Frauen in Führungspositionen

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Frauen in F체hrungspositionen Exotinnen oder schon Normalit채t? Tagung in Meran 17. November 2010


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Zusammefassung der Tagung „Frauen in Führungspositionen - Exotinnen oder schon Normalität?“, Mittwoch, 17. November 2010, 9.00-13.10 Uhr, Krankenhaus Meran, Konferenzsaal, 3. Stock, Reha-Gebäude Herausgeberin Komitee für Chancengleichheit und Aufwertung der GenderDifferenzen des Südtiroler Sanitätsbetriebes Sekretariat Karl-Wolf-Str. 46, 39012 Meran, Tel: 0473 /264884 In Zusammenarbeit mit den Referentinnen Dr.in Barbara Poggio Mag.a Elisabeth Stögerer-Schwarz Mag.a Maria Moser-Simmill mit der Journalistin Susanne Pitro Projektleiterin Ulrike Lösch, Komitee für Chancengleichheit und Aufwertung der Gender-Differenzen, Meran Übersetzerin Dr.in Cristina Algranati, Trient Lektorat Dr.in Ruth Happacher Grafik fuoricittà graphics

@2011 alle Rechte vorbehalten


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Frau und Karriere

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Ruth Happacher

Karriere bei männern und frauen

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Wie können Schieflagen ausgeglichen werden? Barbara Poggio

Die gläserne Decke

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Frauen und Führung: Wunsch und Wirklichkeit Elisabeth Stögerer-Schwarz

Frauen in Führungspositionen

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Exotinnen oder Normalität? Maria Moser-Simmill

Von Eisbrecherinnen und Gewohnheitsmenschen Susanne Pitr0

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Frau und Karriere Karriere ist kein neutraler Begriff: Jede und jeder von uns hat dazu positive oder negative Assoziationen, die je nach den Umständen wechseln.

Vielleicht ist es deshalb gut, nach anderen Worten zu suchen: • erfolgreich sein • seine Begabungen einsetzen können • die Welt um sich herum gestalten können. Aber auch: • sich durchsetzen • anderen Anweisungen geben können • keine Rücksichten mehr nehmen (müssen). Ruth Happacher Präsidentin des Komitees für Chancengleichheit und Aufwertung der GenderDifferenzen des Südtiroler Sanitätsbetriebes

Vor allem der letzte Aspekt klingt in der Kritik am „Karrieremachen” häufig an. Insbesondere Frauen lehnen für sich ein solches Verhalten ab – und damit auch gleich die Karriere selbst. Aber muss Karriere denn zwingend mit solchen negativen Erscheinungen verbunden sein? Wer sich umschaut, findet auch positive Beispiele bei Männern und Frauen. Nicht alle werfen mit dem Zuwachs an Einfluss alles über Bord, was einen guten Menschen auszeichnet. Natürlich bedeutet Karriere auch mehr Verantwortung: Das kann oft sehr mühsam und unbequem sein, denn nicht jede Entscheidung wird den Beifall aller finden. Dazu braucht es Mut. Wer aber ein klares Ziel vor Augen hat, wird diesen Mut auch aufbringen und die Kraft finden, dran zu bleiben. Was genau dieses Ziel für sie persönlich bedeutet, was sie in ihrem Leben erreichen möchte, muss jede Frau (wie jeder Mann) für sich selbst herausfinden. Sie muss in sich hineinhören, sich nach Beispielen umsehen und aus der Vielzahl der Möglichkeiten, die wir in unserer Gesellschaft glücklicherweise haben, die richtige(n) herausfinden. Das Ergebnis wird sich lohnen. Mit der Tagung zum Thema „Frau und Karriere“, deren Ergebnisse im vorliegenden Band zusammengefasst werden, wollte das Komitee eine Diskussionsgrundlage bieten. Sie soll ein Anstoß sein, damit es Frauen in unserem Betrieb leichter fällt, Karriere zu machen. Wie aus den verschiedenen Beiträgen hervorgeht, liegen die Hindernisse auf diesem Weg nicht nur im Inneren, sondern wesentlich auch im Äußeren. Während die inneren Widerstände im Verantwortungsbereich der jeweiligen Person


5 liegen, müssen wir alle an der Beseitigung der äußeren Hindernisse arbeiten. Dabei müssen die gesetzlichen Regelungen verbessert, aber vor allem die Widerstände in den Köpfen beseitigt werden. Dass solche Prozesse Zeit benötigen, ist klar, doch wir müssen sie in Gang setzen. Wir alle können täglich unseren kleinen Beitrag zur Veränderung leisten. Ganz nach dem Motto: Steter Tropfen höhlt den Stein.


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Karriere bei männern und frauen Wie können Schieflagen ausgeglichen werden?

Die Organisation der Arbeitsvorgänge ist von vielen Unterschieden gekennzeichnet. Einer der bedeutendsten ist sicherlich die Gender-Differenz, wobei der Ausdruck „Gender“, auf den ich mich beziehe, nicht auf die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau gründet, sondern auf die soziokulturellen Differenzen, die, aufgrund unterschiedlich sexuell gekennzeichneter Körper, progressiv im Laufe des Lebens aufgebaut werden und sich in den alltäglichen Interaktionen und Beziehungen widerspiegeln und somit in verschiedenen Bereichen zu Schieflagen führen. Obwohl die Zahl der Frauen in der Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten progressiv gestiegen ist, bleiben doch verschiedene Asymmetrien erhalten. Unter diesen würde ich insbesondere auf folgende hinweisen: Das Anhalten von Diskriminierungen (in den Auswahlverfahren, im Gehaltsniveau) und von horizontaler und vertikaler Segregation, aber auch das Auftreten neuer Ungleichheiten, die zum Beispiel mit der Verbreitung neuer atypischer Arbeitsformen und prekärer Bedingungen zusammen hängen, welche unter Frauen weiter verbreitet sind. Auch wo Maßnahmen ergriffen werden, um die Anwesenheit von Frauen Barbara Poggio Forscherin der Universität von Trient

auf dem Arbeitsmarkt durch Förderung der Vereinbarkeit von Arbeits- und Familienleben zu unterstützen, kann das Auftreten von Phänomenen ausgemacht werden, welche die Ungleichheiten reproduzieren, weil die Instrumente zur Vereinbarkeit (wie zum Beispiel Teilzeitbeschäftigung) als Alternative zur beruflichen Karriere gesehen werden. Die Gender-Asymmetrie auf dem Arbeitsmarkt hat erhebliche Kosten für die Gesellschaft. Erstens da sie das Gleichheitsprinzip zwischen Männern und Frauen verletzt, das als Basis moderner demokratischer Regime gilt. Zweitens vom Gesichtspunkt der Möglichkeiten aus gesehen, da die Vorteile eines Vergleichs und einer Zusammenarbeit zwischen Personen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Besonderheiten zum Teil verloren gehen. Gerade diese Zusammenarbeit sollte hingegen ein unabdingbares Ziel sein, und zwar insbesondere in Kontexten, in denen die Aufmerksamkeit auf die Diversifizierung der Bedürfnisse der Nutzer als organisatorisches Ziel gilt. Zuletzt muss das Argument des Nutzens angesprochen werden, da eine Schieflage den Verlust der Effizienz hervorruft, indem sie das Systems eines erheblichen Teils seiner Ressourcen beraubt. Um die Existenz der Gender-Asymmetrien und deren Anhalten zu erklären, wurden verschiedene Deutungsansätze verwendet, die ihre Aufmerksamkeit


7 auf verschiedene Aspekte gerichtet haben. Einige Ansätze haben die Existenz von funktionalen Unterschieden zwischen Männern und Frauen hervorgehoben und sind dabei von der Voraussetzung ausgegangen, dass sich der körperliche Unterschied in einem funktionalen Unterschied widerspiegelt und die Geschlechter somit für unterschiedliche Rollen und Aufgabenbereiche veranlagt sind. Andere Ansätze unterstreichen hingegen die soziokulturellen Barrieren, welche die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten der Frauen und deren Karriere beeinträchtigen. Es gibt des weiteren Interpretationen, die sich auf den Einfluss der primären Sozialisierung stützen, um die Herausbildung unterschiedlicher persönlicher Merkmale zwischen Männern und Frauen, wie das Durchsetzungsvermögen im Gegensatz zur Relationalität, zu erklären, wobei diese Merkmale dann im Arbeitskontext unterschiedlich bewertet werden. Neuere Beiträge konzentrieren sich mehr auf kulturelle Aspekte und betrachten die Gender-Unterschiede als kulturelles und relationales Konstrukt, also als ein Phänomen, das sich durch die sozialen Interaktionen innerhalb spezifischer organisatorischer Kontexte herausbildet (Symbole, Werte, Normen, Diskurse, Erzählung usw.), die von den Organisationsmitgliedern nicht nur zur Interpretation verwendet werden, sondern auch um die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu produzieren und zu reproduzieren. Der Fokus verlegt sich also auf die sozialen Interaktionen und die soziale Praxis, die innerhalb der OrErwerbstätige nach Wirtschaftsbereich und Geschlecht (Autonome Provinz Bozen, 2008)

Männer = 134.800

8,8% Landwirtschaft

34,1%

57,1%

Industrie

Dienstleistungen

Jahresdurchscnitt – Prozentuelle Verteilung

Frauen = 100.500

84,7%

5,6%

Dienstleistungen

Landwirtschaft

9,7% Industrie

Quelle: astat 2009


8 ganisation gelten. Das Gender wird nicht als etwas der Organisation externes betrachtet, sondern als etwas, das von der Organisation selbst durch die Modelle des Organisationsmanagements und über die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Organisation entsteht. Diese unterschiedlichen Arten, die Gender-Asymmetrien zu interpretieren, haben direkte Implikationen auf die Lösungen, die angewendet werden müssen, um ihnen entgegenzuwirken. Falls empfunden wird, das Problem hänge mit einer Unzulänglichkeit der Frauen im Vergleich zu dem männlichen Modell zusammen, die auf die unterschiedliche Gewichtung der familiären Aufgaben bei Frauen zurückzuführen ist, wird es notwendig sein, die Frauen auszurüsten und auf eine Art „Angleichung“ zu den Männern zu setzen, und zwar vor allem durch Initiativen im Bereich Weiterbildung, um die anscheinend mangelhaften Kompetenzen und Kenntnisse der Frauen zu stärken. Falls sich die Interpretation auf strukturelle Faktoren konzentriert, werden die Eingriffe darauf hinzielen, das zahlenmäßige Gleichgewicht auf der Entscheidungsebene wiederherzustellen (zum Beispiel durch Quoten) oder durch Unterstützung der Frauen in dem Management ihrer Lasten und Fürsorgeverantwortung, mit dem Ziel, nicht so sehr Öffentliche Bedienstete des Sanitätsbetriebes (a) nach Funktionsebene und Geschlecht (2008)

Absolute Werte Funktionsebene Männer Frauen Arbeitsverhältnis

3 4 5 6 7 8 9 und darüber (b)

266 458 202 140 571 63 709

660 916 766 1.212 443 642 343 478 3.430 3.959 50 111 499 1.127

Insgesamt

2.409

6.191 8.445

Prozentuelle Verteilung

Quelle: astat

3 4 5 6 7 8 9 und darüber (b)

28,7 37,4 31,3 29,0 14,3 55,8 58,7

71,3 98,9 62,6 99,0 68,7 99,5 71,0 99,0 85,7 99,0 44,2 98,2 41,3 93,3

Insgesamt

28,0 72,0 98,2

(a) Ausgenommen Angestellte mit privatrechtlichem Vertrag und Einsatzpersonal (b) Enthält auch die Bediensteten der Führungsebenen und die Ärzte


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Teilzeitbeschäftigte nach geschlecht (Autonome Provinz Bozen, 1998-2008) – In Prozenten der Erwerbstätigen

Männer Frauen 23,1

3,0

32,8 26,8

23,9

2,5

2,9

28,9

3,2

36,2

34,4

35,9

37,7

37,2

28,5

3,0

3,2

4,0

4,1

4,1

5,0

4,8

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Teilzeitbedienstete und Vollzeitarbeitseinheiten nach Geschlecht bei den Lokalverwaltungen (a) – (2008) Stand am 31.12. Teilzeitbedienstete (b) Vollzeitarbeitseinheiten (c)

Verwaltungen

Sanitätsbetrieb

Männer Frauen Insgesamt

73

2.840

2.913

Männer Frauen Insgesamt

2.384 5.123

7.507

eine formale Gleichheit, sondern eher Bedingungen zur Chancengleichheit zu schaffen. Falls die dominante Interpretation die primäre Sozialisierung ist, werden die Lösungen auf eine Aufwertung der Differenzen oder besser der Diversity zielen, und zwar dank eines gezielten Diversity Managements, welches ermöglicht, die verschiedenen Besonderheiten zu nutzen (es besteht aber manchmal die Gefahr, alte Ungleichheiten zu festigen oder neue zu schaffen). Die letzte Option ist die komplizierteste, wenn auch wirksamste, und besteht darin, über die kulturelle Komponente also über die Gender-Praktiken vorzugehen, das heißt auf die Art und Weise wie Gender ständig von Männern und Frauen, im Arbeitsalltag, in den informellen Regeln und in den organisierten Interaktionen reproduziert wird. Unter den Aktionen, die sich am wirkungsvollsten erweisen können, sollten folgende besonders hervorgehoben werden: • Die Schaffung von Ausbildungswegen, die nicht so sehr auf einen Ausbau der Kompetenzen der Frauen zielen, sondern vor allem das Erkennen der dominanten kulturellen Modelle und ihre Neudefinition durch die verschiedenen Handelnden der Organisation fördern; • Die Einführung gezielter Maßnahmen zur Neudefinition der Zeitmanagement-Modelle, die das Anrecht auf andere vitale Bereiche sowohl für

Quelle: astat 2009


10 Frauen als auch für Männer anerkennen, und auf diese Weise eine bessere Vereinbarkeit zwischen Privatleben und Berufsleben (zeitliche Flexibilität, time-saving Dienste, Pflegeurlaub) fördern; • Die Ausarbeitung organisatorischer Eingriffe, die auf eine Veränderung der zu Diskriminierungen innerhalb der Arbeitskontexte führenden Praktiken ausgerichtet sind (eine Überarbeitung der Auswahlverfahren, wobei leistungsorientierte Kriterien im Vergleich zur Zugehörigkeit zu Netzwerken Vorrang haben sollten, genauso sollten Modelle eingeführt werden, die nicht mehr die Bereitschaft viele Arbeitsstunden zu leisten, sondern die Erreichung von gesetzten Zielen belohnen); • Die Schaffung von Instrumenten und Maßnahmen zur Vereinbarkeit, die nicht vorrangig auf Frauen ausgerichtet sind, um das Risiko einer Reproduktion der gleichen asymmetrischen Erwartungen bezüglich der Rollenmodelle zu vermeiden, sondern gerade und vor allem auf Männer zugeschnitten sind, um die dominanten Modelle in Frage zu stellen und ihnen entgegenzuwirken; • Die Entwicklung von Vorkehrungen zur Bewertung geschlechtsspezifischer Auswirkungen der organisatorischen und politischen Entscheidungen, wie z.B. Gender Budgeting und Gender Auditing, die es erlauben, die geschlechtsspezifischen Auswirkungen des Führungsverhaltens in wirtschaftlicher und organisatorischer Hinsicht zu messen, sowie eine Analyse der Kosten der Nicht-Gleichstellung, die dazu dient, die effektiven Kosten einer für GenderUnterschiede wenig empfänglichen Managementpolitik hervorzuheben; • Die Förderung von Sensibilisierungsmaßnahmen, die darauf hinzielen, die traditionelle Rollenverteilung sowohl auf organisatorischer, als auch auf sozialer Ebene aus den Angeln zu heben, wie z.B. Werbekampagnen zur Wahrnehmung des Erziehungsurlaubes seitens der Väter, um eine Neudefinition der Genderrollen und –erwartungen sowohl in den Familien als auch in den Organisationen anzukurbeln. Angesichts der starken Verwurzelung der genderbedingten kulturellen Muster in der organisatorischen Vorgehensweise, handelt es sich hierbei sicherlich um ehrgeizige, nicht leicht durchzuführende Maßnahmen, die oft auf starken Widerstand stoßen, die aber sicherlich den besten Weg zur Verwirklichung effektiver und dauerhafter Veränderungen der genderorientierten Praktiken in den Organisationen darstellen. Bibliographische Referenzen Gherardi S., Poggio B. – Donna per fortuna, uomo per destino, Etas, Milano, 2003 Poggio B., Murgia A., De Bon M. – Interventi organizzativi e politiche di genere, Carocci, Roma, 2010 Anmerkung Weitere Materialien stehen auf der Seite www.unitn.it/gelso zur Verfügung


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„Das größte Hindernis sitzt weiterhin im Kopf. Denn dort ist Führung ganz einfach männlich besetzt.“ Britta Venturino, Amtsdirektorin des Rechtsamtes im Gesundheitsbezirk Meran


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Die Gläserne Decke Frauen und Führung: Wunsch und Wirklichkeit

Die gute Nachricht: Frauen haben in den letzten Jahren enorm aufgeholt. Die größten Gleichstellungserfolge wurden im Bereich der Bildung erzielt. Aber, und das sind die nicht so guten Nachrichten: Mädchen und junge Frauen konzentrieren sich nach wie vor auf wenige, sehr traditionell-weibliche berufliche Bereiche – sowohl in der Lehre als auch beim Studium. Und trotz der Tatsache, dass Mädchen bessere Schul- und Studienerfolge aufweisen und Frauen die Mehrheit der Studierenden stellen, sind sie in Spitzenpositionen noch äußerst rar – und zwar in allen Bereichen: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft. Es gibt sie also, die gut und bestens ausgebildeten Frauen, aber in den Führungsetagen kommen sie nur in homöopathischer Dosis an.

Trotz vieler Gleichstellungserfolge – gerade auch auf gesetzlicher Ebene – sind immer noch sehr viele stereotype Annahmen über geschlechtsElisabeth Stögerer-Schwarz Fachbereich Frauen und Gleichstellung Land Tirol

konformes Verhalten in unseren Hirnen: • Sie zementieren weiterhin eine traditionelle Arbeitsteilung, in der die Frau für die Familie zu sorgen hat, also für die Betreuung von Kindern, die Pflege von kranken und alten Angehörigen zuständig ist. Das Vereinbarkeitsproblem wird fast ausschließlich den Frauen angelastet und nicht auf beide Elternteile verteilt. • Während Frauen „nur dazuverdienen“, wird Männern immer noch die alleinige Ernährerrolle zugemutet. Burschen planen ihre Berufslaufbahn viel längerfristiger, weil sie davon ausgehen, ihr ganzes Leben erwerbstätig zu sein. Mädchen denken ihre Familienphasen jedenfalls schon mit, rechnen also damit, dass sie für ihre Familie / Kinder zurückstecken werden. • Rollenmuster werden angelernt, in der Erziehung verstärkt: Buben werden schon in der Erziehung und der Schule zu Risikobereitschaft und Ehrgeiz animiert, während bei Mädchen Fleiß und Zurückhaltung belohnt werden. Diese Muster setzen sich im Erwachsenenleben fort. • Auch werden den Geschlechtern bestimmte persönliche Eigenschaften unterstellt; so wird Männlichkeit mit starken Führungsqualitäten in Verbindung gebracht, während Frauen vor allem mit fürsorgenden Fähigkeiten assoziiert werden – „soft skills“ also.


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Schlussfolgerungen Ändern müssen sich die Bilder im Kopf, muss sich der Umgang miteinander. Dazu müssen fest verankerte Stereotype aufgebrochen werden. Die geschlechtsspezifischen Stereotypisierungen werden als einer der Schlüsselfaktoren betrachtet, der Frauen den Weg versperrt. Unternehmen verschwenden Humanressourcen, wenn sie Personen auf Grund ihres Geschlechts beurteilen und nicht auf Grund ihrer Leistungen. Auch die Europäische Kommission macht strategische Vorgaben, um mehr Frauen in Entscheidungsgremien zu bekommen. Die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern stellt eine Missachtung grundlegender Menschenrechte dar. Weiterhin hat die Ungleichbehandlung zur Folge, dass die Wirtschaft ihr Potenzial nicht ausschöpfen kann und wertvolle Begabungen ungenutzt bleiben. Die Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern kommt sowohl der Volkswirtschaft als auch den Unternehmen zugute. Frauen sind wichtige „Stakeholder“, das heißt Interessensgruppen eines Unternehmens als Kundinnen, als Mitarbeiterinnen und als Lieferantinnen. Dementsprechend müssen sie an den Entscheidungen, also an der Unternehmensführung beteiligt werden. Denn in den Führungsetagen werden wesentliche strategische, wirtschaftliche und personelle Entscheidungen getroffen, die für die Zukunft des Unternehmens zentral sind. Diversität in den Gremien, d.h. vor allem auch die sichtbare Präsenz einer kritischen Masse von Frauen, ist ein wichtiger Faktor für den Erfolg.

Handlungsfelder für Veränderungen Instrumente zur Erhöhung des Frauenanteils: 1. Quoten (bessonders in der Politik): gesetzlich festgelegt oder als Selbstverpflichtung; Quoten sind für eine rasche Veränderung sehr hilfreich. Quoten sind unelegant, aber wirksam, als alleiniges Instrument aber auch noch kein Erfolgsgarant. Es braucht Begleitmaßnahmen. Und es braucht auch eine gleichstellungspolitische Tradition und deren Verankerung in der jeweiligen Gesellschaft. 2. „Corporate-Governance-Codices“ sind freiwillige Selbstregulierungsmaßnahmen für Unternehmen und sind für die börsennotierten Unternehmen des jeweiligen Landes bindend. Sofern einzelne Punkte des Codes (z.B. Frauenanteil) nicht eingehalten werden können, muss das begründet werden.


14 3. Gesetzliche Regelungen: • Gleichbehandlungsgesetze • im Gesellschaftsrecht: Norwegen hat eine Frauenquote für Verwaltungsräte im Gesellschaftsrecht fest geschrieben und auch konsequent umgesetzt.

Weitere Maßnahmen: • Mentoring-Programme; • Frauen den gleichen Zugang zur betrieblichen Weiterbildung ermöglichen; • Keine Karrierenachteile für Frauen und Männer mit Betreuungspflichten / Führung in Teilzeit ermöglichen; • Karriereorientierung von Frauen unterstützen und gleiche Aufstiegschancen fördern: Laufbahnplanung, Vorbilder / Role models, Coaching; • Transparente Auswahlverfahren für Führungspositionen und geschlechtsneutrale Ausschreibungen; • Leistung / Kompetenzen von Frauen sichtbar machen, beispielsweise durch Ehrungen, Medienarbeit, Lobbyarbeit; • Datenbanken; • Bei Bestellungen und Entsendungen in Gremien auf eine ausgewogene Beteiligung von Frauen und Männern achten; • Frauenförderpläne; • „Empowerment“ von Frauen.


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„Heute ist es für Frauen sicherlich schwieriger geworden, an eine Führungsstelle zu kommen, als vor zehn oder zwanzig Jahren.“ Agnes Mayr, Primarin Krankenhaus Bruneck


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Frauen in FührungsPositionen Exotinnen oder schon Normalität?

Auf den ersten Blick ist der Südtiroler Sanitätsbetrieb ein stark von Frauen dominierter Betrieb. Im Verwaltungs- und Pflegebereich und selbst bei den ärztlichen Diensten ist die Dominanz der Frauen unübersehbar. Insgesamt sind knapp drei Viertel der Beschäftigten weiblich. Es braucht einen zweiten Blick bzw. den Blick auf die Zahlen, um zu sehen, wie sich Leitungsfunktionen, Führungs- und Entscheidungspositionen nach Geschlechtern „ungleich“ verteilen: Über 60% aller Führungspositionen im Betrieb sind von Männern besetzt, knapp 40% von Frauen. Die Schieflage zwischen den Geschlechtern wird umso größer, je höher die berufliche Position und Hierarchie (siehe nachfolgende Grafik) .

Frauen in Führungspositionen im Sanitätsbetrieb (Betriebsdaten, 2009)

Sanitäre/r Leiter/in komplexe Strukturen 12 Sanitäre/r Leiter/in einfache Strukturen

männlich weiblich

114

35

115 172

Koordinator/in

62

Abteilungsdirektor/in 10 9

Frauen in Führungspositionen im Sanitätsbetreib Komplexe Strukturen im ärztlichen Bereich werden zu knapp 10% von Frauen geleitet. Hier bildet sich die Hierarchie der Berufsgruppen und die historisch gewachsene Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern in den Berufen ab


17 (ärztliches Personal = männlich und Pflegepersonal = weiblich). Diese ist jedoch seit den 80er Jahren gravierend im Wandel. Mittlerweile beträgt beispielsweise der Frauenanteil an den AbsolventInnen der medizinischen Studienrichtungen zwischen 50 und 70%. In den Top-Leitungsstrukturen des Sanitätsbetriebes und in der Verwaltung ist die Luft für Frauen äußerst dünn oder anders formuliert: Frauen sind noch Exotinnen. Anlass genug, kritisch nach den Gründen und Ursachen für diesen statistischen Befund zu fragen. Warum ist es nicht „Normalität“, dass Frauen im Betrieb entsprechend ihrem Anteil und ihrer Qualifikation auch in den Entscheidungspositionen repräsentiert sind? Zahlreich und vielfältig sind oftmals die Erklärungsansätze und Begründungen für dieses Faktum. Hartnäckig halten sich Vorurteile, um ein „Ungleichgewicht“ und diesen diskriminierenden Tatbestand als „normal“ oder „natürlich“ zu rechtfertigen.

Ursachen für Gender Disparität auf der Führungsebene: Vorurteile oder wahr? 1. „Frauen sind nicht an Führungsaufgaben interessiert oder verfügen in geringerem Umfang über die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen als Männer“ – so lautet einer der beliebtesten legitimierenden Erklärungsansätze. 2. Die Schieflage ist eine historisch gewachsene und wird sich quasi „automatisch“ verändern, in dem Umfang, wie Frauen sich im ärztlichen Bereich etablieren. 3. Die Familiengründung und die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirken als „knock-out“-Kriterien für das Anstreben von Leitungsfunktionen in der weiblichen Berufskarriere. 4. „Führung ist männlich konnotiert“ – Führungsfunktionen sind quasi selbstverständlich mit dem Geschlecht „männlich“ verknüpft und es existieren „Zugangsbarrieren“ (formelle oder informelle) bei den Ausschreibungen, Wettbewerben oder bei Ernennungen, um den „natürlichen“ Zustand aufrecht zu erhalten. Diese Vorurteile und Vermutungen wurden im Rahmen einer Studie zum Thema „Frauenkarriere im Sanitätsbetrieb“ untersucht und überprüft. An die 250 weibliche Führungskräfte aus dem Sanitätsbereich wurden mittels Fragebögen und in persönlichen Interviews zu diesen Gründen befragt, die Motivation zur eigenen Führungskarriere, die Erfahrungen in der Bewältigung von Führungsaufgaben als Frau im Betrieb erhoben und Barrieren identifiziert.

Maria Moser-Simmill Unternehmensberaterin und Genderexpertin, Linz (A)


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Im Rahmen der Tagung wurden erste Ergebnisse zur Diskussion gestellt Frauen wollen mitgestalten und fühlen sich verantwortlich Was motivierte die befragten Frauen, eine Führungsposition zu übernehmen? Die meist genannten Motive waren der Wunsch nach mehr (Mit-)Gestaltungsmöglichkeiten und Einfluss sowie die Freude an der Führung von MitarbeiterInnen und Teams, gefolgt von der Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen. Eine geringe Rolle spielten dabei Gehaltsüberlegungen sowie die Karriereabsicht bzw. die damit verbundene Verbesserung des gesellschaftlichen Status („Wunsch nach Karriere“) durch die Führungsposition. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass letztgenannte Gründe bei männlichen Führungskräften eine wesentlich höhere Rolle spielen, sich für eine Führungsposition zu bewerben. Frauen “empowern“ sich selbst Entgegen herrschender Vorurteile haben sich die befragten weiblichen Führungskräfte auf ihre Führungsaufgabe sowohl persönlich als auch fachlich vorbereitet, haben ausreichend praktische Erfahrungen gesammelt und erhielten im Vorfeld Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen. Die erforderliche Qualifikation für die Führungsaufgabe erhielten die Frauen vor allem durch die Teilnahme an Managementkursen und die Möglichkeit, im Vorfeld ausreichend Erfahrungen durch eigenverantwortliches und selbständiges Arbeiten zu sammeln und somit die notwendige Selbstsicherheit und Fachkompetenz aufzubauen. In wesentlich geringerem Umfang als dies bei männlichen Führungskräften der Fall ist, erfuhren die Frauen die gezielte Förderung durch Vorgesetzte oder männlich-dominierte Netzwerke. In der Bewältigung der Führungsaufgaben und -anforderungen setzen die befragten Frauen stark auf Weiterbildung und Qualifizierung sowie auf den (informellen) Austausch mit anderen Führungskräften und KollegInnen. Einige der weiblichen Führungskräfte beklagen die mangelnde Einarbeitungszeit und mangelnde Anerkennung bzw. Vorurteile durch männliche Führungskräfte und Kollegen. „Sich als Frau in Führungspositionen doppelt bewähren zu müssen“, gehört also auch im Sanitätsbetrieb noch nicht der Vergangenheit an. Wie die Managementaufgaben noch besser und effizienter gestaltet werden können, dazu wurden von weiblichen Führungskräften zahlreiche Ansatzpunkte und Vorschläge formuliert. Einige davon sind hier beispielhaft angeführt: • „Mehr Unterstützung durch das Management, etwa durch eine bessere Informationspolitik über die strategische Ausrichtung, die Einbindung in die


19 Zielvereinbarungen sowie Unterstützung bei Zielerreichung und Qualitätsverbesserung“, würde die Führungsarbeit erleichtern. „Klar definierte Aufgaben und Ziele, eine bessere Zusammenarbeit mit den (internen) Schnittstellen, wie beispielsweise der ärztlichen Leitung, mehr Flexibilität in der Ressourceneinsatzplanung“ waren weitere Elemente, die den weiblichen Führungskräfte ihre Aufgaben erleichtern würden. • All diese Anregungen sind auf den ersten Blick nicht genderspezifisch, sondern weisen auf Optimierungspotenziale in den organisatorischen Abläufen hin. Eine Beobachtung, die sich in vielen Untersuchungen zum weiblichen Führungsverhalten zeigt und sich in den Befragungen weiblicher Führungskräfte im Sanitätsbetrieb wiederfindet: „Frauen reagieren sensibler und mit konkreten Verbesserungsvorschlägen auf Mängel im System“. Frauen interpretieren ihre Managementaufgaben und Führungsrolle in der Tendenz (ohne dies zu verallgemeinern!) sachlicher, sinn- und effizienzorientierter und weniger Status orientiert als Männer. Frauen setzen zur Unterstützung ihrer Managementaufgaben in einem stärkeren Umfang als Männer auf Supportinstrumente wie Persönliches Coaching, Supervision, Austausch mit KollegInnen und Qualitätszirkeln.

Eine „gute Führungskraft“ hat „leadership“Qualitäten Die Frage nach den wesentlichsten „Eigenschaften“, die eine „gute Führungskraft“ im Sanitätsbetrieb ausmacht, wird vor dem Hintergrund der jeweils persönlichen Führungspraxis, aber auch aus der Erfahrung als Mitarbeiterin sehr einheitlich beantwortet und umfasst klassische „leadership-Merkmale“, wie „Soziale und kommunikative Kompetenzen“, „MitarbeiterInnen fördern, motivieren, unterstützen können/wollen“, „Durchsetzungsvermögen und Zielorientierung (und Visionen haben)“, „Konfliktfähigkeit und Entscheidungsfreudigkeit“, sowie „Vorbild-Sein und Authentizität“. Viele der befragten Frauen sind länger als zehn Jahre in ihren Führungsfunktionen tätig. Manche drangen in Bereiche vor, die bis dahin klassische Männerdomänen waren. „Exotinnen“ waren die Frauen vor allem in den ärztlichen Bereichen, in der Leitung der komplexen Strukturen sowie im Verwaltungsmanagement. „Normaler“ schien die Führungsrolle in traditionellen Frauenbereichen wie in der Pflege. Die Funktion der Pflege-KoordinatorIn wird als „extrem anspruchsvoll und herausfordernd“ bezeichnet und ist monetär geringer dotiert als andere Leitungsfunktionen. Die Wahrnehmung der eigenen „Exotinnen-Rolle“ kann durchaus als widersprüchlich beschrieben werden. Vordergründig erleben die befragten Frauen es


20 als indifferent, ob sie die Führungsrolle als Mann oder als Frau wahrnehmen. Gleichzeitig waren sie vielfach mit einem Führungsverständnis und einer Führungskultur konfrontiert, die paternalistische Züge trägt/trug und Frauen das Ausüben einer Führungsrolle quasi „als Geschlecht“ abspricht (die wenigen Frauen wurden als „Ausnahmen“ von der Regel akzeptiert). Dass dieses Führungsverständnis und diese kulturelle Praxis vor dem Hintergrund der Professionalisierung der Organisation und den Anforderungen an ein modernes Gesundheitsbetriebsmanagement immer weniger effizient ist, ist eine andere Geschichte. Aufgrund der demografischen Entwicklung und des starken Zugangs von Frauen im ärztlichen Bereich scheint es zukünftig realistischer, dass Frauen auch stärker in die Führungsebene vordringen, jedoch sei vor einem „Automatismus“ gewarnt. Die Frage wird sein, inwieweit es der Organisation als Ganzes gelingt, dieses Potenzial der Frauen zukünftig gezielt für Führungsaufgaben aufzubauen und zu nutzen und kulturell bedingte und historisch gewachsene Ausschlussmechnismen abzubauen. Sollte dieses Potenzial zukünftig nicht genutzt werden können, wird es zu einem Engpass an qualifizierten Führungspersönlichkeiten kommen. „Wo liegen die Gründe, was sind die wesentlichsten Barrieren für den geringen Frauenanteil innerhalb der Führungsriege des Sanitätsbetriebs und welche Maßnahmen könnten aus Sicht der weiblichen Führungskräfte zielführend sein, den Frauenanteil an den Führungspositionen zu heben?“ In den Interviews und Fragebogenerhebungen haben wir die Frauen nach weiteren Ursachen und vor allem nach Barrieren befragt. Die Grafik am Ende des Textes bildet die Antworten sehr anschaulich ab: Ein Großteil der Befragten ist sehr wohl der Meinung, dass Frauen die Voraussetzungen für Führungspositionen jedenfalls erfüllen. Auch wird der Mangel an Selbstbewusstsein oder die geringere Anerkennung durch Kollegen nur von deutlich weniger als der Hälfte der Befragten als Ursache gesehen. Jedoch glaubt ca. die Hälfte, dass Männer in Bewerbungsverfahren eher bevorzugt werden. Der gleiche Prozentsatz ist der Meinung, dass Frauen an Leitungsfunktionen weniger interessiert wären als Männer. Ein sehr hoher Prozentsatz (ca. 70-75% der befragten Frauen) stimmt der Aussage zu, dass Frauen weniger motiviert und unterstützt werden, sich für Führungsaufgaben zu bewerben bzw. Männer mehr Möglichkeiten haben, sich für Führungspositionen zu qualifizieren. Zwar wird mehrheitlich nicht am Selbstbewusstsein der Frauen generell gezweifelt. Dass ein Großteil der Befragten jedoch glaubt, „Frauen trauen sich Führungsaufgaben weniger zu als Männer“ wird in den Interviews mit einer „größeren Neigung der Frauen zu Perfektionismus“ begründet sowie mit einer „geringeren Konfliktfreudigkeit“ und einem geringeren Interesse an „männlichen Konkurrenzspielen“.


21 Mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf als zentraler Hemmschuh für Frauenkarrieren im Betrieb Der zentrale Hemmschuh für eine Führungskarriere wird jedoch in der Verantwortung für die Familienaufgaben gesehen: 90% der Befragten sehen dies als wesentlichen Grund bzw. Barriere und Einschränkung für Frauen, sich um Führungsfunktionen zu bemühen. Zwar sind die Gründe für die Geschlechterschieflage auf der Führungsebene komplexer Natur und beinhalten ein Bündel an Faktoren, die sich in der Wechselwirkung negativ beeinflussen. Doch die wesentlichsten scheinen strukturelle Barrieren zu sein – wie die „mangelnde Vereinbarkeit von Familie und beruflicher Karriere“ sowie die Zuschreibung von „Führen“ als eher männlich-konnotiert und normaler Teil des männlichen Rollenverständnisses. Einerseits fehlen positive Rollenbilder für Frauen, institutionelle Voraussetzungen und Rahmenbedingungen (wie die Machbarkeit von Work-Life-Balance im Spannungsfeld der Geschlechterarbeitsteilung), andererseits haben Frauen auch andere Prioritätensetzungen im Leben (weibliche Lebensentwürfe legen den Fokus mehr auf Lebensqualität und Balance, denn auf „Macht und Karriere“). An sich und die eigenen Fähigkeiten glauben So vielfältig die Hürden, so zahlreich sind jedoch auch die Empfehlungen und guten Tipps der befragten Führungsfrauen für junge, qualifizierte Kolleginnen auf dem Weg in Führungspositionen: Diese reichen von der Aufforderung zur „ständigen Weiterbildung, Absolvierung von Managementkursen“, den Aufbau von „Netzwerken und karrierefördernden Kontakten“, „sich mehr zutrauen und die eigenen Leistungen auch sichtbar zu machen“, eine klare Zielorientierung und die „bewährten-antrainierten weiblichen Verhaltensweisen über Bord zu werfen“, „Mut zu zeigen und sich auf neue Herausforderungen auch einzulassen“, auch „Scheitern zu dürfen“, es „nicht allen Recht machen zu müssen und manchmal auch auf Konfrontation zu setzen“. Neben einem individuellen Empowerment, der gegenseitigen Unterstützung und dem Glauben an die eigenen Fähigkeiten werden eine Reihe von institutionellen Maßnahmen erforderlich sein. Ansatzpunkte für ein Programm zur Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen Soll zukünftig das Potenzial qualifizierter Frauen im Betrieb verstärkt für Führungsaufgaben genutzt werden, ist wohl ein Bündel von Maßnahmen zielführend: Einerseits muss in noch viel stärkerem Ausmaß die Vereinbarkeit von Familie und beruflichem Engagement für Frauen und Männer gefördert werden; dies


22 beinhaltet nicht nur institutionelle Angebote, sondern auch eine Kulturveränderung bezüglich der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern (wie Förderung der Väterkarenz, Beispiele für Teilzeit-Führungsjobs oder Job-sharing für Führungskräfte, u.a.m). Andererseits sind Strategien für die gezielte Förderung von (weiblichen) Nachwuchsführungskräften zu entwickeln und entsprechende Programme zu implementieren (wie die Potenzialförderung durch Vorgesetzte, Programme wie Mentoring, Coaching, Managementtrainings und Empowerment zur Stärkung des Vertrauens in die eigenen Fähigkeiten). Diese Maßnahmen und Programme brauchen auch eine Organisation, die diesen Weg aktiv mitträgt und mitlernt, einen Kulturwandel im Rollenverständnis vollzieht, Führungskompetenzen vom Geschlecht löst und die Leistungen der Frauen in der Organisation entsprechend anerkennt.


23 Gründe für geringen Frauenanteil in Führungspositionen Pflegebereich

Geringeres Interesse der Frauen

5

14

stimmt sehr

20

Fehlende Voraussetzungen 0 2

stimmt eher

32

stimmt gar nicht Kaum Unterstützung für Bewerbung

8

21

10

Weniger Anerkennung als FK Weniger Möglichkeiten sich zu qualifizieren

9

20

13

20

Einschränkung durch Familie Männer bei Bewerbungsverfahren bevorzugt

10

6

24 3

15

Frauen trauen sich Führungsaufgaben nicht zu Weniger Selbstbewusstsein der Frauen

13 18

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17

5

2

11

12

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Quelle: Befragung weiblicher Führungskräfte im Pflegebereich

Gründe für geringen Frauenanteil in Führungspositionen Ärztlicher Bereich

Geringeres Interesse der Frauen

3

9

Fehlende Voraussetzungen 0 1

stimmt gar nicht

8

Weniger Anerkennung als FK

5

6

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Weniger Möglichkeiten sich zu qualifizieren

6

Einschränkung durch Familie

6

Männer bei Bewerbungsverfahren bevorzugt

6

Weniger Selbstbewusstsein 0 der Frauen

stimmt eher

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Kaum Unterstützung für Bewerbung

Frauen trauen sich Führungsaufgaben nicht zu

stimmt sehr

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2

7

4

3

9 7

3 9

Quelle: Befragung weiblicher Führungskräfte im ärztlichen Bereich


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Von Eisbrecherinnen und gewohnheitsmenschen

Wie exotisch sind Chefinnen im Südtiroler Sanitätsbetrieb, wie erleben sie ihre Rolle und was steht ihnen im Weg? Zwei Führungskräfte, zwei Expertinnen und die Vize-Präsidentin des Komitees für Chancengleichheit diskutierten auf der Herbsttagung 2010 des Komitees für Chancengleichheit mit dem Publikum über das herausfordernde Thema „Frauen und Führung“. Sind Frauen in Führungspositionen im Südtiroler Sanitätsbetrieb Exotinnen oder bereits Normalität? Die zentrale Frage der Herbsttagung 2010 wurde in der Podiumsdiskussion schnell und anschaulich beantwortet – dank eines geistigen Streifzuges, den Agnes Mayr, Primarin im Brunecker Labor für klinische Pathologie, durch die Chefetagen des Betriebes machte. Von der Zentrale in der Bozner Sparkassenstraße bis zu den ärztlichen und verwaltungstechnischen Leitungspositionen in den einzelnen Gesundheitsbezirken, von den Primariaten bis hin zu den Pflegedirektionen: Die Kolleginnen in Top-Positionen der Frauenhochburg Sanitätsbetrieb ließen sich problemlos an zwei Händen abzählen. Das heißt nicht, dass Frauen im Sanitätsbetrieb nicht führen, wie die stets wachsende Zahl an Amtsdirektorinnen oder die große Zahl von PflegekoordiSusanne Pitro Journalistin

natorinnen zeigt. Je weiter hinauf es in der betriebsinternen Hierarchie jedoch geht und je mehr Anerkennung eine Führungsaufgabe bringt, desto männlicher wird die Personalstatistik. Und wie Primarin Mayr betonte: Wohl nicht zufällig finden sich die wenigen weiblichen Top-Führungskräfte weit häufiger in Randgebieten wie der Rechtsmedizin oder dem Dienst für Abhängigkeiten als in effektiven Abteilungen wie einer Chirurgie oder Inneren Medizin.

Hindernisse und Steighilfen Wieso kann sich eine solche Ordnung auch im Jahr 2010 noch halten? Welche Hindernisse bremsen die vielen qualifizierten und motivierten Frauen im Betrieb auf dem Weg zu höchster Führungsverantwortung? Fragen, über die Britta Venturino, Amtsdirekorin des Rechtsamtes im Gesundheitsbezirk Meran, lange nachgedacht hat. Ihre Schlussfolgerung: „Ich glaube, das größte Hindernis sitzt weiterhin im Kopf. Denn dort ist Führung ganz einfach männlich besetzt.“


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llein a u a r F e „Ein ltur u K e i d t h kann nic ern. Das ist veränd ammiertes vorprogr itern.“ Sche warz, gerer-Sch Frauen tö S th e b a Elis iches s Fachbere der Tiroler e d n ri e it Le hstellung und Gleic sverwaltung n a L de

Eine Einschätzung, die am Podium breiten Zuspruch fand. Das Erbe des Patriarchats ist gerade in einem Macho-Land wie Italien schwer loszuwerden und beeinflusst auch die Spielregeln im Sanitätsbetrieb, meinte Flavia Basili, Vize-Präsidentin des Komitees für Chancengleichheit und selbst Amtsdirektorin. „Man hat zwar nichts gegen Frauen, als Maßstab gilt aber immer noch

der Mann.“ So würden nach wie vor jene Ar-

beitskräfte befördert, die möglichst viele Arbeitsstunden leisten, so würden Männer bevorzugt, weil sie „eine Familie ernähren müssen“. Neben alten Rollenbildern kommt Männern auf dem Weg nach oben aber auch eine alte Tradition zugute: die Kunst des Netzwerkens . Ob bei der gemeinsamen Elchjagd oder im Felsenkeller – dank der lange geübten Kunst der informellen Kontaktpflege hätten Männer ihre Kandidaten für Führungsjobs oft schon in Pole-Position, wenn Frauen erst davon erfahren, sagte Elisabeth StögererSchwarz, Leiterin des Fachbereiches Frauen und Gleichstellung der Tiroler Landesverwaltung. Ihr Rat an Frauen mit Karriereambitionen? Mehr Zeit für „zeremonielle Geschichten“. Angesichts der aktuellen Machtverhältnisse in Führungsgremien dürften sich diese aber nicht auf Treffen von Frauennetzwerken beschränken. „Wenn Sie weiterkommen wollen, brauchen Sie starke Verbündete und dazu müssen eben auch starke Männer zählen.“ Kann frau also nur an die Macht kommen, wenn sie die Spielregeln von Männern kopiert? Nein, meinte Unternehmensberaterin Maria Moser-Simmill . Sie riet den anwesenden Frauen vielmehr, informelle Machtmechanismen aufzudecken und konkrete Instrumente einzufordern, um sie zu überwinden – ob Quoten, einheitliche Standards für eine moderne Führungskultur oder Instrumente für transparente Bewerbungsverfahren. „Sprechen Sie an, wie der Hase läuft und bestimmen Sie, wo er hinlaufen soll“, so ihr Appell. Gute Steighilfen sind schon allein deshalb notwendig, weil der Wettbewerb um Top-Positionen immer härter wird. „Heute ist es für Frauen sicherlich schwieriger geworden, an eine Führungsstelle zu kommen als zu meiner Zeit “, meinte Primarin Agnes Mayr, die seit zwei Jahrzehnten in führender Stellung arbeitet. Der Schritt dorthin habe in Zeiten, als Ärztinnen von ihrer Kammer in Briefen noch als „Lieber Kollege“ angesprochen wurden, zwar mehr Mut erfordert. Doch die Konkurrenz bei Wettbewerben sei damals wesentlich kleiner gewesen als heute, wo sich Frauen gegen eine Vielzahl männlicher Bewerber durchsetzen müssten – und dabei häufig scheiterten.


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Gefragt: Dicke Haut Jene Frauen, die den schwierigen Weg an die Spitze tatsächlich bewältigt haben, stellen allerdings durchwegs ihren Mann, meinte Agnes Mayr in bewusster Anspielung auf das männlich besetzte Bild von Führungskräften. „Ich habe den Eindruck, wenn eine Frau eine Stelle erreicht hat und sie gut macht, wird sie nicht mehr als Exotin betrachtet, sondern sehr wohl von KollegInnen und MitarbeiterInnen anerkannt und geschätzt.“ Klarerweise müssen solche Führungsfrauen sich vor allem in den ersten Jahren eine dicke Haut zulegen, waren sich die Frauen am Podium einig. Dies gilt umso mehr für weibliche Führungskräfte, die als erste in eine Männerbastion vorstoßen. „Solche Eisbrecherinnen haben Unglaubliches zu leisten“, sagte Elisabeth Stögerer-Schwarz. Denn sie stünden unter einer enormen öffentlichen Beobachtung und würden zu Symbolträgerinnen für ihr Geschlecht. Vor allem aber hätten sie allein unter Männern, keine Chance, Veränderungen durchzusetzen. „Eine Frau allein kann nicht die Kultur verändern“, behauptete Stögerer-Schwarz, „das ist das vorprogrammierte Scheitern.“ Erst ab einer kritischen Masse von rund einem Drittel können laut der langjährigen Gleichstellungsexpertin andere Eigenschaften aktiv werden und wirken – und zwar sowohl bei Frauen als auch bei Männern.

Eine Frage des Stils Doch führen Chefinnen tatsächlich anders als Chefs? Was kennzeichnet einen weiblichen Führungsstil – und wird er von den MitarbeiterInnen überhaupt akzeptiert? Zu diesem Thema entspann sich eine lebhafte Diskussion zwischen Podium und Publikum. Sie habe an dieser Problematik „20 Jahre lang gearbeitet, gelitten und gelernt“, bekannte beispielsweise eine Primarin im Publikum und erntete dafür spontanen Beifall des fast ausschließlich weiblichen Publikums. Ihre Kollegin Agnes Mayr hat wiederum erlebt, dass viele typische Führungseigenschaften wie Entschlossenheit und Durchsetzungskraft automatisch Männern zugeordnet werden. Besitzt sie ein Mann, gilt er als guter Chef. Hat sie eine Frau, komme sie sehr schnell in den Ruf „autoritär oder ein halber Mann zu sein“, so Mayr. In Organisationen, in denen ein modernes Führungsverständnis etabliert wurde, sind solche Kategorisierungen in typisch männliche und typische weibliche Führungseigenschaften jedoch immer unwichtiger, meinte die Unternehmensberaterin Maria Moser-Simmill. Denn: „Gute Führungskräfte müssen heute beide besitzen“. Irgendwann ist es also vielleicht tatsächlich egal, ob ein Führungs-Job von einer Frau oder einem Mann gemacht wird. Heute scheint es immer noch Mit-


27 arbeiter zu geben, für die es ein Problem darstellt, überhaupt eine Chefin zu haben. In diese Richtung ging zumindest eine Meldung aus dem Publikum, in der eine frisch ernannte Führungsfrau fragte, „ob es auch Coachings gibt, dank derer sich männliche Mitarbeiter nicht beleidigt fühlt, wenn sie eine Frau als Vorgesetzte haben?“ Die Antwort darauf erhielt sie von einem der wenigen Tagungsteilnehmer. Die Sache mit den Männern und der Gender-Brille brauche einfach „ein bissl Zeit“, berichtete er aus eigener Erfahrung. „Das Bild im Kopf vom Mann muss sich langsam ändern“, meinte er, „und deshalb bitte mit den Männern ein bissl geduldig sein, wenn irgendwo plötzlich eine Frau vorgesetzt wird, das sind wir momentan nicht so schnell gewohnt.“ Der beste Weg, diesen Gewöhnungsprozess zu begleiten, wird es sein, aus den Exotinnen schnellstmöglich die Normalität zu machen. Denn auf den Chefinnensessel gewartet haben Frauen nun wahrlich lange genug.

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„Gute Führungskräfte müssen heute sowohl typisch weibliche als auch typisch männliche Führungseigenschaften besitzen.“ Maria Moser-Simmill, Unternehmensberaterin und Genderexpertin, Linz


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