Lydia (Ausgabe 2/2014)

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Mama Maggie, vor über 20 Jahren gründeten Sie die Organisation „Stephen’s Children“. Wie kamen Sie auf die Idee?

Ich komme aus einer wohlhabenden Familie. Aber als ich begann die armen Gebiete zu besuchen, merkte ich sehr schnell, dass dies meine Berufung ist. Ich brachte nicht nur Geschenke dorthin, sondern ich ließ mein Herz dort. „Wenn du uns helfen willst, dann hilf unseren Kindern!“, sagte damals eine Mutter zu mir. Mir war klar, dass meine Studenten an der Uni in Kairo andere gute Dozenten finden würden. Diese Kinder aber brauchten jemanden, der sich wirklich um sie kümmerte. Niemand füllte diese Lücke aus. Gott hat einen Plan für jeden Einzelnen von uns. Das ist der Grund, warum ich hier bin. Ich kann nicht entscheiden, wo ich geboren werde und wer meine Eltern sind. Aber ich kann entscheiden, was ich mit meinem Leben mache. Jesus selbst ist ein Vorbild für uns: Er kam in sehr ärmliche Bedingungen hinein. Er hätte im Himmel bleiben können, aber er entschied sich für das Niedrigste. Sie sind eine verheiratete Frau und Mutter zweier erwachsener Kinder. Dennoch tragen Sie immer weiße Kleidung, fast wie eine Ordensfrau. Wie kommt das?

Ich war früher sehr modebewusst. Die schlichte weiße Kleidung trage ich, um Unabhängigkeit von Wohlstand und Mode zu zeigen. Es kommt mehr auf die innere als auf die äußere Schönheit an. Was tut „Stephen’s Children“ genau?

Wir unterhalten Zentren, in denen Kinder lesen und schreiben lernen. Junge Menschen erlernen einen Beruf. Manchmal bringen wir die Kinder für ein paar Tage aus ihrem Alltag heraus auf eine Freizeit. Wir essen, schlafen, beten und spielen zusammen. Sie sind wie meine eigenen Kinder. Auch für Erwachsene haben wir Angebote. Beispielsweise ermutigen und schulen wir Mütter. „Stephen’s Children“ arbeitet mit verschiedenen regierungsunabhängigen Organisationen zusammen. Sie sind bekennende orthodoxe Christin und leiten eine große Arbeit. Wie ist das möglich in einem muslimisch geprägten Land?

Eigentlich ist es unmöglich! Das meine ich wirklich. Wenn man hier schon lange

gelebt hat, weiß man, wie unmöglich das ist. Viele Geschäftsleute sagten mir, dass sie meine Idee fantastisch fänden, aber es sei unmöglich, sie umzusetzen. Die Regierung würde das nicht erlauben. Doch „Stephen’s Children“ existiert. Weil Gott dahintersteht. Er hat das Unmögliche möglich gemacht. Danach gratulierten mir viele. Gratulieren Ihnen auch Muslime?

Besonders nachdem ich für den Friedensnobelpreis nominiert wurde, sind auch die Muslime begeistert. Besonders viele Journalisten sind glücklich, weil sie das Gefühl haben: „Das ist gut für unser Land, für die ganze Welt, weil wir etwas für die Armen tun.“ Wir geben denjenigen eine Stimme, die keine eigene Stimme haben.

Ich kann nicht entscheiden, wo ich geboren werde und wer meine Eltern sind. Aber ich kann entscheiden, was ich mit meinem Leben mache. Können Sie denn den christlichen Glauben auch an Muslime weitergeben?

Unser Ziel war zunächst, traditionellen Christen von Jesus zu erzählen. Laut Gesetz dürfen wir nämlich nur Christen etwas vom Glauben weitersagen – Muslimen nicht. Aber wir eröffnen jetzt auch Schulen und Bildungszentren, die jedem zugänglich sind. Dort werden christliche Werte gelebt. Wir respektieren einander in Liebe. Meistens werden diejenigen beschenkt, die etwas geben. Wenn Menschen dieses Prinzip begreifen, wird die gesamte Gesellschaft davon profitieren. Das gilt auch für die ganze Welt. Egal, was wir geben – es wird zu uns zurückkommen. In Ägypten wurden zahlreiche Kirchen und christliche Einrichtungen angegriffen und niedergebrannt. Konnten Sie Ihre Arbeit bisher immer ungehindert tun?

Es gab auch bei uns Bedrohungen. Wer einen solchen Dienst tun will, muss mit Herausforderungen rechnen. Wenn du

dazu bereit bist, wirst du Erfolg haben. Wenn du nicht bereit bist für Herausforderungen, dann weiß ich nicht, ob etwas daraus wird. Haben Sie deshalb Ihrer Organisation den Namen „Stephen’s Children“ gegeben?

Ja. Stephanus war der erste Märtyrer. Als er wegen seines Glaubens gesteinigt wurde, sah er den Himmel offen stehen. Jeden Tag finden wir unseren Namen passender – wegen der vielen Herausforderungen, denen die Kinder begegnen, zum Beispiel in der Schule. Ich glaube, dass in solchen Momenten der Himmel offen steht. Wir müssen nur nach oben sehen. Aber manchmal sind wir zu beschäftigt, um aufzuschauen. Was erleben die Kinder in der Schule?

Es gibt Schüler, die vom Lehrer benachteiligt werden, nur weil sie Mary oder Peter oder John heißen – also einen Namen haben, der offensichtlich christlich ist. Sie fragen sich, was sie falsch gemacht haben. Ist es etwa nicht richtig, an Christus zu

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