14_18_Thermoskannen
07.06.2013
10:48 Uhr
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DESIGN 15 Haushaltsgeräte gebräuchliche ABSKunststoff. Zunächst wurde Aluminium als relativ preiswertes, leichtes und gut zu verarbeitendes Material geschätzt, Kunststoff und Edelstahl folgten. Die Entwicklung der Isoliertechnik hatte in den 20er-Jahren begonnen, die erste deutsche Firma, die sich darauf spezialisierte, war die 1914 von Carl Zitzmann gegründete Aluminiumwarenfabrik in Fischbach/Rhön (Alfi = Aluminiumfabrik in Fischbach). 1948 wurde die Firma im Familienbesitz enteignet und daraus ein volkseigner Betrieb errichtet. Bis zur Wende stellte die VEB Aluminiumfabrik Kochtöpfe, Wasserkessel und Isolierkannen her. In den 50er-Jahren produzierte das Aluminiumwerk Fischbach (AWF) formal gelungene Isolierkannen, darunter „Typ 760", eine birnenförmige Kanne im Geschmack der Zeit von Hermann Schrank, Helmut Saal, Josef Bock aus dem Jahr 1956. Der Korpus wurde aus korrosionsbeständigem, poliertem Reinaluminium hergestellt. Sie gibt es auch farbig eloxiert und besitzt einen Glaskolben. Eine schlanke, flaschenförmige Kanne mit angeschraubtem Bandgriff und Stopfenverschluss „Nr. 750” aus dem gleichen Material entwarf die Keramikerin und Designerin Margarete Jahny (geb. 1923) für das AWF 1958. Die Absolventin der Hochschule für Bildende Künste in Dresden wurde als Entwerferin einiger erfolgreicher Mitropa-Porzellanservice bekannt. Dazu zählte das Stapelgeschirr „Rationell” (Entwurf 1969/79 für VEB Vereinigte Porzellanwerke Colditz) mit fallgesichertem Deckel. Sie gehörte Typ „760", VEB Aluminiumfabrik Fischbach, Design: Hermann Schrank, Helmut Saal, Josef Bock, 1956 (Foto: Richard Anger) Typ „750", VEB Aluminiumfabrik Fischbach, Design: Margarete Jahny, 1958 (Foto: Richard Anger)
von 1972 bis 1979 dem „Amt für Industrielle Formgestaltung" (AiF) an, das sich bis 1990 um die Entwicklung des Industriedesigns in der DDR Verdienste erworben und die Entwicklung des Designs auch als Exportprodukt angeschoben hatte. Die Familie Zitzmann ging in den Westen nach Baden-Württemberg und eröffnete im April 1949 in Wertheim/Main ihren neuen Standort. Der Jurist Jörg DümmigZitzmann heiratete in die Familie ein und übernahm 1972 die Geschäftsführung. Er machte Design zum alfi-Markenzeichen und den mittelständischen Betrieb damit zum Branchenführer auf dem Weltmarkt. Seit 1987 befindet sich die Firma im Besitz der WMF, der Württembergischen Metallwarenfabrik.
„Thermolord” Die nachhaltig erfolgreichste deutsche Isolierkanne, aus verchromtem Messingblech gefertigt, wurde von der Metallwarenfabrik Erhard & Söhne in Schwäbisch Gmünd produziert. Wolfgang v. Wersin hat den „Thermolord” in Zusammenarbeit mit den Technikern des Hauses gestaltet. Bis zur Entlassung durch das NS-Regime 1934 war Wersin Leiter der Neuen Sammlung, damals noch Teil des Bayerischen Nationalmuseums in München. Mehr als dreißig Jahre war er verantwortlich für das Porzellan der Nymphenburger Manufaktur. Der „Thermolord” ist mit doppelwan-
„Thermolord” mit Verpackung, Erhard & Söhne, Design: Wolfgang von Wersin 1956 (Foto: Heinz-J. Theis) digem, verspiegeltem Vakuum-Glaseinsatz ausgestattet und gießt tropffrei. Der Deckel öffnet sich auf Fingerdruck, der zwei-stufige weite Hals erlaubt leichtes Einfüllen und Reinigen. Mit dem Entwurf begann er 1956. Den „Thermolord” gab es in vier Größen, für 0,25, 0,5, 0,7 und 1,1 Liter, bis 1960 ist er mit Standring, seitdem ohne hergestellt worden. 1959 wurde der „Thermolord” beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Registrierung angemeldet. Gegen ein vom Kaffeeröster Tchibo 1975 auf den Markt gebrachtes Plagiat, das 1983 mit dem „Plagiarius-Preis”, dem schwarzen Zwerg mit goldener Nase, ausgezeichnet wurde, zog Erhard erfolglos vor Gericht. Mit der Begründung, „es dürfe eine solch gute Form nicht nur in teuerer Ausführung angeboten werden, sondern auch in billig, damit das Volksganze nicht benachteiligt wäre" (Alfred Ziffer: Wolfgang von Wersin 1882-1976, Vom Kunstgewerbe zur Industrieform, München 1991, S. 130), zog sie den Kürzeren. Der Richter begründete das Urteil schlicht sozial. Sollte er Wagenfeld gelesen haben, der einmal vom Glas schrieb, es solle „so schön und praktisch sein, dass sich der Reichste wünscht, es zu besitzen, und so preiswert, dass auch der Ärmste es sich kaufen kann"? Die auf eine lange Tradition zurückblickende Firma Erhard, gegründet 1844, reagierte auf den wirtschaftlichen Wandel, indem sie sich neu orientierte: Sie entwickelte das Allzweckmobil Unimog und wurde Zulieferer für die Auto- und die Computerindustrie. Die letzten Exemplare aus der Produktion des „Thermolord” sicherte sich das elitäre Kaufhaus Manufactum und verkaufte sie für 75 Euro (Manufactum Warenkatalog 17, 1994, S. 52). Die Rechte für die Herstellung des „Thermolord” gingen an die holländische Firma Bredemeijer über. Den kleinsten „Thermolord” fertigte Erhard auch in einer versilberten Luxus-Ausführung in einem Kar07 / 13