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Kreislaufwirtschaft

Der Handel spielt in der Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle.

Interview mit Kaspar Engeli, Direktor Handel Schweiz

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Wie stehen die Chancen für mehr Kreislaufwirtschaft?

Der haushälterische Umgang mit Ressourcen ist zentral und er nimmt zu – auch dank smarter digitaler Lösungen. Bei der Kreislaufwirtschaft ist die Herausforderung, immer «wasserdichtere» Kreisläufe zu konstruieren und zu pflegen. Das fängt an mit der Frage nach der Langlebigkeit der Produkte und geht über das Recycling bis zur Wiederaufbereitung oder noch besser zum Re-Use. Bei diesem Thema rennt man beim Handel offene Türen ein. Dahinter steht die Erkenntnis, dass es ökonomisch ist, sich ökologisch zu verhalten.

Wie lässt sich Food Waste reduzieren?

Food Waste ist ein grosses Thema. Food Waste löst 25% der Umweltbelastung aus, die in der Schweiz durch Ernährung entsteht. Hier sind sehr viele Player beteiligt – auf der ersten Stufe die Produktion, also die Landwirtschaft, dann der Handel und sehr stark auch der Konsument. Er entscheidet schlussendlich, was er isst und was er wegwirft. Auf jeder Stufe gibt es intelligente Anwendungen: Drohnen können Felder überwachen, damit die einzelnen Pflanzen individuell statt nach dem Giesskannenprinzip bedüngt werden. Im Handel können optimale Kühlketten Food Waste reduzieren. Saisonale Produkte sind in der Regel frischer und generieren weniger Waste. Schliesslich müssen wir Konsumenten unser Bewusstsein ändern. Auch dafür gibt es smarte Tools wie zum Beispiel intelligente Verpackungen, die uns anzeigen, ob ein Lebensmittel noch geniessbar ist oder nicht.

Es gibt keinen Abfall, sondern nur Material. Recycling ist einer der Wege, diesen «Rohstoff» zu nutzen.

Es gibt keinen Abfall, sondern nur Material. Recycling ist einer der Wege, diesen «Rohstoff» zu nutzen.

Wie viel muss in Kreislaufwirtschaft investiert werden?

Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft braucht es Investitionen in Milliardenhöhe. Es geht um alle Produkte und möglichst umfassende Lösungen. Die Planung und Umsetzung sind ausgesprochen aufwendig. Die Forschung kann Vorschläge für den Umgang mit Materialien sowie für intelligente Warenflüsse bringen. Je nachdem braucht es für die Umsetzung technische Anlagen für Recycling oder Wiederaufbereitungsanlagen. Es handelt sich um hochkomplexe und sehr kostenintensive Projekte, die sich vor allem langfristig lohnen.

Zudem muss jede technologische Lösung grundsätzlich eine offene sein – auch in der Kreislaufwirtschaft. Je nach Branche und Produkten spricht man von globalen Kreisläufen. Hier müssen wir alle einen Beitrag leisten und ja nicht meinen, dass wir aus der Schweiz heraus die pfannenfertige Lösung bieten können. Hier muss man sich international zusammenschliessen, sei das politisch im Rahmen der EU oder auch über Firmenkonglomerate bzw. branchenweit.

Was können die einzelnen Branchen tun?

Jede Branche muss für sich definieren, was nachhaltig und sinnvoll ist. Dann gilt es, in den Dialog mit dem Kunden zu treten. Vielleicht kann man zusammen ein Bewusstsein schaffen für das, was man tut. Es bestehen gegenseitige Einflussmöglichkeiten – vom Konsumenten Richtung Handel und Herstellung wie auch umgekehrt. Diese Art Austausch findet ja bereits in vielen Branchen statt. Je nachdem gibt es zum Beispiel saisonale Aspekte oder Fragen zur Herkunft zu berücksichtigen. Manche Produkte kommen nur an ein oder zwei Orten auf der Welt vor, andere sind überall erhältlich. Gewisse Produkte werden saisonal einmal pro Jahr, andere fünfzig Mal im Jahr gebraucht. Je nach Branche bestehen andere Einflussfaktoren und müssen andere Fragen gestellt werden.

Wie lässt sich Recycling fördern?

Recycling ist ein Schlüsselelement in der Kreislaufwirtschaft; in diesem Bereich wird sehr viel geforscht. Manche Branchen weisen bereits heute eine Recyclingquote von 90% auf. Das ist zum Teil sehr aufwendig. So nimmt die IT-Branche alle Geräte zurück. Das Recycling geht hier bis zu seltenen Erden. Die Produkte werden auseinandergenommen und die Mikroteile anschliessend wieder in den Kreislauf eingespeist. Ähnliches passiert bei Textilien oder beim Stahl. Es scheint mir wichtig zu sein, dass dies freiwillig geschieht. Solche Lösungen lassen sich nicht staatlich verordnen.

Wie sieht erfolgreiches Recycling aus?

Recycling muss aus der Sicht des Konsumenten gedacht werden. Das braucht einen Paradigmenwechsel, die Einsicht, dass ich freiwillig mitmache, weil es sinnvoll und nachhaltig ist. Ist die Einsicht vorhanden, muss diese multipliziert und das System implementiert werden. Wichtig sind die passenden Strukturen für die Verwertung. Es braucht Kapazitäten, um grosse Mengen anzunehmen und sauber, gut und vernünftig zu rezyklieren. Natürlich braucht es auch geeignete Produkte. Doch mittlerweile ist die Forschung schon weit. Ich gehe davon aus, dass es kaum mehr Waren gibt, bei denen sich das Recycling nicht lohnt.

Wie kann sich der Schweizer Handel engagieren?

Der Handel ist grundsätzlich bereit, beim Recycling Hand zu bieten. Jedoch ist die Kostenfrage zu klären. Beim Recycling entstehen zum Teil immense Kosten; sie betreffen die Logistik und eine komplette Infrastruktur. Da müssen alle mitmachen; es braucht die ganze Gesellschaft. Sicher ist: Die Kosten müssen an die Verursacher überwälzt werden. Bei manchen Modellen werden die Kosten bereits beim Verkauf erhoben. Funktionierende Lösungen erfordern ein ausgeklügeltes Zusammenspiel.

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