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und Schminke dem nachfastnächtlichen Alltag zum Opfer fielen, waren viele Menschen in meinem privaten und beruflichen Umfeld der Meinung, der Kinnbart sähe gut aus und ich solle ihn dran lassen. Gesagt getan, ich bin bis heute nicht unglücklich über diese Entwicklung. Es gibt eine schöne Anekdote dazu: seit ich auch Kinnbart trage, habe ich mir in einigen Kreisen den Spitznamen d’ Artagnan eingehandelt. Jener furchtlose Mantel- und Degenkämpfer aus der Romanverfilmung von Alexandre Dumas, dessen größter Wunsch es war, an der Seite von Athos, Aramis und Porthos als Musketier für seinen König Gerechtigkeit unter das Volk zu bringen. Witziger Weise ist d’ Artagnan der einzige von den Vieren, der GAR KEINEN Bart hat.
offenBART Wie man(n) die Gesichtsbehaarung im Zaum hält Barbier, Herrenfriseur oder Trockenscherer, die Kunst und der Kult rund um Voll-, Schnauz- oder Drei-Tage-Bart kennen (wortwörtlich) viele Gesichter und Namen. Die Pflege und Hygiene der männlichen Gesichtsbehaarung hat an Signifikanz und Geltungsstatus gewonnen – getreu dem Motto „wer etwas auf sich hält, der trägt... und zwar Bart“! Schon Rossini hat um des Männerbartes Stellenwert gewusst und dem Beruf des professionellen Gesichtshaartrimmers eine ganze Oper gewidmet. Die Rasur und ihre Professionalisierung finden bereits im alten Ägypten, Griechenland sowie im alten Römischen Reich ihre Anfänge als das Tragen von Bärten und langem Haar eine erste Hochphase erlebte. Auch wenn sich die Rasur - im Vergleich zur Antike - in den Materialien der verwendeten Werkzeuge unterscheidet, so wurden die grundlegenden Techniken weitestgehend übernommen und weiterentwickelt. Nachdem der gemeine Barbier zwischenzeitlich von Unisex-Friseursalons nahezu vollständig abgelöst wurde, erleben Barbershops neuerdings eine Renaissance. Immer mehr Salons spezialisieren sich wieder auf Flat Top Boogies, Junior Pomps, Balbo, Mutton Chops, Ziegenbart, Backenbart, Vollbart, Balbo, Soul Patch, Schifferkrause, Kinnrahmen, Schnauzbart & Co., Herren(bart)frisuren, die es zu pflegen gilt. Gentleman-Salons sind Treffpunkt für die Herren der Schöpfung: „Männer und Hunde erlaubt, Frauen nicht!“ Ob mit Faden, Schere, Rasierer (elektrisch oder analog), Rasiermesser oder dem Feuerzeug...den Herren, pardon, ihren Haaren geht es an den Kragen. Auch Darmstadts Prominenz ist auf den Bart gekommen und drei Herren dieser prominenten Schöpfung haben sich uns offenBART:
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Foto: Tarik Calgici
Traditions-Gastronom Bernd Salm ist gewohnheitsmäßiger Zwirbler und könnte sich rein optisch in die Riege der drei Musketiere einreihen. Er hat sich wagemutig unseren Fragen zum Thema Bart gestellt.
Wie lange genau tragen Sie schon Ihren Bart und wie kam es dazu, dass Sie ihn genau in dieser Form und nicht anders (z.B. Vollbart) tragen? Den Bart trage ich, so lange mir Haare im Gesicht wachsen. Das dürfte so seit meinem sechzehnten Lebensjahr der Fall gewesen sein. In diesem Jahr bin ich fünfzig geworden, also trage ich ihn über alle Moden hinweg seit 36 Jahren. Ohne Unterbrechung! Vorbild für den Oberlippenbart war wohl mein Vater. Auch ihn habe ich in meinem ganzen Leben noch nie „Oben ohne“ gesehen.
Bereitet ein/Ihr Bart evtl. Schwierigkeiten bei den alltäglichen Dingen des Lebens (z.B. bei der Einverleibung von Speisen, bei der Beantragung eines Personalausweises - Stichwort: biometrisches Passbild - o.ä.)? Nein. Voraussetzung dafür ist aber meines Erachtens die entsprechende tägliche Pflege des Bartes.
Könnten Sie sich eine Zukunft ohne Bart vorstellen? Die Zukunft ohne Bart ist durchaus vorstellbar! Ich habe immer gesagt, wenn ich einmal vier Wochen am Stück verreise, dann rasiere ich den Bart am ersten Tag ab. Dann bleibt, wenn es mir nicht gefällt, noch genug Zeit zum Nachwachsen. Da ich allerdings noch nicht einmal eine Woche am Stück schaffe, ist das reine Hypothese. Man sagt ja auch, dass man ohne Bart jünger aussieht. Wenn ich mal siebzig bin, nehme ich ihn ab, um dann wieder so auszusehen wie heute. Tolle Erfindung so ein Bart!
Gab es einen bestimmten Grund für die Entscheidung, fortan Bartträger zu werden (hatte es rein ästhetische Gründe, ist der Bart anfangs evtl. Ergebnis einer Wette gewesen oder ist er sogar eine Art „Glücksbringer“)? Shakespeare hat einmal gesagt: “Wer einen Bart hat, ist mehr als ein Jüngling, und wer keinen hat, weniger als ein Mann!“ Wenn ich mich recht erinnere empfand ich als Teenager das Tragen eines Bartes als DAS Attribut eines „richtigen Mannes“. Es war zudem die Zeit solcher legendärer Persönlichkeiten und Oberlippenbartträger wie dem amerikanischen Ausnahmeschwimmer und siebenfach Olympiasieger von München, Mark Spitz, und natürlich auch unvergessen Tom Selleck in seiner Rolle als hawaiianischer Privatdetektiv und Ferrari-Liebhaber Thomas Magnum. Der Kinnbart ist erst vor drei Jahren neu hinzu gekommen. Er war tatsächlich Bestandteil einer Fluch-der-Karibik-Faschingsverkleidung als Captain Jack Sparrow. Nachdem Perücke, Kostüm
Foto: Christian Grau
Shaqua Spirit-Gitarrist Lazaros Dimitriou ist ein Exempel für zeitgenössischen, bärtigen FRIZZ Das Magazin 9.2015