FURIOS 15 – Verboten

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Titel

»Der Staat muss nicht alles ordnen« Grüne Gruppen bevormunden, Liberale vertrauen auf mündige Bürger. Gegenseitig werfen sie sich politischen Irrsinn vor. Henrik Rubner von der Grünen und Franziska Kruse von der Liberalen Hochschulgruppe vertreten also unvereinbare Gesellschaftsideale? Sie diskutieren über Nutzen und Schaden von Verboten. Text: Cecilia T. Fernandez Foto: Christoph Spiegel FURIOS: Formell herrscht in französischen Zügen noch Kussverbot, wer in Singapur einen Kaugummi ausspuckt, riskiert eine saftige Geldstrafe und auf den erzkatholischen Philippinen sind Scheidungen bis heute nicht erlaubt. Dennoch beklagen wir hierzulande häufig einen Überfluss an Verordnungen. Sind wir nicht vergleichsweise frei? Franziska Kruse: Auch wenn Deutschland kein Extremfall ist, stimmt es, dass wir reichlich Regulierungen haben, vielleicht sogar zu viele. Manche davon sind notwendig, doch der Staat muss nicht alle Lebensbereiche ordnen. Das kann er auch gar nicht. Henrik Rubner: Aber viele der Verordnungen erfüllen ihren Sinn. Sie korrigieren gesellschaftliche Schieflagen. Gerade grünen Gruppierungen wird von liberaler Seite oft vorgeworfen, alles regulieren zu wollen. Henrik, wo siehst du die Grenze zwischen Verordnung und Bevormundung? Rubner: Verbote sind dafür da, Menschen vor den Handlungen anderer zu schützen. Etwa beim Rauchverbot: Dabei geht es gar nicht primär darum, die Raucherinnen und Raucher vor sich selbst zu schützen, sondern all jene, die darunter leiden und sich dem nicht einfach entziehen können – dem Personal in Lokalen etwa. Kruse: Aus meiner liberalen Perspektive soll jeder so frei wie möglich sein. Solange meine Freiheit deine Freiheit nicht einschränkt, braucht es keine Verbote. Aber Liberale verstehen auch, dass sich Menschen oft egoistisch verhalten – dann brauchen wir Gebote, an die sich alle im Zusammenleben halten. In einer Sache stimmen FDP und Grüne ja neuerdings überein: Beide sprechen sich für

eine Legalisierung von Marihuana aus. Seid auch ihr da einer Meinung? Kruse: Wahrscheinlich nicht! Ich persönlich halte diese Position der FDP für verfehlt. Schon mit Alkohol wird viel zu viel Schindluder getrieben. Um den zu verbieten, ist es jetzt zu spät. Dass man auch noch die nächste Droge legalisieren will, verstehe ich nicht. Rubner: Dann sind wir da tatsächlich unterschiedlicher Meinung. Wir von der Grünen Hochschulgruppe sehen die Gefahren natürlich, aber wir denken: Schon jetzt kommt jede und jeder an Marihuana und härtere Drogen ran. Wenn man den Verkauf regelt und besteuert, könnte man das eingenommene Geld wieder in Präventionsprogramme und Hilfe für Suchtbetroffene investieren. Das wäre besser, als die Augen vor der Realität zu verschließen. Gleichzeitig kam das vor den vergangenen Bundestagswahlen stark umstrittene Süßigkeitenverbot aus grünen Kreisen. Marihuana ja, Süßigkeiten nein? Rubner: Dabei ging es ja nicht darum, den Leuten die Schokolade zu verbieten, sondern Quengelzonen. An den Kassen werden gezielt Süßigkeiten ausgestellt, damit Menschen reingreifen, während sie warten. Gerade Kinder sind natürlich anfällig. Das Verbot sollte den Menschen einfach die Chance einräumen, auch hier eine überlegte Entscheidung zu treffen. In manchen Fällen befähigen Regulierungen Menschen erst dazu, mündige Entscheidungen zu treffen. Bei der Ernährung sieht man das immer wieder: Häufig weiß ich gar nicht, wie und wo ein Nahrungsmittel hergestellt wurde. Diese Informationen müssen leicht zugänglich sein. Wie kann man diese Informationen denn


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