FRIZZ Das Magazin Frankfurt April 2022

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›› FRIZZ THEMA

SOLIDARITÄT MIT DER UKRAINE

Солідарність з Україною Es ist Krieg in Europa. Der Überfall auf die Ukraine löst eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. (Fast) überall weltweit und auch hier in Frankfurt. Wir listen einige der Initiativen auf, die sich für Geflüchtete einsetzen. ›› Interview und Text: Heidi Zehentner

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m 24. Februar überfällt Wladimir Putin die Ukraine. Tausende Menschen sind auf der Flucht vor Putins Bomben, Tausende fanden den Tod. Und es wird weitere Opfer geben. Dass es jemals wieder Krieg in Europa geben wird, hielten die meisten Menschen für unmöglich. Kaum einer konnte sich vorstellen, dass wirklich wieder zu den Waffen gegriffen wird, um ein Land in die Knie zu zwingen. Mit allen Mitteln, die hierfür zur Verfügung stehen. Der Westen ist fassungslos und reagiert. Auch Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz steht nun für eine Zeitenwende. Deutschland beteiligt sich bei den Waffenlieferungen an die Ukraine. Nicht unumstritten. Setzt

sich doch Deutschland seit Jahrzehnten für eine konsequente Abrüstung ein, als Baustein für eine globale Sicherheitsarchitektur. Die Bundeswehr rückt in den Fokus der Politik. Auch hier werden Gelder fließen, um unsere militärische Abwehr zu stärken. Das Wort „Wehrpflicht“ fällt. Wird der Krieg auch zu uns kommen? Putin droht dem Westen mit dem Einsatz von Atombomben. Nur eine Drohgebärde, zurück zum „Gleichgewicht des Schreckens“ wie in Zeiten des „Kalten Krieges“? Die Regale in den Supermärkten sind stellenweise erschreckend leer. Hamsterkäufe. Öl und Mehl und Hygieneartikel werden in machen Geschäften bereits reglementiert verkauft.

››MYKOLA SAVCHUK

In Russland sollen Tausende in Haft sein, weil sie gegen den Krieg protestiert haben. Hierzulande werden nicht selten russischstämmige Menschen angefeindet. Wir dürfen nicht vergessen, wer für den Überfall auf die Ukraine verantwortlich ist. Es ist nicht ein Land, sondern ein Mann. Eine Frage stellt sich ob der Hilfsbereitschaft so vieler außerdem: Gibt es Flüchtlinge erster und zweiter Klasse, sind jene aus der Ukraine, weil westlich, europäisch geprägt – so hatte es ein britischer Journalist ausgedrückt – willkommener als jene aus Syrien oder Somalia? Dieser Frage werden wir uns stellen müssen, jetzt aber möchten wir helfen und können dies auch tun.

Sachen Richtung polnische Grenze und standen dann dort 14 Stunden in der Schlange. Am Morgen des 25. Februar erreichten wir Polen, am 16. März kamen wir in Frankfurt an. Putin kann entweder durch einen Putsch in Russland oder einen mächtigen weltweiten Angriff auf Russland gestoppt werden. Es scheint, als ob alle von der Seitenlinie aus beobachten, was passieren wird. Angeblich sind alle auf unserer Seite, wollen sich aber nicht einmischen ... Ich möchte den ukrainischen Streitkräften danken, die sich für unse„In der Morgendämmerung des 24. Februar wurden re Sicherheit einsetzen und ihr Leben gefährden, um wir von ungewöhnlichen Geräuschen geweckt. Es die Ukraine zu verteidigen. Es war unglaublich, wie waren russische Raketen, die auf den Flugplatz in schnell sie gelernt haben, mit der militärischen Ausder Nähe unserer Stadt gerichtet sind. Und dann errüstung, die uns von den Vereinigten Staaten, der fuhren wir aus dem Internet, dass der Krieg begonTürkei und den europäischen Ländern zur Verfünen hatte – Russland hatte die Ukraine angegriffen. gung gestellt wurde, umzugehen. Offensichtlich hat Wir mussten weg, um unser Leben zu schützen. Der die russische Führung unsere Armee unterschätzt ... Krieg änderte unsere Normalität bis dahin sofort. Wir vermissen unsere Heimat sehr. In der UkraZum Beispiel wollte kein Taxi von unserer Stadt zur ine haben wir unsere glücklichsten Lebensjahre verGrenze fahren. Wir hatten das Glück, einen Fahrer bracht, dort habe ich meine große Bibliothek und ›› Mykola Savchuk und seine Frau Iryna an der ukrainisch-polnischen zu finden, der allerdings nicht genug Dieselkraftstoff mein Archiv, dort ist die Geige meines Sohnes, dort Grenze am 24. Februar 2022 hatte. Unterwegs gab es lange Schlangen an Tankruhen unsere Vorfahren. Aber jetzt sind wir in stellen, und mancherorts stand geschrieben, dass es weder Benzin noch Diesel Frankfurt, suchen eine Wohnung. Wir alle sind Ihrer Regierung und Ihrem gibt. Am Zoll sahen wir eine riesige Menschenmenge von Autos und FlüchtlinVolk für ihre Gastfreundschaft und ihr Engagement für uns ukrainische gen, also verließen wir das Taxi und liefen noch fünf Kilometer mit unseren Emigrant:innen sehr dankbar.“ Mykola Savchuk lebte in Kolomyja (Westukraine), ist 63 Jahre alt, Absolvent der Journalistischen Fakultät der Universität Lemberg. Schriftsteller, Journalist, Lokalhistoriker, Künstler und jetzt im Ruhestand. Er hat viele Bücher und CDs veröffentlicht. Er flüchtete mit seiner Frau Iryna und dem 14-jährigen Sohn Ostap vor dem Krieg nach Deutschland zu ihrem ältesten Sohn, der bereits hier lebt und arbeitet.

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