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Die Kunst der Cuvée

Für diese Ausgabe machte ich mich auf den Weg ins Schwabenländle. Keine Angst, es wird diesmal weder an Worten noch an der Qualität gegeizt. Ganz im Gegenteil! Das Weingut Albrecht Schwegler im Remstal vereint großzügige Gastlichkeit und herausragende Weinqualität. Von Ronny Weber

Begonnen hat die Weinbaugeschichte der Familie Schwegler vor über 30 Jahren. Genau genommen in dem historisch prägenden Jahr 1990. Deutschland war gerade wiedervereinigt, Andreas Brehme schoss uns gegen Argentinien zum Fußballweltmeister und der Schwegler Junior feierte seinen zweiten Geburtstag. Sein Vater Albrecht, damals 32 Jahre alt, legte den Grundstein für das heutige Weingut. In der Garage kelterte er, aus gerade einmal 0,65 Hektar Rebland, einen eigenständigen Rotwein aus Lemberger und Zweigelt. Er nannte die Cuvée „Granat“. Als der Wein zu einem stolzen Preis auf den Markt kam, sorgte dieser in der Szene für ordentlich Zündstoff. Die Weinqualität überzeugte Kritiker und Genießer aber dermaßen, dass Schwegler Senior die raren Flaschen des köstlichen Tropfens schon bald zuteilen musste. Seit dieser Zeit hat sich das damalige Nebenerwerbsprojekt zu einem professionellen Musterbetrieb mit über 100 Parzellen auf rund 15 Hektar Weinbergsfläche emanzipiert.

Wichtigstes Kapital: Vielfalt

Heute wird das Weingut von Aaron Schwegler und seiner Frau Julia geführt. Die diplomierte Betriebswirtin und Mutter von drei Kindern hält ihrem Mann den Rücken frei, damit dieser kontinuierlich an der Qualitätsschraube drehen kann. Und das kann er sehr gut! Dass dem so ist, ist der fundierten Ausbildung des studierten Weinbautechnikers geschuldet. Denn neben dem väterlichen Know ­how holte sich Aaron noch einen gewissen Weitblick. So machte er Station bei namhaften Kollegen wie Sven Ellwanger, Joachim Heger und Daniel Gantenbein. Auch in neuseeländische und kalifornische Spitzenbetriebe schnupperte er rein. Seit dem Jahrgang 2009 ist er für Weinberg und Keller verantwortlich. Seitdem komplettieren auch weiße Rebsorten das Portfolio. Dass die Basis für Weine höchster Qualität im Weinberg gelegt wird, sind sich die Schweglers bewusst. „Unser wichtigstes Kapital ist die Vielfalt, die wir in unseren Weinbergen vorfinden“, so Aaron. Daher bewirtschaften sie die verschiedenen Terroirs ihrer klein parzellierten Weinberge verantwortungs­

Verkostungsnotizen

bewusst. Schon lange setzten sie auf ökologische Bewirtschaftung. Die Nähe zum Wald, die umliegenden Felder und Streuobstwiesen garantieren dazu ein hohes Maß an Biodiversität. Durch die Vielzahl an Parzellen stehen verschiedene Mikroklimata zur Verfügung. Jeder Rebstock wird mit dem Anspruch bewirtschaftet, Teil eines großen Weines zu werden. Dafür wird nur organischer Dünger eingebracht und alles in Handarbeit gepflegt. Mit dem 2019er Jahrgang hat man sich die ökologische Arbeitsweise im Weinberg zertifizieren lassen. Im Keller setzt man diese Philosophie konsequent fort. Die Weine werden fast ausschließlich im Holz ausgebaut. Gefüllt wird unbehandelt, ungeschönt und mit minimaler Schwefelung erst nach einer längeren Reife im Fass. Bereits die einfachsten Weine liegen dabei ein Jahr auf der Vollhefe.

Viel Handwerkskunst und Gespür

Auch wenn es bei den Schweglers sehr gute reinsortige Weine gibt, sind es speziell die Cuvées, die mich nachhaltig beeindruckt haben. Leider kursiert bei vielen Weintrinkern immer noch das Dogma der Reinsortigkeit, wenn es um einheimische Gewächse geht. Der deutsche Begriff Verschnitt hilft da wenig, das Image der Pantscherei zu verbessern. Was im Bordeaux oder in der Champagne selbstverständlich ist, wird bei uns zu Unrecht mit Resteverwertung verwechselt. Es bedarf viel Handwerkskunst und Gespür, eine gelungene Cuvée zu kreieren. Nur wenige Winzer unseres Landes beweisen dabei ein so feines Händchen wie Aaron. Er versteht es, die einzelnen Elemente zu einer harmonischen Einheit zu formen. Dabei gelingt es ihm, auch in schwierigen Jahrgängen, die Stärken der Parzellen

Regionale Partnerrestaurants Des Weinguts

Restaurant Wielandshöhe, Stuttgart

Restaurant Brunnenstuben, Beinstein

Restaurant Lamm, Hebsack

„85/15“ PET’NAT APFEL/QUITTE PERLWEIN TROCKEN

Äpfel und Quitten von den eigenen Streuobstwiesen sind für den Schweglers Pét Nat das Grundmaterial. Das Verhältnis ist 85 zu 15 Prozent. Die Aromatik ist angenehm dezent und ohne Süße. Die Frucht ist klar, anregend und frei von überreifen oder gar angefaulten Noten. Die Perlage ist fein, die Säure erfrischend und der Pet’Nat ist angenehm trocken mit einer adstringenten Herbheit. Mit 6% Vol. dazu ein wahres Leichtgewicht.

„WEISS VON DEN PARZELLEN“ QUALITÄTSWEIN TROCKEN

Strahlendes Strohgelb. Die Nase ist dezent mit verwaschener gelber Frucht, Zitronenmelisse und feiner Würze. Am Gaumen ist der Wein trocken, saftig mit erfrischender Säure und moderatem Alkohol. Das Holz ist dezent und in den mittleren Körper gut eingebunden. Der Abgang ist feinwürzig und von guter Länge.

„ROT VON DEN PARZELLEN“

QUALITÄTSWEIN TROCKEN

Das Bukett des leuchtenden rubinroten Weins ist animierend und präsentiert Aromen von Zedernholz, Pflaumenröster, Kirschkernen und Mandelsplitter. Am Gaumen ist er sehr saftig, hat viel Zug und offenbart guten Trinkfluss. Feine Tannine, moderater Alkohol und eine lebendige Säure. Eine noble Bitternote leitet zu dem Abgang von guter Länge über.

2018ER „BERYLL“

QUALITÄTSWEIN TROCKEN

Eine Cuvée aus Zweigelt (79 Prozent), Cabertin (13) und Lemberger (acht). 36 Monate ausgebaut im Barrique. Der rubinrote Wein präsentiert einen wärmenden Duft von eingemaischten Beeren, dazu eine Spur Pfeffer, Malzbier und Süßholz. Am Gaumen anschmiegsam mit viel Saft und Frucht. Feine Holzwürze und feinkörnige Tannine. Der Alkohol ist wärmend, aber gut eingebunden. Im Abgang eine Spur Espresso und eine malzige Salzigkeit.

Das Weingut Albrecht Schwegler wird von Aaron und seiner Frau Julia geführt. Es verfügt über 100 Parzellen auf rund 15 Hektar Weinbergsfläche. Alle Weine sind grundsätzlich für die Top-Selektion vorgesehen. Erst später werden entsprechende Fässer ausgewählt

Weingut Albrecht Schwegler

KORB

Inhaber: Julia & Aaron Schwegler

Kellermeister: Aaron Schwegler

Rebfläche: 15 Hektar

Gründung: 1990

Region: Remstal-Stuttgart | Württemberg

Rebsorten: Chardonnay | Grauburgunder | Riesling | Cabernet Sauvignon | Cabernet Franc | Cabertin | Lemberger | Merlot | Spätburgunder | Syrah | Zweigelt

Weinbau: ökologisch zertifiziert www.albrecht-schwegler.de und ihrer Rebsorten so zu vereinen, dass sie einen komplexen Wein ergeben. Bei der Zusammenstellung gibt es anfangs keine Lieblinge Alle Weine kommen erstmal in den Keller, mit der Intension Teil der Top­Selektion zu werden. Erst später werden die Fässer ihrer Qualität entsprechend ausgewählt. Dazu kann die Familie auf einen imposanten Bestand an Barriques und Tonneaux zurückgreifen. Die Namen derer Produzenten listet das Who is who der französischen Tonnellerien. Jedes Jahr werden neue Fässer angeschafft. Dadurch verfügt man auch auf eine respektable Anzahl an Holzfässern diver­ ser Toastungsgrade für Zweit­ und Drittbelegungen. Mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung wählen die Schweglers für jeden Wein das passende Gebinde aus. So entstehen hier Jahr für Jahr wahre Weinwunder.

Nicht nur die Garage ist längst zu klein geworden. Auch der über die Jahre gewachsene Rest des Weingutes platzt wortwörtlich aus allen Nähten. Demnächst soll der langersehnte Umzug in ein neues Weingut stattfinden. Ich bin schon gespannt, welche vinophilen Juwelen in dieser Weinmanufaktur zukünftig entstehen werden.

2018ER „SAPHIR“ QUALITÄTSWEIN TROCKEN

Besteht aus Zweigelt (43 Prozent), Merlot (32), Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc (je elf) sowie Cabertin (drei), reifte für 24 Monate in neuen und gebrauchten Barriques. Das Bukett ist komplex ein ganzes Potpourri an dunklen Früchten, Zedernholz, Mokka, Paprika, provenzalische Kräuter und Tabak. Am Gaumen ist der Saphir sehr saftig, leicht rauchig und feinwürzig. Die Gerbstoffe sind sehr fein. Der Wein hat eine gute Balance und eine gewisse Frische und Eleganz. Ätherischer Abgang von sehr guter Länge.

2018ER „GRANAT“ QUALITÄTSWEIN TROCKEN

Der Blend besteht aus Zweigelt, Merlot und Cabernet Sauvignon. Ausgebaut wird er für rund zwei Jahre im Barrique. Die komplexe Nase zeigt Aromen von Cassis, Kirschen, Zwetschgen, Brombeeren und karamellisierten Feigen. Dazu etwas Zedernholz, kubanischer Tabak und Milchschokolade. Mit etwas Luft treten noch Aromen von Eukalyptus, Minze, Nelkenpfeffer, Orangenschale und Rosenblättern hervor. Am Gaumen hat er ordentlich Druck und Power. Bleibt aber elegant, frisch und gut trinkbar. Ein komplexer, feinwürziger Wein mit viel dunkler Frucht. Die Tannine sind auf Hochglanz poliert, die feine Säure gibt ihm ein stützendes Korsett. Ein großer Wein mit viel Potential.

Ronny Weber

Der Sommelier und Weinakademiker Ronny Weber arbeitet nach Stationen wie Hotel Ritter (Durbach) oder Cliveden House Berkshire heute als selbstständiger Weinberater. In seiner Kolumne stellt er junge, unabhängige Weingüter vor, die bereits Weine von außergewöhnlicher Qualität produzieren, aber noch auf nur wenigen Weinkarten vertreten sind.

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