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Unterwegs in Brandenburg
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Wer in der Mark reisen will, der muß zunächst Liebe zu Land und Leuten mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muß den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch krittliche Vergleiche totzumachen. Der Reisende in der Mark muß sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt gröbliche Augen, die gleich einen Gletscher oder Meeressturm verlangen, um befriedigt zu sein. Diese mögen zu Hause bleiben.
Es ist mit der märkischen Natur wie mit machen Frauen. ‚Auch die häßlichste‘ — sagt das Sprichwort — ‚hat immer noch sieben Schönheiten!‘ Ganz so ist es mit dem Lande zwischen Oder und Elbe; wenige Punkte sind so arm, daß sie nicht auch ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß sie nur zu finden verstehen. Wer das Auge dafür hat, der wag es und reise.
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Unterwegs in Brandenburg KREMMEN — SCHWANTE — SOMMERSWALDE VON JÖRG TEUSCHER
Theodor Fontane Wanderungen durch die Mark Brandenburg Die Grafschaft Ruppin Vorwort zur zweiten Auflage, Berlin 1864
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Kremmen, vor über 700 Jahren gegründet, zählt rund 7.500 Einwohner und ist eine stille Stadt. Einst muss es hier allerdings weit wuseliger zugegangen sein, der Ort galt als strategisch wichtiges Tor zur Mark Brandenburg. Jeder, der in der Gegend unterwegs war, musste über den „Cremmener Damm“, die einzige Verbindung durch das sumpfige Rhinluch. Dessen Entwässerung im 18. Jahrhundert änderte das – aus dem Tor zur Mark wurde ein Tor zur Natur. Die Touristiker werben also sowohl für Touren in die traumhafte Landschaft als auch für den Besuch der Kremmener Altstadt und des historischen Scheunenviertels.
Sehenswertes Schwante. Das 2.200-Einwohner-Dorf im brandenburgischen Landkreis Oberhavel wurde 1355 erstmals urkundlich erwähnt. Die evangelische Dorfkirche stammt aus dem Jahr 1780, im nahen Pfarrhaus wurde am 7. Oktober 1989 die Sozialdemokratische Partei der DDR gegründet. In Schwante hat ein berühmter Bäckermeister seine Backstube, es gibt einen attraktiven Renaissancegarten, und am 19. Juni 2020 eröffnete auf dem Gelände des historischen Schlossgutes ein Skulpturenpark, der das Zeug hat, sich zu einem Hotspot des internationalen Kulturtourismus zu entwickeln.

Sommerswalde gehört zu Schwante und trägt die Bezeichnung „Wohnplatz“. Die Wirklichkeit ist zum Glück weniger spröde als dieser Terminus. Sie besteht aus einem eigenwilligen Gebäudekomplex: dem weißen Schloss, das als „zweiter Reichstag“ in die Geschichte einging; einem Backsteinbau sowie dem Forsthaus. Bauherr des Ensembles war der Berliner Immobilienmillionär Richard Sommer, nach dessen Tod 1916 das Anwesen viele Besitzer sah. Heute gehört das Schloss dem buddhistischen Verein Tharpaland und dient als Meditationszentrum. Das Forsthaus avancierte zu einem Ausflugsziel erster Güte.


„Natürlich unseren Spargelhof mit Gastronomie, Hofladen und einigen Kinderüberraschungen“, lächelte Malte Voigts. Wir hatten den Hofchef – seine offizielle Funktionsbezeichnung lautet Geschäftsführer der Spargelhof Kremmen GmbH & Co. KG – um einige Ausflugstipps für die Gegend rund um Kremmen gebeten. Wieso fragt ihr eigentlich keinen Einheimischen?, hörten wir dann von eben jenen häufig. Tatsächlich, Voigts stammt aus der Lüneburger Heide, studierte in Göttingen und kam erst vor 13 Jahren ins Kremmener Land. Aber: Er kennt seine neue Heimat inzwischen besser als die meisten Fremdenführer.

Stadt Kremmen
„SIE HABEN DA SO KURZE BETTEN..."





Gottberg, Protzen, Tramnitz – weshalb Theodor Fontane solchen Winzlingsdörfern in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ vielseitige Kapitel widmete und ausgerechnet Kremmen – von ein paar marginalen Bemerkungen mal abgesehen – links liegen ließ, wird wohl das Geheimnis des Dichters bleiben.
Lediglich in seinem Alterswerk „Der Stechlin“ läßt er seinen Helden Dubslav von Stechlin und dessen Diener Engelke über „Cremmen“ parlieren, wo Stechlins Sohn Woldemar auf dem Weg von Berlin ins heimatliche Ruppiner Land übernachtet hatte. „Die Nacht über in Cremmen. Auch kein Spaß.“ „Aber Cremmen is doch soweit ganz gut.“ „Nu, gewiss, gewiss. Bloß haben sie da so kurze Betten...“ Katharina Neuman kann darüber nur müde lächeln. Die Hotelfachfrau betreibt seit Anfang Juli 2020 am Kremmener Markt die Pension Alte Lebkuchenfabrik – sechs Zimmer mit garantiert großen Betten. „Und bald auch ein Hofcafé“, fügt sie hinzu.
www.lebkuchenfabrik.com


Ein Dorf in der Stadt
DAS KREMMENER SCHEUNENVIERTEL

Seit 2016 Kremmener Tourismus-Chefin: Andrea Busse.




Natürlich kennt Andrea Busse den Gelehrten Johann Grüwel (16381710), der einst in Kremmen Bürgermeister war und mit Abhandlungen über Imkerei und Seidenraupenzucht Aufsehen erregte (s. S.101). Sie bedauert, dass Grüwel heute in Kremmen fast vergessen ist und hat einige Ideen, das zu ändern. Sie leitet die Touristeninformation im Scheunenviertel und scheint nicht nur wegen ihres historischen Wissens für diesen Job prädestiniert zu sein, sondern auch wegen ihres familiären Backgrounds. Die Busses sind nachweislich seit 1402 in Kremmen ansässig.
Die 48-jährige Handelsfachwirtin organisiert Stadtführungen sowie Natur- und Kulturwanderungen und weiß auch dann touristischen Rat, wenn die gedruckten Reiseführer passen. Besonders am Herzen liegt Andrea Busse das historische Scheunenviertel am südlichen Stadtrand von Kremmen, „das in seiner Größe und Bauweise wohl einzigartig in Deutschland, vielleicht sogar in Europa ist“, wie sie sagt. „Und dessen Geschichte lange zurückreicht.“




Nach verheerenden Bränden im 16. Jahrhundert, die ihren Ausgangspunkt zumeist in den mitten in der Stadt gebauten strohgedeckten Scheunen hatten – Kremmen war eben eine Ackerbürgerstadt – verfügte 1672 Kurfürst Friedrich Wilhelm, der nach dem Sieg seiner Truppen über die Schweden 1675 bei Fehrbellin der Große Kurfürst genannt wurde, „die Scheunen hinaus fürs Thor zu schaffen“. Die Kremmener folgten dem Befehl, das Scheunenviertel entstand. Andrea Busse kennt die wechselvolle Geschichte aus dem Effeff und ist natürlich stolz darauf, dass 54 Scheunen nach der Wende saniert wurden, dass sich hier Handwerker, Künstler und Gastronomen ansiedelten, auch „wenn man noch mehr aus diesem Kremmener Schatz machen könnte.“ Zu den Scheunenviertlern der (fast) ersten Stunde gehört Norbert Stolley, 69 und – wie er in einem autobiografischen Büchlein schreibt – „ein leidenschaftlicher, sturer, friesischer Koch“ (s. S. 83).

Coldehörn-Inhaber Norbert Stolley.


Und das seit 55 Jahren! Geboren in Brunsbüttel, Kochlehre im Kölner Weinhaus Hugo Wolf in der Komödienstraße, zehn Jahre Seefahrt. Dann, wieder an Land – selbständig in der kältesten Ecke Wilhelmshavens – in Coldehörn. Später Stationen in Hannover, Berlin und Eichstädt, seit 2007 dann Kremmen. Zur Erinnerung an die Anfänge nannte Stolley seine Feinkost- und Probierscheune auch hier Coldehörn. Seine kulinarische Offerte ist klein, aber fein. „Ich liebe das Einfache“, sagt er, „allerdings muss es toll zubereitet sein, frisch, schnörkellos, regional.“
RESTAURANT COLDEHÖRN
Scheunenweg 30 16766 Kremmen Tel. 033055 – 20 0 04 www.coldehoern.de



Schlemmen in Kremmen
DER SPARGELHOF VIER JAHRESZEITEN




Der Spargelhof Kremmen ist zuallererst natürlich ein Landwirtschaftsbetrieb, dessen Beiname „Vier Jahreszeiten“ die Produktfolge beschreibt. Dem Spargel, der von Anfang April bis Ende Juni das Bild bestimmt, folgen Anfang Juli bis Ende August die Kulturheidelbeeren. Von Anfang September bis Ende Oktober ist in Kremmen Kürbiszeit und ab November haben die am Ort aufgezogenen Freilandgänse und -enten Saison. Dass der Hof auch ein beliebtes Ausflugsziel ist, liegt einerseits an seiner Lage inmitten der idyllischen Landschaft des Rhinluchs, andererseits und sicher vor allem aber daran, dass den Gästen zu jeder „Kremmener Jahreszeit“ viel geboten wird. „Wir versuchen, in jeder Hinsicht gute Gastgeber zu sein“, so Malte Voigts, seit zehn Jahren Geschäftsführer des Spargelhofes. „Sowohl was die Angebote in unserem Hofladen als auch die unserer Hofgastronomie betrifft, haben wir Jahr für Jahr zugelegt“, fügt er hinzu, „aber nicht nur das, wir bieten auch Erlebnis und Entspannung.“


Spargelhof-Chef Malte Voigts und sein Gastronomie-Leiter Frank Buthmann, v.li.
Hofgastronomien sind häufig wenig ambitionierte Abfertigungsstätten für möglichst große Menschenmassen – kulinarisch total uninteressant. Dass das auf dem Kremmener Spargelhof nicht so ist, liegt an einem engagierten Team und einem alten Bekannten. Frank Buthmann, gebürtiger Schleswig-Holsteiner und inzwischen 47, gehörte früher mal zu Kolja Kleebergs VAU-Brigade, war Küchenchef im Berliner Weinstein, übernahm 2008 das Kleine Haus in Linum und machte dort mit schnörkelloser Regionalküche auf sich aufmerksam. 2018 heuerte er auf dem Spargelhof an und ist seit diesem Jahr dessen gastronomischer Leiter – man darf also durchaus gespannt sein, was da noch so kommt.
Buthmanns Frau Janina, zuletzt als Product Scout in der Kreuzberger Markthalle Neun tätig und Marketing-Chefin Beate Gebauer sind für das Hofladen-Angebot zuständig und bieten inzwischen eine Offerte, die selbst den eingefleischtesten Homo sapiens Aldiensis ins Grübeln versetzen dürfte.





Zuständig für das Hofladen-Angebot:Marketingchefin Beate Gebauer und Janina Buthmann, v. re.
In den Regalen jedenfalls drängen sich bekannte Brandenburger Manufakturprodukte wie Büffelmozzarella, Bocconcini und Burrata des Kremmener Paolella-Teams oder die Hanf-Spezialitäten von Hempwood in Oranienburg neben regionalen Lebensmitteln von Kleinsterzeugern wie die Wildsalami von Christian Haferkorn oder das Bärlauchöl von Dirk Berdychowski. Honig aus Leegebruch, Leinöl aus Schulzendorf, Speiseeis aus Schwante, Kyritzer Säfte, Bruchhäuser Wurst, handwerklich hergestellte Käsesorten – das ist ein Einkaufserlebnis wie man es sich wünscht.
SPARGELHOF KREMMEN
Groß-Ziethener Weg 2 16766 Kremmen Tel. 033055 – 20 08 www.spargelhof-kremmen.de



Laib und Seele
DIE BÄCKEREI PLENTZ IN SCHWANTE
Erdbeerfest in der Kremmener Plentz-Filiale: Meister Karl-Dietmar Plentz, Verkäuferin Jessica Günther und ein Chevrolet Bel Air 1966.





Bäckermeister Volker Rothensee und Geselle Maximilian Plentz, v.li.
033 055 79 01 30, die Bäckerei Plentz in Schwante. Wer in der Warteschleife landet, wird im Rammstein-Sound gerockt: „Wer will gutes Brot uns machen, der muss haben sieben Sachen: Herz und Hand, Fleiß und Verstand, Spaß und Stolz und ein gutes Nudelholz.“ Die Bässe wummern, und man meint wirklich, die Stimme von Till Lindemann zu erkennen. Ist es wirklich der Rammstein-Frontmann? Bäckermeister Karl-Dietmar Plentz lächelt: „Möglich.“ Wie auch immer, vor Überraschungen ist man bei dem 53-jährigen Zwei-MeterMann nur selten sicher. So hätte man auf dem Band der Bäckerei eher ein altes Kirchenlied erwartet — Plentz ist gläubiger Christ und hat keine Scheu, auch darüber zu reden — aber Pustekuchen.
Karl-Dietmar Plentz ist Bäckermeister in vierter Generation. 1989 übernahm er die 112 Jahre zuvor in Oranienburg gegründete Bäckerei von seinem Vater, führte sie erfolgreich durch die Wirren der Wende, eröffnete Filialen – inzwischen sind es sieben – und bewies mit immer neuen Ideen, dass auch das Bäckerhandwerk



durchaus noch goldenen Boden haben kann. Eine davon ist der Holzbackofen auf dem Schwanter Dorfanger, der zwischen März und November immer freitags und samstags angeheizt wird und in dem beispielsweise die drei Kilogramm schweren Roggen-DinkelKrusten aus hauseigenem Sauerteig ausgebacken werden, deretwegen Kunden auch von weither nach Schwante kommen.
Weitere Spezialitäten gibt es im großen, hellen Laden gleich nebenan: Champagnerroggenbrot, Honigbrot, Ringelblumenbrot, handgedrückte Brötchen, traditionelle Hefeblechkuchen und – unser Favorit – saftige Walnuss-Honig-Muffins mit Nüssen aus dem nahen Herzberg (Walnussmeisterei Böllersen) und Honig aus dem Fläming (Imkerei Albe).
Und hier gibt es auch ein Buch, das Karl-Dietmar Plentz gemeinsam mit der Potsdamer Autorin Andrea Specht verfasst hat: Der Brotmacher, sechs Kapitel aus dem Leben eines Bäckermeisters, die von seiner regionalen Verwurzelung erzählen, von sei-


nem christlichen Engagement und seiner lokalpolitischen Arbeit. Von seiner Frau Agnes und den gemeinsamen fünf Kindern, auf die er so unendlich stolz ist. Von einem Frühstück mit Barack Obama, einer Planwagentour nach Weliki Nowgorod, von einer TV-Show um den Titel „Deutschlands bester Bäcker“. Von Backrezepten und Bibeltexten… „Unser wertvollstes Rezept“, sagt Karl-Dietmar Plentz, „ist sehr schlicht. Es lautet ‚Backen und Beten‘ und hat sich in guten und in schwierigen Zeiten bewährt.“


BÄCKEREI & KONDITOREI PLENTZ
Dorfstraße 43 16727 Oberkrämer OT Schwante Tel. 033055 –79 01 30 www.plentz.de
Agnes und Karl-Dietmar Plentz.


Schlossgut Schwante
UNGEWÖHNLICHES KONZEPT FÜR EINEN BESONDEREN ORT


Ai Weiwei: Flag for Human Rights, 2018. George Rickey: Three Squares Vertical Diagonal II, 1986.


Eine Frau mit grauem Kurzhaar sitzt auf einer Parkbank und betrachtet versonnen den gläsernen Pavillon von Dan Graham … ein schwergewichtiger Mann hievt sich bäuchlings ins Gras, um dem AluminiumGarten von Toshihiko Mitsuya eine besondere Perspektive abzugewinnen … eine Gruppe junger Leute umrundet gestenreich und lautstark die meterhohe Säule von Gregor Hildebrandt aus gepressten und in Bronze gegossenen Schallplatten … Beobachtungen am Eröffnungstag des Skulpturenparks im Schlossgut Schwante und Bestätigung der Erkenntnis, dass die Liebe zur Kunst viele Facetten kennt, die von scheuer Verehrung bis zu wilder Zudringlichkeit reichen.
Ins Leben gerufen haben diesen Park, der Kunst in einem aufregenden Ausmaß bietet, die neuen Schwanter Gutsbesitzer Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel. Das Powerpaar — sie ist promovierte Juristin und war einst jüngste Richterin Deutschlands und erfolgreiche Internetunternehmerin; er, diplomierter Betriebswirt und Kunsthistoriker, arbeitete jahrelang als Investmentbanker — erwarb

Tony Cragg: Elliptical Column, 2012. Hans Arp: Architektonische Skulptur, 1958.

Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel.

Küchenchefin Yogini Hufendiek und Konditormeisterin Gloria Mara Baldi, v.re.
2019 das Schloss und den 20-Hektar-Park. „Der Ort war da, und aus dem Ort heraus entstand das Projekt“, so Loretta Würtenberger. Ein Projekt, das es in sich hatte: Sanierung des Schlosses Schwante, das Würtenberger-Tümpel und ihre vier Kinder künftig bewohnen werden, Rekultivierung des Schlossparks, Organisation der Skulpturenausstellung, Aufbau eines Hofrestaurants, Einrichtung eines Hofladens, dazu der Umzug der Familie und ihrer Firma Fine Art Partners nach Schwante, Öffentlichkeitsarbeit, Personalsuche…
Über all das und vor allem natürlich über die 23 Skulpturen international bekannter Künstler — darunter Ai Weiwei, Hans Arp, Tony Cragg, Katja Strunz und Toby Ziegler — sprechen Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel ohne Selbstgefälligkeiten und ohne Geltungsbedürfnis. „Der Reiz unseres Projekts liegt für uns in der standortlichen und architektonischen Besonderheit des Schlossgutes“, sagen sie. Und: „Wir sind kein Ausstellungsort im klassischen Sinne, sondern ein von der ländlichen Umgebung geprägter Begegnungsraum.“




Gregor Hildebrandt: Säule, 2018.

Am 30. September 1894 schrieb Theodor Fontane in einem Brief an seine Tochter Mete: „Die Verpflegungsfrage ist für den Kulturmenschen eigentlich das Wichtigste.“ Eine Erkenntnis, die Loretta Würtenberger und Daniel Tümpel nicht anzweifeln. Ganz im Gegenteil. In einem Backsteinhaus richteten sie einen Hofladen und ein Restaurant ein und stellten mit der Konditormeisterin Gloria Mara Baldi und der Küchenchefin Yogini Hufendiek zwei junge Frauen an, die ihr Handwerk beherrschen. „Landhausküche mit Pfiff“, fassen sie ihr Konzept zusammen. Wir sagen: Glückliches Schwante!

SCHLOSSGUT SCHWANTE
Schlossplatz 1-3 16727 Oberkrämer OT Schwante Tel. 033055 – 20 24 60 www.schlossgut-schwante.de
Toshihiko Mitsuya: The Aluminium Garden — Structural Study of Plants 2019/2020.
Katja Strunz: Unfolding Process, 2020.
Martin Creed: Work No. 1086, 2011.


Forsthaus Sommerswalde
GEHEIMTIPP FERNAB DER GROßEN STRAßEN

Forsthaus-Inhaber Andree Franke.





Dieses Forsthaus abseits der großen Straßen ist schon etwas besonderes — nicht nur, weil hier kein Förster zu Hause ist und sein Name in Versalien – also FORSTHAUS – geschrieben wird, sondern vor allem deshalb, weil es Dinge bietet, die man hier nicht erwartet. „Kleinod im Schwanter Forst“, „Perle im Kremmener Land“, „architektonische Augenweide“, „kulinarischer Geheimtipp“ – das Lob der Gäste, die den Weg hierher fanden (die einschlägigen Reiseführer lassen das FORSTHAUS aus nicht nachvollziehbaren Gründen links liegen), spricht Bände.
Hausherr des 1860 erbauten Anwesens ist Andree Franke, 53, Bauingenieur mit eigenem Büro in Glienicke-Nordbahn. Der Berliner entdeckte vor knapp acht Jahren das Haus mit den zugehörigen Stallungen. „Die Gebäude waren Ruinen mit Wildnis drumherum“, erzählt er, „trotzdem habe ich mich stante pede in das Areal verliebt.“ Er kaufte das Anwesen, plante ein Jahr lang und baute ein weiteres. 2015 eröffnete er das FORSTHAUS, den Sommergarten, die Ver-
Veranstaltungsleiter Heiko Franke.
Restaurantleiterin Sandra Haase und Küchenchef Joachim Schöber.



anstaltungsscheune und drei Ferienwohnungen. Andree Franke, selbst begeisterter Sportler, installierte Anlagen für Armbrust- und Bogenschießen, legte einen Bouleplatz an und eine sommers wie winters nutzbare Stockbahn. Es gibt einen Spielplatz und einen Fahrradverleih, und aus dem verwilderten Park wurde eine grüne Oase inklusive Kräutergarten und Streuobstwiese, an der selbst Profi-Pomologen ihre Freude haben dürften.
Und Franke hat auf dem 7.000 Quadratmeter großen FORSTHAUS-Gelände noch einiges vor – „aber wir wollen langsam wachsen.“ Weil der 53-jährige „Hobbygastronom“, wie er sich selbst nennt, nichts dem Zufall überlässt, holte er seinen Bruder Heiko und Schwägerin Sandra Haase ins Boot – ihn als Veranstaltungsmanager, sie als Restaurantleiterin.
Irgendwie zur Familie gehört auch Küchenchef Joachim Schöber. Der 41-jährige Oranienburger kam nach Stationen in Wiehl, Berlin, Regensburg und im kanadischen Vancouver 2015 nach Sommerswalde


und realisiert hier ein sympathisch-unschnöselhaftes Konzept, das man sich auch andernorts in Brandenburger Ausflugsgaststätten gut vorstellen könnte. Dabei setzt Schöber vor allem auf die Produkte der Region – vor allem auf Wild aus den Wäldern ringsum – und kontemporäre Zubereitungen für Sie und Ihn und ihre Kids. Leicht gekocht, geschmacklich fein abgestimmt und hübsch arrangiert.
Einen guten Ruf genießt das idyllische FORSTHAUS-Anwesen inzwischen auch bei Berliner und Brandenburger Hochzeitsplanern, 2016 wurde es sogar Außenstelle des Hennigsdorfer Standesamtes.
FORSTHAUS SOMMERSWALDE
Sommerswalde 4-5 16727 Oberkrämer OT Schwante Tel. 033055 – 21 55 98 www.forsthaus-sommerswalde.de




Der Bienenkönig
DER BERLINER UNTERNEHMER MARCO SKALA PLANT GROßES IN KREMMEN


Die letzte Station unserer Brandenburger Landpartie führt uns wieder zurück nach Kremmen, allerdings nur für einen Minutenstopp mit laufendem Motor auf einem früheren Aldi-Parkplatz. Ein Berliner Unternehmer will hier und in der nicht mehr genutzten Halle des Discounters ein Kompetenzzentrum für Berufs- und Hobbyimker einrichten. „Zudem wollen wir diesen Ort nutzen, um Probleme wie das Insektensterben zu thematisieren“, sagt Marco Skala.
Der 39-Jährige, gelernter Gas-Wasser-Installateur, betreibt seit acht Jahren im Spandauer Ortsteil Haselhorst den Fachhandel für Imkereibedarf „beekeepers“ – mit rund 4.000 Artikeln auf 1.000 Quadratmetern Verkaufsfläche einer der größten seiner Art in Berlin und Brandenburg.
Jahr für Jahr nehme die Zahl derer zu, die das faszinierende Imker-Hobby ausüben, so Marco Skala. „Die Zeiten, in denen es lediglich als Altherrenbeschäftigung in ländlichen Regionen galt, sind längst vorbei.“ Tatsächlich summt und brummt es etwa in Berlin seit Jahren, selbst auf Hoteldächern und sogar im Innenhof des Bundestages stehen Bienenstöcke. Marco Skala: „Allein in der Hauptstadt gibt es rund 2.000 Imker, die etwa 11.000 Bienenvölker betreuen, und Brandenburg zählt sogar 5.100 Bienenhalter mit rund 52.600 Völkern.“
Der Bienen-Boom und die Tatsache, dass in Haselhorst Wohnungen gebaut werden sollen, ließen Marco Skala auf die Suche nach einem neuen Domizil gehen – und in Kremmen fündig werden. Neben dem Angebot all dessen, was Imker brauchen, plant der Unternehmer dort einen Bienenlehrpfad, ein Bienen-Café und eine Schauimkerei. Ende des Jahres will er „beekeepers Bienenwelt“ eröffnen.
Kremmen wird’s freuen, zumal in der Stadt schon vor 300 Jahren Imkereigeschichte geschrieben wurde: Johann Grüwel, einst Kremmener Bürgermeister, veröffentlichte 1709 die Abhandlung „Brandenburgische Bewährte Bienen-Kunst“.
www.beekeepers24.com


