum Herausgeber:

Chiesi GmbH, Hamburg

Projektagentur: CARE-LINE Bildungsprojekte GmbH, Neuried Projektleitung: Sven Timm, Chiesi GmbH

Ute Behr, CARE-LINE Bildungsprojekte GmbH

Autoren:

PD Dr. Doris Staab, Charité Berlin

Dipl.-Psych. Christine Lehmann, Charité Berlin

Thomas Malenke, Bonn

Layout/Satz:

Carsten Klein, München

Fotos:

Umschlagfoto – © Joujou (PIXELIO); S. 18 – Rob Byron (fotolia.de)

Druck:

Simson Graphix GmbH, Hamburg

1. Auflage 2012, © Chiesi GmbH, Hamburg, und CARE-LINE Bildungsprojekte GmbH, Neuried Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Chiesi GmbH und der CARE-LINE Bildungsprojekte GmbH

Das verwendete Fotomaterial und die Erfahrungsberichte sind authentisch. Die Texte wurden lediglich minimal redaktionell bearbeitet, ohne dass sich daraus inhaltliche Veränderungen ergeben hätten. Wir danken den Jugendlichen und Erwachsenen mit CF sowie deren Familien für ihre Unterstützung und Mitarbeit an dieser Broschüre. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Broschüre weitgehend auf die zusätzliche Formulierung der weiblichen Form verzichtet. Wir möchten explizit darauf hinweisen, dass diese Vorgehensweise geschlechtsunabhängig zu verstehen ist.


Inhaltsverzeichnis

Mit Mukoviszidose leben. Eine Orientierungshilfe (nicht nur für Eltern) Vorwort

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Teil 1: Medizinische Themen

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• Auf Augenhöhe: Jugendsprechstunde

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• Transition – Übergang in die CF-Erwachsenenversorgung

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• Jugendalter und Compliance

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• Ernährung

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• Physiotherapie und Sport

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• Sexualität und Kinderwunsch

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• Diabetes im Jugendalter

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• Problemkeime

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• Krisenhafte Ereignisse

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Teil 2: Psychosoziale Themen

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• Pubertät: Wegen Umbau geschlossen

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• Entwicklungsaufgabe für Eltern: Ganz fest loslassen

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• Selbstständigkeit schrittweise erlernen

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• Therapieverantwortung übernehmen

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• Auf dem Weg zu mehr Selbstwert

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• Umgang mit Krisen

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• Peergroups und das Internet

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• Schullaufbahn und Berufsplanung

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• Nachteilsausgleiche in Schule und Ausbildung

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• Selbsthilfegruppen und Reha für Jugendliche

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• Stark als Eltern

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Schlusswort

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Literatur, Adressen, Internet

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Teil 1 Umgang mit der Erstdiagnose Vorwort

Liebe Eltern, der dritte Teil unserer Broschürenreihe „Mit Mukoviszidose leben“ möchte Ihnen Hilfestellungen geben, wenn Ihre Kinder in die Pubertät kommen. Dass diese Zeit für Sie als Eltern und für Ihre Kinder viele Herausforderungen mit sich bringt, macht schon die unterschiedliche Sichtweise auf beiden Seiten deutlich: Während Sie den Heranwachsenden gefühlsmäßig noch als Kind wahrnehmen, sehen sich die Jugendlichen selbst schon als Erwachsene. Diskussionen und Machtkämpfe gehören zur Pubertät dazu. Das gilt auch für Jugendliche mit Mukoviszidose, allerdings mit dem Unterschied, dass sich aufgrund der Krankheit zusätzliche Konfliktfelder ergeben, wenn es beispielsweise um Ernährungsfragen, die Therapie allgemein oder die Notwendigkeit von Ambulanzbesuchen geht. Die (Gefühls-)Stürme der Pubertät bewirken beim Jugendlichen, dass die über Jahre gefundene Balance im Umgang mit der CF aus dem Gleichgewicht gerät. Alle Beteiligten müssen – im Dialog und in der Auseinandersetzung – neue Positionen finden. Phasen der Nähe und des Zurückgestoßenseins wechseln sich ab, was für Sie als Eltern oft unverständlich sein kann. Neben der sich entwickelnden Sexualität bringt die Pubertät auch medizinische Veränderungen mit sich. Es fallen zum Beispiel die ersten eigenständigen Ambulanzbesuche an, auf die später möglicherweise der Wechsel in die Erwachsenenambulanz folgt. Auch neue Krankheitsentwicklungen durch Problemkeime, die Notwendigkeit einer ersten i.v.-Therapie oder Diabetes können auftreten. Das alles hat weitreichende Auswirkungen auf den Alltag, die Gefühlswelt und die Selbstfindung eines Jugendlichen. Für Sie als Eltern stellen sich Tag für Tag neue Fragen: An welchen Punkten müssen Sie intervenieren, wo lediglich unterstützen, wann Absprachen treffen oder einfach nur da sein und im Hintergrund bleiben? Ziel sollte sein, dass der junge Mensch lernt, Eigenverantwortung auch in den Gesundheitsfragen zu übernehmen. Besonders Phasen der Therapieverweigerung können Sie an Ihre persönlichen Grenzen führen. Zugleich werden sich durch die zunehmende Selbstständigkeit Ihres Kindes Freiräume auftun, die sich nach Jahren der Kindererziehung ungewohnt anfühlen. Hier steckt die große Chance, dass auch Sie als Eltern die Loslösung „hinbekommen“. So wie Ihr Kind sich von Ihnen löst, ist es an Ihnen, sich von ihm zu lösen. Es ist Zeit für neue Freundschaften und Hobbys, die Wiederbelebung der Partnerschaft oder ein stärkeres berufliches oder ehrenamtliches Engagement. Nutzen Sie diese Chance! Die Erfahrung vieler Eltern, die die Pubertät ihrer Mukoviszidose betroffenen Kinder gut hinter sich gebracht haben, zeigt, dass auch diese Herausforderungen zu schaffen sind. Dabei möchten wir Sie mit dieser Broschüre unterstützen. PD Dr. Doris Staab Dipl.-Psych. Christine Lehmann Thomas Malenke

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Teil 1 Medizinische Themen

Auf Augenhöhe: Jugendsprechstunde Die Entwicklung und Reifung vom kindlichen zum jugendlichen Patienten bringt auch eine Veränderung in der Behandlungsbeziehung mit sich. Mit dem Wissen, dass Jugendliche auf dem Weg zum Erwachsenwerden immer mehr Eigenverantwortung für ihre Therapie und ihre Gesundheit übernehmen lernen müssen, werden der Arzt und das CF-Team diesen Lernprozess bei Ihrem Kind begleiten und fördern wollen. Zu der sich wandelnden Behandlungsbeziehung gehört, dass der Jugendliche im Arztgespräch selber über den gesundheitlichen Verlauf und seine Symptome berichtet und Fragen stellt, um Zusammenhänge oder Medikamentenverordnungen zu verstehen. Auch Umsetzungsschwierigkeiten der Therapie im Alltag sollten zur Sprache kommen, um mit dem Behandler neue Lösungen zu finden. Ein wichtiger Meilenstein in der Behandlungsbeziehung „auf Augenhöhe“ ist gelegt, wenn es den Behandlern gelingt, unabhängig von den Eltern eine vertrauensvolle und tragfähige Kooperation aufzubauen, um gemeinsam die chronische Erkrankung „zu steuern“.

Welche Aufgaben haben Eltern in der Jugendsprechstunde? Eltern müssen lernen, Ihr Kind zur selbstbewussten Kommunikation mit Arzt, Ernährungsberaterin usw. zu ermutigen und ihm das Wort zu lassen. Halten Sie sich mit Kommentaren zurück und kritisieren Sie Ihr Kind nicht vor Dritten. Sicherlich gibt es später Gelegenheit, dem Arzt noch Ergänzungen aus Ihrer Sicht als Mutter oder Vater mitzuteilen. Lernen Sie darauf zu vertrauen, dass die Mitarbeiter der CF-Ambulanz den Umgang mit Jugendlichen kennen, die manchmal dazu neigen, wortkarg zu sein oder Dinge zu verschweigen. In den meisten Fällen ist Ihre Familie ja auch langjährig in der CF-Ambulanz bekannt. Bei älteren Jugendlichen bleiben Eltern vor dem Sprechzimmer und werden erst im zweiten Teil der Sprechstunde zum Gespräch dazugeholt. Heranwachsende bringen manchmal auch Freund/-in oder Partner/-in mit zur Sprechstunde, jetzt sind die Eltern ganz außen vor. Vereinbaren Sie mit dem behandelnden Arzt und mit Ihrem Kind, auf welche Weise Sie Informationen über ärztliche Empfehlungen erhalten, wenn Sie als Eltern nicht mehr in der Sprechstunde dabei sind.

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Was wird von Jugendlichen erwartet? Jugendliche erleben nun, dass sie ernst genommen werden und direkter Gesprächspartner sind. Gleichzeitig ist damit auch verbunden, Verantwortung übertragen zu bekommen. Das heißt z. B. Krankheitssymptome besser wahrzunehmen und darüber zu berichten, den Umgang mit der Dauertherapie selbstständig umzusetzen und auf Verschlechterungen durch eigenes Therapiehandeln oder mit Hilfestellung von Eltern oder Arzt reagieren zu lernen.

Welche Aufgaben haben die Mitarbeiter der CF-Ambulanz? Die Herausforderung für Behandler ist, in Kontakt mit den Jugendlichen zu kommen. Dazu kann auch gehören, jenseits des Krankheitsthemas Interesse an der Person, an Hobbys oder Erlebnissen zu zeigen. Die Mitarbeiter werden z. B. nachfragen: Was läuft gut? Was fällt schwer? Welche Therapiehindernisse gibt es im Alltag? Welche Problemlösungen wurden ausprobiert? Ziel ist es, einen realistischen Blick dafür zu entwickeln, wie sich Krankheit und Therapie in die Lebenswelt des Jugendlichen integrieren lassen. Für alle Seiten stellt die Etablierung einer neuen, altersangepassten Behandlungsbeziehung eine Herausforderung dar, die viel Geduld und Fingerspitzengefühl erfordert. Es wird Fort- und Rückschritte, aber auch positive Überraschungen geben, wenn sich Entwicklungssprünge einstellen, die man nicht erwartet hat.

Transition – Übergang in die CF-Erwachsenenversorgung Nur wenige Zentren in Deutschland sind für die Behandlung von CF-Patienten aller Altersgruppen zugelassen. Der Wechsel in eine andere Behandlungseinrichtung ist da erforderlich, wo Zentren getrennte Zulassungen für Kinder-/Jugendlichenversorgung und Erwachsenenversorgung haben.

Wichtige Themen, die zu klären sind, wenn ein Wechsel ansteht: • Wann genau endet die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendbetreuung? Endet sie in jedem Fall mit Erreichen des 18. Lebensjahres oder gibt es Ausnahmen? • Wie ist die Behandlung von Erwachsenen mit CF in Ihrer Region geregelt? Gibt es eine Klinikambulanz, oder wendet man sich an niedergelassene Lungenfachärzte oder Internisten? Wo kann man weiterhin Ernährungsberatung oder psychosoziale Beratung erhalten? • Wie soll die Übergabe von Gesundheitsdaten des Patienten an den neuen Arzt oder an die Erwachsenenversorgung erfolgen?

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Übernimmt die CF-Kinderambulanz hierfür noch Verantwortung oder sind Sie/Ihr Jugendlicher selbst dafür zuständig? Soll der bisherigen Ambulanz eine Entbindung von der Schweigepflicht erteilt werden? • Wie kann man den Wechsel vorbereiten? Überprüfen Sie, ob Ihnen Arztbriefe oder Gesundheitsergebnisse vorliegen, die Sie dem neuen Arzt übergeben können. Es empfiehlt sich, dass Ihr Sohn/Ihre Tochter sich auf das Erstgespräch mit dem neuen Arzt vorbereitet, die eigene Anamnese berichten kann und Befunde bereithält. Auch wenn kein Wechsel notwendig ist, weil Ihr Kind auch über das 18. Lebensjahr hinaus im bekannten CFZentrum behandelt werden kann, verändern sich versicherungsrechtliche Aspekte, wie z. B. die Zuzahlungen. Informationen hierzu erhalten Sie bei Ihrer Krankenkasse. Ebenfalls möglich ist, dass sich im bekannten Behandlungsteam die Zuständigkeit von Mitarbeitern für den nun erwachsenen Patienten aufgrund interner Regelungen ändert. Seitens des jungen Erwachsenen gerechtfertigt ist natürlich auch die Überlegung „Wie kann sich die Beziehung zu meinem CF-Arzt gestalten, wenn ich erwachsen werde und als mündiger Patient wahrgenommen werden will?“.

Unabhängig davon, ob Ihr Kind das Behandlungszentrum wechselt oder wechseln muss, kommen zusätzlich zur spezialisierten CF-Versorgung je nach Krankheitsverlauf und Lebensabschnitt weitere Fachärzte ins

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Spiel. Hierzu zählen u. a. Gynäkologe und Urologe, Internist, Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder Orthopäde. Jeder CF-Patient verlässt spätestens mit dem 18. Geburtstag auch seinen Kinderarzt und muss sich einen Hausarzt (= Facharzt für Allgemeinmedizin) suchen. Gehen Sie davon aus, dass CF als seltene chronische Erkrankung den Fachärzten wenig bekannt sein wird. Nehmen Sie eventuell Informationsmaterial mit oder bitten Sie den Facharzt um Kontaktaufnahme zum CFArzt, wenn der Eindruck entsteht, dass Absprachen zwischen beiden nötig sind. Möglicherweise erhalten Sie auch über die CF-Selbsthilfe in Ihrer Region Adressen und Empfehlungen. Transition oder ein Wechsel im Behandlerteam muss nicht immer schwierig sein. Es kann durchaus für den Einzelnen auch eine Chance zur „Emanzipation“ sein, zu einem neuen, eigenverantwortlichen Umgang mit der Krankheit und den behandelnden Ärzten.

Dem Wechsel von der Kinder- in die Erwachsenenambulanz habe ich damals mit sehr gemischten Gefühlen entgegengesehen. Einerseits empfand ich es als positiv und erhoffte mir dort eine bessere Betreuung, speziell bei erwachsenenspezifischen Problemen. Andererseits hatte ich auch Bedenken: Gerade weil CF eine chronische Erkrankung ist, fand ich die personelle Kontinuität bei meinen Ärzten wichtig und war vor allem deshalb skeptisch, weil ich dort eine neue Ärztin bekommen sollte. Zudem hatte ich im Vorfeld gehört, dass in manchen Erwachsenenambulanzen alle paar Monate ein anderer Assistenzarzt zuständig ist. Womöglich immer wieder aufs Neue seine Krankengeschichte erzählen zu müssen, war keine beruhigende Aussicht ... Doch was soll ich sagen: Der Wechsel damals hat richtig gut geklappt. Nur ganz am Anfang trat ein Kommunikationsproblem mit der neuen Ärztin auf, das meine „alte“ Kinderärztin mithalf zu lösen. Später, bei der Diagnose von Diabetes, war es erst auch etwas mühsam, im Bereich der Erwachsenenmedizin jemanden zu finden, der von Diabetes bei CF Ahnung hatte. Auch hier half auf mein Drängen hin dann eine sehr erfahrene Diabetologin der Kinderklinik aus. Davon abgesehen, fand ich die Behandlung sehr gut. Allerdings wurde mir schnell klar, dass es in der Erwachsenenmedizin für jedes medizinische Teilproblem einen extra Arzt gibt: Einen Gastro-Spezialisten, einen für das Thema Osteoporose … Bei CF als Multiorganerkrankung hat man so automatisch mit etlichen verschiedenen Ärzten zu tun. Umso wichtiger war es, dass ich mich gemeinsam mit meinem CF-Arzt darum kümmerte, für einen guten Informationsfluss zwischen allen Behandlern zu sorgen. Anonymer Erfahrungsbericht

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Jugendalter und Compliance Es gibt vielfältige Möglichkeiten, mit einer chronischen und die Lebenserwartung beeinträchtigenden Erkrankung umzugehen. Dass wir heute über so unterschiedliche Lebensentwürfe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen reden können, zeigt den enormen Fortschritt, der in der Behandlung der Mukoviszidose erreicht wurde. Allerdings bedeutet das für jeden Einzelnen auch, die aufwendige Therapie in den Alltag zu integrieren und dabei nicht nur „für die Krankheit“, sondern „mit der Krankheit“ zu leben. Wie gut das vielen CF-Betroffenen gelingt, ist immer wieder sehr beeindruckend. Bei aller Verbesserung der Lebenserwartung, der Lungenfunktion und der Lebensqualität zeigen alle Registerdaten weiterhin einen nahezu unveränderten Abfall der Lungenfunktionswerte (FEV1) in der Altersgruppe zwischen 12 und 25 Jahren. Außerdem fällt auf, dass junge Frauen mit CF ein höheres Risiko zur Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes während der Pubertät haben als junge Männer.

Was sind die Gründe? Neben hormonellen Aspekten werden als Ursachen hierfür vor allem soziale Einflüsse diskutiert. Jugendliche orientieren sich entwicklungsbedingt zunehmend an dem Wertesystem der Gleichaltrigengruppe. Der Einfluss von Schönheitsidealen, wie z. B. der untergewichtigen Modelfigur, und der meist weniger gesundheitsorientierte Lebensstil im Freundeskreis werden daher immer wichtiger. Außerdem sind in Studien nachgewiesene geschlechtsspezifische Faktoren auszumachen. Obwohl sich Mädchen und junge Frauen tendenziell mehr Sorgen um ihre Gesundheit machen, führt dies nicht zwangsläufig zu mehr Therapie. Die Krankheitsbewältigung bleibt oft in der Beschäftigung mit den belastenden Gefühlen stecken. So wirkt sich die geringere körperliche Aktivität junger Frauen mit CF ungünstig auf den Verlauf der Lungenfunktion aus. Bei der handlungsorientierten Krankheitsbewältigung schneiden Jungen und junge Männer tendenziell besser ab. Soziale Anforderungen an „Männlichkeit“ scheinen günstiger für CF zu sein, ist hiermit doch ein aktiver, sportlicher Lebensstil und das Ideal, sein Leben „im Griff“ zu haben, verbunden. „Non-Compliance“ oder „Non-Adherence“, d. h. inkonsequente Therapiedurchführung und nicht ausreichende Verantwortungsübernahme bei Jugendlichen, führt seitens der Behandler und Eltern zu immer mehr Ideen, wie Therapie besser kontrolliert und überwacht werden kann. Diese Ansätze enden nicht selten in Konfrontation und Eskalation zwischen den Beteiligten und erweisen sich als falsche Strategien.

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Eltern wie Behandler müssen realisieren, dass Jugendliche mit CF sich in ihrem Sozialgefüge in erster Linie als junge Männer oder Frauen begreifen und erst in zweiter Linie als Jugendliche mit CF. Das Ziel eines jeden ist die Teilhabe am „normalen“ Leben. Diese wird gelegentlich durch Krankheitssymptome behindert. Nun kann Therapie helfen, diese zu mildern und wieder Normalität zu erreichen. Sobald das allerdings der Fall ist, wird Therapie eher als störend erlebt und wieder vernachlässigt – solange man es sich gesundheitlich „leisten“ kann. In diesem Spannungsfeld muss jeder Heranwachsende mit CF seinen persönlichen Weg finden.

Viele Auswirkungen von „Non-Compliance“ sind nicht sofort spürbar und führen eher zu schleichender Krankheitsverschlechterung. Daher brauchen Heranwachsende Unterstützung in Form von Patientenschulungen, die individuell oder als Gruppenschulung in der CF-Ambulanz oder im Rahmen einer Jugendlichen-Reha wahrgenommen werden können. Diese Maßnahmen sind wichtige Bausteine für die wachsende Selbstverantwortung beim Krankheitsmanagement.

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Ernährung Jahrelang hat man als Eltern die Verantwortung für das gute Gedeihen des Kindes, wohl wissend, wie wichtig dies für den langfristigen Verlauf der Erkrankung ist. Während der Adoleszenz schwindet der elterliche Einfluss. Die Jugendlichen entscheiden mehr und mehr selbst über ihre Nahrungsaufnahme. Essen muss schnell gehen und erschwinglich sein, hochkalorische Nahrungsergänzungsmittel werden häufig wegen der Stigmatisierung abgelehnt. Hier ist es wichtig, Jugendlichen rechtzeitig die Freude am Kochen zu vermitteln und eine Tradition gemeinsamer Familienessen zu erhalten. Darüber hinaus ist das sogenannte Fastfood, das wegen seiner hohen Energiedichte für gesunde und eher übergewichtige Jugendliche verteufelt wird, für CFPatienten gar keine so schlechte Ernährung. Natürlich sollte das nicht die einzige Art der Nahrungsaufnahme sein. Je früher Kinder gelernt haben, offen mit der Medikamenteneinnahme zu den Mahlzeiten umzugehen, umso weniger wird es für sie in der Jugend ein Problem sein, ihre Kapseln auch im Beisein anderer einzunehmen. Bei jungen Mädchen spielt immer noch das Ideal der superschlanken Modelfigur in der Peergroup eine wesentliche Rolle. Dies kann nicht nur durch weniger Essen erreicht werden, sondern viel weniger auffällig durch Reduktion der Enzymeinnahme. Bei jeder unerklärlichen Gewichtsabnahme sollte dieses Thema daher angesprochen werden. Hier hilft nur, jungen Mädchen ein gutes Selbstbewusstsein zu vermitteln, sodass sie diesen Gruppenzwang nicht mitmachen müssen. Dies gilt genauso für den Alkohol- und Drogenkonsum. Eine starke Familienbindung ist der beste Grundstein für eine starke Persönlichkeit und damit die beste Suchtprävention. Junge Männer haben es in puncto Ernährung etwas leichter, da hier das Schönheitsideal eher zu kräftigeren, muskulösen Figuren neigt. In Fitnessstudios sind Zusatznahrungen an der Tagesordnung, daher haben die Patienten eher einen Vorteil, wenn sie diese auf Rezept bekommen. Es gibt aber auch Jugendliche, die trotz maximaler Anstrengung bei fortgeschrittenem Krankheitsstadium einfach nicht in der Lage sind, ihr Gewicht zu halten oder zuzunehmen. Hier müssen Interventionen wie eine PEG-Sonde (= perkutane endoskopische Gastrostomie-Sonde) zur nächtlichen Sondenernährung angespro-

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chen werden. Dies wird häufig als erheblicher Eingriff in die körperliche Integrität empfunden und vehement abgelehnt. In solchen Situationen lohnt es sich im Gespräch zu bleiben und eventuell über Alternativen, wie das abendliche Legen einer nasogastralen Sonde, zu sprechen, die morgens wieder gezogen werden kann. Es ist erstaunlich, was Jugendliche alles schaffen können, wenn sie von der Notwendigkeit und Wirksamkeit einer Maßnahme überzeugt sind. Dabei helfen die Erfahrungen anderer Mitpatienten oft mehr als die Beratung durch Behandler und Eltern. Insgesamt ist es wichtig, dass bei Gewichtsproblemen eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und/ oder Ernährungsberaterin und dem Jugendlichen herrscht, damit alle Themen rund um die Ernährung und ihre Bedeutung für den langfristigen Krankheitsverlauf offen besprochen werden können.

Physiotherapie und Sport Physiotherapie und Inhalation gehören nachweislich zu den unbeliebtesten Therapien im Jugendalter. Sie sind zeitaufwendig und erinnern an die Krankheit. Bei dem üblichen Terminplan eines Jugendlichen ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Therapien am schwierigsten in den Alltag zu integrieren sind. Auch hier ist wieder eine offene Kommunikation mit dem Arzt notwendig. Man kann immer verhandeln und Kompromisse finden. Für den behandelnden Arzt ist nur wichtig zu wissen, welche Therapiemaßnahmen durchgeführt werden und welche nicht, damit er nicht in die Situation kommt, immer mehr Unrealistisches zu verordnen. Auch wenn es einmal zu einer Ermüdungsphase bei der Physiotherapie kommt, kann dies durch andere sportliche Aktivitäten ausgeglichen werden. Hauptsache ist Bewegung. Dafür muss man nicht unbedingt im Fußballverein sein oder ins Fitnessstudio gehen, schon regelmäßige alltägliche Bewegung hilft: Treppensteigen statt Aufzugfahren, Fahrradfahren statt Autofahren usw. Hier können Sie als Eltern mit gutem Beispiel vorangehen und dabei selbst etwas für Ihre Gesundheit tun. Aus mehreren internationalen Studien ist eindeutig belegt, dass die körperliche Aktivität einer der besten Prädiktoren für eine stabile Lungenfunktion ist. Und wieder haben junge Männer einen Vorteil, denn bei ihnen gehört sportlich zu sein zum Idealbild. Sie bewegen sich in allen Untersuchungen deutlich mehr als gleichaltrige Mädchen und zeigen einen geringeren Abfall der Lungenfunktion während der Pubertät. Somit wird Sport

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und Bewegung zu einem Auftrag für die ganze Familie. Welchen Sport man betreibt, ist dabei nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass es Spaß macht und mit wenig Aufwand regelmäßig in den Alltag zu integrieren ist. Alle Aktivitäten, wie Gehen, Laufen oder Treppensteigen, sind dabei außerdem eine hervorragende Osteoporoseprophylaxe. Die mangelnde Knochendichte und die erhöhte Gefahr von Knochen­ brüchen ist durchaus ein Thema erwachsener CF-Patienten. Je besser die Knochendichte beim Abschluss des Wachstums ist, umso geringer ist später das Osteoporoserisiko.

Sexualität und Kinderwunsch Während früher noch von verzögerter Pubertätsentwicklung bei CF-Patienten die Rede war und Themen wie Sexualität und Kinderwunsch eher exotisch wirkten, hat sich dies heute zum Glück deutlich verändert. Die Mehrzahl der Jungen und Mädchen mit CF machen eine altersgerechte Pubertätsentwicklung durch. Sexualität wird in dieser Altersgruppe zu einem normalen Thema. Daher sollten Verhütung und geschützter Sexualverkehr in der Aufklärung zu Hause genauso Themen sein wie bei gesunden Geschwistern oder Freunden. Sollten dabei Fragen zur Fruchtbarkeit auftauchen, bei deren Beantwortung Sie sich unsicher fühlen, fordern Sie Ihre Kinder auf, dieses Thema mit ihrem behandelnden Arzt zu besprechen.

Erste Liebe Wie schön, wenn sich Ihre Tochter oder Ihr Sohn verliebt hat. Meistens geht den Eltern gleich die längerfristige Perspektive durch den Kopf. Ist es der/die Richtige? Kann er/sie wohl die Krankheit akzeptieren? Wird er/sie Ihr Kind in Therapieangelegenheiten unterstützen? Sie möchten natürlich nicht, dass Ihr Kind Liebeskummer hat, nur weil die Mukoviszidose zum Problem wird. Sie wünschen sich vielleicht für Ihr Kind eine/n Partner/-in mit einem günstigen und unterstützenden Einfluss, was die Therapie angeht.

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Wenngleich es sehr verständlich ist, dass Sie das Beste wollen: Ihr Kind wird sich wahrscheinlich in die Liebe nicht hineinreden lassen.

Wie gehen Jugendliche mit der Situation um? Fragt man Jugendliche über ihre Strategien in der „Kennenlernphase“, so stellt sich heraus, dass je nach Persönlichkeit ganz unterschiedliche Herangehensweisen gewählt werden. Es gibt diejenigen, die „alles auf sich zukommen lassen“ oder erst einmal abwarten, wie sich die Beziehung entwickelt, bevor sie über Krankheit oder Therapie reden wollen. Manche haben ein so gutes Selbstbewusstsein, dass sie auch noch gelassen bleiben können, wenn es doch nicht klappt und man sich wieder trennt. Andere ärgern sich im Nachhinein, nicht früher die Krankheit angesprochen zu haben, wenn der Freund/die Freundin beleidigt reagieren, weil sie erst so spät davon erfahren haben. Und es gibt diejenigen, die spätestens dann das Krankheitsthema zur Sprache bringen, wenn es „ernst“ wird, d. h. wenn man nach einer eher lockeren Kennenlernphase offiziell miteinander geht. Manche legen sich dafür ein paar Eingangssätze zurecht, damit sie in der konkreten Situation nicht vor Aufregung herumstottern und das Eigentliche vor lauter Aufregung nicht vermitteln können. Was Jugendliche nicht wollen, ist, dass Mutter oder Vater hinter ihrem Rücken oder in ihrem Beisein ohne Absprache den neuen Freund/die neue Freundin auf ihre Krankheit ansprechen. Machen Sie also keine Alleingänge, auch wenn es noch so gut gemeint sein sollte.

Fertilität Mehr als 98% der männlichen CF-Patienten sind infertil (= zeugungsunfähig) aufgrund einer Verklebung des Samenstrangs. Bei unbeeinträchtigter Potenz gelangen keine Spermien in das Ejakulat, dessen Menge auch etwas reduziert sein kann. Bei einer Befragung von männlichen CF-Patienten in Australien wussten zwar 90% der erwachsenen Patienten, aber nur 60% der Jugendlichen und 50% der Eltern von dem Problem der Infertilität. Da man nicht mit letzter Sicherheit eine Infertilität vorhersagen kann, sollte im Einzelfall bei jedem männlichen Patienten ein Spermatogramm bei einem Urologen durchgeführt werden. In der klinischen Betreuung der Patienten stellt sich immer wieder die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt für ein Gespräch über dieses Thema. Von erwachsenen Patienten wurde retrospektiv das Alter von 12 bis 14 Jahren angegeben. Da es für den behandelnden Arzt oft nicht einfach ist, zu erahnen, wann das Thema für den Patienten aktuell wird, fordern Sie Ihre Kinder auf, den Arzt darauf anzusprechen. Wenn Sie den Eindruck haben, dass sich Ihr

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Sohn/Ihre Tochter noch nicht traut, über dieses oft mit Scham besetzte Thema zu sprechen, geben Sie dem Arzt einen Hinweis! Frauen mit CF haben eine etwas geringere Fertilität als gleichaltrige gesunde Frauen. Dies liegt einerseits an dem hochviskösen Zervixschleim, andererseits an möglichen hormonellen Störungen durch Untergewicht. In mehreren Untersuchungen zum Sexualverhalten von Frauen mit CF fanden sich keine Unterschiede zu einer gleichaltrigen gesunden Kontrollgruppe. Es zeigten sich keine Unterschiede bezüglich des Alters bei Beginn sexueller Aktivitäten und der Häufigkeit sexueller Kontakte. Der einzige Unterschied lag darin, dass CF-Patientinnen deutlich seltener Verhütungsmittel benutzten als die Kontrollgruppe. Trotz des etwas geringeren Risikos schwanger zu werden bzw. ein Kind zu zeugen, sollte unbedingt auf die Notwendigkeit des geschützten Geschlechtsverkehrs hingewiesen werden, da natürlich das Infektionsrisiko bezüglich HIV und Hepatitis ebenso besteht wie für andere Menschen auch.

Kinderwunsch Die Themen Partnerschaft, Familienplanung und Kinderwunsch beschäftigen heute CF-Patienten genauso wie Gesunde. Allerdings sind Entscheidungen in diesem Bereich durch die chronische Erkrankung schon erschwert. Auf der einen Seite stehen das Bedürfnis nach Normalität, nach Anerkennung als vollwertige Frau/vollwertiger Mann, die Angst vor Ablehnung und Alleinsein und der Wunsch nach Selbstverwirklichung durch ein Kind. Auf der anderen Seite gibt es aber auch genügend Gründe, die gegen eine Schwangerschaft sprechen: Man möchte die zur Verfügung stehende Zeit für sich selbst nutzen und die Partnerschaft genießen. Man möchte angesichts der eingeschränkten Belastbarkeit durch die Erkrankung und der verkürzten Lebenserwartung die Verantwortung für ein Kind nicht übernehmen, dem Partner/der Partnerin die Mehrarbeit nicht aufbürden oder zumuten, gegebenenfalls das Kind alleine großziehen zu müssen. Nicht zuletzt hängt die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft bei CF-Patientinnen auch maßgeblich vom Gesundheitszustand und den zu erwartenden Komplikationen für Mutter und Kind ab. Einer geplanten Schwangerschaft sollte ein ausführliches Gespräch zwischen Arzt und beiden Partnern vorausgehen, in

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dem offen alle möglichen Komplikationen besprochen werden. Insbesondere sollte rechtzeitig zu Hause die Infrastruktur für die Versorgung des Kindes bei einer akuten Verschlechterung des Gesundheitszustands der Mutter, bei Krankenhausaufenthalten und während der notwendigen Therapie aufgebaut werden. Bei unerfülltem Kinderwunsch stehen neben Adoption auch verschiedene In-vitro-Fertilisationstechniken zur Verfügung. Auch bei der männlichen Infertilität ist mittels Insemination mit durch Hodenpunktion gewonnenen Spermien eine Vaterschaft möglich.

Schwangerschaft bei CF Patientinnen in guter gesundheitlicher Verfassung können relativ problemlos Schwangerschaften austragen. Je nach Gesundheitszustand muss allerdings mit einem erhöhten Risiko für Mutter und Kind, z. B. für die Entwicklung eines Schwangerschaftsdiabetes sowie hinsichtlich des Ernährungszustandes, gerechnet werden. Eine Verschlechterung der Lungenfunktion muss nicht mehr zwangsläufig in Kauf genommen werden. Eine antibiotische Therapie ist nach den ersten 3 Monaten der Schwangerschaft gefahrlos möglich. Für das Kind besteht ein leicht erhöhtes Risiko einer Frühgeburt, einer intrauterinen Mangelernährung sowie einer diabetischen Fetopathie bei Diabetes der Mutter. Als Risikofaktoren für einen komplizierten Schwangerschaftsverlauf gelten eine Vitalkapazität (VC) <60%, ein forciertes expiratorisches Volumen in 1 Sekunde (FEV1) <40%, ein schlechter Trainingszustand, Rechtsherzbelastungszeichen, Untergewicht, eine diabetische Stoffwechsellage oder das Vorliegen einer Leberzirrhose. Insgesamt erfordert eine Schwangerschaft bei CF regelmäßige Kontrollen des Gesundheitszustands der Mutter, eine hohe Disziplin bei der Durchführung der Therapie sowie eine enge Kooperation zwischen dem betreuenden CF-Zentrum und dem Gynäkologen. Sexualität, Kinderwunsch und Lebensplanung sind normalerweise Lebensthemen, die nicht unbedingt mit einem Arzt besprochen werden. Im Falle der Mukoviszidose ist dies jedoch unbedingt anzuraten, weil viele Unsicherheiten im Vorfeld geklärt und eine individuelle Beratung unter Einbeziehung des jeweiligen Gesundheitszustands in Anspruch genommen werden können. Da bei Behandlern oft große Unsicherheit herrscht, wann dieses Thema für den Jugendlichen von Bedeutung ist, hilft nur aktives Ansprechen in der Sprechstunde!

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Ich bin 17 Jahre alt und seit einigen Wochen habe ich meinen ersten Freund. Früher habe ich mir das alles viel schwieriger vorgestellt. Ich hätte nicht gedacht, dass es so einfach wäre, zu sagen „Ich bin krank“. Ich hatte zwar noch nie Probleme damit, das offen auszusprechen, aber ich hatte das Gefühl, dass es eine ganz andere Situation sein würde. Da wir uns in der Zeit einer i.v.-Therapie kennengelernt haben, fand das klärende Gespräch sehr früh statt, bevor wir überhaupt zusammengekommen sind. Ihm zu erzählen, dass ich chronisch krank bin, fiel mir nicht schwerer als bei anderen. Ich habe ihm nach und nach die Krankheit erklärt, weil ich nicht mit allem auf einmal ankommen wollte. Er hat es gut aufgenommen, immer mal nachgefragt, aber nie gebohrt. Inzwischen erinnert mein Freund mich sogar immer daran, mein Kreon zu nehmen, und nimmt meine Therapie viel ernster als ich selber. Ich bin froh, dass er praktisch von Anfang an Bescheid wusste, denn so musste ich mich nicht verstellen, und eine nachträgliche „Beichte“ war unnötig. (...) Die Mukoviszidose beeinträchtigt mich zum Glück bisher nicht im Geringsten. Wir führen eine ganz normale Beziehung, wie andere Jugendliche auch. Meine Befürchtungen, dass ich durch die Krankheit eine Sonderposition in Sachen Liebe akzeptieren müsste, haben sich zum Glück nicht bestätigt. Erfahrungsbericht von Cara O., 17 Jahre alt

Ich kannte meine Freundin schon drei Monate, bevor ich ihr gesagt habe, dass ich Mukoviszidose habe. Da war erst mal eine Kennenlernphase, da wusste ich noch nicht genau, ob wir zusammenkommen. Als wir zusammenkamen, habe ich ihr ein paar Tage später erzählt, dass ich eine Krankheit habe. Ich habe gesagt, ich hätte eine Lungenerkrankung, und dass ich öfters ins Krankenhaus muss, und dass ich oft erkältet bin. Ich habe sie gefragt, ob sie das mitmachen würde, ob sie mich auch mit Krankheit will und mit mir zusammenbleibt, wenn es mir nicht so gut geht. Sie meinte, auch wenn ich eine sehr schwere Krankheit habe, sie bleibt trotzdem mit mir zusammen. Da war mir klar, sie liebt mich wirklich. Ich habe mich nicht besonders auf dieses Gespräch vorbereitet. Ich war einfach nur gespannt darauf, wie sie reagieren würde. Hätte sie komisch reagiert, hätte ich mich nicht mit ihr eingelassen. Sie ist mehrmals zur CF-Ambulanz mitgekommen, sogar mit ins Untersuchungszimmer zum Arztgespräch. Auch im Krankenhaus war sie zu Besuch, wenn ich stationär dort sein musste. Manchmal hat sie sogar die Schule geschwänzt, nur um mich zu sehen. Sie hat mir Essen mitgebracht und war sehr fürsorglich. Ich finde, man sollte von Anfang an ehrlich sein und von Mukoviszidose erzählen, sonst könnte eine Freundin oder ein Freund geschockt reagieren. Sie könnten sich nicht ernst genommen fühlen, wenn man ihnen das erst Wochen oder Monate später sagt. Vielleicht würde ihnen auch gar nicht klar werden, dass wirklich eine Krankheit da ist. Erfahrungsbericht von Bilal A.

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Diabetes im Jugendalter Diabetes ist bei CF mit zunehmendem Alter eine häufige Komplikation. Nach den vorliegenden Registerdaten haben etwa 75% der erwachsenen CF-Patienten eine gestörte Zuckerverwertung (pathologische Glukosetoleranz), etwa 25% der Patienten werden im Laufe ihres Lebens insulinpflichtig. Bei dem CF-assoziierten Diabetes handelt es sich weder um den klassischen juvenilen Diabetes (Typ 1 Diabetes) noch um den Altersdiabetes (Typ 2 Diabetes), sondern um einen Insulinmangel durch die zunehmende Fibrosierung der Bauchspeicheldrüse, sodass es anfänglich zu verzögerter und dann zu verminderter Insulinausschüttung kommt. Leider manifestiert sich der Diabetes erstmalig häufig in einem Alter zwischen 15 und 25 Jahren, in dem der Jugendliche sowieso mit seiner chronischen Erkrankung hadert. Da aber die ungünstige Auswirkung eines unbehandelten Diabetes für den langfristigen Verlauf der Lungenfunktion gut dokumentiert ist, muss es im Interesse aller sein, den Jugendlichen dazu zu bringen, eine frühzeitige Insulintherapie zu akzeptieren. Wenn der erste Widerstand überwunden ist, merken die Jugendlichen meist relativ schnell, dass sie deutlich leistungsfähiger werden und wesentlich besser Gewicht zunehmen können, sodass es im weiteren Verlauf nur selten zu Akzeptanzproblemen kommt. Um die Entwicklung einer gestörten Glukosetoleranz frühzeitig zu entdecken, gehört es zur Routineversorgung, ab dem 10. Lebensjahr einmal jährlich einen oralen Glukosetoleranztest durchzuführen. Wenn hier grenzwertige Blutzuckerwerte entdeckt werden, kann mit einer Ernährungsberatung die Manifestation eines insulinpflichtigen Diabetes oft noch Jahre hinausgezögert werden. Regelmäßige Kontrollen sind aber unerlässlich, da die Symptome eines beginnenden Diabetes sehr unspezifisch sind und häufig nicht als solche erkannt werden: Leistungsknick, Gewichtsabnahme und gelegentlich sogar Unterzuckerung. Ein diabetisches Koma, wie man es vom Typ 1 Diabetes kennt, tritt bei CF nicht auf. Häufige schwere Infektionen und die Notwendigkeit einer Cortisontherapie erhöhen das Risiko der Entwicklung eines Diabetes. Die Insulintherapie kann heute so flexibel gehandhabt werden, dass man fast alle Ernährungsgewohnheiten damit kontrollieren kann. Eine strenge Diät ist nicht erforderlich. Insbesondere sollten CF-Patienten mit Diabetes ihre hochkalorische Ernährung fortsetzen und nicht versuchen, durch diätetische Einschränkung um das Insulinspritzen herumzukommen. Hilfreich bei Akzeptanzproblemen kann sein, andere CF-Betroffene mit Diabetes kennenzulernen. Dies kann über die Ambulanz vermittelt werden oder in einer Jugend-Reha geschehen.

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In jedem Fall sollten Schule oder Ausbildungsstätte über den Diabetes informiert werden, damit Verständnis für Leistungsknicke aufgrund von Unterzuckerungen oder die Notwendigkeit für Zwischenmahlzeiten aufgebaut werden kann. Eventuell ist es sinnvoll, Nachteilsausgleiche zu beantragen, wie im entsprechenden Artikel in diesem Heft beschrieben (vgl. S. 41).

Problemkeime Das Hygienethema ist für Sie als Eltern in der Regel von Anfang an belastend. Während man in den ersten Jahren das Umfeld des Kindes noch weitgehend unter Kontrolle hatte, entzieht sich der heranwachsende CF-Patient genauso wie seine Altersgenossen zunehmend der Kontrolle der Eltern. Hier ist das Thema der Eigenverantwortung wieder von Bedeutung. Je besser man es geschafft hat, bis zu diesem Zeitpunkt dem Jugendlichen die Verantwortung für den Umgang mit seiner Erkrankung selbst in die Hände zu geben, umso beruhigter kann man sie als Eltern in diese Phase gehen lassen. Von Problemkeimen spricht man, wenn die Lunge eines Patienten mit Bakterien oder Pilzen besiedelt ist, von denen entweder bekannt ist, dass sie relativ aggressiv sind (z. B. Burkholderia cenocepacia), oder wenn der Keim von Natur aus sehr resistent gegen die üblichen Antibiotika ist (z. B. Staphylokokken oder multiresistente Pseudomonas-Erreger). In der Regel geht die Hauptgefahr für seltene Problemkeime nicht von dem Teil der Umwelt aus, den man kont­rollieren kann. Viele Erreger sind einfach in der Luft oder im Boden, und der Kontakt lässt nicht wirklich vermeiden. Die beste Art, sich davor zu schützen, ist eine stabile Lungengesundheit mit guter Lungenfunktion und wenig Sputum. Auch an dieser Stelle wird wieder deutlich, wie wichtig für CF-Betroffene ein körperlich aktiver Lebensstil und eine regelmäßige Inhalationstherapie sind. Regelmäßige Sputum- oder Rachenabstrichkontrollen in der CF-Ambulanz oder beim Kinderarzt/Hausarzt sind unerlässlich, um eine Besiedelung so früh wie möglich festzustellen und die Behandlung so bald wie möglich beginnen zu können.

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Besondere Vorsichtsmaßnahmen zur Vermeidung einer Infektion mit Problemkeimen sind im Krankenhaus und im Umgang mit anderen CF-Patienten geboten. Hier empfiehlt sich nicht nur beim stationären Aufenthalt, sondern auch beim Ambulanzbesuch regelmäßige und gründliche Händedesinfektion sowie ggf. das Tragen eines Mundschutzes in öffentlichen Bereichen, wie z. B. Wartezonen. Sollte Ihr Kind einen Problemkeim haben, wird die CF-Ambulanz ihrerseits Verhaltensvorschriften machen. Zum Beispiel wird das Durchführen einer Lungenfunktion an das Ende einer Sprechstunde gelegt, um anschließend Desinfektionsmaßnahmen vornehmen zu können. Auf Patienten mit Problemkeimen wird auch bei Patientenveranstaltungen, bei der Reha oder bei stationären Aufenthalten ein besonderes Augenmerk gerichtet. Je nach Keim ist z. B. die Teilnahme an einer Reha oder einer Klimakur ausgeschlossen. Dies geschieht allein zum Schutz der Mitpatienten, wird aber von Betroffenen oft als Stigmatisierung und Ausschluss aus der CF-Community erlebt. Wenn dies Ihrem Kind passiert, kann es hilfreich sein, den Kontakt via Internet zu anderen Mitpatienten aufrechtzuerhalten. Über die Selbsthilfe oder Chatrooms kann man erkunden, welche Bewältigungsstrategien andere CF-Betroffenen mit Problemkeimen für sinnvoll und machbar halten.

Als Jugendlicher habe ich mich mit Krankheitsveränderungen oft allein gefühlt, z. B. als ich Pseudomonas bekam. Ich war trotz aller angebotenen Hilfe überfordert. Wenn schon die CF mein Leben diktierte, dann wollte ich mich nicht noch zusätzlich von Ärzten und Eltern unter Druck setzen lassen. Es schien mir auch so aufwendig und einengend, wenn ich ihre Tipps befolgt hätte. So wehrte ich mich. Andererseits wusste ich selbst nicht, wie ich gut mit mir umgehen konnte. Der Arzt schlug vor, eine i.v.-Therapie in der Klinik zu machen – „Zu Ihrer Sicherheit …“, versteht sich. Ich fand das ätzend und wollte mein normales Leben weiterführen, mit Freunden ins Kino gehen, Fußball schauen, chillen usw. Aber die i.v. zu Hause zu machen, fand ich auch blöd, da redeten meine Eltern ständig rein. Ich habe deshalb erst mal gar keine i.v. gemacht, bis es mir irgendwann richtig dreckig ging, da ging es nicht mehr anders. Wir haben uns dann auf einen Kompromiss geeinigt: Erst in die Klinik und nach einigen Tagen durfte ich mitentscheiden, ob ich nach Hause wollte. Als ich als junger Erwachsener Diabetes bekam, fiel mir der Umgang damit viel, viel leichter. Ich konnte die Hinweise meiner Eltern und meines Arztes entspannter entgegennehmen und war ihnen sogar sehr dankbar. Ich war weniger mit mir befasst und darum offener nach außen. Natürlich bedauerte ich, dass ich mich nun um eine weitere Komplikation kümmern musste. Irgendwie sah ich es als Herausforderung an, mich da einzuarbeiten. Ich entwickelte einen regelrechten Ehrgeiz, mit möglichst wenig Veränderung Diabetes zu managen. (…)

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Diabetes bedeutete für mich, so wie damals Pseudomonas, mehr Planung, mehr Fehlzeiten und mehr Aufpassen. Gerade wenn man so lebenslustig wie ich ist, fällt einem das schwer. Einen Urlaub in entlegenen Regionen würde ich heute nicht mehr machen – was passiert, wenn da das Inhaliergerät ausfällt? Oder wenn der Traubenzucker dort ausgeht oder sich in der Wärme auflöst? Grundsätzlich hilft mir bei Veränderungen meine positive Weltsicht. „Das Glas ist halb voll und nicht halb leer.“ Ich versuche alle Schwierigkeiten als Herausforderungen zu sehen und sie kämpferisch gut gelaunt anzugehen. Und je mehr ich bewältigt habe, desto mehr Selbstvertrauen hat mir das gegeben. Anonymer Erfahrungsbericht

Krisenhafte Ereignisse Akute Ereignisse im Atmungssystem Mit fortschreitender Krankheitsdauer, d. h. mit zunehmendem Alter Ihres Kindes, erhöht sich das Risiko, unvorhersehbare Krankheitskrisen zu erleben. Dies kann zu starker Verunsicherung führen, da man sich nicht wirklich darauf vorbereiten kann. Am bedrohlichsten wirken dabei die akute Atemnot bei Pneumothorax und Hämoptysen. Pneumothorax: Dabei kommt es durch das Platzen eines Lungenbläschens zu einem Lufteintritt zwischen Lunge und Brustkorb, sodass sich die Lunge auf der jeweiligen Seite nicht mehr richtig entfalten kann. Dadurch entsteht ein Gefühl akuter Luftnot. Wichtig ist in solchen Situationen, Ruhe zu bewahren und ins Krankenhaus zu fahren. Ein Pneumothorax wird dort in der Regel mit einer Drainage behandelt, das bedeutet, dass ein Schlauch zwischen Brustwand und Lunge eingeführt wird, über den die Luft abgesaugt wird, bis sich der Lungenriss von selbst wieder verschlossen hat. Dies kann jedoch einige Tage bis mehrere Wochen dauern.

Hämoptysen: Bei starker Entzündung der Bronchialwände und Bronchiektasen, wie sie bei CF-Patienten häufig sind, kann es zu „Bluthusten“ kommen. In der Regel sind das kleinere Blutbeimengungen im Sputum. Dies ist etwas, was fast jeder CF-Patient irgendwann in seinem Leben einmal erfährt. Wenn es das erste Mal

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auftritt, ist das Grund, Kontakt mit dem behandelnden Arzt aufzunehmen, da es meist ein Zeichen für eine Infektexazerbation ist und eine antibiotische Behandlung eingeleitet werden sollte. Gelegentlich kann es aber auch zu stärkeren Blutungen kommen, die sich durch Abhusten von reinem, frischem Blut äußern. Viele Patienten berichten, dass sie spüren, aus welcher Ecke in der Lunge das Blut kommt, da es lokal anfängt zu „brodeln“. Solch eine stärkere Blutung ist immer Grund zur stationären Aufnahme, wo sie dann mit spezifischen Maßnahmen behandelt werden kann, sowie Kreislauf und Blutwerte überwacht werden können. Sollte sich ein solches Ereignis mehrfach wiederholen, lässt sich durch eine Angiographie das Gefäß, aus dem es blutet, darstellen und embolisieren (= verschließen). Ob Pneumothorax oder Hämoptyse, für beides gilt, dass sie subjektiv als sehr bedrohlich empfunden werden. Es sind aber Komplikationen der chronischen Lungenerkrankung, die behandelbar sind. Je besser die Lungenfunktion und je weniger eine chronische Entzündung vorhanden ist, umso geringer ist das Risiko, eine solche Komplikation zu erleben. Viele Patienten berichten in Nachgang eine Verunsicherung, inwieweit sie sich körperlich belasten können, oder ob sie Physiotherapie machen dürfen. Natürlich entscheidet dies im Einzelfall der CF-Arzt. Aus psychologischer Sicht ist manchmal ein gemäßigtes Beginnen, auch um wieder Sicherheit in den eigenen Körper zu gewinnen, von Vorteil. Eine längerfristige Schonhaltung ist meist nicht nötig. Wenn nachhaltige Ängste bleiben, sollten die Physiotherapeutin, der Arzt oder der psychosoziale Mitarbeiter darauf angesprochen werden.

Akute Ereignisse im Verdauungssystem Auch im Bereich des Magen-Darm-Traktes kann es zu akuten Ereignissen kommen. Hier ist als häufigste Komplikation das Distale Intestinale Obstruktionssyndrom (DIOS) zu nennen. Dabei handelt es sich um einen akuten Bauchschmerz auf dem Boden eines teilweisen oder vollständigen Darmverschlusses. In der Regel gehen den akuten Bauchschmerzen einige Tage mit Stuhlunregelmäßigkeiten voraus, die oft nicht wahrgenommen werden. Wendet man sich mit diesen Beschwerden an eine chirurgische Rettungsstelle, wird meist eine Blinddarmentzündung vermutet, da sich die Schmerzen häufig auf den rechten Unterbauch lokalisieren lassen. Hier ist es wichtig, die behandelnden Ärzte darauf hinzuweisen, dass Mukoviszidose vorliegt, und zu versuchen, einen Kontakt zur betreuenden Ambulanz herzustellen. Ein DIOS lässt sich nämlich in der

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Teil 2 Psychosoziale Themen

Regel konservativ mit Einläufen und Darmspülungen behandeln. Es sollte nichts unversucht bleiben, um eine Operation zu vermeiden. Die beste Vorbeugung gegen DIOS besteht in reichlich Flüssigkeitszufuhr, regelmäßiger Enzymeinnahme und faserstoffreicher Ernährung. Wenn Ihr Kind bekanntermaßen unter häufigen Verstopfungen, viel Blähungen und akuten Bauchschmerzattacken leidet, muss dies unbedingt in der CF-Sprechstunde angesprochen werden. Dann sollte eine entsprechende Ernährungsberatung mit Erhebung einer Ernährungsanamnese und dem Erarbeiten von Lösungsvorschlägen für die Verbesserung der Ernährungs- und Verdauungssituation erfolgen. Gerade im Hinblick auf die dargestellten akuten Komplikationen bei Mukoviszidose wird deutlich, wie wichtig es ist, dass Jugendliche selbst in der Lage sind, selbstbewusst und kompetent auch mit fremden Ärzten zu kommunizieren. Solche Komplikationen können überall, ob in der Schule, auf Klassenreisen, in den Ferien, bei Freunden etc. auftreten – in Situationen, in denen Sie als Eltern entwicklungsbedingt nicht mehr dabei sind. Zur Unterstützung empfiehlt sich ein durch Ihre Ambulanz ausgestellter CF-Ausweis, in dem die Kontaktdaten der CF-Behandler eingetragen werden können. Bei Reisen ins Ausland sollte die Adresse der dortigen CFVersorgung bekannt sein und mitgenommen werden.

Pubertät: Wegen Umbau geschlossen Die Pubertät (= Geschlechtsreife) ist die komplizierte und oft schmerzvolle Entwicklungsphase zwischen Kindheit und Erwachsensein. Insgesamt dauert der körperliche Reifungsprozess knapp fünf Jahre, die psychische Reifung meist länger. Zunächst einige grundsätzliche Vorbemerkungen, die auch für Jugendliche mit CF gelten. Ihr Verständnis kann Ihnen als Eltern erleichtern, damit umzugehen.

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Die Entwicklung des Gehirns Das menschliche Gehirn entwickelt sich über viele Jahre, bis es sein volles Potenzial an Fähigkeiten im Erwachsenenalter erreicht hat. Die Grundstruktur des Kindergehirns ist mit etwa drei Jahren fertig, doch einige Bereiche sind bis zur Pubertät noch „offline“. In der Teenagerzeit wird vor allem eine Gehirnregion direkt hinter der Stirn weiterentwickelt. Sie ist für Planung, Selbstkontrolle und Konzentration zuständig. Gleichzeitig finden aber auch Umbauarbeiten im jugendlichen Gehirn statt: In der Kindheit entstandene, lange ungenutzte Nervenverbindungen werden zurückgebildet, bewährte Verbindungen gefestigt. Die Fähigkeit zur Informationsverarbeitung erhöht sich rasant. Umbauarbeiten und Weiterentwicklung finden gleichzeitig statt – mit der Folge, dass die Kontrollfunktionen des Gehirns zeitweise beeinträchtigt sind. Deshalb scheinen Pubertierende häufig ihren Gefühlsimpulsen hilflos ausgeliefert zu sein, reagieren mitunter irrational und zeigen sich von Zeit zu Zeit blind für die Folgen ihres eigenen Handelns. Auch Einfühlungsvermögen und Urteilsfähigkeit brechen vorübergehend ein. Am Ende dieser Entwicklung haben die Jugendlichen den Gipfel ihrer geistigen Leistungsfähigkeit erreicht. Ein Ergebnis der Neuverdrahtung im Stirnhirn ist nämlich die verbesserte Fähigkeit, mit Gefühlen umzugehen, zu planen und Ziele unbeirrt zu verfolgen.

Die Entwicklung der Identität Wichtigstes psychisches Entwicklungsziel in der Jugendzeit ist die Herausbildung der „Ich-Identität“ oder „Ich-Autonomie“. Alles dreht sich um die Suche nach einem neuen Selbstverständnis. Manche Jugendlichen scheinen diese Phase problemlos zu durchlaufen. In schwierigeren Fällen kann es zu krisenhaften Auseinandersetzungen mit dem Wertesystem der Eltern und der sozialen Lebensumwelt kommen. Die Eltern werden nun überkritisch begutachtet, familiäre Traditionen und Regeln angezweifelt oder abgelehnt. Doch gerade die Fähigkeit, sich von den Eltern abzulösen und ein eigenständiges Selbstbild zu kreieren, ist als wesentliche Entwicklungsaufgabe in der Pubertät ein ganz natürlicher Prozess. Die Identitätssuche äußert sich in vielerlei Ausdrucksformen, wie z. B. Widerstand gegen elterliches Einmischen, Unfähigkeit zur Kritikannahme und Kompromissbildung oder oppositionelles Verhalten.

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Erst in der späteren Jugendphase pendelt sich das Verhalten wieder auf eine realistischere Wahrnehmung der Eltern und der sozialen Umwelt ein. Aufgeschlossenheit und Interesse an anderen Lebensauffassungen nehmen zu. Der Jugendliche lernt, Verantwortung zu übernehmen und auch mit außerfamiliären Anforderungen im beruflichen und sozialen Leben zurechtzukommen. Den meisten Jugendlichen gelingt es dabei, die Bindung zu den Eltern aufrechtzuerhalten und sogar weiterzuentwickeln.

Pubertät und CF Viele Jugendliche mit CF erleben ihre Erkrankung in der Pubertät erstmals als „eine Abweichung von der Norm“, insbesondere hinsichtlich der körperlichen Entwicklung, z. B. bei spätem Pubertätsbeginn oder schmächtigem Körperbau. Eine vorübergehende Verunsicherung verbunden mit Attraktivitätszweifeln und Selbstwertproblemen gehört zum normalen Entwicklungsspektrum in der Pubertät. Auch gesunde Jugendliche finden sich hässlich, zu dick oder zu dünn. Wird die Mukoviszidose jedoch als „Makel“ überbewertet, kann dies zu passivem und defensivem Bewältigungsverhalten führen. Das bedeutet, dass die Krankheit verheimlicht oder die Therapie vermieden wird, z. B. was die Enzymeinnahme in der Öffentlichkeit betrifft oder das Inhalieren mit schleimverflüssigenden Mitteln, das zu mehr produktivem Husten führen würde. Schlechte Gesundheitsphasen können die Folge sein. Das Streben nach Unabhängigkeit kollidiert bei vielen Jugendlichen mit CF zumindest zeitweise mit der (Dauer-)Therapie. Man möchte die Abhängigkeit von Medikamenten, von Eltern und Behandlern zeitweise gar nicht wahrhaben, sondern stellt infrage, was die Erwachsenen vorgeben. Manchmal kann dies so weit führen, dass auch körperliche Symptome und Verschlechterungen gar nicht wahrgenommen werden. Tatsächliche oder empfundene starke Abhängigkeit von den Eltern als Pflegepersonen kann zu einer kompliziert verlaufenden Pubertät beitragen, da sich Identitäts- und Ablösungsprozesse verzögern oder schwieriger gestalten. Pubertäre Entwicklungsimpulse, wie das Bedürfnis nach Spontaneität, Erlebnishunger und das Austesten von Grenzen, machen es für CF-betroffene Jugendliche schwer, sich immer „vernünftig“ und therapiegetreu zu verhalten. Für sie ist zentral, einen Weg zu finden, mit und nicht für die Therapie zu leben.

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Entwicklungsaufgabe für Eltern: Ganz fest loslassen Die meisten Eltern hoffen, dass die anstrengendste Elternzeit vorbei ist, wenn die Kinder ins Teenageralter kommen. Nicht nur für den Bereich der Therapieverantwortung, sondern für andere Alltagsbereiche wünschen sich Eltern einen Entwicklungssprung „in die richtige Richtung“. Wenn Ihr Kind lernen soll, Verantwortung zu übernehmen, werden auch Sie etwas lernen müssen: Loslassen und Kontrolle aufgeben. Eine perfekte Gebrauchsanweisung für diese Lebensphase gibt es nicht, denn der Abnabelungsprozess gestaltet sich in jeder Familie anders. Es gibt einige Strategien, die helfen können, Frustrationen zu minimieren und das Zusammenleben positiv zu gestalten. Ob sie funktionieren, hängt wesentlich von Ihrer Geschicklichkeit und der Kooperationsbereitschaft Ihres Teenagers ab.

Leitplanken ziehen Jede Familie ist wie eine kleine Republik mit einer eigenen Verfassung und eigenen Gesetzen. Die meisten Jugendlichen brauchen gewisse „Leitplanken“ auf ihrem mühsamen Weg des Erwachsenwerdens. Auch wenn es paradox klingt: Ihr Sohn/Ihre Tochter erwarten keine absolute Freiheit, sondern gewisse Grenzen, auch wenn er/ sie dagegen ankämpfen. Wichtig ist, dass sich jedes Familienmitglied respektiert fühlt. Regelmäßige FamilienParlamentssitzungen können helfen, einen demokratischen Erziehungsstil aufrechtzuerhalten. Wenn zusätzlich beide Elternteile an einem Strang ziehen, lässt sich die „Familienpolitik“ bekanntlich am besten durchsetzen.

Unabhängigkeit respektieren Niemand ist empfindlicher als ein Teenager, dem unterstellt wird, dass er noch nicht auf eigenen Füßen stehen kann. Jede kleine Bemerkung wird schnell als Gängelung interpretiert. Vermeiden Sie deshalb gut gemeinte Ratschläge oder Sanktionen. In der Regel spürt Ihr Kind, wenn Sie es gleichberechtigt behandeln, und wird dann eher bereit sein, Entscheidungen zu akzeptieren. Tolerieren Sie die ersten selbstständigen „Gehversuche“ Ihres Kindes, auch im Bereich der Therapie. Es kann sogar sein, dass Ihr Kind durch das Ausprobieren Therapieoptionen entdeckt, die besser leistbar sind als die bisher bewährten.

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Die eigene Gefühle ernst nehmen Die Pubertät der Kinder bietet Eltern die Gelegenheit, eigene Gedanken und Gefühle zu reflektieren. Viele Eltern sind gekränkt, wenn sie nach jahrelanger Selbstaufopferung für ihr krankes Kind nun keine Dankbarkeit ernten, sondern sich kritisiert und abgelehnt fühlen. Zudem wachsen die elterlichen Sorgen um die gesundheitliche Zukunft des Kindes. Man ist noch unsicher, ob der Jugendliche es schaffen wird, genügend Therapiekonsequenz aufzubringen. Viele Eltern äußern die Sorge, ob ihr Kind die gesundheitlichen Erfolge, für welche sie jahrelang gekämpft haben, nun in der Pubertät aufs Spiel setzen wird. Ängste und Hilflosigkeit aushalten zu lernen, stellt eine besondere Entwicklungsaufgabe für Eltern von CF betroffenen Kindern dar, für die viel Geduld – auch mit sich selbst – erforderlich ist.

Es war so weit: Die Pubertät war langsam überwunden und unser Sohn hatte nicht die typische Verweigerungshaltung eingenommen, sondern sich endlich intensiv selbst mit der Mukoviszidose auseinandergesetzt und gelernt zu akzeptieren. (...) So stand uns ein weiterer Akt des „Loslassens“ ins Haus. Unsere Rolle als Eltern wurde in der Ambulanz immer kleiner. Wir wurden nur noch „geduldet“. Das Ambulanzgespräch wurde von ihm und dem Arzt geführt. (...) Auch bei den Untersuchungen, wie Lufu oder Ultraschall, war unsere Begleitung nicht mehr gefragt. Wir warteten im Behandlungszimmer auf die Ergebnisse und nahmen sie zur Kenntnis. Aus diesen Daten wurde dann zwischen dem Arzt und unserem Sohn die Therapie für die nächsten drei Monate festgelegt und ein Termin für die nächste Kontrolluntersuchung vereinbart. Auf dem Rückweg von der Ambulanz wurde dann ausgiebig „intern“ das Ergebnis des Ambulanztermins besprochen. Meistens versuchten wir dies in der netten Atmosphäre eines Restaurants zu tun. So konnte man zusätzlich noch die Kalorienaufnahme fördern. Wie man unschwer erkennen kann, blieb uns mehr oder weniger die Aufgabe des Chauffeurs. In den kommenden drei Monaten versuchten wir unauffällig die Therapie in die mit dem Arzt besprochene Richtung zu lenken und zu überwachen. Es blieb uns jedoch nur die Bemerkung: „Das hast du selbst mit dem Arzt so besprochen, also halte dich auch daran.“ Meist klappte der Hinweis auf die Eigenständigkeit. (...) Später dann, als unser Sohn den Führerschein in der Tasche hatte, wurden wir zum Leihwagenunternehmen für die Besuche der Ambulanzsprechstunde degradiert. Nach dem Bezug einer eigenen Wohnung sollte dies mit öffentlichen Verkehrsmitteln geschehen. Unsere Befürchtung war, jetzt vollständig vom Befund und der weiteren Therapie abgekoppelt zu werden. Zu unserer Überraschung passierte das nicht! Nach jedem Ambulanzbesuch wurde auch weiterhin ausgiebig über die Ergebnisse und den Therapieplan berichtet. Wir hatten immer das Gefühl, gut informiert zu sein. Das gilt bis heute. (...) Erfahrungsbericht von Hr. B., aus Achim, Vater eines Sohnes mit CF

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Selbstständigkeit schrittweise erlernen In vielen Familien kommt es aufgrund unklarer Regeln und Aufgabenverteilung für das Krankheitsmanagement zu Konflikten. Bei einer chronischen Erkrankung wie der Mukoviszidose kann dieser Erziehungsstil die Therapie erheblich beeinträchtigen. Auch besteht die Gefahr, dass an einmal gestellten Regeln rigide festgehalten wird, obwohl sich der Heranwachsende weiterentwickelt und neue Kompetenzen erworben hat. Bleiben Sie also in regelmäßigen Abständen oder bei akuten Gesundheitsproblemen mit Ihrem Jugendlichen im Gespräch darüber, • welche Therapieaufgaben er selber übernehmen will oder welche Aufgabe Sie abgeben wollen, • bei welchen Aufgaben er Erinnerungen und Hilfestellungen durch Sie wünscht und ob Sie diese geben können/wollen, • welche Regeln für eine vereinbarte Zeit gelten sollen und wann welche Ausnahmen kompromissfähig sind, • was passieren soll, wenn es mit dem Selbstständigsein nicht klappt oder wenn gesundheitlich die „gelbrote Ampel“ aufleuchtet. Natürlich ist es schwer, auszuhalten, wenn die Therapie weniger konsequent durchgeführt wird als zu Kinderzeiten und Sie weniger Kontrolle darüber haben. Aber nur ein partnerschaftlicher Entwicklungsprozess kann ermöglichen, dass die Therapieverantwortung Schritt für Schritt auf den Jugendlichen übergeht. Vermeiden Sie nach Möglichkeit Vorwürfe, Schuldzuweisungen oder Eskalationen, wenn etwas nicht gut läuft. Schlimmstenfalls entsteht dadurch eine Stimmung, in der auf beiden Seiten niemand mehr die Verantwortung tragen will, sie buchstäblich „auf der Straße“ liegt, und Ihr Kind außerdem „zu“ macht und nicht mehr für vernünftige Argumente zugänglich ist. Die Begleitung des Erwachsenwerdens durch die Eltern wird von Jugendlichen grundsätzlich geschätzt. Allerdings wünschen sich die Heranwachsenden ihre Eltern als Ansprechpartner, Coaches oder Berater, nicht aber als Entscheider, Bestimmer oder Kontrolleure. Für Eltern entsteht daraus die Herausforderung, sich anzupassen und eine neue Rolle zu erproben. Unterstützen Sie Ihr Kind, wenn es Sie bei therapeutischen Entscheidungsfindungen um Rat fragt, indem Sie ihm helfen, sachlich Pro und Contra zu diskutieren, eine Angelegenheit aus mehreren Perspektiven zu betrach-

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ten und so zu einer Lösung zu kommen. Erläutern Sie ihm, wie Sie selber in der betreffenden Fragestellung entscheiden würden. Lassen Sie ihm aber bewusst den Spielraum, dies für sich noch zu überlegen oder zu einer anderen Schlussfolgerung zu kommen. Drücken Sie aus, dass Sie die Beweggründe oder die Entscheidung Ihres Kindes verstehen können, auch wenn dies nicht Ihre Lieblingsvariante ist. Vielleicht gelingt Ihnen mit dieser Gesprächsführung, dass der Jugendliche sich nicht gedrängt und bevormundet fühlt und weniger oppositionell reagiert, gleichzeitig aber merkt, dass er Stellung beziehen und Verantwortung tragen muss. Fordern Sie Ihr Kind auf, selbstständig Kontakt zur CF-Ambulanz aufzunehmen, wenn es um Therapieentscheidungen geht, die Sie nicht befürworten oder aus denen Sie sich heraushalten möchten, die aber mit dem Arzt abgesprochen sein sollten. Notfalls können Sie dem CF-Arzt einen Hinweis über eine problematische Situation geben. Er wird entscheiden, auf welche Weise er mit Ihrem Kind in Verbindung tritt, ohne die Schweigepflicht zu verletzen.

Therapieverantwortung übernehmen Entwicklungspsychologie und Krankheitsverständnis Eine wichtige Entwicklungsstufe des menschlichen Denkens beginnt ungefähr im Alter von 11 bis 12 Jahren. Denkoperationen können nun mit abstrakten Inhalten durchgeführt werden. Da die intellektuellen Fähigkeiten immer mehr denen der Erwachsenen gleichen, wird es leichter, mit Jugendlichen über Therapie zu kommunizieren. Die Voraussetzungen für das Verständnis komplexer Zusammenhänge von Krankheitsursache, Krankheitssymp­tomen, körperlichen Prozessen sowie von Therapiestrategien sind gegeben. Jugendliche können die Logik von Therapieansätzen nachvollziehen und komplexe Behandlungsmethoden, wie z. B. Insulintherapie bei Diabetes mellitus oder das Durchführen ambulanter Antibiotika-Therapie, erlernen. Auch der Einfluss von gesundheitsförderndem und ungünstigem Verhalten auf die Krankheitsentwicklung ist prinzipiell verstehbar.

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Therapieverantwortung und Umsetzung Obwohl die intellektuelle Kompetenz für verantwortliches Therapiehandeln also mehr und mehr gegeben ist, hängt die Bereitschaft und Fähigkeit, die Informationen an sich heranzulassen, zu reflektieren und umzusetzen auch von anderen Faktoren ab. So können Angst, Hilflosigkeit oder Ärger dem entgegenstehen. In der Pubertät treten starke Gefühlsschwankungen auf, die aus der Verunsicherung über die eigene Rolle, Problemen mit Erwachsenen, Sorgen über die körperliche Erscheinung oder Ängsten vor Ablehnung durch Gleichaltrige resultieren können. Auch das Realisieren einer möglicherweise eingeschränkten Lebenserwartung und daraus entstehende Zukunftsängste sind sehr belastend und müssen zeitweise verdrängt werden. Es besteht also eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass im Jugendalter emotionale Faktoren die rationale Therapiesteuerung beeinträchtigen können. So kommt es für Sie als Eltern immer wieder zu schwer nachvollziehbaren Entscheidungen des Jugendlichen. Die Pubertät ist weiterhin gekennzeichnet durch eine egozentrische Denkweise: Teenager fühlen sich „unverwundbar“ und nehmen an, dass sie selber vor Schaden geschützt und nur andere Personen durch Risikoverhalten gefährdet sind. Das hat zur Folge, dass man sie kaum mit der Angst vor gesundheitlichen Folgen zur Therapiedurchführung motivieren kann. Mangelnde Körperwahrnehmung kann zudem erschweren, dass gesundheitliche Verschlechterung gespürt wird und lösungsorientiertes Handeln bewirkt. Als nicht zu unterschätzender Faktor stellt fehlendes Krankheits- und Therapiewissen einen Hinderungsgrund für die Therapieumsetzung dar. Krankheitswissen bei Jugendlichen wird oft von Eltern und Behandlern vorausgesetzt, aber kaum überprüft.

Was Eltern tun können Wichtig ist, sich auf die Sichtweise des Jugendlichen einzulassen und zu versuchen, „mit dem Kopf des Jugendlichen“ zu denken. Der größte Nutzen der Therapie besteht aus der Perspektive des Heranwachsenden darin, dass die Teilhabe am sozialen Leben ermöglicht wird, er sich „normal“ fühlt und in Schule, Freundeskreis oder Ausbildung kein Außenseiter ist. Eltern müssen realisieren, dass auch ihr Kind mit CF sich in erster Linie als junger Mann oder junge Frau begreift und erst in zweiter Linie als CF-Betroffener.

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Welche Barrieren stehen der Therapie entgegen? Umsetzungshindernisse kommen auf verschiedenen Ebenen vor: • Innere Einstellung: Man glaubt nicht, dass Therapie hilft, oder hat Angst vor Nebenwirkungen von Medikamenten. • Soziale Unsicherheit: Man möchte sich mit seiner Erkrankung nicht outen, Therapie in der Öffentlichkeit erscheint peinlich. • Zeitfaktor: Man hat kein gutes Zeitmanagement für die Therapiezeit pro Tag oder Woche. Es fehlen eingespielte Handlungsroutinen. Man möchte seine wenige Freizeit nicht für die lästige Therapie opfern. • Tagesablauf: Man hat keinen Rhythmus für Zwischenmahlzeiten in der Schule. Der Ausbildungsträger/ die Schule hat kein Verständnis für besondere CF-Bedürfnisse. Es gibt nicht genügend Pausen zum Ausruhen, Essen oder Inhalieren. • Ausnahmen: Man möchte am Wochenende lieber ausschlafen oder das Inhaliergerät nicht in den Urlaub mitnehmen. Versuchen Sie, mit Ihrem Jugendlichen Umsetzungshindernisse zu identifizieren. Überlegen Sie gemeinsam, wer Ansprechpartner für Problemlösungsstrategien sein könnte. Beziehen Sie die Fachkräfte in Ihrer CF-Ambulanz in die Lösungssuche mit ein und treten Sie auch zusätzlich zur vierteljährlichen Routineuntersuchung dort in Kontakt. Ermutigen Sie Ihr Kind, selbst Kontakt aufzunehmen. Falls Lehrer oder Betriebe angesprochen werden sollen, überlegen Sie gemeinsam, ob sich Ihr Kind das Gespräch selbst zutraut oder wünscht, dass Sie als Eltern in Erscheinung treten. Wichtig ist, dass dem Jugendlichen keine fertigen Lösungen vorgesetzt werden, sondern dass er Unterstützung bei der Suche nach eigenen Wegen erhält. Dazu gehört auch, auszuprobieren, was zu einem passt, und was man sich zutraut. Sehr wichtig ist in dieser Altersgruppe der Austausch mit gleichbetroffenen Jugendlichen.

Selbstwirksamkeitserfahrungen sammeln Gezielte Informationen über das Krankheitsmanagement müssen Jugendliche auf ihrer jetzigen Entwicklungsstufe teilweise neu erhalten. Teenager brauchen Unterstützung in Form einer Patientenschulung, die sie in die

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Lage versetzt, die Auswirkungen ihres Verhaltens auf ihre Erkrankung und ihr Leben besser abschätzen zu können und ihre Kompetenz stärkt, Therapieentscheidungen selbst zu fällen. Dies ist im ausführlichen Einzelgespräch in der CF-Ambulanz möglich oder auch in Gruppenschulungen, im Rahmen einer CF-Reha. Ermutigen Sie Ihr Kind, eine Liste mit Fragen zu sammeln, die es den Mitarbeitern der CF-Ambulanz stellen will, oder teilen Sie den Mitarbeitern mit, welche Themen besprochen werden sollten. Die Jugendlichen sollten dabei unterstützt werden, eine aktive Bewältigungshaltung aufzubauen und zu erfahren, dass sie durch ihr Handeln Einfluss auf ihre Gesundheit und ihr Wohlgefühl nehmen können. Lernen aus Fehlern ist dabei ausdrücklich erlaubt.

Ich bin Schülerin und besuche den 11. Jahrgang eines Gymnasiums. Gesundheitlich geht es mir gut und ich habe meine Therapie gut in den Alltag integriert. Seit einem halben Jahr kümmere ich mich selbstständig um Inhalation und Physiotherapie. Das ist bisweilen schon etwas stressig, zumal ich die meiste Therapie – zwei Nassinhalationen und zwanzig Minuten Physiotherapie – morgens erledige, um den Nachmittag und Abend für Freunde und Hobbys freizuhaben. (…) Mein Gesundheitszustand erlaubt es mir, auch mal die Therapie auszusetzen, z. B. für Klassenfahrten oder Urlaub. Das hilft mir natürlich sehr, ein „normales“, soziales Leben zu führen. (…) Seit ich vor einem halben Jahr zum ersten Mal in einer Jugend-Reha war, hat sich meine Sicht auf meine Krankheit geändert. Ich beschäftige mich viel mehr mit der Thematik, suche eigenständig Informationen und habe gelernt, mit anderen über Mukoviszidose zu reden. (...) Dabei bleibe ich immer sehr sachlich, erkläre, wodurch CF entsteht, und rede über die Symptome – aber nie auf die Mitleids-Tour, schließlich will ich ja wie alle andern behandelt werden. (...) Ich bin froh, dass ich nach und nach in allen Bereichen eine gewisse Selbstständigkeit entwickelt habe, durch die ich natürlich auch unabhängiger geworden bin und mich nicht mehr nach den Vorstellungen meiner Eltern richten muss. Was die Ambulanztermine betrifft, muss ich gestehen, dass ich mich da noch sehr auf meine Mutter verlasse, aber auch das beginnt sich zu ändern. Es ist gut zu wissen, dass meine Eltern im Hintergrund voll hinter mir stehen und bereit sind, mir unter die Arme zu greifen. Das macht es einfacher, die Verantwortung selbst zu übernehmen. Erfahrungsbericht von Cara O., 17 Jahre alt

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Auf dem Weg zu mehr Selbstwert Es ist für alle Jugendlichen eine Herausforderung, in der Pubertät den eigenen Selbstwert zu finden. Für Heranwachsende mit CF stellt sich diese Thematik verstärkt. Schon seit der Kindheit sind sie mit einer Sonderstellung in Familie, Kindergarten oder Schule konfrontiert. Normal sein wollen, dazugehören und Bestätigung der eigenen Person durch andere, speziell Gleichaltrige, sind zentrale Anliegen. Folgende Aspekte machen es Jugendlichen mit CF schwer:

Verzögerte Pubertät Diese bei Mukoviszidose bisweilen auftretende Tatsache kann zu einer Isolation in der Klassengemeinschaft führen, die die Identitätsfindung als Mann oder Frau erschwert, vor allem wenn der Betroffene sich aufgrund der Erkrankung als nicht besonders attraktiv empfindet. Je mehr Anerkennung der Jugendliche z. B. durch seine Hobbys oder in der Freizeitgestaltung erfährt, umso leichter wird er in dieser Phase zurechtkommen.

Gesundheitliche Einschränkungen Der zunehmende Therapieaufwand in der Pubertät bedingt, dass der junge Mensch durch Fehlzeiten immer wieder aus der Klassengemeinschaft herausgerissen und möglicherweise zum Außenseiter wird. Eine nur bedingt mögliche Teilnahme am Sport kann dies noch verstärken. Jugendlichen, die zu Hause erleben, dass jeder Mensch Grenzen hat und Anerkennung und Liebe unabhängig von Leistung und Erfolg sind, wird dies den Umgang mit Einschränkungen erleichtern.

Fertilität Die sexuelle Identitätsfindung kann durch das Wissen um Infertilität bei Jungen und die eingeschränkte Fruchtbarkeit bei Mädchen behindert werden und eignet sich für Klassenkameraden auch gut als „Tuschel“- oder Mobbing-Thema. Eine offene Kommunikation mit Arzt oder Eltern kann hier enttabuisierend wirken. Es geht u. a. darum, eine positive Einstellung zu gewinnen, wenn man keine Kinder zeugen oder bekommen kann. Denn auch dann ist man ein vollwertiger Mann bzw. eine vollwertige Frau. Ein späteres Leben ohne Kinder bietet möglicherweise die Chance, sich verstärkt sozial zu engagieren und daraus Befriedigung und Erfüllung zu beziehen. Für Eltern ist dies allerdings ein wunder Punkt, da sie sich oft Enkelkinder wünschen.

Überbehütung durch die Eltern Die Entwicklung des Selbstwertgefühls beim Jugendlichen kann auch beeinträchtigt werden, wenn Eltern aus Angst vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen ihr Kind zu sehr behüten wollen. Hygieneängste beispiels-

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weise können die wichtige Begegnung von Jugendlichen mit gleichaltrigen Betroffenen, z. B. in einer Reha, erschweren oder verhindern. Eltern nehmen ihrem Kind so die Chance, von diesen Kontakten zu profitieren und womöglich schneller einen eigenständigen Umgang mit der CF zu lernen. Je mehr es den Eltern gelingt, „Herr ihrer eigenen Ängste“ zu werden, desto weniger werden sie ihre Sorgen auf den Jugendlichen übertragen. Im Einzelfall kann auch psychologische Unterstützung hilfreich sein.

Suche nach Bestätigung und Akzeptanz Mädchen tun sich in der Regel leichter als Jungen, Anschluss an Gleichaltrige zu finden. Sie verfügen meist über ein stärkeres, weniger leistungsorientiertes soziales Netz („beste Freundin“). Bei Jungen ist der Wunsch, „cool“ zu sein, oft dominierend. Die CF erschwert ihnen allerdings, dem gängigen Männerbild zu entsprechen. Je mehr Jugendliche Anschluss in der Klasse, im Betrieb, in einer Hobby- oder Freizeitgruppe haben, umso weniger Probleme sind zu erwarten. Denn die positive Rückmeldung innerhalb dieser Gruppen hat für Jugendliche eine größere Bedeutung als die Anerkennung durch die Eltern und stärkt den Selbstwert. Es ist also positiv, wenn Eltern diese Aktivitäten fördern.

Kontakte über Physiotherapie und Reha Es ist in der Pubertät nicht selten, dass Jugendliche ihre Krankheit ausblenden wollen und jede Auseinandersetzung mit der Erkrankung vermeiden. Um auf Erwachsenenebene dennoch mit ihnen in Kontakt zu bleiben, bietet sich der Umweg über die Physiotherapeutin an, zu der jugendliche CF-Betroffene bisweilen ein intensiveres und positiveres Verhältnis haben als zu den Eltern oder zum behandelnden Arzt. Es kann auch hilfreich sein, wenn die Eltern einer regelmäßigen Reha positiv gegenüberstehen. Hier lernt der Jugendliche spielend andere in seinem Alter kennen. Ähnlich verhält es sich mit stationären Aufenthalten, bei denen Jugendliche Kontakt zu anderen, evtl. auch erwachsenen Betroffenen, aufbauen und von deren Sichtund Lebensweisen profitieren können. Wenn jedoch Einsamkeitsphasen überhandnehmen, sollten Eltern ihre Beobachtungen dem behandelnden Arzt und CF-Team mitteilen, um ggf. professionelle psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Vor diesem Hintergrund ist besonders das Angebot der familienorientierten Reha in Tannheim zu begrüßen.

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Umgang mit Krisen In den Krisen der Pubertät liegen für Eltern und ihre CF-betroffenen Kinder auch Chancen zur Entwicklung. Folgende grundsätzliche Betrachtungen sollen dies deutlich machen.

Was ist eine Krise? Eine Krise ist ein Bruch in der Kontinuität und Normalität unseres Lebensverlaufs. Lebensentwürfe werden infrage gestellt, analysiert und im besten Fall neu gestaltet. Gelingt der Neuentwurf, so wird der Bruch zum Durchbruch. Gelingt er nicht, dann wird aus dem Bruch ein Zusammenbruch. Die Brüche im Leben sind gewissermaßen existenzielle „Weichen“, an denen das Leben neu aufgestellt wird. Krisen gibt es immer. Sie gehören zum menschlichen Leben wie die Luft zum Atmen. Um mit ihnen fertig zu werden, durchlaufen wir vier unterschiedliche Phasen der Bewältigung: • Die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens und der Verleugnung Wir wehren uns gegen die Veränderung und wollen nicht wahrhaben, dass es nicht mehr so ist, wie es einmal war, z. B. „Ich bin nicht krank.“ oder: „Es kann nicht sein, dass unser Kind uns verlässt.“ • Die Phase der aufbrechenden Gefühle Wir fühlen uns machtlos und hadern mit unserem Schicksal. Ängste, Unsicherheit, Wut, Schuldgefühle und Selbstzweifel bestimmen unser Denken, z. B. „Warum ausgerechnet unser Kind?“ oder „Was haben wir getan, dass uns dieses Schicksal widerfährt?“ • Die Phase der Neuorientierung Wir fangen an, uns Möglichkeiten zu überlegen, in welche Richtung wir weitergehen möchten. Lösungsmöglichkeiten und Auswege zeichnen sich langsam ab, z. B. „Vielleicht könnten wir ...“ • Die Phase der wiederhergestellten Balance Wir haben uns mit der neuen Situation arrangiert und können neue Kraft daraus schöpfen, z. B. „Wir haben schon vieles geschafft und werden auch das meistern.“ Wir alle müssen diese Phasen durchlaufen, um eine Krise zu einem „positiven“ Abschluss zu bringen. Das gelingt nicht immer. Bleiben Neuorientierung und innere Balance auf der Strecke, können physische und psychische Erkrankungen die Folge sein.

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Pubertäre Krisen Allgemein gilt die Pubertät als krisenanfällige Zeit. In dieser Altersstufe müssen typische Entwicklungsaufgaben bewältigt werden. Schwierigkeiten und Konflikte bei deren Bewältigung können zu pubertären Krisen führen.

Entwicklungsaufgaben für das Jugendalter • neue und reifere Beziehungen mit Altersgenossen beider Geschlechter erreichen • eine männliche bzw. weibliche Rolle entwickeln • den eigenen Körper akzeptieren und sinnvoll gebrauchen • gefühlsmäßige Unabhängigkeit von Eltern und anderen Erwachsenen erreichen • sich auf Partnerschaft und Familie einstellen • sich auf eine berufliche Laufbahn vorbereiten • Werte und Überzeugungen als Richtschnur für das eigene Verhalten entwickeln • ein sozial verantwortliches Verhalten anstreben • Verantwortung übernehmen Neben diesen alterstypischen Anforderungen müssen Jugendliche mit chronischen Erkrankungen zusätzlich das Kranksein in ihr Selbstbild integrieren – eine zusätzliche „Herkulesaufgabe“. Krisen bei Jugendlichen entwickeln sich sehr oft im Rahmen einer Selbstwertproblematik. Auslöser können kritische Lebensereignisse oder Dauerbelastungen sein, auch im Zusammenhang mit der Mukoviszidose, wie z. B.: • Nicht dazugehören, sich ausgeschlossen fühlen, Mobbing • eingeschränkte Leistungsfähigkeit, Schulwechsel, Abbruch der Schullaufbahn, Nichterreichen des Schulabschlusses • wegen der CF auf einen Ausbildungsplatz oder den „Traumjob“ verzichten müssen • Trennung von Freund/Freundin, Liebeskummer • Schwierigkeiten, den eigenen Körper zu akzeptieren • die Erkrankung nicht akzeptieren können • Ablösungsprobleme mit den Eltern Nicht gelöste Konflikte können Verhaltensauffälligkeiten begünstigen, wie z. B. depressive Reaktionen mit sozialem Rückzug und Niedergeschlagenheit, aggressive Verhaltensweisen zum Abreagieren der psychischen Spannung (auch mittels Drogen) sowie Essstörungen. Der Zusammenbruch seelischer Bewältigungsmechanismen kann bis zu Selbstverletzungen oder Selbstmordabsichten führen. In diesen schwierigen Fällen ist psychotherapeutische und jugendpsychiatrische Hilfe unerlässlich. Sprechen Sie dann die Ambulanz an.

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Familiäre Krisen Die schwierige Pubertätszeit kann Eltern von Jugendlichen mit CF sehr belasten. Sie stehen vor der großen Herausforderung, loslassen zu müssen und nur noch bedingt Einfluss auf das Verhalten des Jugendlichen nehmen zu können. Jahrelanges Aufopfern für die Gesundheit des Kindes und sich nun plötzlich nicht mehr gebraucht zu fühlen, kann zur Sinnkrise für Eltern werden. Behalten Sie die Zuversicht, dass Ihr Jugendlicher sich wieder „fangen“ wird, und dass Ihre jahrelange Fürsorge nicht umsonst war. Holen Sie sich Verständnis von anderen betroffenen Eltern. Nehmen Sie psychologische Hilfe in Anspruch, wenn Sie sich sehr belastet fühlen oder Depressionen und Ängste entwickeln.

Gesundheitliche Krisen Die Erstmanifestation von Zusatzdiagnosen wie Diabetes mellitus oder die Feststellung von Problemkeimen kann dazu führen, dass Patienten und Eltern erst einmal niedergeschlagen und verunsichert sind. Belastende Fragen tauchen auf: Wird die Diagnose den Alltag oder die Zukunftschancen beeinträchtigen? Wie soll man mit der neuen Situation umgehen? Wird man es schaffen, die nötigen Therapiestrategien umzusetzen? Tauschen Sie sich mit anderen Eltern aus. Besprechen Sie Ihre Befürchtungen mit dem CF-Arzt, manche Sorge ist vielleicht unnötig. Versuchen Sie, eine innere Haltung zu entwickeln, die Diagnose nicht als Niederlage, sondern als Herausforderung zu sehen, die Sie gemeinsam mit Ihrem Kind meistern werden.

Peergroups und das Internet Die Bedeutung von Peergroups Für Jugendliche spielt das Leben in Gruppen eine wichtige Rolle. Hier identifizieren sie sich mit anderen, probieren sich aus und finden ihre Position in einer überschaubaren Gemeinschaft. Sie lernen soziales Verhalten und finden Hobbys. Freundschaften oder Partnerschaften entstehen. Was mit Kindergarten und Schule begann, setzt sich in den sog. „Peergroups“ fort. Diese existieren in der realen Welt, aber auch in der virtuellen Welt des Internets. Für CF-Jugendliche sind virtuelle Gemeinschaften oftmals bedeutsam. Hier gibt es keine Gefahr der Ansteckung. Körperliche Einschränkungen fallen weniger ins Gewicht als beim direkten Kontakt mit anderen Jugendlichen. Akzeptanz und Selbstbestätigung sind leichter zu bekommen.

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Doch das Leben findet nun einmal in der Realität statt. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen mit CF lernen, mit ihrer Erkrankung so umzugehen, dass sie auch in realen Gruppen besser zurechtkommen.

Möglichkeiten und Grenzen des Internets Einerseits fungiert das Internet als eine Art „Lexikon“, das die Recherche zu unterschiedlichen Sachverhalten ermöglicht. Wenn Jugendliche sich hier über ihre Mukoviszidose informieren, besteht allerdings die Herausforderung, die gewonnenen Informationen auch richtig einzuordnen. Eltern und der Ambulanzarzt können dabei helfen. Andererseits ist das Internet ein „Kommunikationsinstrument“. In Diskussions- oder Gesprächsforen wie auch Chaträumen kann man neue Menschen kennenlernen. So wird z. B. das Kennenlernen und die Kontaktaufnahme zu anderen Jugendlichen mit CF leichter möglich. Allerdings findet der Austausch von Informationen in der Regel viel oberflächlicher statt als beispielsweise in Selbsthilfegruppen, da ein echter Dialog wie im persönlichen Gespräch nicht gegeben ist. Zudem können Surfen und Chatten süchtig machen. Beides nimmt viel Zeit in Anspruch und kann den Tagesablauf eines CF-Jugendlichen empfindlich stören. Am Ende leidet die Therapie. Auch wenn Kommunikationsportale in der Werbung als „soziale Netzwerke“ dargestellt werden, können sie in Wirklichkeit in die soziale Isolation führen. Dies ist gerade für CF-Jugendliche problematisch. Für Sie als Eltern ergibt sich daraus die Aufgabe, ihr Kind so zu erziehen, dass es das Internet eigenverantwortlich nutzen kann. Kenntnis über die Möglichkeiten und Grenzen des Mediums sowie eine langsame Heranführung sind wichtig. Zeitlich begrenztes, zweckdienliches Surfen, z. B. als Belohnung für gute Schulnoten oder die zuverlässige Durchführung der Therapie, sind anzustreben. Wenn Sie als Eltern Ihr Kind schon immer zu Aktivitäten mit gleichaltrigen Kindern ermutigt haben, hat es damit auch den Wert persönlicher Kontakte kennengelernt. Je mehr es als Jugendlicher in der Realität verwurzelt ist, desto weniger besteht die Gefahr des Abgleitens ins Internet. Nur im Kontakt mit realen Menschen, Klassenkameraden oder Freunden, erfolgt die auch für Jugendliche mit CF wichtige Sozialisation, vor allem hinsichtlich des Umgangs mit der Erkrankung gegenüber Dritten. Was der Jugendliche in Peergroups lernt, kommt ihm später in Freundschaften und Partnerschaften zugute.

Im Sommer letzten Jahres bin ich an eine neue Schule gekommen, in die siebte Klasse. Einige meiner Klassenkameraden waren schon mit mir an der Grundschule, und sie wussten, dass ich Mukoviszidose habe. Den anderen habe ich erst einmal überhaupt nichts davon erzählt. Wenn man das gleich am ersten Tag erzählt, hab ich gedacht, macht das keinen so guten Eindruck. (...) Über Mukoviszidose zu reden, ist mir zwar nicht peinlich, aber lästig. Mit Freunden rede ich eher

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über andere Themen, je nachdem, was uns gerade durch den Kopf geht. Vor der ganzen Klasse hab ich bis heute nichts über Mukoviszidose gesagt, wollte ich auch nicht, aber meine neuen Freunde wissen inzwischen davon. Ich hab erzählt, dass ich eine Krankheit habe und deshalb immer Tabletten nehmen muss, um Fett verdauen zu können. Vorher war ihnen eigentlich nur meine Stimme aufgefallen – die ist so rau. Und ich hab ihnen erklärt, dass es auch an der Krankheit liegt, dass ich so klein bin. Dumme Sprüche kamen eigentlich bislang nicht, höchstens mal irgendwas aus Spaß, was ich aber nicht schlimm fand. Ehrlich gesagt hab ich das bisher überhaupt noch nie erlebt, auch nicht beim Basketball oder früher beim Fußball. Ich glaube, ich würde dumme Sprüche einfach ignorieren oder mich mit Wörtern verteidigen. Ich versuche nicht wirklich zu verheimlichen, dass ich Mukoviszidose habe, aber ich erzähle das einfach auch nicht allen. Wenn mich jemand fragt, dann sag ich es (...). Für mich steht Mukoviszidose aber nicht im Mittelpunkt. (...) Erfahrungsbericht von Simon U., 13 Jahre, aus Berlin

Schullaufbahn und Berufsplanung Bei Überlegungen zur Schullaufbahn und Berufsplanung kommen grundsätzlich zwei Lebenssituationen infrage: • Der Jugendliche plant, nach der 9. Klasse mit dem Hauptschulabschluss von der Schule abzugehen und eine Ausbildung zu machen. • Der Jugendliche steht nach Abschluss der 10. Klasse vor der Frage, ob er weiter zur Schule geht oder eine Ausbildung beginnt. Bei diesen Entscheidungen sind vorrangig die Interessen und Fähigkeiten des Jugendlichen zu berücksichtigen. Daneben spielt auch die Motivation fürs Lernen, die in der Pubertät bisweilen eingeschränkt ist, eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich bietet ein höherer Bildungsabschluss die optimalen Voraussetzungen für die berufliche Orientierung. Am wichtigsten ist jedoch, dass der Jugendliche auch hier seinen eigenen Weg geht und schließlich an dem Platz ankommt, der ihm größtmögliche Erfüllung und ein Auskommen gewährleistet.

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Je nach Schwere der Erkrankung ist bei Mukoviszidose auch der Aspekt der Arbeitsplatzsicherheit in Betracht zu ziehen. Eine Ausbildung garantiert einen früheren beruflichen Einstieg, auch hinsichtlich der Einzahlung von Beiträgen in die Rentenkasse, was langfristig gesehen von Vorteil sein kann. Als Ausbildungsberufe eher problematisch anzusehen sind Berufe mit Schichtarbeit, mit Infektionsrisiko (Erzieher/-in, Krankenschwester/Krankenpfleger etc.) und Berufe, die die Atemwege beeinträchtigen (Chemielaborant/-in, Bäcker etc.). Dennoch sollte die Berufswahl nicht vorrangig unter gesundheitlichen Gesichtspunkten erfolgen. Neben diesen sachlichen Erwägungen ist anzumerken, dass die Phase der Berufsorientierung oftmals damit einhergeht, dass das Verhältnis zwischen Eltern und Jugendlichen starken Schwankungen unterliegt. Wenn der Jugendliche von ihrer Seite keinen Rat annehmen kann oder möchte, wäre es hilfreich, wenn Kontakt zu anderen Erwachsenen besteht, die diese Funktion übernehmen. Die Rolle der Eltern besteht vor allem darin, den Jugendlichen bei seiner Orientierung zu unterstützen, z. B. indem er nach der Schule zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr, den Bundesfreiwilligendienst oder ein Praktikum absolviert. So kann er selbst herausfinden, was ihm liegt und ob er einem 8-Stunden-Tag gesundheitlich gewachsen ist. Ist dies schwierig, könnte z. B. eine Ausbildung in einem Berufsausbildungswerk, z. B. dem Christlichen Jugenddorfwerk (CJD), infrage kommen, das viel Erfahrung mit CF-Kranken hat. Oft ist es so, dass Eltern dazu tendieren, dem eigenen Kind alles möglich machen zu wollen. Sie unterstützen dann jeden Berufs- oder Ausbildungswunsch, den das Kind äußert, sozusagen als Ausgleich für die Einschränkungen durch die Mukoviszidose. Dies ist verständlich, zugleich braucht der Jugendliche aber auch kritischkonstruktive Rückmeldungen. Dabei ist es letztlich egal, wer aus dem Umfeld des Jugendlichen diese erteilt. So kann es hilfreich sein, den Jugendlichen vor der Berufsentscheidung mit Bekannten zusammenzubringen, die ihn über ihr Berufsbild und ihren beruflichen Alltag informieren. Auch die Meinung des Arztes, der Physiotherapeutin, eines Berufsberaters oder Sozialarbeiters in der Reha kann nützlich sein. Entscheidet sich der Jugendliche dann für eine Ausbildung, ein Freiwilliges Soziales Jahr oder Praktikum, sollten ihn die Eltern oder auch der Ambulanzarzt dazu motivieren, sich vorher ausreichend zu informieren. Denn von der Formulierung des Bewerbungsanschreibens und dem Auftreten beim Vorstellungsgespräch hängt das Gelingen ab. Wichtig ist hierbei, dass der Jugendliche sachlich erfährt, in welcher Form er in der Bewerbung auf die Mukoviszidose hinweisen sollte. Bei Bewerbungen an Behörden z. B. hat sich ein Hinweis „Ich bin als Schwerbehinderter anerkannt“ oftmals bewährt. Bei Unternehmen der freien Wirtschaft kann es besser sein, im Anschreiben die Mukoviszidose unerwähnt zu lassen. Auch auf das Vorstellungsgespräch sollte sich der Jugendliche gründlich vorbereiten und im Vorfeld überlegen, was er hier zur CF sagen muss und was nicht. Grundsätzlich genügt ein kurzer Hinweis

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auf die Mukoviszidose. Die Zusendung von Faltblättern an das Unternehmen, bei dem man sich bewirbt, sollte nicht erfolgen. Persönliche Information ist immer besser, da individueller. Dabei sollte die CF wirklich nur den Raum einnehmen, der mit Blick auf die individuelle Ausprägung der Erkrankung angemessen ist. Zu empfehlen sind in jedem Fall die guten Informationen und Seminare des Mukoviszidose e.V. sowie auch hier der Erfahrungsaustausch mit erwachsenen Betroffenen.

Nachteilsausgleiche in Schule und Ausbildung Durch eine anerkannte Schwerbehinderung bei Mukoviszidose, d. h. das Vorliegen eines Schwerbehindertenausweises, lassen sich für Schüler, Auszubildende und Studenten mit CF bei Bedarf Nachteilsausgleiche beantragen. Gesetzlicher Hintergrund ist, dass beim Vorliegen von gesundheitsbedingten Einschränkungen Härtefallregelungen greifen, die dem CF-Betroffenen eine regelgerechte Schul- oder Berufsausbildung ermöglichen sollen. Für Schüler und Abiturienten kann ein individueller sonderpädagogischer Förderbedarf beantragt werden. Der Förderschwerpunkt aufgrund der Mukoviszidose liegt im Bereich der körperlichen und motorischen Entwicklung. Rechtliche Details findet man in der Verordnung über sonderpädagogische Förderung des jeweiligen Bundeslandes. Nachteilsausgleiche umfassen, je nach individuellem Bedarf, z. B. mehr Zeit beim Schreiben von Klassenarbeiten und Klausuren, den Leistungsnachweis über zusätzliche Hausarbeiten, wenn häufig Klassenarbeiten versäumt wurden, sowie Förder- oder Nachhilfestunden, nach dem Budget der jeweiligen Schule möglich. Unter bestimmten Bedingungen kann ein Fahrdienst zur Schule beantragt werden. Vereinbarungen über – auch vorübergehenden – Hausunterricht müssen mit der Schule und dem Schulamt längerfristig geplant werden, z. B. wenn ein Schüler mehrere Wochen oder in einem Schuljahr sehr häufig krankheitsbedingt fehlt oder absehbar fehlen wird. Über Ausnahmeregelungen, wie eine Versetzung auch ohne Benotung wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten, kann die Schule entscheiden. Studienbewerbern mit Schwerbehinderung steht es zu, bei Universitäten oder über die Stiftung für Hochschulzulassung (www.hochschulstart.de) Sonderanträge zu stellen. Anträge auf Nachteilsausgleich bzgl. des Numerus clausus oder der Wartezeit sowie der Härtefallantrag auf sofortige Zulassung zum Studium können zu einer Bevorzugung beim Vergabeverfahren führen.

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Jeder Antrag muss durch ein fachärztliches Gutachten (Ausstellung durch die CF-Ambulanz) begründet werden. Auch ein Antrag auf bevorzugte Berücksichtigung des gewünschten Studienortes kann medizinisch begründet werden, wenn sich die Nähe zu einem CF-Zentrum oder zu den pflegenden Angehörigen daraus ableiten lässt. Vor oder bald nach Beginn des Studiums empfiehlt sich der Kontakt zu der Schwerbehindertenberatung der Hochschule oder Fachhochschule. Hier erhält man Informationen darüber, welche Nachteilsausgleiche auch während des Studiums möglich sind, und wie sie beantragt werden können, z. B. die Verlängerung von Prüfungszeiträumen, Klausuren oder Hausarbeiten, die Gewährung von Integrationshilfen, wie Büchergeld oder persönliche Assistenz, sowie die Verlängerung des Studiums. Auch das BAföG kann aufgrund einer chronischen Erkrankung über die Förderungshöchstdauer hinaus gewährt werden. Das Deutsche Studentenwerk bietet eine Reihe nützlicher Informationen, die unter www.studentenwerke.de zu finden sind. Sollte der Einstieg in Ausbildung und Berufstätigkeit aufgrund der Mukoviszidose problematisch sein, empfiehlt sich der Kontakt zum regional zuständigen Integrationsamt (www.integrationsaemter.de). Die Integrationsämter sind gleichermaßen für behinderte Menschen wie auch für Arbeitgeber tätig. Sie können einem Arbeitgeber finanzielle Zuschüsse für die Einrichtung eines Arbeitsplatzes, für die Lohnkosten bzw. für die Berufsausbildung von jungen Menschen mit Schwerbehinderung gewähren. Voraussetzung für viele Leistungen ist ein GdB (= Grad der Behinderung) von mindestens 50%.

Selbsthilfegruppen und Reha für Jugendliche War es früher noch selbstverständlich, dass CF-Betroffene eine Selbsthilfegruppe in ihrer Nähe besuchten, so ist dies heute eher die Ausnahme. Vielleicht hat die ein oder andere Familie, z. B. über ein Diskussionsforum oder eine Mailingliste, zumindest virtuell Kontakt zu anderen. Für viele Familien werden jedoch Ambulanz und ggf. Physiotherapeutin die einzigen Anlaufstellen sein. Der Vorteil: Man geht Hygieneängsten aus dem Weg und wird nicht mit Betroffenen und deren vielleicht ängstigenden Krankheitsverläufen konfrontiert. Der Nachteil: Der Jugendliche wächst weitgehend „CF-isoliert“ in seiner Familie auf.

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Dabei ist es gerade für Jugendliche in der Pubertät hilfreich, sich an Vorbildern zu orientieren – vornehmlich Menschen, die, wie sie selbst, Mukoviszidose haben oder damit erwachsen geworden sind. Neben der stationären i.v.-Therapie bietet hier vor allem die Reha die Möglichkeit, andere Betroffene kennenzulernen. Sie hat somit nicht nur die Funktion der medizinischen, sondern auch die der psychosozialen Stabilisierung. Diese kann z. B. im Rahmen von Einzelgesprächen, in Gruppenrunden oder integrierten Freizeitangeboten mit eher beiläufigem Kennenlernen anderer CF-ler (CF-Kochen u. ä.) erfolgen. Wer sieht, wie unterschiedlich Menschen mit ihrer Krankheit umgehen, kann sich vieles abschauen, z. B. Wie reagiere ich auf Bemerkungen von Mitschülern zu meinen Medikamenten? Wie schaffe ich es, auf Klassenfahrten Zeit für die Therapie zu finden? Oder auch: Wie kann ich die Therapie möglichst zeitsparend durchführen? Zudem kann es ermutigend sein, zu sehen, wie unbefangen andere CF-Betroffene Aktivitäten Gleichaltriger mitmachen, ohne gesundheitliche Nachteile oder Infektionen zu riskieren. Sie als Eltern sollten Ihre Kinder dazu ermutigen, Reha-Angebote in Anspruch zu nehmen. Sprechen Sie den Ambulanzarzt auf diese Möglichkeit an, auch wenn eine Reha medizinisch vielleicht nicht zwingend erforderlich, aber aus psychosozialer Sicht für Ihr Kind wichtig und nützlich ist. Dann kann der Arzt den Vorschlag für eine Reha machen, den der Jugendliche von den eigenen Eltern möglicherweise nicht annehmen würde. Es gibt diverse Kliniken, die spezielle Mukoviszidose-Rehas anbieten (Adressliste siehe www.muko.info). Für Jugendliche kommen hierbei sowohl Kinder-Rehaeinrichtungen als auch altersübergreifende oder reine Erwachsenen-Rehaeinrichtungen infrage. Im Einzelfall ist zu überlegen, welche am besten geeignet wäre. Grundsätzlich empfiehlt sich eher eine Rehaklinik, die überwiegend CF-Patienten und feste CF-Rehatermine hat, damit der Jugendliche Gelegenheit hat, anderen Betroffenen zu begegnen. Um dies herauszufinden, empfiehlt sich ein Telefonat mit dem auf Mukoviszidose spezialisierten Arzt der betreffenden Rehaklinik. Auch ein Austausch mit erwachsenen Betroffenen kann nützlich sein.

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Stark als Eltern Mit der Pubertät beginnt auch für Eltern von Kindern mit CF eine neue Lebensphase. Das kranke Kind hat über einen langen Zeitraum den Alltag der Eltern bestimmt: Therapiezeiten, Krankenhausaufenthalte, Gespräche mit Kindergärten und Schule sind nur einige Beispiele dafür. Nun nimmt der Jugendliche sein Leben und seine Krankheit selbst in die Hand.

Die Übergangsphase Viele Eltern, insbesondere Mütter, begleitet in der Pubertät ein seit der Diagnosestellung bestehendes Grundgefühl: „Wenn es schon krank ist, dann möchte ich wenigstens alles für mein Kind tun.“ Nur besteht jetzt die Aufgabe der Eltern paradoxerweise darin, weniger zu tun. Vätern fällt das Erwachsenwerden ihres CF-Kindes oft leichter. Das mag damit zusammenhängen, dass das emotionale Verhältnis der Mutter zum Kind oft ein anderes ist als das des Vaters. Zudem sind Väter auch geübter darin, immer wieder Abstand von der Familie zu haben, da sie tagsüber im Beruf außer Haus sind. Gerade zu Beginn des neuen Lebensabschnitts „Pubertät“ geht es speziell Müttern oftmals so, dass sie ein schlechtes Gewissen haben: „Ich könnte doch jetzt etwas für mein CF-Kind tun. Stattdessen tue ich nur etwas für mich.“ „Wird mein Kind es alleine schaffen?“ Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Jugendlicher diese Aufgabe meistern wird, und geben Sie sich selbst bewusst die Erlaubnis: „Ja, auch mir steht nach den vielen Jahren der Kindererziehung ein eigenes Leben zu.“

Was Eltern für sich selbst tun können Ablösungsängste sind normal. Wenn Sie sich ihnen aber zu sehr hingeben, wird dies die Neuorientierung verzögern und damit weder Ihnen noch Ihrem Kind guttun. Je mehr Sie sich anderen Dingen zuwenden, desto mehr treten Ihre Sorgen und Bedenken in den Hintergrund. Bei Familien, die noch weitere, speziell jüngere Kinder haben, wird sich das Vakuum, das aus der Loslösung des Pubertierenden entsteht, nicht so deutlich einstellen. Es ist dann einfach mehr Zeit für die anderen Geschwister da, die vielleicht bisher wegen des kranken Kindes zurückstehen mussten.

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Wenn Eltern über ein soziales Netz verfügen, kann dies vieles erleichtern. Falls die Kontakte in den letzten Jahren „eingeschlafen“ sind, lassen sie sich neu beleben und aufbauen: z. B. kann der Austausch mit anderen Müttern, speziell solchen mit CF-Jugendlichen, helfen. Vielleicht nimmt man gar Verhaltenstipps mit, die es ermöglichen, die nächste Konfliktsituation mit dem eigenen Heranwachsenden besser zu meistern. Hilfreich kann es auch sein, „Wohlfühlinseln“ im Alltag einzubauen: ein Shoppingtag, ein Wellnesstag in einer Therme, ein Lesetag in der Bücherei, der Kurs im Fitnessstudio oder der Besuch eines Konzerts – es gibt viele Möglichkeiten, um abzuschalten und wieder aufzutanken. Auch die Ablenkung durch eine Tätigkeit kann gut sein: Das kann z. B. der Ausbau einer Teilzeitbeschäftigung sein, die Sie bislang zeitlich begrenzt ausgeübt haben. Sind Sie hingegen vollständig „als Familienmanagerin“ zu Hause geblieben, bietet sich ein Wiedereinstieg in den Beruf oder eine neue Tätigkeit an. Auch ein Ehrenamt kann Erfüllung bringen. Denkbar ist zum Beispiel die Mitarbeit in einer Bücherei, die Teilnahme im Kirchenchor oder das Engagement in einem Dritte-Welt-Laden. Entscheidend ist, dass Sie den Mut aufbringen, Neues auszuprobieren. Ob Beruf oder Ehrenamt – beides bringt eine Fülle positiver Effekte: • Sie lenken sich ab und die Fürsorge für das Kind rückt in den Hintergrund. • Sie erhalten Selbstbestätigung und haben neue sinnvolle Aufgaben. • Sie strukturieren automatisch Ihren Tag und fallen nicht in ein Loch. • Sie lernen neue Menschen kennen und haben Freude daran. Lange vernachlässigte Hobbys können ebenfalls wieder neu belebt werden. Und wenn Ihnen spontan nichts einfällt, was Ihnen Spaß macht? Dann hilft es vielleicht, sich zu erinnern, welche Hobbys Ihnen in der Zeit vor Ihrem Kind Freude gemacht haben. Der Blick ins Volkshochschulprogramm oder die Angebote der Kirchengemeinde können neue Horizonte öffnen. Auch die Beziehung zum Partner verändert sich: Jetzt, wo mehr Zeit zur Verfügung steht und die Eltern bei der CF nur noch als „Kriseninterventionstruppe“ benötigt werden, lässt sich wieder mehr Zeit als Paar verbringen. Das kann auch bedeuten, wahrzunehmen, wie fremd man sich geworden ist. Dann gilt es, neue Anknüpfungspunkte zu finden, die Leidenschaft zum Reisen zum Beispiel, der jahrelang vernachlässigte Garten oder ein anderes Hobby, das beiden Spaß macht (z. B. Tanzen). Wenn Sie aber spüren, wie schwer Ihnen, trotz aller Bemühungen, die Loslösung und Neuorientierung fällt, kann eine psychosoziale Begleitung oder ein Coaching helfen: Mit jemandem darüber zu sprechen, der Menschen in ähnlicher Situation wie der Ihren erfolgreich unterstützt hat, kann Sie persönlich voranbringen.

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Cara die komplette Therapieverantwortung zu übertragen, war für uns Eltern sicher der schwerste Schritt auf dem Weg, sie in die Selbstständigkeit zu entlassen. Wir fragten uns: Wird Cara die Therapie gut und regelmäßig durchführen? Nehmen wir Cara dadurch nicht zu viel Zeit weg? Dabei war es im Rückblick nie die Frage, ob wir es machen, sondern nur, wann es zu diesem Schritt kommt. Die Therapie mit Cara haben wir Eltern uns immer „geteilt“. Ich als Mama habe den Löwenanteil in der Woche gemacht, der Papa kam am Wochenende dran. So blieb Cara auch immer Zeit für andere Bedürfnisse. Nur die Zeit zu zweit war recht knapp, da ja immer einer von uns mit der Therapie beschäftigt war. Caras großes Interesse an dem, „wie was funktioniert“, führte dazu, dass sie schon im Grundschulalter, die Inhaletten vorbereiten und die Desinfektion durchführen konnte. Das haben wir natürlich gefördert, weil es für uns wichtig war, zu wissen, dass Cara die Therapie bei Bedarf auch alleine hätte durchführen können. Die Therapie war bei uns sehr fest in den Tagesablauf integriert (Zeiten, wer begleitet das Kind, usw.). Während der Inhalation und Physiotherapie wurde immer vorgelesen. Das hat uns allen dreien sehr viel Freude gemacht und ist das, was uns heute am meisten fehlt. (...) Irgendwann passte Caras gewünschter Tagesablauf an den Wochenenden und in den Ferien überhaupt nicht mehr zu dem, den wir uns für uns selbst wünschten. Das war der Zeitpunkt, wo wir uns mit Cara auf die Verlagerung der Therapieverantwortung geeinigt haben. Es war eine schrittweise „Entwöhnung“. Zuerst waren es nur die Wochenenden und die Ferien. Inzwischen managt Cara ihre Therapie komplett eigenverantwortlich. Vorteile für Cara: Sie kann sehr gut einschätzen, was an einem normalen Tag noch an Freizeit bleibt. Sie darf alleine verreisen, weil wir uns sehr sicher sind, dass sie die Therapie macht. Sie weiß, was auf sie zukommt, wenn sie einmal von zu Hause auszieht. Vorteile für uns: Wir fühlen uns nicht mehr so angebunden. An den Wochenenden bleibt uns inzwischen viel Zeit für unseren Garten, Radtouren, Tennisspielen, Spaziergänge und vieles mehr. Aber auch heute schenken wir Cara gerne noch Zeit, wenn sie es einmal eilig hat. Erfahrungsbericht der Eltern von Cara O.

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Schlusswort

Liebe Eltern, nun haben Sie es geschafft und wir als Autorenteam auch. Gemeinsam sind wir durch alle Lebensphasen Ihres Kindes gegangen. Von der Erstdiagnose über die Zeit des Kindergartens und der Schule bis hin zur Pubertät – der dritten und letzten Broschüre dieser Reihe. Die größte Herausforderung in all dieser Zeit sind die Veränderungen gewesen, die mit der Mukoviszidose einhergehen. Diese und die medizinischen Notwendigkeiten bestimmten Ihr Empfinden und Ihren Alltag. Ihr Kind musste lernen, damit zurechtzukommen – Sie als Eltern ebenfalls. Jede Veränderung bedeutete, sich neu zu informieren und gemeinsam mit der Ambulanz sowie Ihrer Physiotherapeutin vor Ort Lösungen zu suchen. Alltagstaugliche. Ob dies die erste i.v.-Therapie war, neue Wege der Physiotherapie oder ein auftretender Diabetes mellitus – so einschneidend die Ereignisse auch waren, so ist es Ihnen doch gelungen, sie zu meistern. Wer mit einer chronischen Erkrankung wie der Mukoviszidose konfrontiert ist, spürt schnell, wie wichtig ein funktionierendes soziales Netz ist: Eltern, Verwandte, Freunde, Bekannte – sie alle helfen und unterstützen. Hinzu kommt ein „Versorgungsnetz“ aus CF-Team, CF-Arzt, Hausarzt, Apotheke und Physiotherapeutin, vielleicht auch Familienberatungsstellen oder Psychologen. Ein weiterer wertvoller Baustein sind die vielfältigen Angebote der Rehaeinrichtungen und der Selbsthilfeorganisation Mukoviszidose e.V. Indem Sie auch andere Eltern und Erwachsene mit Mukoviszidose kennengelernt haben, hat sich möglicherweise ein positiveres Bild der Erkrankung ergeben. Das Ende unserer Reihe macht deutlich: Nun sind Ihre Kinder erwachsen – der „Staffelstab“ wird weitergereicht. Für Sie haben wir ein eigenes „Logbuch für Erwachsene“ konzipiert. Die Jugendlichen haben nun selbst Verantwortung für ihr Leben und ihre Erkrankung. Sie werden eine Ausbildung machen, einem Beruf nachgehen, von zu Hause ausziehen, „die Frau oder den Mann fürs Leben“ kennenlernen – also sehr ähnliche Lebensphasen durchlaufen, wie jeder Mensch, auch Sie als Eltern, sie erlebt haben. Die Mukoviszidose gehört als Wegbegleiter dazu. Sie will ins Leben integriert werden, mit all den Grenzen und der Zeit, die sie erfordert. Dass Ihrem Kind dies gelingen kann, dafür wurde eine wichtige Grundlage in der Pubertät gelegt. Wenn wir Ihnen, liebe Eltern, dabei helfen konnten, würde uns das sehr freuen, ebenso wie Rückmeldungen und Anregungen. Zögern Sie nicht, uns zu schreiben an: Thomas Malenke, E-Mail: thomasmalenke@aol.com oder Sven Timm, Chiesi GmbH, E-Mail: s.timm@chiesi.de. PD Dr. Doris Staab Dipl.-Psych. Christine Lehmann Thomas Malenke

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Literatur, Adressen, Internet

Literatur Es gibt verschiedene Bücher, die Aspekte dieser Broschüre ergänzen und vertiefen: • Von Drachen, Freundschaft und Ferien. Inselerlebnisse rund um die Mukoviszidose (CF) • Unser Kind hat Mukoviszidose • Dr. Pulmos Pustefibel – Krankengymnastik bei CF • Steinkamp, Gratiana/Ullrich, Gerald (2002): Mukoviszidose und Pseudomonas aeruginosa – Infektionsangst und Maßnahmen zur Infektionsvermeidung • Muko.Info, Ausgabe 1/2006: Pubertät bei Mukoviszidose – zwischen Freiraum und Konsequenz • Das Mukoviszidose-Logbuch (2009), Hrsg. Chiesi GmbH, Hamburg • Das Mukoviszidose-Logbuch für Erwachsene (2012), Hrsg. Chiesi GmbH, Hamburg Diese sind zumeist über den Mukoviszidose e.V. erhältlich: www.muko.info

Adressen • Mukoviszidose e.V., In den Dauen 6, 53117 Bonn, Tel. 0228 98780-0, E-Mail: info@muko.info Über den Mukoviszidose e.V. können Sie die Adresse Ihrer nächstgelegenen Selbsthilfegruppe erfahren. Es gibt mehr als 50 Gruppen im gesamten Bundesgebiet. • Christiane Herzog Stiftung, www.christaneherzogstiftung.de • Österreich: cf – Austria, www.cf-austria.at • Schweiz: Schweizerische Gesellschaft für CF, www.cfch.ch Folgende Einrichtungen bieten Rehabilitation für Jugendliche mit CF an: • Fachklinik Satteldüne Amrum: www.sattelduene.de • CJD Asthmazentrum Berchtesgaden: www.cjd-asthmazentrum.de • Nachsorgeklinik Tannheim: www.jungereha.de • Fachkliniken Wangen im Allgäu: www.fachkliniken-wangen.de

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Internet (Stand: März 2012) • www.mukoteens.de Das Infoportal für Jugendliche mit Mukoviszidose • www.muko.info Homepage des Mukoviszidose e.V. mit vielen Angeboten u. a. für Eltern: Klimakuren, Diskussionsforum, Expertenrat, Literaturliste, Seminare und Tagungen sowie soziale und finanzielle Unterstützungsfonds • www.muko-l.de Mailingliste Muko-l. Hierbei handelt es sich um eine „virtuelle“ Selbsthilfegruppe für den Erfahrungs­ austausch. • www.agecf.de Arbeitsgemeinschaft Erwachsene mit CF (AGECF) im Mukoviszidose e.V. Gerade Eltern mit heranwachsenden Jugendlichen mit Mukoviszidose macht es Mut, von erwachsenen Betroffenen zu hören und mit ihnen in Kontakt zu treten.

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Notizen

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Die Autoren

PD Dr. Doris Staab, Jahrgang 1954, ist Kinderärztin und Leiterin des Christiane Herzog Zentrums an der Charité Berlin. Dort werden mit einem interdisziplinären Team Kinder und Erwachsene mit Mukoviszidose betreut. Sie begann mit der Mukoviszidosearbeit an der Universitätskinderklinik in Bonn 1984 und wechselte 1991 nach Berlin.

Christine Lehmann, Jahrgang 1958, ist als Diplom-Psychologin seit 1992 in der Versorgung von Mukoviszidose-Betroffenen aller Alters­ stufen und deren Familien und Angehörigen eingesetzt. Ihre Tätigkeit am Christiane Herzog Zentrum an der Charité Berlin umfasst die Betreuung während stationärer Aufenthalte sowie Beratungsangebote im Rahmen der Ambulanzbesuche. Sie ist verheiratet und hat 2 Kin­ der (8 und 15 Jahre).

Thomas Malenke, Jahrgang 1966, ist in der öffentlichen Verwal­ t­ung tätig. Er hat selbst CF und schon mehrere Bücher zu diesem Thema herausgegeben. Seit 1987 engagiert er sich in der Muko­ viszidose-Selbsthilfearbeit und ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Erwachsene mit CF im Mukoviszidose e.V. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind Seminare für Eltern mit CF-Kindern.

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