Lydia 04/2015

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Ganz persönlich Ellen Nieswiodek-Martin

Dann begann der Sabbat mit dem Anzünden der Kerzen, mit Gebeten, Liedern und Segenswünschen. Plötzlich kehrt eine unbeschreibliche Ruhe ein.

Mit Hektik in den Ruhetag?! Vor einigen Jahren verbrachten wir unseren Urlaub in Israel. Eines der eindrücklichsten Erlebnisse dort war die jüdische Sabbatfeier. Der Sabbat beginnt am Freitagabend mit dem Sonnenuntergang. Bevor es so weit war, erlebten wir einen Tag voller Hektik und Betriebsamkeit. Es begann mit dem Einkauf im „Shuk“, dem Markt in Jerusalem. Dort wimmelte es von Menschen; wir kamen kaum bis zu den Lebensmittelständen durch. Auf den Straßen eilten die orthodoxen Juden mit Tüten beladen von einem Geschäft ins nächste. Zu Hause wartete viel Arbeit: Die Juden bereiten den Ruhetag so gründlich vor, dass nichts schiefgehen kann. Das Haus wird geputzt und mit frischen Blumen geschmückt. Das Essen für den Abend und den nächsten Tag wird vorgekocht. Ziel all dieser Vorbereitungen ist es, dass am Sabbat so wenige Handgriffe wie möglich ausgeführt werden müssen. Daher gibt es am Sabbat Gerichte, die kalt gegessen werden oder auf kleiner Flamme auf dem Herd warm gehalten werden. Wir Deutsche schauten der Hektik ein bisschen belustigt zu. Und ich gestehe, dass ich ein wenig überheblich dachte, wie gut es doch sei, dass wir aufgeklärten europäischen Christen so etwas nicht brauchen. Ich sah keinen Sinn darin, für einen Ruhetag so viel Aufwand zu veranstalten. Und dann begann der Sabbat mit dem Anzünden der Kerzen, mit Gebeten, Liedern und Segenswünschen. Plötzlich kehrt eine unbeschreibliche Ruhe ein: Die Männer segnen die Frauen und die Kinder. Es folgen zahlreiche Rituale, jedes hat seine Bedeutung. Das Essen findet in mehreren Gängen statt. Anschließend sitzen alle zusammen, manchmal kommen Nachbarn oder Gäste dazu. Der nächste Tag ist eine Zeit der Muße, zum Bibel-

lesen, für Begegnungen und Gespräche – und natürlich das gemeinsame Essen. Der Ruhetag dauert bis zum Sonnenuntergang am Samstagabend und endet mit einem Ritual. Dazu gehört, dass der Wein so lange in einen Becher gegossen wird, bis dieser überläuft. Das gilt als Zeichen der überfließenden Gnade Gottes. Als wir wieder zu Hause waren, habe ich oft an den jüdischen Ruhetag gedacht. Das Thema ließ mich nicht los. Das hebräische Wort „Sabbat“ kommt von aufhören, ausruhen. In 3. Mose 23 steht: „Ihr sollt sechs Tage pro Woche arbeiten, der siebte Tag aber ist der Sabbat, ein Tag vollkommener Ruhe, an dem ihr zum Gottesdienst zusammenkommen sollt.“ Mit dem Sabbat hat Gott uns einen besonderen Tag geschenkt, der sich vom Alltag unterscheidet. Gott hat ihn uns geschenkt – nicht als strenge Regel, sondern um uns etwas Gutes zu tun. Weil wir diesen Ruhetag brauchen. Wir haben uns aus dem Urlaub einen Sabbat-Becher mit nach Hause genommen. Er soll uns daran erinnern, dass wir innere und äußere Ruhe brauchen, um die Gnade und Liebe Gottes wahrzunehmen und ihm dafür zu danken. Auf den Seiten 30 bis 33 finden Sie noch mehr Anregungen zu diesem Thema. Ich wünsche Ihnen gesegnete Ruhetage und viel Freude beim Lesen dieser Ausgabe! Ihre Ellen Nieswiodek-Martin

Lydia 04/2015

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