Meteoriten

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GRANDE FINALE a.r.t. fabric freland

Gil Topaz

METEORITEN 2009 – 2011



Gil Topaz

METEORITEN 2009 – 2011

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VON KÖPFEN UND METEORITEN Im August 1991 installierte ich in der Stadt Caldas da Rain-

Ich hatte die Form gefunden, welche das „Verborgene“ sym-

ha in Portugal meine erste monumentale Skulptur. Nach ca.

bolisierte, doch war es mir auch wichtig den Menschen, also

zwei Monaten Arbeit vor Ort war das 3.50 m hohe Werk

den „Suchenden“, in plastischer Bildsprache zu verkörpern.

aus weissem Marmor fertiggestellt. Das Material hatte ich in

Ich entschloss mich dies mit figürlichen Arbeiten zu tun.

den Steinbrüchen von Estremoz ausgewählt. Der Auftrag für

Lebensgroße, am menschlichem Körper erinnernde Figuren

die Skulptur kam von der Stadt Caldas. Es war meine erste

aber noch weitgehend abstrakt, waren das Ergebnis. Mit die-

Meteoritenstele. Bereits zuvor hatte ich ähnliche, abstrakte

sen Werken, den figürlichen und abstrakten Skulpturen hat-

Werke gefertigt und in Ausstellungen gezeigt. Mein Ziel war

te ich dann meine erste Einzelausstellung in der Frankfurter

es damals, eine mich überzeugende Metapher für die Suche

Galerie Gres. Ich nannte die Ausstellung „Ritter und Graal“.

nach dem Unbekanntem und Verborgenem im menschlichem

Nach meinem Wechsel von der „ Accademia di belle arti“ in

Wesen zu finden. Ich besuchte derzeit die staatliche Kunsta-

Carrara nach Rom erhielt ich Aufträge für die Fertigung von

kademie in Carrara. Das ganze erste Semester wollte ich mir

klassischen Portraits. Ich nahm diese Arbeiten gerne an, denn

für diese Aufgabe Zeit nehmen.

ich war durch mein Studium und den damit verbundenen Prüfungen und Examen in Kunstgeschichte, Anatomie und

Nach Ablauf des Jahres hoffte ich die richtige Formenspra-

Modellieren, täglich mit dieser Thematik beschäftigt.

che für mein Vorhaben gefunden zu haben. Welches Material ich für meine Skulpturen wählen würde, stand für mich hin-

Vor allem nach dem Auftrag für ein Portrait von Sergio Le-

gegen schon lange fest. Natürlich musste es Naturstein sein.

one begann dann mein besonderes Interesse für Köpfe. Paral-

Andere Werkstoffe kamen für mich überhaupt nicht in Frage.

lel entwickelten sich auch die «Graal-Skulpturen» und wur-

Meine Überraschung war daher groß, als ich in der Akade-

den zu «Meteoriten». Für mich war diese, gleichsam abstrakt

mie nur eine recht kleine Steinwerkstatt vorfand und kaum

und figürlich forschende Suche, ebenso wie das Studium der

einen Studenten antraf. In der „Hauptstadt des Marmors“

„alten Meister“ besonders wichtig. Sie ist es auch heute

hatte ich das nicht erwartet. Der große Saal der Bildhau-

noch. Anfang des neuen Jahrhunderts begann das Projekt

erklasse war hingegen so überfüllt, dass sich die Studenten

«Gedankenströme». Ab dem Jahr 2002 entstanden acht mo-

dicht an dicht drängten. In zwei Denkschulen teilte sich die

numentale Natursteinköpfe in acht Ländern. Die Fertigung

Mehrzahl der Studenten. Es gab die „Traditionalisten“ und

der großen Köpfe, die Organisation und das Einholen der

die „Zeitgenössischen“. Die ersten widmeten sich vorwie-

Aufträge, sowie die mit dem Projekt einhergehenden Ausstel-

gend dem Modellieren von Ton, während sich die zweiten

lungen, beanspruchten alle Zeit. Nach der Beendigung des

mit Konzeptkunst beschäftigten.

Projektes im Jahr 2008 mit dem monumentalen Granit-Kopf «Philae» in Assuan begann mit den «Meteoriten» eine neue

Zwei gegensätzliche Lager die sich mit schwerlich verdecktem

Schaffensphase. In den letzten drei Jahr sind über zwanzig

Hohn, Gefühl der Überlegenheit und hier und da auch of-

neue Werke entstanden. In dieser Zeit habe ich mich vorwie-

fenen Aggressionen gegenüberstanden. Als dann im gleichen

gend mit diesem neuen Projekt beschäftigt.

Schuljahr auch noch die Akademie von einer politisch sehr engagierten Gruppe von Studenten besetzt wurde und alle

Ich freue mich ganz besonders das Ergebnis dieser Jahre, in

Unterrichtstunden für Monate ausfielen, hatten nicht einmal

der einzigartigen Kunsthalle «Grande Finale» in Freland bei

eine handvoll Studienkollegen und ich die Steinwerkstatt für

meinem gutem Freund, Mäzen und Sammler Georges Frey in

uns allein. Gegen Ende des Semesters kam ich meinem Ziel

einer Einzelausstellung zeigen zu dürfen.

näher. Eine Serie von massiven Marmorskulpturen standen in einem Teil des Innenhofes der zu meinem Atelier geworden

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war. Ich war mit dem Ergebnis zufrieden. Trotzdem fehlte noch etwas.

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VON GRANITEN, MARMOR UND SANDSTEINEN Unzählig sind die verschiedenen Gesteinsarten auf unserer Erde. Einige davon, wie Granit, Marmor und Sandstein werden in der Bildhauerei und Baukunst seit Jahrtausenden verwendet. Aber Stein ist nicht Stein, die Unterschiede der genannten Gesteine sind frappierend. In ihrer Entstehung und ihren Eigenschaften sind sie komplett verschieden. Jahrmillionen trennen diese Steinsorten voneinander. Die folgenden Zeilen möchten ein Versuch sein, die Unterschiede der drei bekanntesten Natursteinarten in verständlicher Form zu erklären. Die Wissenschaft, welche sich mit der Erforschung der Gesteine beschäftigt nennt man Petrologie. Eine vielschichtige Wissenschaft, die Kenntnisse in Chemie und Geologie einschliesst. Eine vereinfachte Form der Erläuterung ist deshalb unumgänglich. Die enorme Vielfalt der Gesteine erfordert eine systematische Unterteilung. Man unterteilt daher die Entstehungsweise aller Gesteine in drei Stämme. Danach wird in weitere Klassen, Gruppen und Familien unterteilt. Dies ist natürlich sehr komplex. Dieser Text beschäftigt sich deshalb mit der Erläuterung der drei Hauptstämme. Wie es der Zufall will gehören nämlich unsere drei bekanntesten Natursteine zu jeweils einer dieser komplett unterschiedlichen Stämme. Granite gehören zum ersten Stamm, den wir Erstarrungsgesteine nennen. Sandsteine gehören zu dem Stamm der Sedimentgesteine und schließlich Marmor zum dritten, den MetamorphGesteinen. Was aber unterscheidet diese drei Gesteins-Stämme? Granit und alle anderen Erstarrungsgesteine, wie zum Beispiel auch Basalt, sind aus dem flüssigem Magma unter unserer Erdkruste entstanden. Es ist sozusagen das Urgestein. Sandsteine und die anderen Sedimentgesteine konnten erst durch die Zerstörung und Ablagerung von diesem Urgestein entstehen. Marmor und die anderen Metamorph-Gesteine entstanden wiederum aus einer Umwandlung von Erstarrungs und Sedimentgesteinen.

DIE ERSTARRUNGSGESTEINE, DER ERSTE STAMM Diese sind, neben Granit, alle Gesteine die sich durch Erstarrung aus dem glühend, flüssigem Magma unter der festen Erdkruste gebildet haben. Die Erdkruste ist keine einheitlich zusammenhängende Hülle wie zum Beispiel ein Gummiball. Sie ist eher wie ein aus vielen Flecken zusammengesetzer, alter Fußball, dessen Nähte teilweise beschädigt sind. Wenn sich die Erdkruste an manchen Stellen verbiegt und verfaltet, so drängt das Magma in die entstehenden Hohlräume ein. Dort nimmt die Temperatur rascher ab, als innerhalb des tieferen Magmareservoirs. Es kommt zur Erstarrung, es bildet sich also ein Gestein. Auf diese Art entstandene Gestein nennt man Tiefengestein, wofür unser Granit das beste Beispiel ist. Diese Ereignisse spielen sich selbst heute irgendwo auf unserer Erde ab. Deren Ergebnisse, also diese Granite, werden wir jedoch nie sehen, da es Millionen Jahre dauert bis die mehrer Kilometer mächtige Decke abgetragen ist. Die jetzt oberflächlich herausragenden Tiefengesteine werden mit einem Alter von mindestens 50 Millionen Jahren berechnet.

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Manchmal durchdringt das Magma an wunden Stellen die Erdkruste und gelangt an die Oberfläche. Es kann aber auch unterwegs stecken bleiben, es „verhungert“. Häufig aber erreicht es den Meeresboden oder das Festland, wo es zunächst eine riesige Explosion hervorruft. Ist der Weg völlig freigelegt, so kann sich das Magma an der Oberfläche ergießen. Natürlich nicht zwangsläufig als Magma-Ausfluss, auch vulkanischer Staub kann austreten. So entstandene Gesteine nennt man Ergussgesteine, wofür der Basalt ein gutes Bespiel ist.

SEDIMENTGESTEINE, DER ZWEITE STAMM Ausgangsmaterial für diese Gesteine sind abgetragene Magmagesteine. Es kommt also zu einer Zerstörung der Magmagesteine, danach zu einer Verfrachtung und anschliessenden Ablagerung. Natürlich werden auch ältere Sedimentgesteine immer wieder abgetragen, wodurch sich ein ständiger Kreislauf ergibt. Die Zerstörung des ursprünglichen Gesteines erfolgt auf verschiedene Arten. Zum Beispiel durch die Sprengkraft des Eis, - das Anprallen des Windes, - Sandstürme, Meeresbrandung und Flüssen, - die Bewegungen der Erdkruste, - Stoffe im Wasser, wie Säuren und Salze, speziell im Meerwasser, - die Sprengkraft der Wurzeln, - chemische Reaktionen von tierischen und pflanzlichen Ausscheidungen und so weiter. Das Ergebnis der Abtragung sind Partikel in allen Größen: Felsen, Kies, Sand, Staub sogar einzelne Moleküle. Dieses gelöste Gesteinsgut bleibt kaum am Ort seiner Entstehung liegen. Es wird weiter transportiert und zwar durch vielerlei Art. So bringt die Erdanziehung den Schutt ins Tal, der Wind transportiert den Gesteinsstaub. Regenwasser, Bäche, Flüsse und die Meeresströmung verfrachten kleinste Partikel ebenso wie große Felsbrocken. Gletscher beteiligen sich wirkungsvoll am Gesteinstransport. Wenn die Förderkraft nachlässt oder zum Stillstand kommt, lagert sich das verfrachtete Gesteinsgut ab. Wieviel Gesteinsgut in welchem Zeitraum abgelagert wird, ist von vielen Faktoren abhängig. Langanhaltende Regenzeiten können kurzfristig dicke Schichten von Schlamm anfördern. Innerhalb eines Jahres kann die Meeresströmung Sandbänke um gut einen Meter erhöhen. Auf dem Meeresgrund dauert es aber Tausende von Jahren bis sich eine Ablagerungschicht von einen Zentimeter gebildet hat. Sind aber die Gesteinstrümmer verfrachtet, sortiert und abgelagert, so liegt noch kein Gestein vor. Vielmehr handelt es sich um unverfestigte Massen, um Sedimente. Damit daraus festes Gestein wird sind zwei Wirkungen notwendig, und zwar eine physikalische und eine chemische. Physikalisch durch den Druck der darüberliegenden Massen und chemisch durch eine sogenannte Zementation bei der in den Hohlräumen zirkulierendes Wasser Stoffe mit sich bringt und ein Verkleben oder Vermauern der Trümmer bewirkt. Es kann sich hierbei um Tonminerale, Kalk, Gips oder anderes handeln. Unser Sandstein ist ein solches Sedimentgestein. Natürlich gibt es unzählig viele Sorten von Sedimentgesteinen, die in Zusammensetzung, Eigenschaften und Aussehen extrem unterschiedlich sind. So sind auch Kalksteine, Muschelkalk, Travertine und Alabaster Sedimentgesteine. Das gleiche gilt auch für die anderen beiden Stämme.

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DIE METAMORPH-GESTEINE, DER DRITTE STAMM Der Name sagt es schon. Diese Gesteine sind von ihrer ursprünglichen Beschaffenheit in eine andere umgewandelt worden. Dadurch sind Mineralbestand und Strukturen, sowie die Eigenschaften mehr oder weniger stark verändert worden. Nur gewaltige Kräfte sind in der Lage, riesige Mengen „fertiger „ Gesteine derart umzubilden, nämlich Druck und Temperaturzunahme. Da diese nur im Erdinneren zur Wirkung kommen, müssen wir den Umwandlungsraum in der Tiefe suchen, gleichgültig ob der ursprüngliche Entstehungsort unten (wie bei Tiefengesteinen) oder oben (wie bei Sediment- und Teilen der Ergussgesteine) lag. Auch Metamorph-Gesteine sind zahlreich in ihren Sorten und deswegen natürlich auch ganz unterschiedlich in Aussehen und Eigenschaften. Neben Marmor sind zum Beispiel auch Gneise, Serpentine und Quarzite Metamorph-Gesteine. Marmor ist also ein umgewandelter Kalkstein, der durch tektonische Bewegung in die Tiefe gelangte. Dort wurden die Cacit-Moleküle durch Druck und hohen Temperaturen kristalliert.

Quellenangabe: Die wissenschaftliche Grundlage und Teile dieses Textes sind dem Lehrbuch für Gesteinskunde von Friedrich Müller entnommen.

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GEDANKENSTRÖME Am Anfang war der Gedanke.

2007 – 2009

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Gil Topaz, geboren am 16. Mai 1965 in Würzburg, lebt und arbeitet in Freland (Frankreich) und Carrara (Italien). Studium an den Staatlichen „Accademia di Belle Arti“ in Carrara und Rom. Abschluss in Rom mit Diplom und besonderer Auszeichnung. 1990–1992 Accademia di Belle Arti in Carrara (bei Prof. Piergiorgio Balocchi) 1992–1994 Accademia di Belle Arti in Rom (bei Prof. Alfio Mongelli) Austellung (Auswahl) 2006 - III Schweizer Triennale der Skulptur, Bad Ragaz 2006 - Kleinskulpturenaustellung Bad Pfäfers 2004 - Cripte, La Souterraine, Frankreich 2003 - Forme nel Verde, Horti Leonini, San Quirico D`0rcia, Toskana (Katalog) (unter der Schirmherrshaft der Deutschen Botschaft) 2003 - HypoVereinsbank, München 2003 - II Schweizer Triennale der Skulptur, Bad Ragaz 2002 - Galerie Barbara von Stechow, Frankfurt (Katalog) 2001 - Galerie Raab, Berlin 2000 - Fondazione Ducci, Castello di Goro, Arezzo (unter der Schirmherrschaft der Deutschen Botschaft und der Region Toskana) 2000 - Frankhaus Museum, Markteidenfeld (Katalog) 2000 - Topaz, Kunstaktion Würzburg ( Kulturreferat der Stadt Würzburg) 2000 - Galerie Herta Krämer, Weimar 1999 - Goethe-Institut, Rom (Katalog) 1997 - Galerie Triebold, Basel (Katalog) Kunstmessen 2005 - Art Frankfurt (Galerie Stechow) 2004 - Art-Frankfurt (Galerie Stechow) 2003 - Art-Frankfurt (Galerie Stechow, Franfurt) 2002 - Art-Frankfurt (Galerie Stechow, Frankfurt) 2002 - Kunstmesse Zürich (Galerie Stechow) 2001 - Kunstmesse Brüssel (Galerie Raab, Berlin) 1999 - Art-Cologne (Galerie Raab) 1998 - Art-Basel (Galerie Triebold) 1998 - Art-Cologne (Galerie Raab) 1998 - Kunstmesse Zürich (Galerie Triebold) 1997 - Art-Basel (Galerie Triebold) 1996 - Art-Cologne (Galerie Triebold)

Werke im Öffentlichem Raum und Sammlungen - Agresti Park (Italien) - Manfred von Ardenne Zentrum, Berlin - Kunstmuseum San Quirico, Italien - Sammlung der Deutschen Telekom, INM-Center, Frankfurt - Skulptur für das Grabmal des Regisseurs Sergio Leone, Pratica di Mare, Rom - Syrisches Kultusministerium, Damaskus - Rheumaklinik Baden-Baden - Sadt Würzburg - Chianciano Terme, Acqua Santa Park, Italien - Kreissparkasse Marktheidenfeld - Bayerisches Verwaltungsgericht, München - Staufenburgklinik, Durbach - Stadt Digne-les-Bains, Frankreich - Stadt Teulada, Italien - Stadt Budduso, Italien - Stadt Nanto (Vicenza) Italien - Stadt Peschici, Italien - Stadt Caldas da Rainha, Portugal

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Ausstellung und Katalog ÂŤMeteoritenÂť in Zusammenarbeit mit

GRANDE FINALE a.r.t. fabric freland Texte & Copyright

Gil Topaz

Photographie

Harald II. Friesewinkel

Konzept und Layout

Harald II. Friesewinkel

Danksagung

Smoke und die Familie Frey Harald II. Friesewinkel

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