Werner J. - Beitrage zur Archaologie des Attila-Reiches - Textteil

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Die magischen Schwertanhänger

Schwert herabhängenden Anhänger befestigt werden konnte. Besonders bei Novogrigor¬ jevka und Čegem (TAF. 50, 5 u. 9), wo die Silberschlaufen weit aus der Unterseite der Perlen herausragen, ist die Befestigung auf einer harten Unterlage, etwa Leder, undenkbar, und auch bei Bülach ( T A F . 50, 8) ist sie sehr unwahrscheinlich. Das schließt eine Funktion der Perlen als Knöpfe des Wehrgehänges aus, wie sie von B. Stjernqvist für die großen römischen Bronzeknöpfe der Limeszeit nachgewiesen werden konnte.1 Diese Knöpfe wurden so stark beansprucht, daß ihre massiven Ösen oft ausrissen,2 sie sind also mit unseren Perlen und ihren schwachen Haltevorrichtungen nicht zu vergleichen. Die Tatsache, daß die Schwertperlen (mit und ohne Goldhauben) stets einzeln vorkommen, unterscheidet sie aber auch von jenen Metallknöpfen mit rückseitiger Öse, die paarweise zur Befestigung der Spatha an einem Schwertgurt dienten und die aus Gold gearbeitet im Königsgrab von Sutton Hoo am Schwert in situ angetroffen wurden.3 Ihre Verwendung ist auf den Krieger­ bildern eines Helms von Vendel (Uppland) dargestellt.4 Unsere Perlen haben mit der Trag­ weise des Schwertes also nichts zu t u n , denn sie finden sich sowohl bei germanischen Schwertern, die in einem Schultergurt eingehängt waren, wie bei den Schwertern irani­ scher und mongolischer Reiternomaden, die mit Gleitbügeln an einem um den Leib ge­ führten, durchhängenden Gurt getragen wurden (Alt-Weimar; TAF. 38). Die langen Schlaufen und Ösen der mit Goldhauben versehenen Exemplare sowie die Empfindlichkeit des Bernsteins und des Meerschaums (auch der „Kreide") erfordern, daß die betreffenden Wirtel in eine weiche Unterlage eingezogen waren, auf der sie wie Zierknöpfe aufsaßen. Von organischen Stoffen, Filz oder Wolle, ist in den Gräbern nichts erhalten geblieben, eine Vorstellung vom Aussehen dieser Unterlagen ist daher nicht zu gewinnen. Da keine der Perlen Abnutzungsspuren oder beim Gebrauch eingetretene Beschädigungen aufweist, bleibt eigentlich nur die Vermutung übrig, daß die Perlen mit Goldhaube die Bekrönungen quastenartiger Bommeln aus Filz o. ä. darstellten, die den Troddeln an modernen Offi­ ziersdegen ähnlich gewesen sein müssen. Die Bommeln wurden vermutlich mit einem dünnen kurzen Lederriemen an der Schwertscheide befestigt. Eine singuläre silberne Öse aus Ring und Bügel, die zu der Chalcedonscheibe von Blučina gehört (TAF. 50, 7 a), scheint die Annahme solcher Montierung zu stützen. Mit Hilfe einer Lederschlaufe, die durch den Ring über den eingesattelten Bügel gezogen wurde, konnte man die Chalcedon­ scheibe auf einer weichen Unterlage regelrecht festschnüren, ja sogar den Halteriemen der ganzen Bommel am Bügel befestigen. Letzteres war bei den Perlen mit Goldhaube und schwacher Silberdrahtschlaufe ( T A F . 50, 5 u. 9) kaum möglich, da die Drahtschlaufen zu nichts anderem als zum Einziehen in die weiche Quaste und zum Pressen der Goldhaube gegen die Perle dienen konnten. Bei der Annahme einer weichen Quaste aus organischen Stoffen lassen sich jedenfalls alle Befunde miteinander in Einklang bringen. Die Perlen aus empfindlichem Material mit ihren kunstvollen Goldknöpfen waren gewissermaßen ge­ polstert und nicht leicht zu beschädigen. Es bleibt außerdem genügend Spielraum, die Perlen aus sehr harter Substanz (Nephrit, Chalcedon, Bergkristall, teilweise auch Glas), vor allem die mit prismatisch geschliffenen Kanten (C 20: TAF. 50, 6; D 47: Taf. 5 7 , 1; D 48; D 49 a) sich frei an einer Lederschnur hängend vorzustellen. Trotz der Unsicherheit über die Art der Tragweise unserer Schwertperlen muß man aber doch wohl daran fest­ halten, daß sie alle als Ausdruck eines Brauches und nicht als Objekte mit praktischer Zweckbestimmung - die sie nie besaßen - über Raum und Zeit zusammenhängen. Ihre 1

Vgl. B. Stjernqvist in Saalburg-Jahrb. 13, 1954, 59 ff. B. Stjernqvist, Simris. On Cultural Connection of Scania in the Roman Iron Age (1955) 117. 3 R. L. S. Bruce-Mitford, The Sutton Hoo Ship Burial. A Provisional Guide (1947) Taf. 21 a, c-d. 4 H. Stolpe u. T. J. A r n e , La Nécropole de Vendel (1927) Taf. 41. 4. 2


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