Troedler 0914

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07.08.2014

14:58 Uhr

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BLICKPUNKT 22

PORZELLAN

■ Botanisches Porzellan Spätestens seit der Zeit der Wunderkammern war die Natur mit ihrer rätselhaften Unergründlichkeit und ihrer überraschenden Schönheit gesellschaftlicher Gesprächsstoff. Doch während man sich in der Zeit um 1600 nach dem Dinner damit vergnügte, die Gehäuse von exotischen Schnecken und Muscheln von Hand zu Hand gehen zu lassen, lieferten 200 Jahre später Porzellanservice mit exakt wiedergegebenen Schlüsselblumen oder den in fürstlichen Gewächshäusern gezüchteten, feuerroten Bromelien aus Lateinamerika Gesprächsstoff für einen ganzen Abend. Denn im Zeitalter der Aufklärung war man auch jenseits von Apothekerlaboren und Universitäten angetan vom vielseitigen Kosmos der Pflanzen. Das Echo des allgemein erwachten Interesses waren botanische Porzellane. Hier trafen Kunst und Wissenschaft in schönster Form aufeinander. Die Zahl der Service, die zwischen 1750 und 1820, der Blütezeit dieser Spezies, hergestellt wurden, ist überschaubar. Denn in der Regel waren sie spezielle Anfertigungen für Kaiserinnen und Fürsten mit Hang zum Botanischen oder für Forscher, die sich auf diesem Gebiet verdient gemacht hatten. Alexander von Humboldt etwa, der 1799 bis 1804 Südamerika bereiste und zahlreiche exotische Pflanzen von seiner Expedition mitFlora Danica-Flaschenkühler mit „Anemone ranunculoidi nemoroba Kze.", umlaufende Pflanzenmotive, Ausführung um 1923, Royal Copenhagen, H 16,5 cm. Auktionspreis 2.300 Euro (inkl. Aufgeld) (Foto: Dorotheum Wien)

brachte, bekam 1814 einen Satz von 22 Tellern aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin mit verschiedenen EichenArten geschenkt. Nicht jedes naturgetreue Blumendekor macht ein Service zum botanischen Porzellan. Der dekorative Gesichtspunkt der Blumenmalerei spielt höchstens eine Nebenrolle. Wissenschaftlich exakt, am besten mit Wurzel, feinsten Härchen auf der Blattunterseite und einem Querschnitt durch den Pflanzenstiel, so sollten die Pflanzen dargestellt sein. Wie in

Aus der Hochburg der Blumenmalerei: Wiener Teller mit „Tulipa gesneriana", Kaiserliche Manufaktur Wien, um 1826. Der Schätzwert liegt bei 600 bis 900 Euro (Foto: Dorotheum Wien)

einem Bestimmungsbuch sollten sie als naturgetreue Pflanzenporträts wiedergegeben sein. Auf der Rück- bzw. Unterseite der Teile befinden sich denn auch die Namen der Spezies. Den ausführlichen Artikel „Botanisches Porzellan – Pflanzenporträts” (acht Seiten, 26 Abbildungen) von Sabine Spindler finden Sie in der aktuellen September-Ausgabe der Zeitschrift „Sammler Journal” (ab 26. August im Handel erhältlich)

Dessertteller mit der Darstellung eines Granatapfels aus dem Goldenen Wappenservice, 1827 in der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur St. Petersburg hergestellt (Foto: Lempertz) 09 / 14


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