Bericht zur lage 2014

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Bericht zur Lage der Bibliotheken 2014 ZAHLEN UND FAKTEN


2 | STANDPUNKTE

BERICHT ZUR LAGE DER BIBLIOTHEKEN 2014

Auf ein Wort

Bibliotheken: Das sagt die Politik

Prof. Dr. JOHANNA WANKA

HEIKO MAAS

PROF. Monika Grütters

Bundesministerin für Bildung und Forschung

Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz

Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

„Digitale Medien spielen eine immer größere Rolle in allen Bereichen des Lebens, das Angebot wächst und verändert sich ständig. Für Bibliotheken bedeutet dies mehr Verantwortung, die Medienkompetenz in breiten Bevölkerungsgruppen zu verbessern und Orientierung zu geben. Die Bibliotheken haben hier hervorragend reagiert, sind technisch auf der Höhe der Zeit und haben sehr gute Bildungsangebote entwickelt, um Menschen aller Altersgruppen zu erreichen.“

„Bibliotheken garantieren Bürgerinnen und Bürgern einen freien Zugang zu Informationen und Wissen. Besonders Blinde, seh- und lesebehinderte Menschen müssen Zugang zu denselben Büchern haben wie andere Menschen auch. Der Vertrag von Marrakesch ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu gleichberechtigter Teilhabe an Kultur und Wissen. Deutschland hat das Abkommen im Juni unterzeichnet und wird jetzt dessen Umsetzung vorantreiben. Dazu gehören die Ratifizierung durch unser Land – aber auch durch die Europäische Union. Der europäische Gesetzgeber ist jetzt gefordert, die Übertragung urheberrechtlicher geschützter Werke in barrierefreie Formate und deren Verbreitung zu erleichtern – auch digital und über Ländergrenzen hinweg.“

„Bibliotheken und andere Gedächtniseinrichtungen haben in den vergangenen Jahren enorme Anstrengun­gen unternommen, um ihre Bestände zu digitalisieren und für jedermann im Netz verfügbar zu machen. Portale wie die DDB bieten einen faszinierenden Einblick in die Schätze, die in unseren Bibliotheken, Museen und Archiven bewahrt werden. Kultur wird dadurch auch in der virtuellen Welt lebendig! Aber während uns der Zugang zu Kulturgut im Internet inzwischen als eine Selbstverständlichkeit erscheint, ist es im Original oft von Zerfall und Verlust bedroht. Daher darf auch bei zunehmender Digitalisierung der Erhalt des unersetzlichen Originals nicht aus dem Auge verloren werden, sonst ist eines Tages nichts mehr vorhanden, was digitalisiert werden kann.“

Fotos: Bundesregierung/Steffen Kugler (Johanna Wanka), Frank Nürnberger (Heiko Maas), Christof Rieken (Monika Grütters)


DER VERBAND | 3

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Über uns

Der Deutsche Bibliotheksverband Ein umfassendes Bibliotheksangebot für die Menschen in Deutschland, elektronische Medien, ein modernes Urheberrecht und Digitalisierung – das und vieles mehr sind die Themen, für die sich der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) stark macht. Der Verband hat mehrere tausend Mitglieder: Staats- und Universitätsbibliotheken, Stadt- und Gemeindebibliotheken, Bibliotheken in freier Trägerschaft, Spezialbibliotheken, Fahrbibliotheken und Ausbildungsstätten. Für seine Interessenvertretung pflegt der dbv enge Kontakte zu Parlamenten und Ministerien sowie zu den kommunalen Spitzenverbänden und Gebietskörperschaften. Er formuliert bibliothekspolitische Forderungen und erarbeitet Stellungnahmen. Mit Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verdeutlicht er die Bedeutung von Bibliotheken für Bildung, Kultur und Wissenschaft. Der Publizistenpreis der deutschen Bibliotheken zeichnet jährlich hervorragende Medienschaffende aus. Außerdem vergibt der Verband die Auszeichnung „Bibliothek des Jahres“. Der dbv hat starke Partner auf nationaler wie auf internationaler Ebene und pflegt engen Kontakt zu den Vertretungen des Buchhandels, der Autoren und der Verlage. Die Kernaufgaben des Verbandes werden ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge finanziert. Zusätzlich wirbt er umfangreiche Drittmittel ein.

16.678.245

Digitaler Bestand (E-Books usw.*)

10.516.009 Aktive Nutzer

18.484.133

Bestand Non-Book (Spiele, Noten, Karten usw.)

204.560

Arbeitsplätze

384.627.514 Bestand Print-Medien

10.098

Bibliotheken in Deutschland

466.523.751 Entleihungen pro Jahr

216.857.541 Physische Besuche/Jahr

348.562

Veranstaltungen/Jahr

Quelle: Deutsche Bibliotheksstatistik 2013 / *ohne E-Zeitschriften in wissenschaftlichen Bibliotheken


4 | ELEKTRONISCHE MEDIEN

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Der DBV Fordert

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Ein Recht auf Lizenzen für elektronische Medien in Öffentlichen Bibliotheken

E-Books sind heute ein fester Bestandteil der modernen Medienwelt. Jeder fünfte Bundesbürger liest mittlerweile elektronisch. Dieser steigenden Nachfrage würden die Öffentlichen Bibliotheken gern gerecht werden. Doch von den Titeln der Spiegel-Bestsellerliste zum Beispiel ist bei ihnen nur die Hälfte als elektronische Version verfügbar. Die Ursache: Einzelne Verlage verweigern ihnen die nötigen Lizenzen für die Ausleihe der Werke. Begünstigt wird dies durch ein veraltetes Urheberrechtsgesetz.

ausschließlich digital veröffentlicht. Eine Lösung wäre es, die Ausleihe von E-Books durch eine Novellierung des Urheberrechts der von gedruckten Büchern gleichzustellen. Öffentliche Bibliotheken hätten dann ein verbrieftes Recht darauf, Lizenzen für elektronische Medien wie E-Books zu marktüblichen Konditionen erwerben zu können. Um eine faire Vergütung der Rechteinhaber zu gewährleisten, könnte die Bibliothekstantieme, die Bund und Länder für die Ausleihe gedruckter Medien an Autoren zahlen, entsprechend auf E-Books ausgeweitet werden.

Nach geltendem Recht haben Bibliotheken keinen Anspruch darauf, elektronische Medien zu erwerben und anschließend zu verleihen. Das ist anders als bei physischen Medien wie Büchern, CDs oder DVDs. Bibliotheken erhalten Lizenzen für E-Books nur dann, wenn sie eine entsprechende Vereinbarung mit den Autoren, Verlagen oder anderen Rechteinhabern schließen. Diese jedoch können frei entscheiden, ob – und unter welchen Bedingungen – sie ein Werk zur Ausleihe über Bibliotheken freigeben. Verleger erhalten damit wesentlichen Einfluss darauf, welche elektronischen Titel im Bestand der öffentlichen Einrichtungen vorhanden sind.

VERLAGSGRUPPEN UND VERLAGE, DIE KEINE E-BOOK-LIZENZEN ZUR VERFÜGUNG STELLEN

Viele große Verlage entscheiden sich komplett gegen eine Lizenz für Öffentliche Bibliotheken. Doch Bibliotheken sind auch in der digitalen Welt keine Konkurrenten. Sie unterstützen vielmehr den Buchmarkt:

Keine E-Book-Ausleihe bei folgenden Suchanfragen: Bonnier (mit arsEdition, Carlsen) Holtzbrinck (mit Droemer, Knaur)

•  •

Piper Thienemann-Esslinger • Ullstein • Cornelsen • Diogenes • S. Fischer • Rowohlt • Hoffmann und Campe • Stark Verlag •

Der ungehinderte Zugang zu Informationen für alle Bürger ist mit der derzeitigen Verfasstheit des Urheberrechtsgesetzes nicht mehr gewährleistet – und das Problem wird sich künftig vergrößern. Denn immer öfter werden Inhalte

Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz

- Bibliotheken erwerben ihre Medien zu marktüblichen Konditionen - Bibliotheken fördern das Leseinteresse bei ihren Besuchern und die Neigung, sich eigene Bücher zu kaufen - Bibliotheken helfen dabei, Autoren und Werke bekannt zu machen


WISSENSCHAFT | 5

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Open Access für Forschung, Lehre und Studium Drucken Publizieren Versenden/Empfangen Kopieren

Austauschen

Scannen Speichern

Grafik: phoibos Strategie

Der DBV Fordert

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Eine allgemeine Bildungs- und Wissenschaftsschranke

Moderne Wissenschaft ist ohne elektronische Medien unvorstellbar. Dozenten stellen ihre Lehrmaterialien für die Studierenden in elektronischen Semesterapparaten zusammen. Forscher publizieren in elektronischen Fachzeitschriften und sammeln ihre Ergebnisse in riesigen digitalen Datenbanken. Doch die Regelungen im Urheberrechtsgesetz werden dieser Situation nicht gerecht. Für die Wissenschaft haben vor allem die so genannten Schrankenparagrafen Bedeutung. Sie schränken die Rechte von Urhebern dahingehend ein, dass Studierende und Forscher deren Werke zum Beispiel in Bibliotheken zu besonderen Bedingungen nutzen können. § 52 a UrhG: Er macht es Studierenden und Forschern möglich, urheberrechtlich geschützte Werke in Hochschulen in Ausschnitten zu nutzen. Dieser Paragraph ist jedoch seit seiner Einführung im Jahr 2003 immer nur befristet gültig. Ende dieses Jahres läuft er erneut aus.

§ 52b UrhG: Durch ihn entsteht die merkwürdige Situation, dass Bibliotheksnutzer ein Buch der Einrichtung, das diese physisch besitzt und digitalisiert hat, an einem Bildschirm lesen dürfen. Was sie nicht dürfen: es ausdrucken oder z. B. auf einem USB-Stick speichern. § 53a UrhG: Er regelt den Versand von Aufsatzkopien an Bibliothekskunden. Bibliotheken dürfen demnach Kopien per Fax, Post oder Email versenden, wenn sie vorher in jedem einzelnen Fall geprüft haben, dass es dafür kein entsprechendes elektronisches Verlagsangebot gibt. E-Books dürfen derzeit gar nicht über die Fernleihe versendet werden. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung im Urheberrecht stärker Rechnung zu tragen. Unter anderem will sie eine einheitliche Bildungsund Wissenschaftsschranke einführen. Diese Ankündigung muss jetzt zügig umgesetzt werden.


6 | SONNTAGSÖFFNUNG

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Bibliotheksbesucher am Sonntag Hausmänner/-frauen

2,4 %

Studierende

5,5 %

Auszubildende

4,3 %

Arbeitssuchende

7,3 %

Berufstätige

65,2 %

Senioren/-innen Schülerinnen/Schüler

6,1 %

9,1 %

Quelle: Kundenumfrage Bremen, 2014/Grafik: phoibos Strategie

Der DBV Fordert

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Die Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Sonntagsöffnung in Öffentlichen Bibliotheken

Die Türen der Öffentlichen Bibliotheken müssen sonntags verschlossen bleiben. Am siebten Tag der Woche dürfen diese Kultur- und Bildungseinrichtungen – anders als Museen und Theater – in der Regel nicht öffnen, auch wenn sie es ihren Nutzern gern anbieten würden. Der Grund dafür liegt im Bundesarbeitszeitgesetz. Eine Ausnahmeregelung erlaubt es zwar, den Beschäftigten in Museen und Theatern an Sonn- und Feiertagen zu arbeiten. Das gilt auch für die Präsenznutzung in wissenschaftlichen Bibliotheken. Die Öffentlichen Bibliotheken jedoch bleiben außen vor, obwohl ihr weitgehend kostenloses Angebot gerade an Sonntagen intensiv genutzt werden könnte: Eltern können in ihrer Stadt- oder Gemeindebibliothek gemeinsam mit ihren Kindern Literatur, Zeitschriften, Comics und vieles mehr entdecken. Sie können in den Lese- und Spielecken vorlesen oder Veranstaltungen besuchen. Schüler könnten ausgiebig schmökern, lernen oder neue Computerspiele ausprobieren. Alleinerziehende oder beruflich stark einge-

spannte Menschen können sich in Ruhe dem Kultur- und Bildungsangebot widmen. Eine Erweiterung der Ausnahmeregelung des Arbeitszeitgesetzes könnte dies dauerhaft und in allen Bundesländern ermöglichen. Eine Pflicht zur Sonntagsöffnung würde damit nicht geschaffen, vielmehr eine Möglichkeit, dies bei Bedarf zu tun. Da eine Sonntagsöffnung nicht zum Nulltarif zu haben ist, müssten die Kommunen jedoch in die Lage versetzt werden, die Öffentlichen Bibliotheken personell entsprechend auszustatten. Eine Änderung der Situation ist in dieser Legislaturperiode möglich. Das zeigen die Antworten der Parteien auf die so genannten Wahlprüfsteine, die der Deutsche Bibliotheksverband vor der Bundestagswahl verschickt hat: Die CDU/CSU sprach von einem „gesellschaftlichen und kulturellen Bedarf“, der für eine Öffnung der Öffentlichen Bibliotheken am Sonntag spreche. Die SPD sprach sich klar für die Prüfung einer entsprechenden Änderung des Bundesarbeitszeitgesetzes aus. Nun gilt es, diese Möglichkeiten konkret auszuloten.


DATENSCHUTZ | 7

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Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz

Der DBV Fordert

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Sicherung des Datenschutzes in Bibliotheken

Datenschutz ist für Bibliotheken ein zentraler Grundsatz. Die gesetzlichen Vorschriften müssen auch im Umfeld der Digitalisierung gewährleisten, dass die Privatheit bei Lektüre und Ausleihverhalten und das Recht auf uneingeschränkte informationelle Selbstbestimmung der Bürger zu jeder Zeit gesichert sind. Bei der Nutzung cloudbasierter Datenverarbeitung müssen die in Europa geltenden Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Bibliotheken speichern personenbezogene Daten ausschließlich im gesetzlichen Rahmen und nur dazu, ihre Dienstleistungen erbringen zu können. Sie stimmen sich dabei mit den zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten ab und überprüfen die eigenen Verfahren zur Datenspeicherung kontinuierlich. So machen sie sich konsequent für Datenschutz stark. Für Bibliotheksbesucher bieten sie zahlreiche Informations- und Weiterbildungsangebote an, die für das Thema informatio-

nelle Selbstbestimmung – insbesondere im Umgang mit den neuen Medien – sensibilisieren. Gerade wissenschaftliche Bibliotheken sind derzeit gefordert: Moderne Datenverarbeitungssysteme sind immer öfter cloudbasiert. Das heißt, die Metadaten ihrer Bestände und die Personendaten ihrer Nutzer werden auf die Plattformen externer Dienstleister übertragen und befinden sich damit in einer bibliotheksfremden Hardware-Umgebung. Unter den gegenwärtigen technischen Voraussetzungen verwirklichen die Bibliotheken sehr hohe Datenschutzstandards. Sie setzen sich dafür ein, diese Standards auch in Zukunft sicherzustellen. Das kann ihnen jedoch nur dann gelingen, wenn auch bei der Nutzung cloudbasierter Informationstechnologie gewährleistet wird, dass sich die Anbieter an die in Europa geltenden Datenschutzbestimmungen halten.


8 | KOOPERATIONEN

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BIBLIOTHEKEN UND IHRE PARTNER

Behörde

Volkshochschule

Kindertagesstätte Kulturzentrum

Verlag

Bibliothek Migrantenorganisation

Buchhandlung

Senioreneinrichtung Schule Berufsschule Freundeskreis der Bibliothek Wohlfahrtsorganisation

Familienbildungsstätte

Jugendzentrum

Grafik: phoibos Strategie (2)

Der DBV Fordert

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Langfristige Förderung für Kooperationen mit lokalen Bildungsund Kultureinrichtungen

Die Stärke Öffentlicher Bibliotheken ist die Stärke ihrer Netzwerke. Wichtigste Partner sind Kindertagesstätten, Schulen, Volkshochschulen und Seniorenheime. Die Bibliotheken begleiten ihre Nutzer als einzige Institution dauerhaft durch ihre gesamte Bildungsbiografie. Um die Angebote optimal aufeinander abzustimmen, bedarf es für Kooperationen verbindlicher Regelungen und langfristiger Förderung. Mit Kitas und Schulen werden bereits vielfach Kooperationsvereinbarungen getroffen. Die Zusammenarbeit mit Bibliotheken sollte für sie verpflichtend sein. Für ein optimal vernetztes lokales Bildungsangebot müssen Landkreise, Städte und Gemeinden die Kooperationen von Öffentlichen Bibliotheken mit anderen lokalen Bildungs- und Kultureinrichtungen vermehrt unterstützen. Staatliche und private Förderprogramme sind wichtig, um Projektarbeit zu ermöglichen und die Qualität der Kooperation zu verbessern.


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NATIONALE BIBLIOTHEKSSTRATEGIE | 9

Der DBV Fordert

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Eine übergreifende Strategie für die Zukunft der Bibliotheken in Deutschland

In einer vernetzten Wissens- und Informationsgesellschaft sind Bibliotheken unverzichtbar in der Bereitstellung und Vermittlung von Informationen. Für ein leistungsfähiges Bibliothekssystem, das zentrale Aufgaben in der kulturellen Bildung und für das lebenslange Lernen übernimmt, fehlt bislang eine übergreifende Planung. Bibliotheken müssen Teil einer nationalen Bildungsstrategie werden. Bibliotheken haben für die Kultur- und Bildungspolitik und damit für die Zukunftsfähigkeit eines Landes eine Schlüsselrolle inne. Anders als in anderen europäischen Staaten wird in Deutschland die Förderung des Bibliothekswesens noch nicht als Teil einer nationalen Bildungsstrategie verstanden: Eine bundesweite Bibliotheksagentur, ein nationales Bibliotheksgesetz oder eine entsprechende Einrichtung im Bundesbildungsministerium fehlen. Anders Finnland. Dort gibt es ein nationales Bibliotheksgesetz und vom Bildungsministerium werden regelmäßig strategische Schwerpunkte erarbeitet. Diese dienen als Grundlage der staatlichen Förderung und sichern so die Weiterentwicklung Öffentlicher Bibliotheken. Als Ziele sind darin etwa deren Umwandlung in Lernzentren und Treffpunkte, die konsequente Ausrichtung an aktuellen Kundenbedürfnissen, die Beratung durch gut ausgebildetes Personal und verstärkte Investitionen in neue Medien und Services benannt. In Deutschland wurde vor zehn Jahren das Kompetenznetzwerk für Bibliotheken (KNB) gegründet, um mit der Erbringung überregionaler Dienstleistungen das Entwicklungspotenzial der Bibliotheken zu stärken sowie bundesweit Fakten und Informationen über Bibliotheken verfügbar zu machen. Die Ergebnisse werden regelmäßig von der Politik, den Medien und der Öffentlichkeit genutzt. Doch die Möglichkeiten des KNB sind momentan klar begrenzt. Strategische Aufgaben kann es nicht übernehmen. Dabei zeigt sein Erfolg, wie wichtig die übergreifende Planung für Qualitätssicherung, Modernisierung und Innovation

im Bibliothekswesen wäre. In der derzeitigen Diskussion über die Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern müssen sich deshalb dringend neue Perspektiven für eine gesamtstaatliche Einrichtung eröffnen, die die Entwicklung von Bibliotheken begleitet und fördert.

Nationale Einrichtungen für Bibliotheken in Europa

D

RO

GR

Länder mit nationalen Einrichtungen zur Bibliotheksentwicklung Länder ohne nationale Einrichtungen zur Bibliotheksentwicklung


10 | FINANZLAGE

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Ist Ihre Bibliothek zum derzeitigen Stand (Mai 2014) von HaushaltskonsolidierungsmaSSnahmen betroffen? Ja, bei

25,7 % aller befragten Bibliotheken

Der DBV Fordert

Ja, bei

44,3 %

in Städten über 100.000 Einwohner

7

Schluss mit den Sparmaßnahmen in Öffentlichen Bibliotheken: Mehr Geld für Medien und Bildungsangebote

Ja, bei

68,8 % in Städten über 400.000 Einwohner

Quelle: Mitgliederbefragung dbv, 2014/Grafik: phoibos Strategie (3)

Die finanzielle Ausstattung der Öffentlichen Bibliotheken in Deutschland bleibt selbst in konjunkturell guten Zeiten unbefriedigend. Insbesondere die Großstadtbibliotheken sind betroffen. Das zeigt die aktuelle Finanzumfrage des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv) unter 755 Bibliotheken. Trotz der derzeitigen Steuereinnahmen in Rekordhöhe wird demnach in vielen der befragten Öffentlichen Bib-


FINANZLAGE | 11

BERICHT ZUR LAGE DER BIBLIOTHEKEN 2014

sind KONSOLIDIERUNGSMaSSnahmen für die kommenden Jahre geplant? Ja, bei

12,0 % 35,4 % Ja, bei

aller befragten Bibliotheken

in Städten über 100.000 Einwohner

Ja, bei

62,5 %

in Städten über 400.000 Einwohner

Quelle: Mitgliederbefragung dbv, 2014

liotheken weiterhin der Rotstift angesetzt. So muss jeder vierte Umfrageteilnehmer seinen Haushalt konsolidieren, in den Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern fast jede zweite befragte Bibliothek. Bei weiteren zwölf Prozent der teilnehmenden Bibliotheken sind solche Maßnahmen geplant, in Großstädten sogar gut 35 Prozent. In jeder fünften Bibliothek und jeder dritten Großstadtbibliothek gibt es laut Umfrage eine globale Haushaltssperre oder ähnliche grundlegende Einschränkungen wie einen Nothaushalt oder eine restriktive Haushaltsbewirtschaftung. Nach den drastischen Sparmaßnahmen der letzten Jahre hat sich an der dramatischen finanziellen Situation vieler Öffentlicher Bibliotheken nichts geändert.

kleinern. Geplante Projekte wie Baumaßnahmen fallen bei mehr als acht Prozent der Umfrageteilnehmer den Sparmaßnahmen zum Opfer. Gut sieben Prozent dieser Kulturund Bildungseinrichtungen sind dazu gezwungen, ihre Öffnungsstunden zu reduzieren.

Auswirkungen auf dAs Medienangebot Sinkend bei

14,8 %

aller befragten Bibliotheken

Die angespannte Haushaltssituation der Öffentlichen Bibliotheken schlägt sich unter anderem bei den Mitarbeitern und beim Medienbestand nieder. So kam es bei 12,5 Prozent aller Umfrageteilnehmer zu dauerhaften Stellenstreichungen, bei weiteren 6,5 Prozent sind solche geplant. In knapp 15 Prozent der befragten Öffentlichen Bibliotheken werden offene Stellen nicht neu besetzt. Der Etat für die Medien sinkt aktuell in fast jeder siebten dieser Bibliotheken gegenüber 2013. Diese Maßnahmen wirken sich direkt auf die Angebote der befragten Bibliotheken für ihre Nutzer aus: So muss jede fünfte Bibliothek ihr Veranstaltungsprogramm ver-

Sinkend bei

24,2 %

in Städten mit 100.000 - 400.000 Einwohnern

Quelle: Mitgliederbefragung dbv, 2014


IMPRESSUM Deutscher Bibliotheksverband e.V. Bundesgeschäftsstelle Fritschestraße 27-28 10585 Berlin Tel.: 030 644 98 99 10 Fax: 030 644 98 99 29 Internet: www.bibliotheksverband.de E-Mail: dbv@bibliotheksverband.de Redaktion Maiken Hagemeister Kathrin Hartmann Andrea Krieg Natascha Reip Barbara Schleihagen Frank-Simon Ritz Grafikdesign phoibos Strategie, Andreas Stark

Foto: Thomas Meyer/Ostkreuz

Druck Dinges & Frick GmbH ISSN: 2195-2531


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