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H ARDEGG EINE PUBLIKATION DER GUTSVERWALTUNG HARDEGG FÜR IHRE PARTNER

Ausgabe 30 / Oktober 2009

Foto: Hardegg

EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser! Trotz aller negativen Meldungen sollten wir optimistisch in die Zukunft blicken, weil historisch betrachtet die Landwirtschaft auch in schwierigen Zeiten immer Anpassungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat. Allerdings ist die diesmalige Herausforderung groß: Die Landwirte, die von Trockenheit und dadurch schlechten Ernten heimgesucht wurden, können die Kosten über den Markt nicht decken. Die Betriebe, die Rekordernten mit DI Maximilian minderen Qualitäten einHardegg fahren konnten, finden keinen Markt für ihre Produkte. Die lokalen Agrarmärkte sind trotz der globalen Verknappung gewaltig unter Druck. Eine sehr gute europäische Maisernte wird zusätzlich belastend wirken. Es scheint so, dass die Krise der Realwirtschaft nun auch bei der Landwirtschaft voll angekommen ist. Jetzt gilt es, sich eine Meinung über einen europäischen Agrarweg zu bilden und seinen Betrieb mit Hilfe entsprechender Maßnahmen auszurichten. Dem Risikomanagement für Feld und Stall sollte dabei große Bedeutung beigemessen werden. Mut machen sollte uns auch, dass unser Ansehen in der breiten Öffentlichkeit gut ist. Diese Tatsache sollten wir nutzen, um unsere vielfältigen und wertvollen, oft nicht vermarktungsfähigen Aufgaben und Leistungen auch öffentlich zu präsentieren. Gelingt es uns zu überzeugen, so wird es einen eigenständigen europäischen Agrarweg mit erfolgreichen Landwirten geben. Wir publizieren die dreißigste Ausgabe. Mit der Hardegg Info möchte ich Ihnen auch weiterhin Anregungen, Informationen und Wissenswertes rund um die Zukunft der Landwirtschaft liefern. Ihr Dipl.Ing. Maximilian Hardegg

Ein wichtiger Teil unserer Identität: die europäische Kulturlandschaft.

Auf der Suche nach einem europäischen Agrarweg Um die EU-Planungsperiode ab 2013 inhaltlich gestalten zu können, gilt es vorher Klarheit über Aufgaben und Ziele eines europäischen Agrarmodells zu schaffen. Momentan scheint aber in Europa die politische Bereitschaft für ein solches zu fehlen. Die politischen Vertreter der EU-Länder haben ganz unterschiedliche Meinungen, sie pendeln zwischen Liberalisierung und Beharrung. Selbst die Organisationen der Interessensvertreter sprechen oftmals nicht mit einer Stimme. Die Zeit scheint davonzulaufen. Im Folgenden einige Aspekte und Notwendigkeiten für einen europäischen Grundkonsens in Sachen Landwirtschaft und -bewirtschaftung. Fortsetzung auf Seite 2 INHALT Interview: Zwischenbilanz BM Niki Berlakovich, der Österreichischen Bundesministerium für Land- Hagelversicherung und Forstwirtschaft Seite 3 Seite 4

Interview: Dr. Dirk Hesse, Agri-Kontakt Seite 5


Foto: Hardegg

Fortsetzung von Seite 1 Herausforderung Welternährung Weltweit wächst die Weltbevölkerung jährlich um 85 Mio. Menschen. Wie eng die Nahrungsmittelversorgung mit politischer Stabilität zusammenhängt, erlebten wir 2007/2008: eine weltweit knappe Ernte hat zu einem Zusammenschmelzen der Reserven und zu einem drastischen Preisanstieg für Agrarrohstoffe und Grundnahrungsmittel geführt. In der Folge kam es in Entwicklungs- und Schwellenländern zu Knappheiten, Unruhen und massiven Störungen des politischen und wirtschaftlichen Gleichgewichtes. Die Aufgabe für Europa ist sicherlich, für entsprechende Nahrungsmittelreserven zu sorgen. Zu diesem Zweck muss die Produktion so intensiviert werden, dass Europa ein verlässlicher Partner für die Lebensmittelproduktion in der Welt wird. Stabile politische Verhältnisse, gemäßigtes Klima, entsprechendes Fachwissen und die hohe relative Fruchtbarkeit der europäischen Ackerbaugebiete sind einige der herausragenden Kennzeichen Europas. Auch die eigene Versorgung sollte nicht zu kurz kommen. Wir konnten ja hautnah erleben, was es bedeutet, wenn Russland den Gashahn abdreht. Daher sollten wir im eigenen Interesse danach trachten, betreffend Ernährung unabhängig zu bleiben und in Europa auf Selbstversorgung und strategische Reserven setzen. Erhaltung der Kulturlandschaft – Teil des Kulturerbes Saubere Landschaften, gepflegte Felder, Wälder, Hecken, Wege und Häuser – eine Selbstverständlichkeit. Und doch sind es Menschen, nämlich Land- und Forstwirte, die diese Leistungen freiwillig und unentgeltlich erbringen. Eine intakte Kulturlandschaft ist von großer Bedeutung für den Tourismus. Und mit der Kulturlandschaft wirbt auch die Wirtschaft – in ihr finden Menschen Erholung und Muße, betreiben Sport und verbringen ihre Freizeit. Sie ist auch der Lebensraum für Wildtiere, Singvögel und Insekten. Der Landbewirtschafter sorgt für ein entsprechendes Gleichgewicht

einen breiten Ansatz setzen und verschiedene Verfahren auf ihre Praktikabilität, Wirtschaftlichkeit und Umweltwirkung prüfen und einführen. Der europäische Ansatz sollte von Biogas bis Hackschnitzel und BTL (Biomass to Liquid)-Treibstoff reichen. Wichtig wird dabei die fachliche Begleitung dieser Entwicklung sein. Projekte, die in Südeuropa gut funktionieren, müssen nicht ideal für Nordeuropa sein. Die Politik sollte sich dabei nach Initialförderungen Zug um Zug zurückziehen und den Markt evaluieren lassen. Politischer Stellenwert

Gepflegte Kulturlandschaften bieten Lebensräume für Singvögel, Insekten und Wildtiere.

zwischen diesen vielfältigen Nutzungsformen. Es ist eine Besonderheit des alten Europas, dass wir Großstädte umgeben von intakten Kulturlandschaften haben. Der fließende Übergang von „Stadt und Land“ und die relative räumliche Knappheit führen dazu, dass viele Menschen zwar auf dem Land leben, aber in der Stadt arbeiten. Die Kulturlandschaft ist also teilweise sehr dicht besiedelt und die Landbewirtschafter haben auf alle Bewohner Rücksicht zu nehmen. In diesem Zusammenhang muss auch der Flächenverbrauch erwähnt werden: in Europa werden täglich knapp zehn km2 versiegelt, also verbaut – in Österreich sind es täglich ca. zwölf Hektar und in Deutschland ca. 120 Hektar. Förderung der biologischen Vielfalt Die biologische Vielfalt (Biodiversität) ist ein Thema, welches uns emotional berührt. Vielerorts hört man wahre Katastrophenberichte über die abnehmende Biodiversität, den Verlust der Artenvielfalt. Wissenschaftlich wurde jedoch nachgewiesen – und Praktiker bestätigten dies –, dass gepflegte Kulturlandschaften mit entsprechenden

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Schutzstreifen wie Hecken und Gräben, sehr wohl attraktive Lebensräume für Singvögel, Insekten und Wildtiere darstellen können. Moderne Landbewirtschaftung und Biodiversität sind also kein Gegensatz. Forschungsergebnisse zeigen auch, dass die besten Lebensräume keine Biodiversität schaffen, wenn sie nicht entsprechend bewirtschaftet werden. In diesem Zusammenhang ist auf die Hege, also auch die Raubwildbejagung, und die richtige Pflege von Landschaftselementen hinzuweisen. Eine unkontrollierte Population von Raubvögeln, Krähen und Füchsen beeinträchtigt das Singvogelvorkommen nachhaltig genauso wie ein Verbuschen und Verwildern von Blühstreifen und Nistflächen. Ein nachhaltiges Gleichgewicht in der Kulturlandschaft wird sich ohne den Menschen nicht einstellen. Schaffung eines ausgewogenen Energiemixes Weltweit sind die nachwachsenden Rohstoffe ein wichtiges politisches Thema. Brasilien mit dem Zuckerrohr und den „flex fuel“-Autos und die USA mit ihrem ehrgeizigen Bioethanolprogramm aus Mais sind hier hervorzuheben. In Europa sollten wir aufgrund der Vielfalt auf INFO

Hier besteht großer Nachholbedarf in Europa. Wirtschaftlich erfolgreiche Agrarnationen können sich eines starken politischen Rückhalts sicher sein. In den USA beispielsweise gibt es ein klares politisches Bekenntnis zum sogenannten „Agribusiness“, welches sich in einer Unterstützung von Forschung und Entwicklung sowie durch eine starke Positionierung im Bereich der Agrarmärkte ausdrückt. In Europa aber fehlt es an Integration in Agrarfragen und die EU spricht nicht mit einer Stimme. Es gibt zwar ein Agrarbudget, aber keine klare Agrarpolitik. Fazit Ohne ein klares europäisches Agrarmodell wird Europa an Wettbewerbskraft verlieren. Eine erhöhte Integration in Agrarfragen stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft. Die Einzigartigkeit der europäischen Landwirtschaft liegt in der unverwechselbaren Kulturlandschaft, der Biodiversität, dem Umwelt- und Tierschutzbewusstsein der Menschen, sowie dem breiten Ansatz im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe. All dies gehört in ein europäisches Agrarmodell integriert. Ohne entsprechende politische Unterstützung für das „Agribusiness“ wird Europa weiterhin an Boden verlieren. Innovationen werden aus Übersee kommen und Forscher werden Europa den Rücken kehren. Es liegt an der Politik und den Interessensvertretern, sich diesen Entwicklungen entgegenzustellen und für eine zeitgemäße und wandlungsfähige Landwirtschaft einzutreten. ◆


INTERVIEW

Foto: BMLFUW/Newman

Die europäische Landwirtschaft – Liberalisierung oder Schutzmechanismen? Hardegg Info im Gespräch mit Bundesminister Niki Berlakovich, Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. Hardegg Info: Sehr geehrter Herr Bundesminister, derzeit wird in den Mitgliedsstaaten schon intensiv und konträr über den agrarpolitischen Kurs Europas debattiert. Das Meinungsspektrum liegt einerseits zwischen schnellstmöglicher Liberalisierung (Großbritannien, Dänemark, Holland u.a.) und andererseits mehr oder weniger Aufrechterhaltung von Schutzmechanismen (Frankreich u.a.). Die Landwirte, die an einen eigenständigen europäischen Weg glauben, sammeln laufend Argumente – von Pflege der Kulturlandschaft über Biodiversität, nachwachsende Rohstoffe, Klimaschutz und Ernährungssicherheit. In welche Richtung wird die Debatte laufen und mit welchen Argumenten wird man durchkommen? Bundesminister Berlakovich: Strategische Überlegungen, die die Zukunft der Landwirtschaft und die Versorgungssicherung gewährleisten, sind unbedingt erforderlich. Daher habe ich die Agraroffensive „Zukunftsfeld Bauernhof“ gestartet. In diesem breiten Diskussionsprozess will ich die Meinungen der Bäuerinnen und Bauern aus allen Bundesländern über die wesentlichen Grundsatzfragen einer Landwirtschaft unter veränderten Vorzeichen – wie Wirtschaftskrise, unsichere Märkte und neue Spielregeln in der Landwirtschaft – hören. Auch auf internationaler Ebene ist ein gemeinsames Vorgehen wichtig, insbesondere bei Fragen zu den Auswirkungen des Klimawandels und der Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln und Energie. Wichtig in der Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft in Österreich und in Europa ist

für uns, dass unsere hochqualitativen Lebensmittel aus nachhaltiger Landwirtschaft und kleinere Betriebsgrößen im agrarischen Welthandel anerkannt und in der europäischen Politik berücksichtigt werden. Daher werden wir uns auf EUEbene für entsprechende Rahmenbedingungen einsetzen. Unterstützende EU-Rahmenbedingungen sind für unsere Landwirtschaft unabdingbar, eine Liberalisierung und Wettbewerbsorientierung im Agrarsystem ohne die Berücksichtung von sensiblen Bereichen oder benachteiligten Gebieten lehne ich ab. Wir brauchen auch in Zukunft beide Säulen der EU-Agrarpolitik – Direktzahlungen und Ländliche Entwicklung. Für uns heißt das vor allem, Produktionsweisen auszubauen, die der österreichschen Bevölkerung ein Anliegen sind, wie etwa eine bewusst nachhaltige Produktion, die biologisch erzeugte Produkte forciert. In Österreich stößt daher auch jede Art der Produktion, die diese Bioproduktion in Frage stellt oder behindern kann, auf Ablehnung. Sowohl die österreichische Bevölkerung als auch die Landwirtschaft lehnt den Anbau von gentechnisch verändertem Saatgut ab, da dies mit der kleinstrukturierten Landwirtschaft, wie sie in Österreich vorherrschend ist, unvereinbar ist. Ein Nebeneinander von GVO und Bioproduktion wäre in Österreich nicht möglich und gerade die Produktion von biologischen Produkten würde darunter leiden. Hardegg Info: Gerade das Thema der Nahrungsmittelsicherheit wird laut Experten immer wichtiger. Öffnen wir unsere Märkte,

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so wird die Abhängigkeit von Dritten größer. Parallelen zur Energiesicherheit lassen sich ziehen. Wie kann dieses Problem gelöst werden? Bundesminister Berlakovich: Zu den wichtigsten aktuellen und zukünftigen globalen Rahmenbedingungen der Landwirtschaft gehören eine ansteigende Weltbevölkerung mit der einhergehenden Urbanisierung, Anforderungen an die Versorgungssicherung sowie die Auswirkungen des Klimawandels. Die Sicherstellung der Lebensmittelversorgung und die Bewahrung der flächendeckenden Produktion ist ureigenste Aufgabe der Landwirtschaft. Eine klare Zukunftssparte ist aber auch die land- und forstwirtschaftliche Energieproduktion. Unser Ziel sind energieautarke Regionen und Bäuerinnen und Bauern, die davon profitieren. Die Agraroffensive „Zukunftsfeld Bauernhof“ hat daher das Zukunftsfeld bäuerliche Energie-Produktion in den Vordergrund gestellt. „Energie ab Hof“ soll eine verbreitete und lukrative Einnahmequelle werden, die eine hohe Bedeutung für den Klima- und Umweltschutz einnimmt. Hier können sich die Bäuerinnen und Bauern eine überaus wichtige Rolle erarbeiten. In der regionalen Energieversorgung werden Biomasse für WärmeEnergie, Treibstoff aus Biomasse sowie Strom aus Biogas eine noch größere Rolle spielen. Ich bin für einen bewussten Ausbau von Bioenergie, der allerdings nicht zu Lasten der Lebensmittelproduktion gehen darf. Hardegg Info: Heimische Landwirte erbringen eine Reihe von Leistungen für die Gesamt-

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BM Niki Berlakovich

gesellschaft quasi „gratis“, z. B. die Pflege der Kulturlandschaft. Zusätzlich können Betriebe, anders als andere Wirtschaftstreibende, nicht die Koffer packen und in Billiglohnländer abwandern. Was muß seitens der Landwirte und ihrer Vertreter getan werden, um einerseits die positive öffentliche Wahrnehmung zu verstärken und andererseits die politischen Kritiker entsprechend zu überzeugen? Bundesminister Berlakovich: Den Österreicherinnen und Österreichern sind die Bäuerinnen und Bauern grundsätzlich sympathisch. Das hohe Ansehen ergibt sich aus einer positiven Wahrnehmung des Berufsstandes insgesamt und aus einigen konkreten Faktoren, die die Bevölkerung an ihrer Arbeit schätzt. Das sind insbesondere die Erzeugung von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, Umweltschutz, Bewahrung von Natur und Landschaft und die Betreuung der ländlichen Infrastruktur. Bäuerliche Produkte werden von Verbrauchern vor allem deshalb geschätzt, weil sie als qualitätvoll, ursprünglich und authentisch gelten, mit regionaler Herkunft verbunden werden und die Versorgung sicher stellen. Für die Zukunft gilt es, diese hohen Imagewerte weiter zu steigern. Dazu müssen wir aber für sichere Rahmenbedingungen sorgen und die Bäuerinnen und Bauern arbeiten lassen, damit sie ihre wichtigen Aufgaben für die Gesellschaft weiterhin erfüllen können. ◆


ZwischenbilanzderÖsterreichischen Hagelversicherung: mehr als 70 Mio. Euro Schaden für die Landwirtschaft Foto: Österreichische Hagelversicherung

Auch heuer zeigt sich deutlich: Hagel stellt für Österreichs Landwirtschaft ein Risiko allerersten Ranges dar. Mehr als 70 Millionen Euro Schaden, 180.000 Hektar geschädigte Fläche, rund 175 beschädigte Glas- und Folienhäuser lautet die erschreckende Hagelzwischenbilanz für das heurige Jahr. Mehr als 19.000 Schadensmeldungen zeigen einen Negativrekord. Besorgniserregend ist, dass die Hagelschäden in der Landwirtschaft jedes Jahr dramatisch zunehmen und sich die Zahl der Schadensmeldungen seit 2005 mehr als verdreifacht hat (siehe Grafik). Hagelschäden nehmen weiter zu Der Klimawandel bringt auch mehr Wetterextreme mit sich. Die Wissenschaft bestätigt, dass die Hagelschäden in den nächsten Jahren tendenziell weiter steigen werden. Auch die Heftigkeit der Unwetter und Stürme wird noch zunehmen. Die Landwirtschaft mit ihrer Werkstatt unter freiem Himmel ist davon ganz besonders betroffen, da 80 Prozent des Ertrages vom Wetter abhängen. 23. Juli: Beispielloses Hagelereignis mit schwersten Schäden Von Mai bis Mitte August hat es an jedem vierten Tag gehagelt. Vor allem der Hagelzug vom 23. Juli, der von Vorarlberg über

Salzburg und Oberösterreich bis nach Wien und ins östlichste Niederösterreich zog, hinterließ eine Spur der Verwüstung. In nur wenigen Stunden entstand allein in der Landwirtschaft ein Gesamtschaden von über 20 Millionen Euro. Die Hagelkörner erreichten mancherorts die

Größe von Tennisbällen und verursachten katastrophale Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen und Glashäusern. 60.000 Hektar landwirtschaftliche Flächen wurden mit einem Schlag zerstört. Großflächig wurden Mais- und Getreideflächen arg in Mitleidenschaft gezogen und die Wiener Weinernte zum Teil vernichtet – so die erschreckende Bilanz des 23. Juli. In der Unternehmensgeschichte der Österreichischen Hagelversicherung gab es noch nie ein Einzelhagelereignis mit einem derartig katastrophalen Schadensausmaß. Professionelle Hilfe von Landwirten für Landwirte Solch ein schweres Unwetter bedeutet auch eine enorme organisatorische Herausforderung für die Sachverständigen der Österreichischen Hagelversicherung. Rasche Hilfe im Schadensfall und eine transparente, objektive

Grafik: Österreichische Hagelversicherung

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sowie nachvollziehbare Schadenserhebung, bei der der betroffene Landwirt eingebunden wird, haben für die Sachverständigen der Österreichischen Hagelversicherung oberste Priorität. Mehr als 300 Sachverständige, die selbst alle praktizierende Landwirte sind, stehen in Österreich für einen Einsatz zur Verfügung. Ein perfektes Netzwerk ermöglicht es, innerhalb weniger Stunden nach dem Hagelunwetter mit der Schadenserhebung zu beginnen. Nach einem Großereignis wie am 23. Juli diesen Jahres waren in ganz Österreich mehr als 150 Sachverständige im Einsatz. Dabei ist ein 15-Stunden-Tag für die Sachverständigen keine Seltenheit. Anstelle der in anderen Ländern üblichen Zählblätter arbeiten die Experten bei der Schadenserhebung vor Ort mit Tablet PCs. Auf digitalisierten Feldstücken werden die Schäden erhoben und in der Zentrale in Wien rasch bearbeitet. ◆


Die Herausforderungen der Ferkelerzeugung, Qualitätsmanagement und Bürgerbeteiligungen Interview mit Dr. Dirk Hesse, Gründer und Inhaber des Beratungs- und Dienstleistungszentrums „Agri-Kontakt“ Hardegg Info: Sehr geehrter Herr Hesse, als Schweinefachberater haben Sie einen großen Überblick über die Ferkelerzeugung.Wo befinden sich in bäuerlichen Betrieben die größten Verbesserungspotenziale? Dr. Hesse: In Deutschland wurden in den letzten Jahren die größten Leistungssprünge durch die genetische Entwicklung gemacht. Über ein Viertel der Betriebe des DLG-Forum-Spitzenbetriebe haben in den letzten drei Jahren die Genetik gewechselt. Zu diesem Forum gehören etwa 130 Betriebe, die z. Z. ein Leistungsniveau von 24,7 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr vorweisen können. Die besten 25 Prozent dieser Gruppe liegen bereits bei 27 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr. Das zeigt deutlich, wo die Reise hingeht. Entscheidender als die biologischen Leistungen ist in der Regel die Wirtschaftlichkeit. Sind Wachstumsschritte geplant, sollten diese unbedingt auf der Basis einer Vollkosten-Analyse geschehen. Hier zeigt sich zumeist, dass ein Umbau zwar Investitionskosten sparen kann, die beim Neubau aber in der Regel deutlich geringeren Arbeitszeiten diesen Vorteil deutlich überkompensieren können. Wer im Schweinemarkt auch in Zukunft erfolgreich dabei sein will, muss immer mehr unternehmerisch denken und handeln und die Risken bewerten. Hardegg Info: Landwirte sind auch Unternehmen und zu einem guten Unternehmer gehört auch Mitarbeiterführung. Welche Bedeutung kommt diesem Thema in Zukunft zu? Dr. Hesse: Je größer die Betriebe werden, desto mehr Bedeutung gewinnt die Qualität der Mitar-

beiterführung. Ein Ferkelerzeuger mit hervorragenden biologischen oder auch ökonomischen Leistungen muss nicht zwingend ein guter Chef sein. Zudem wird es offensichtlich immer schwieriger, an qualifizierte Mitarbeiter zu kommen. Ein Grund übrigens, warum die DLG ab diesem Herbst eine Fortbildung zum „Herdenmanager-Sauenhaltung“ anbietet. Hardegg Info: Sie legen als Berater gerade auf die Klauenpflege großen Wert. Warum gerade die Klauen, worauf sollte der Sauenhalter besonders achten und gibt es schon stalltechnische Einrichtungen zur Klauenpflege? Dr. Hesse: In Deutschland muss die Gruppenhaltung von Sauen – von der sicheren Trächtigkeit (ca. 35 Tage nach Besamung) bis zur Abferkelung – bis zum 01.01.2013 auch bei Altanlagen umgesetzt sein. Aus diesem Grund gewinnt die Gruppenhaltung in der Praxis immer mehr Bedeutung. Sicher gibt die Gruppenhaltung den Sauen mehr Möglichkeiten zur Bewegung. Aus Sicht der Tiergesundheit ist diese Entwicklung jedoch mit großer Sorge zu betrachten. Die Einzeltierbeobachtung – und damit auch die Früherkennung von Gesundheitsbeeinträchtigungen – wird immer schwieriger. Insbesondere treten Klauenverletzungen – im Gegensatz zur Einzelhaltung – immer häufiger und auch in schwerer Form auf. Eine wegen Klauenproblemen in der Hochträchtigkeit abgehende Sau kann Kosten von bis zu 560 Euro verursachen. Lahme Sauen setzen im Schnitt etwa zwei Ferkel pro Wurf ab, was sich zu einer Belastung von bis zu 40 Euro je produktiver Sau eines

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Bestandes summieren kann. Wesentlich für das Auftreten von Klauenproblemen sind – neben der Genetik – die Fütterung, die Haltung sowie das Management. Treten Klauenprobleme häufiger auf, sollte ein gemeinsamer Stalldurchgang mit Tierarzt und Produktionsberater erfolgen, wenn nachhaltig Lösungen gefunden werden sollen (Weitere Informationen dazu auch unter: www.agrikontakt.de/Fachinfo/ Tiergesundheit). Hardegg Info: Sauenhaltung ist der Bereich der Schweinehaltung, wo am meisten investiert wird und das größte unternehmerisches Risiko eingegangen wird. Sind die Betriebsleiter sich dessen bewusst bzw. wie kann man sich das Risiko vor Augen halten und lässt es sich eingrenzen? Dr. Hesse: Wie in anderen Branchen auch, werden die Märkte in der Landwirtschaft immer volatiler – eine Binsenweisheit. Doch was bedeutet das für Landwirte, insbesondere Schweinehalter: Unternehmerisches Handeln ist umso erfolgreicher, je mehr sich der Unternehmer der Risiken und Chancen „seines“ Marktes bewusst ist und sich mit entsprechenden Stärken und Schwächen seines Unternehmens beschäftigt hat. Dies haben übrigens auch Banken erkannt und bewerten Landwirte im Rating besser, wenn Sie eine entsprechende Risiko-Chancen-Analyse vorlegen können. Dies wirkt sich dann auch in günstigeren Finanzierungskonditionen aus. Aus diesem Grund haben AgriKontakt und DLG das Konzept Risiko-Management-Landwirtschaft (RML) aus der Praxis für die Praxis entwickelt. Dieses Konzept wurde mittlerweile an schweinehaltenden Betrieben erprobt

INFO

Dr. Dirk Hesse, Berater 1988–2002 Wissenschaftler und Beamter an der FAL Braunschweig (Institut für ldw. Bauforschung) 2002 Wechsel in die freie Wirtschaft seit Januar 2008 „Agri-Kontakt“ (www.agrikontakt.de)

und weiter entwickelt. Die Ergebnisse wurden Anfang September 2009 auf den DLG-Unternehmertagen vorgestellt. Weitere Informationen zu RML finden sich auf der Internetseite von AgriKontakt (www.agrikontakt.de). Aufgrund der überaus positiven Resonanz wird das Konzept jetzt auch auf Milchvieh- und Ackerbaubetriebe ausgeweitet. Hardegg Info: Auf europäischer Ebene werden die Haltungsbedingungen für Nutztiere laufend überprüft und es werden neue Standards angedacht. Für Landwirte erweckt dies oft den Eindruck der Praxisferne. Wie sehen Sie das? Dr. Hesse: Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, wenn Tierschutz- als auch Umweltschutzstandards zunehmend europaweit einheitlich geregelt werden. Die Möglichkeit, dass einzelne Staaten Europas bei der Umsetzung dieser Regelungen Verschärfungen einführen können, dient weder der Sache noch dem Wettbewerb. Manches, wie z. B. die Empfehlung, dass Schweine so viel Platz bekommen sollten, dass alle Schweine gleichzeitig, einzeln und in ausgestreckter Seitenlage liegen können, erweckt beim Praktiker mittleres bis starkes

Foto: Hesse/AGRI Kontakt

INTERVIEW


KURZ & BÜNDIG

Spannende Positionen zur Kulturlandschaft in Österreich Am 13. Mai 2009 fand der 11. Agrardialog zum Thema „Die Kulturlandschaft: Dynamische Entwicklung, vielschichtige Bedeu-

Univ. Prof. Dr. Ernst Bruckmüller von der Universität Wien und Dr. Christian Milota, Geschäftsführer der Niederösterreichischen Landesakademie diskutierten mit DI Maximilian Hardegg und einem interessierten Publikum über die Bedeutung der Kulturlandschaft in Österreich als Lebensraum, Arbeitsstätte, Erholungsraum und Sportplatz. Über den Agrardialog

Experten diskutieren die Bedeutung der Kulturlandschaft in Österreich (v.l.n.r.: Dr. Christian Milota, DI Maximilian Hardegg, Univ. Prof. Dr. Winfried E. H. Blum, Univ. Prof. Dr. Ernst Bruckmüller)

Gutsverwaltung Hardegg erhält DLG-Nachhaltigkeitszertifikat Im Rahmen der Agritechnica im November 2009 in Hannover wird der Gutsverwaltung Hardegg vom Präsident der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), Carl-Albrecht Bartmer, das Nachhaltigkeitszertifikat überreicht werden. Die DLG hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Technischen Universität München-Weihenstephan, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und dem Institut für Nachhaltige Landbewirtschaftung das Zertifikat „Nachhaltige Landwirtschaft – zukunftsfähig“ ent-

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wickelt. Mit dem System werden landwirtschaftliche Betriebe anhand ökologischer, ökonomischer und sozialer Indikatoren zertifiziert. Die Indikatoren bewerten die Wirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt und machen Aussagen zur Wirtschaftlichkeit und zu sozialen Aspekten. Auf Basis dieser Wirkungsanalyse wird das DLG-Zertifikat vergeben. Somit wird Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft mess- und sichtbar. Mit dem Zertifizierungssystem steht eine einheitliche Methode für die Bewertung von Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zur Ver-

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Herausgeber und Medieninhaber: Gutsverwaltung Hardegg, 2062 Seefeld-Kadolz, Tel. (02943) 22 03, Fax DW 10, E-Mail: office@hardegg.at, www.hardegg.at Redaktion: DI Maximilian Hardegg Konzeption: communication matters Druck: AV+Astoria Druckzentrum, Wien

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Der Agrar-Dialog ist eine Veranstaltungs- und Diskussionsreihe der Gutsverwaltung Hardegg und thematisiert aktuelle Fragen aus dem Bereich der Landwirtschaft mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Der Agrardialog versteht sich als Impuls gebendes Diskussionsforum, das wichtige landwirtschaftliche Themen auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht.

Foto: Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft

Hardegg Info: Wer betreibt in Deutschland diese Aufklärungsarbeit bzw. wer stellt in Deutschland diese Informationen zur Verfügung? Dr. Hesse: Die Information von politischen Entscheidungsträgern über aktuelle Entwicklungen im Tier- und Umweltschutz, die aus der landwirtschaftlichen Praxis kommen, wird in Deutschland u.a. in hervorragender Weise von der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) und dem Zentralverband der Deutschen Schweinehalter (ZDS) durchgeführt. Zur Förderung von fachlich sinnvollem Tier- und Umweltschutz trägt seit Jahren die DLG mit ihrem Testzentrum in Groß-Umstadt bei. Bereits seit dem Jahre 2000 prüft die DLG Bau- und Haltungstechnik auch auf ihre Tiergerechtheit hin. Zu diesem Zwecke wurde bereits im Jahre 1999 der DLG-Fachausschuss „Tiergerechtheit“ gegründet. Dieser hat im Jahre 2000 in einem Merkblatt „Tiergerechtheit auf dem Prüfstand“, das unter http://www.dlg.org/uploads/ media/dlg-merkblatt_321.pdf kostenlos herunter geladen werden kann, die fachliche Grundlage dazu gelegt. Übrigens werden in immer mehr Ländern der EU die bei solchen Prüfungen verfassten Berichte als Grundlage zur Vergabe von Fördermitteln gemacht. ◆

tung und Erwartungshaltungen“ im Cafe Griensteidl statt. Univ. Prof. Dr. Winfried E.H. Blum von der Universität für Bodenkultur,

Foto: Godany/communication matters

Kopfschütteln. Zumindest ist mir in meinen über 20 Jahren in Wissenschaft und Beratung noch keine solche Schweinegruppe begegnet. Anderes, wie z. B. der Beschluss, eine weitere Aktualisierung der bestehenden EU-Richtlinie zur Schweinehaltung erst dann durchzuführen, wenn vorher ein Gutachten zur wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Umsetzbarkeit vorliegt, ist sicherlich ein vernünftiger Weg. Mehr Sorgen macht mir allerdings, dass es unternehmerischen Landwirten immer schwerer gemacht wird, tier- und umweltgerechte Ställe zu bauen. Dies liegt weniger an der hier anzuwendenden Gesetzeslage, als an den wie Pilze aus dem Boden schießenden Bürgerinitiativen. Fachlich fundierte Aufklärung vor Ort wird daher immer wichtiger.

fügung. Sie wird für die Erzeugung von Energiepflanzen ebenso angewendet, wie für Lebens- und Futtermittel und ist gleichermaßen zugeschnitten auf konventionelle und ökologisch wirtschaftende landwirtschaftliche Betriebe.


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