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Nostalgie

UND DIE WELT DREHT SICH EINFACH WEITER

OKTOBER 2007 - GÜNTHER BECKSTEIN WIRD MINISTERPRÄSIDENT IN BAYERN, EVA HERMAN WIRD BEI KERNER GEDISST, KIMI RÄIKKÖNEN WIRD ZUM ERSTEN MAL FORMEL 1- WELTMEISTER UND IN GÖPPINGEN PLANT MAN EIN DICKES DING..

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UND SONST – Der Wahnsinn! In der Bleichstraße soll ein riesiges Einkaufszentrum mit mehr als 20.000 m² Verkaufsfl äche entstehen. Eröff nungstermin: spätestens Ende 2011. Die Realität! Nun ja. +++ Der Club Rouge wird 3 Jahre alt! Das Geburtstagsständchen spielen die Disco Boys (damals noch voll im Trend). +++ Die Schwäbische Woche (Gott habe sie selig) bekommt Ehrenbesuch von DJ Ötzi. Genützt hat es dennoch nicht viel. +++ Kurz vor Redaktionsschluss trudelt noch die Meldung in die PIG-Räumlichkeiten ein, dass in Göppingen ein Subway eröff net. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Weltstadt. +++ Paul Panzer, damals noch Newcomer (wäre er es doch nur geblieben) besucht die Stadthalle. +++ Unser Kurt, seines Zeichens berühmtester Einwohner Göppingens nach dem Oberbürgermeister, startet auf YouTube mit seinem Video „Die Kanone Gottes“ voll durch.

PLATTEN DES MONATS „Culcha Candela“ von Culcha Candela, „All the lost souls“ von James Blunt, „Curtis“ von 50 Cent und „Echoes, Silence, Patience & Grace“ von den Foo Fighters.

Der Club Rouge wird 3 Jahre alt!

So sollte das EKZ mal aussehen...

DAS LIEF IM KINO Der Überraschungshit des Jahres: Superbad lässt die Kinokassen klingeln. Hochkarätig besetzt und durchaus überzeugend wird auch Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford. Das Prädikat herzergreifend verleihen wir an das Drama December Boys.

Partybilder Oktober 2007

GÖPPINGER STADT GESCHICHTE

TEXT Margit Haas

TEIL 3. Noch mehr über die Geschichte unserer Heimatstadt, wichtigen Ereignissen und besonderen Personen.

Industrial Revolution - Made in Göppingen Über Jahrhunderte hinweg stellten Handwerker die Dinge des täglichen

Gebrauchs her, fertigte der Schuster Schuhe, der Weber Stoff e, der Schmied Nägel. Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts sollte sich dies ändern. Die Industrialisierung änderte nicht nur die Produktionsweisen radikal. Sie führte auch zu einem grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel. Die aufstrebenden Industriestädte zogen Menschen an, die dort Arbeit fi nden. Göppingen sollte seine Einwohnerzahl innerhalb von 100 Jahren versiebenfachen. Denn die Stadt hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer der führenden Städte im Königreich Württemberg entwickelt. Es waren zunächst die jüdischen Händler, die die Herstellung von Textilien im großen Stil aufnahmen und Göppingen zu einem der Zentren der Textilproduktion Württembergs machten. Frankfurter, Fleischer, Gutmann, Geschmay – sie waren angesehene und geschätzte Unternehmer, übernahmen Verantwortung in Politik und Gesellschaft und für ihre Mitarbeitenden. Und trugen wesentlich zum Erfolg der Metall- und Maschinenbauunternehmen wie Schuler, Böhringer oder Rau bei, die den Maschinenpark der Spinnereien, Webereien oder Filztuchfabriken produzierten.

Die Textilfabrikanten Daniel Rosenthal und Samuel Fleischer stellten Korsette her und machten Göppingen zum Zentrum der europäischen

Korsagen-Industrie. Dem damaligen Schönheitsideal entsprach eine Frau, wenn ihr Taillenumfang 45 Zentimeter betrug! Heute befi ndet sich in der ehemaligen Korsettfabrik das Technische Rathaus. 19.

JHD Bild: Firma Märklin

1839 hatte Louis Schuler eine Schlosserwerkstatt eröff net, nachdem er auf der üblichen Wanderschaft in Wien, Krakau und Berlin gearbeitet hatte. 1851 sah er zum ersten Mal eine englische Blechbearbeitungsmaschine, erkannte das Potential, verzettelte sich aber in einem zu breiten Sortiment, zu dem auch Obstpressen und Feuerspritzen gehörten. Sein Sohn Louis konzentrierte sich auf den Bau von Blechbearbeitungs- und Werkzeugmaschinen. Johann Georg Boehringer gründete um 1844

in der Karlstraße in Göppingen eine eigene Reparaturwerkstatt für Spinn- und Webmaschinen. 1855 brachte sein Bruder aus Amerika das Know-how mit, um die erste 3-PS-Dampfmaschine zu bauen. Zum Bild: Privat Ende des Jahrhunderts spezialisierte man sich auf Hobelmaschinen und Drehbänke, insbesondere Revolverdrehbänke für die aufkommende Automobilindustrie. 1840 baute Johannes Boehringer die erste Eisendrehmaschine des Filstales, war eigens nach Wasseralfi ngen gefahren, um sie gießen zu lassen. Später führt sein Bruder Georg das Unternehmen zum Erfolg. Auch er stellt unter anderem Mostpressen her, dann erfolgt die Spezialisierung auf den Werkzeugmaschinenbau mit einer eigenen Gießerei. Eine Sonderstellung unter den Metall- und Blechverarbeitern nahm die Firma Märklin ein, die 1859 vom Flaschner Theodor Friedrich Wilhelm Märklin gegründet worden war. Aus Blech entstanden Güter des täglichen Bedarfs, aber auch kunstvoll geformtes Puppenküchenzubehör, Miniaturkutschen und Spielzeugkinderwagen. Caroline Märklin baute als gewiefte Handelsreisende nicht nur ein Vertriebsnetz in Süddeutschland auf, sondern auch in Österreich und der Schweiz. Sie war es auch, die den Namen Märklin erhielt, als ihr Mann an den Folgen eines Unfalls verstarb. Die Präsentation der ersten uhrwerkbetriebenen ModelleisenBild: Firma Märklin bahn auf der Spielwarenmesse in Leipzig durch die Söhne Eugen und Karl im Jahre 1891 war eine Sensation und begründete den Aufschwung des Unternehmens.

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1874 machte sich der gelernte Schmied Wilhelm Speiser mit seiner Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen selbständig. Schnell wuchs die Belegschaft auf 500 Mitarbeitende an. Speiser selbst engagierte sich für die Demokratische Volkspartei und war ab 1890 acht Jahre lang Abgeordneter im Berliner Reichstag.

1839 gründete Karl Kübler seine Baufi rma, die sich durch Aufträge am Bau der Eisenbahn und von Wohnungen erfolgreich entwickelte. Das Unternehmen setzte als eines der ersten Beton ein – etwa in Stuttgart für die Oper, den Hauptbahnhof oder den Tagblattturm – später auch für das Göppinger Hallenbad. Bis heute rollt der Verkehr über zahlreiche Kübler-Autobahn-Brücken und die legendäre und vor knapp 20 Jahren abgebrochene Nibelungenhalle in Passau.

Bild: Stadtarchiv

Bild: Stadtarchiv Einen wesentlichen Schub erhielt die industrielle Entwicklung durch den Bau der Eisenbahn durch das Filstal. 1847 war der erste Bahnhof feierlich eingeweiht worden.

1848 wird auch in Göppingen ein Arbeiterverein gegründet. In dieser Zeit des politischen Umbruchs entstanden zahlreiche Vereine. Die Arbeiter organisierten sich mit dem Ziel, eine materielle Absicherung bei Krankheit und Arbeitslosigkeit zu erhalten. Nach dem Scheitern der Revolution stellte er seine Arbeit ein. 1863 wurde dann ein Arbeiterbildungsverein gegründet, dem nach nur zwei Monaten etwa 150 Göppinger angehörten. 1869 referierte der Sozialdemokrat August Bebel über „die Arbeiterfrage“. Es werde Licht! hieß

es 1861. Erste Gaslampen beleuchteten die Göppinger Innenstadt. Eine private Gasanstalt war vom mehreren Göppingern Unternehmern gegründet worden. Ab 1903 war sie städtisch.

Am 1. Dezember 1884 trat das „Gesetz betreff end die Krankenversicherung“ in Kraft. Es markiert die Geburtsstunde der gesetzlichen Krankenversicherung. Bereits im November war der Vorstand der Göppinger Ortskrankenkasse gewählt worden. Sie war zunächst geteilt nach Branchen: Metall- und Textilgewerbe und alle übrigen Berufsgruppen. Nach zwei Jahren vereinigten sie sich. Damals musste der Arbeitnehmer zwei Drittel der Beiträge zahlen. 66 Stunden Wochenarbeitszeit – sie waren im 19. Jahrhundert eher die Regel als die Ausnahme. Gewöhnlich wurde von sechs bis zwölf und von eins bis 19 Uhr gearbeitet – natürlich aus samstags.

Seit 1890 ist der erste Mai der Feiertag der Arbeiter. Die Forderungen der Arbeiter waren ein Acht-Stunden-Tag, das Verbot von Kinderarbeit oder auch ein Wahlrecht. In Göppingen hatten 1893 Gewerkschaften und der Sozialdemokratische Verein zu einer Kundgebung eingeladen.

Die industrielle Revolution ermöglichte Massenprodukte. Die den täglichen Bedarf überstiegen. Werbeplakate sollten Wünsche wecken und zum Kauf anregen. Schon früh spielte die weibliche Verführungskunst dabei eine Rolle – auch beim Göppinger Sauerwasser.

In die Zeit der gesellschaftlichen Umwälzungen fällt auch die Gründung der Oberamtssparkasse im Jahre 1846. Sie durfte nur der „ärmeren Volksklasse“ Gelegenheit zu verzinslicher Unterbringung von Ersparnissen geben.

In der Folge der Industrialisierung zogen auch sehr viele Katholiken in die Stadt. Nach der Reformation war es immer nur eine Handvoll gewesen. Die neu entstandene Gemeinde weihte 1867 mit der Marienkirche die erste katholische Kirche seit der Reformation ein.

1894 – das Jahr markiert die Geburtsstunde des Papiertaschentuchs. Der Göppinger Papierfabrikant Gottlob Krum erhielt am 14. August das Patent dafür verliehen. Die Zeit war freilich noch nicht reif für Wegwerfprodukte. Und so sollte es Jahrzehnte dauern, bis das „Tempo“, nun in Nürnberg hergestellt, seinen Siegeszug antrat.

Bild: Stadtarchiv

Bild: Stadtarchiv